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Rationalisierung und Automatisierung


Inhaltsübersicht
I. Begriffslogik und Etymologie
II. Geschichte und Treiber
III. Differenzierungsmöglichkeiten und Anwendungsformen: Ebenenmodell zur Rationalisierung und Stufenmodell zur Automatisierung
IV. Bewertungszusammenhänge

I. Begriffslogik und Etymologie


Wie alle deutschen Begriffe auf „ ung “ kennzeichnen Rationalisierung und Automatisierung sowohl einen aktuellen Zustand (Status) als auch einen Verlauf (Prozess). Das Grundverständnis beider Begriffe ist damit gestaltungsorientiert, d.h. aus der Diagnose realer Zustände sollen verbesserte Zustände abgeleitet und umgesetzt werden. Der Terminus Rationalisierung geht zurück auf die lateinische Wurzel ratio = Vernunft und könnte demgemäß etwa als vernünftige Gestaltung aufgefasst werden. Das Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft (RKW) verwendet insoweit völlig korrekt die Definition: Rationalisierung heißt vernünftig gestalten (Hoß, Dietrich/Schrick, Gerhard 1996).
Wird als Gestaltungsfeld der Rationalisierung die Wirtschaftspraxis eingeführt und werden die Theoriesysteme der Technik-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften verwendet, so wird unter Rationalisierung allgemein der Ersatz herkömmlicher Vorgehensweisen durch zweckmäßigere und besser durchdachte Vorgehensweisen zur Verbesserung bestehender Zustände verstanden. Geht es dabei um organisatorische Intervention, so ist Rationalisierung als Sammelbegriff für ein heterogenes Instrumentarium zur Gestaltung des Zusammenwirkens der Produktionsfaktoren gemäß dem ökonomischen Prinzip aufzufassen. Geht es um den technischen Aspekt, so resultiert quasi zwangsläufig der Begriff der Automatisierung in weiter Überdeckung zur technischen Rationalisierung. Automatisierung ist demnach die Einrichtung von Vorgängen der Technik in der Weise, dass sie selbsttätig ablaufen. Selbsttätig heißt, dass menschliche Interventionen in Form von energetischer Einwirkung (Handarbeit) bzw. informatorischer Einwirkung (Kopfarbeit) ergänzt, ersetzt oder erleichtert werden, um evolutionsbedingte Grenzen des Menschen in der Arbeitswelt zu überwinden.

II. Geschichte und Treiber


Um nicht als Betrieb vom Markt verdrängt zu werden und damit unterzugehen, sind die Organisationsformen von Arbeits- und Wertschöpfungsprozessen (Rationalisierung) und die Verwendung technischer Sachsysteme (Automatisierung) laufend zu überprüfen und den Wettbewerbsanforderungen anzupassen.
Rationalisierung und Automatisierung haben in allen entwickelten Industriegesellschaften bis in die jüngsten Tage eine bewegte Geschichte hinter sich. Das in der Geschichte identifizierbare Grundmuster ist die horizontale und vertikale Arbeitsteilung. Schon in den Manufakturen zu Beginn der industriellen Revolution wurden die zur Herstellung eines Produkts notwendigen Arbeitsgänge von einer handwerklichen Gesamtarbeit in einzelne spezielle Verrichtungen entwickelt, wobei wirkungsanalytisch folgende Effekte hervorgehoben werden können:

1.

Dispositive Arbeit wird von objektbezogener Arbeit getrennt, diese prozessanalytisch aufgegliedert.

2.

Bei gleichem Volumen eingesetzter Arbeitskraft wird eine deutlich gesteigerte Mengenleistung bewirkt.

3.

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber nur die jeweils genau für die einzelnen Verrichtungen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade benötigte Qualifikation von Arbeitskräften einkaufen (Babbage-Prinzip der Entlohnung).


Natürlich ist Arbeitsteilung auch die logische Voraussetzung für die Entwicklung und den Einsatz von Produktionsmaschinen. Erst eine genaue Verrichtungsanalyse ermöglicht den Entwurf von Arbeitsmaschinen (Mechanisierung und Automatisierung), die eine weitere Steigerung der Mengenleistung erwarten lassen. Erste Anwendungen betrafen Textilmaschinen und einfache Werkzeugmaschinen in der Metallbearbeitung.
Wesentliche Neuerungen in Richtung vertikaler Arbeitsteilung wurden anschließend von Taylor in seinen „ Grundsätzen wissenschaftlicher Betriebsführung “ ausgeführt (Taylor, Frederik Winslow 1913). Dabei wurde der Grundgedanke der Trennung von Planung und Ausführung übernommen, aber das implizite Wissen über Arbeitsprozesse, das ehemals Besitzstand der Arbeitspersonen war, externalisiert und zur minuziösen Planung einer für alle verbindlichen Ausführungsform verwendet. Diese Form der „ Produktionsmodellierung “ hatte deutliche Einflüsse auf die „ Produktmodellierung “ : Produkte und ihre Baugruppen sowie die Prozesse ihrer Herstellung wurden systematisch vereinfacht und standardisiert. Obwohl bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelt, herrscht dieses Rationalisierungsmodell für die kundenanonyme Massenfertigung auch heute noch vielfach vor.
Eine andere Entwicklung vollzog sich in der auftragsgebundenen Kleinserienfertigung, z.B. im Maschinenbau, wo Kundenanforderungen nach zeitlicher und inhaltlicher Struktur die Entwicklung bestimmten. Flexible Produktgestaltung erforderte flexible Fertigungsprozesse, d.h. überwiegend universale, leicht umrüstbare Werkzeugmaschinen, zwischen denen der Materialtransport von Hand bewerkstelligt wurde. Arbeitsteilung in den mechanischen Werkstätten fand nach dem Verrichtungsprinzip (Bohren, Fräsen, Drehen etc.) statt, wobei in den Werkstätten spezialisierte Facharbeiter nach präzisen Arbeitsplänen mit Zeitvorgaben aus der „ Arbeitsvorbereitung “ tätig wurden (Brödner, Peter 2004).
In den 1970er-Jahren wurden Rationalisierung und Automatisierung durch Experimente mit Humanisierungscharakter bestimmt. Diese Entwicklung wurde begründet durch den Widerstand der Arbeitspersonen gegen „ tayloristische “ Strukturen auf der Ebene objektbezogener Arbeit.
Durch vertikale Arbeitsteilung waren „ Wasserköpfe “ in den Planungsbereichen entstanden, gegen die zusammen mit den Prinzipien soziotechnischer Arbeitsgestaltung eine Reintegration von Arbeitsaufgaben in operative Bereiche, eine horizontale Erweiterung und vertikale Bereicherung von Arbeit mit größerem Handlungsspielraum betrieben wurde. Gruppenarbeit in der Automobilindustrie, in der Produktion von Hausgeräten, in der Textilindustrie etc. waren eine europaweite Entwicklung, die zeitweise von Schweden angeführt wurde. Für die Kleinserienfertigung ging die Entwicklung in Richtung Fertigungsinseln, in denen Arbeitsplanung, Auftragsdisposition, NC-Programmierung, Werkzeug- und Vorrichtungsverantwortung, Qualitätsverantwortung, Terminverantwortung etc. wieder zusammengefasst wurden. Logistische Kennziffern aus unterschiedlichen Bereichen belegten den Erfolg dieser Rationalisierungsstrategie.
In den 1980er-Jahren wurden statt einzelner Arbeitsvorgänge ganze Geschäftsprozesse und Organisationen in Richtung auf IT-Unterstützung in den Blick genommen. Indizien sind die rasche Verbreitung von CNC-Werkzeugmaschinen in der Fertigung, die Zusammenführung von Materialwirtschaft und Zeitwirtschaft in der technischen Auftragsentwicklung in Form von Produktions-Planungs- und Steuerungssystemen, die Produktmodellierung in Konstruktion und Entwicklung mit CAD-Systemen auf der Basis rechnerinterner 3-D-Darstellungen in Kombination mit statischen und dynamischen Festigkeitsberechnungen sowie Stücklistenerstellung etc. Sogar das Vorgehen beim Konstruieren wurde in wissensbasierten Systemen implementiert, so z.B. in Konstruktionsanalyse und Leitsystemen. Da alle Systeme auf in etwa den gleichen Datenstamm angewiesen waren, war es nahe liegend, auf der Basis relationaler Datenbanken und vereinbarter Daten- und Programmschnittstellen umfassende Systeme rechnerintegrierter Produktion (Computer Integrated Manufacturing) zu entwickeln. Damit wurde die Leitidee der nahezu menschenleeren CIM-Fabrik Triebkraft von Rationalisierung und Automatisierung. Trotz aller Erfolge stießen CIM-Produktionsstrukturen an ihre Grenzen, sobald Marktbedingungen höhere Flexibilitätsanforderungen stellten.
Die mit dieser Diagnose ausgelöste Entwicklungsrichtung will wandlungsfähige und lernende Arbeits- und Wertschöpfungssysteme auf den ganz anderen Prinzipien objektorientierter Organisationen verwirklichen. Arbeitsteilung wird zurückgeführt durch Aufgabenintegration, Autonomie wird eingeführt, wobei allerdings Zielvereinbarungen die allgemeine Direktive geben, breite Qualifikation und Handlungskompetenz sind Konsequenzen für die Personalentwicklung. Weitgehend autonome, sich selbst steuernde Wertschöpfungseinheiten in Gestalt von Fertigungsinseln oder Fertigungszellen, von produktorientierten Auftrags- und Vertriebsinseln wie auch von integrierten Produktentwicklungs-Teams (Concurrent Engineering) entstanden, die wegen ihrer Humanressourcen-Orientierung auch als „ anthropozentrische Produktionssysteme “ (Brödner, Peter 1986) bezeichnet wurden. Neuerdings (seit 2000) wird das als „ beschäftigungsorientierte Rationalisierung “ bezeichnet (Lay, Gunter et al. 2001).
In den 1990er-Jahren sind klare Entwicklungslinien der Rationalisierung nicht identifizierbar: Moden und Mythen des Organisierens (Kieser, Alfred 1996) beherrschten das Bild. Deren Spektrum reichte vom Business-Process-Reengineering über Total Quality Management und Time-based-Management bis hin zur Fraktalen Fabrik und Lernenden Organisation.
Parallel entstand mit dem Internet ein neues universales und interaktives Medium der Wissensverarbeitung, das eine Senkung der Transaktionskosten beim Leistungsaustausch versprach. Damit wurden neue Entwicklungsrichtungen von Rationalisierungsstrategien und Automatisierungsansätzen eingeleitet. Unternehmensnetzwerke und Telekooperation ermöglichen die Kompetenzbündelung auf Kernkompetenzen, die Zusammenführung von Einzelfunktionen und Tätigkeiten zu „ Geschäftsprozessen “ beschleunigen intern wie extern die Abläufe, Supply Chain Management (SCM) gestaltet die logistischen Prozesse entlang der Wertschöpfungskette in externen Kooperationsbeziehungen, ERP-Systeme entwickeln sich aus PPS-Systemen und werden weiterentwickelt zu APS-Systemen zur Optimierung internen Ressourcenverzehrs etc. Diesem funktionalistischen Ansatz entgegengerichtet sind eher philosophische Rationalisierungsstrategien, die von einer Unternehmenskulturentwicklung als der Gesamtheit der durch Gewohnheit und Praxis entstandenen Sichtweisen, Einstellungen und Handlungsmuster ausgeht, ebenso wie Überlegungen zur „ Innovationskultur “ , zu deren Verwirklichung die Betriebsgemeinschaft durch gemeinsames Lernen und Erproben neuer Handlungsmuster eingefahrene, aber nicht mehr passende Pfade verlassen muss.
Basis solcher Entwicklungen ist Vielfalt in den Wissensbasen, die über E-Ansätze in die Unternehmen gelangen. So gesehen ist E-Business keine Revolution, sondern ein anderer effektiver Weg der Rationalisierung, d.h. ein „ Enabler “ , der inter- und intra-organisationale Leistungsprozesse zu integrieren hilft und sie dadurch effizienter gestaltet. Zukunftsvision ist der Vollzug von Wertschöpfungsaktivitäten in dynamischen Netzwerken von Unternehmen.

III. Differenzierungsmöglichkeiten und Anwendungsformen: Ebenenmodell zur Rationalisierung und Stufenmodell zur Automatisierung


Eine Gliederung von arbeitswissenschaftlichen Problemen und Lösungsbeiträgen – auch solcher zu Rationalisierung und Automatisierung – kann anhand eines in Abb. 1 dargestellten Ebenenkonzepts von Arbeitsprozessen vorgenommen werden (Luczak, Holger/Volpert, Walter 1987).
Rationalisierung und Automatisierung
Abb. 1: Betrachtungsebenen von Arbeitsprozessen (aus Luczak, Holger/Volpert, Walter 1987)
1. Anatomie und Physiologie des Menschen; Physik und Chemie der Arbeitsumgebung. Rationalisierungsansätze: Vermeiden von Störungen des Gleichgewichts zwischen Funktion und Regeneration von Organsystemen, um Leistungseinbußen zu vermeiden. Z.B. optimale energetische Wirkungsgrade, Einhaltung von Dauerleistungsgrenzen, Berücksichtigung von Rhythmologie bei der Arbeitszeitgestaltung. Bei Überschreitung von humanen Leistungs- und Schädigungsgrenzen Automatisierung zwingend (Rohmert, Walter/Rutenfranz, Josef 1983).
2. Elementare Psychophysik und Anthropometrie; Maße, Massen, Kräfte des Menschen. Rationalisierungsansätze: Operationen mit Werkzeugen und an Maschinen zeit- und fehlerökonomisch gestalten, Bewegungsverdichtung und -vereinfachung durch Systeme vorbestimmter Zeiten (SVZ), Biomechanik mit CAD-Mensch-Modellen, Anzeigen und Bedienteilegestaltung nach menschlicher Informationsverarbeitung (Boff, Kenneth/Lincoln, Janet 1986).
3. Psychische Prozesse der Handlungsregulation, Systembetrachtung von Arbeitsplätzen. Rationalisierungsansätze: Kognitive Modellierung/Cognitive Engineering der Mensch-Rechner-Interaktion (Rasmussen, Jens 1986), Arbeits- und Zeitstudium (REFA, 1993) für das Zeitgerüst des Arbeitsablaufs (Mensch, Betriebsmittel, Arbeitsgegenstand) und Identifikation von Automatisierungslücken.
4. Arbeitspersonorientierung mit Motivation, Qualifikation, Sozialisation. Rationalisierungsansatz: Technische Sachsysteme als Ergänzungs- und Verstärkungstechnik auslegen, z.B. Konstruieren mit CAD, Arbeitsvorbereitung mit PPS/ERP, Werkstattsteuerung mit CNC und Betriebsdatenerfassung (BDE), Qualitätssicherung mit CAQ etc. (Luczak, Holger 1998).
5. Zusammenwirken von Arbeitspersonen mit Kooperation, Koordination, Kommunikation. Rationalisierungsansatz: Muster von Gruppenarbeit, lernender Organisation, Fertigungssegmentierung etc. nutzen; CSCW-Systeme, Telekooperations- und Telearbeitssysteme zur IT-Kopplung von Arbeitsprozessen, Workflow-Management (Schwabe, Gerhard/Streitz, Norbert/Unland, Rainer 2001).
6. Interaktion betrieblicher Funktionsbereiche und gesamtbetriebliche Arbeitsbeziehungen. Rationalisierungsansatz: Einführung von APS- und ERP-Systemen, Folgen dem Leitgedanken von CIM mit datentechnischer Vernetzung betrieblicher Einzelfunktionen; Objekt- und Prozessorientierung als Organisationsgrundlagen etc. (Luczak, Holger/Eversheim, Walter 1998).
7. Zusammenwirken von Betrieben, Produktionsnetzwerken, E-Business. Rationalisierungsansatz: Konzentration auf Kernkompetenzen, Bildung von Supply-Chains und Einkopplung in SCM-Systeme, Verbindung von Wertschöpfungseinheiten (Value Nets), Senkung von Transaktionskosten durch Internet-Based-Business Collaboration Infrastructures etc. (Forzi, Tomaso/Luczak, Holger 2002).
Stufenmodelle der Mechanisierung und Automatisierung in der Produktion werden üblicherweise als so bezeichnete Technisierungsstufen in Zusammenhang mit manueller Ausführung von Arbeitsfunktionen diskutiert (Kirchner, Johannes 1972).
Skalierendes Merkmal der Technisierungsstufen ist die Realisierung der Teilfunktionen eines Arbeitssystems hinsichtlich Einwirkung, Lenkung und Überwachung durch Menschen (Arbeitspersonen) bzw. technische Sachmittel (Werkzeuge, Geräte, Maschinen etc.).
Bei manueller Ausführung werden keine technischen Energieformen eingesetzt und der Prozess durch den Menschen gesteuert bzw. geregelt. Arbeitsvereinfachung und Leistungssteigerung werden durch wirksameren Einsatz der Körperkräfte und durch Reduktion des informatorischen Aufwands erreicht.
1. Handarbeit ohne Hilfsmittel: Einsatz von Gliedmaßen und Sensorik des Menschen, z.B. freies Formen von Ton
2. Arbeitstechnisch-rationalisierte Handarbeit (I): Einfacher Werkzeugeinsatz, z.B. Säge, Hammer etc.
3. Arbeitstechnisch-rationalisierte Handarbeit (II): Einschränkung des informatorischen Aufwands der Lenkung, z.B. Schablonen, Gehrungssäge etc.
4. Potenziell-mechanisierte Handarbeit (I): Verbesserung der energetischen Einwirkung, z.B. Handbohrmaschine mit Kurbeltrieb, Dreh- und Drillschrauber etc.
5. Potenziell-mechanisierte Handarbeit (II): Mechanische Führung von Werkzeug oder Werkstück, z.B. menschbetriebene Werkzeugmaschinen.
Durch die Einbeziehung einer mechanischen Führung in das technische System erfolgt der Übergang vom mechanischen Werkzeug zur Maschine. Typische Vertreter sind hand- oder fußbetriebene Werkzeugmaschinen. Soweit nicht tierische Antriebssysteme oder Wasser- bzw. Windkraft eingesetzt wurden, kam solchen Maschinen vom Mittelalter bis zum Beginn der Industriealisierung erhebliche Bedeutung zu. Auch hier wäre die Mechanisierung durch bloßes Hinzufügen einer Antriebsmaschine möglich.
Mechanisierung bedeutet die Substitution menschlicher durch technische Energieformen. Auch hier kann der informatorische Aufwand zwar eingeschränkt werden, es erfolgt aber keine Substitution menschlicher Informationsverarbeitung im Sinne einer technisch realisierten Steuerung oder Regelung.
6. Effektive Mechanisierung (I): Antrieb durch technische Energieformen, z.B. elektrische Handbohrmaschine.
7. Effektive Mechanisierung (II): Integration mechanischer Führung, z.B. Werkzeugmaschine mit handgetriebener Zustellung und Vorschub.
8. Mechanisierung mit technischem Rezeptor: Erfassung von Prozessparametern außerhalb der menschlichen Wahrnehmung (zu klein, zu schnell/keine relevanten Sinne (elektrische Spannung, Röntgenstrahlung)).
Die Automatisierung ist dadurch gekennzeichnet, dass über die Mechanisierung hinaus auch die Lenkung des Prozesses durch das technische System erfolgt. Differenziert wird nach dem Umfang der Lenkungsaufgaben, die das technische System übernimmt.
9. Funktionsautomatisierung: Einzelfunktionen der Programmlenkung beim Menschen, z.B. Werkzeugmaschinen mit automatischem Vorschub ohne Endschalter.
10. Programmautomatisierung mit Abschaltautomatik: Selbsttätige Prozessbeendigung, z.B. Zeitsteuerung, Sensorik zum Arbeitszustand etc.
11. Programmautomatisierung mit Folgeautomatik: Ablaufsteuerung durch Schrittschaltwerke, Steuerscheiben, hydraulische und pneumatische Steuerungssysteme, Mikroprozessoren oder komplexe CNC-Steuerungen.
Diese eher klassische Diskussion zur Unterscheidung von Technisierungsstufen (Kirchner, Johannes 1972) verschiebt sich seit den späten 1960er-Jahren in Richtung automatisierte Systeme mit integraler Informationstechnologie, d.h. weg von manuellen bzw. kontinuierlichen Tätigkeiten der Prozessführung hin zu Planungs-, Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten des Menschen. Dieses Phänomen ist nicht spezifisch für den Fertigungsbereich, sondern z.B. auch in der Verfahrenstechnik, Energieerzeugung, Flugzeugführung oder Raumfahrt zu beobachten.
Allgemein werden personenzentrierte Forschungsarbeiten in diesem Kontext unter dem Konzept der „ überwachenden Prozessregelung “ (Sheridan, Thomas 2002) subsumiert. Hierunter versteht man, dass ein Operateur oder mehrere Operateure intermittierend oder kontinuierlich programmieren und kontinuierlich Informationen von Computern erhalten, die ihrerseits durch künstliche Sensoren und Effektoren autonome Regelschleifen zum geregelten Prozess bzw. Aufgabenzusammenhang bilden (Schmidt, Ludger/Luczak, Holger 2004).

IV. Bewertungszusammenhänge


Rationalisierungstrends werden heute über betriebliche Kennzahlensysteme ausgelöst und verfolgt. Aktuelle Beispiele sind Benchmarking-Ansätze (Luczak, Holger/Wiendahl, Hans-Peter/Weber, Jürgen 2003) oder Balanced Scorecards (Kaplan, Robert S./Norton, David P. 1992).
Die technozentrische Leitidee einer Vollautomatisierung mit menschenleerer Fabrik hat ausgedient:
1.) Mangelnde Flexibilität eines hohen Automatisierungsniveaus führte letztlich zur Gegenbewegung der „ beschäftigungsorientierten Rationalisierung “ – ein Konzept, das in der Produktionsgestaltung wieder auf mehr und qualifizierten Einsatz von Arbeitspersonen setzt. Empirisch ist dieses Konzept bereits in einem Drittel der Firmen der Investitionsgüterindustrie nachweisbar (Lay, Gunter et al. 2001).
2.) Schon Bainbridge verwies in ihren „ Ironies of Automation “ (Bainbridge, Lisane 1987) auf die Logik, dass vollautomatische Systeme im Normalbetrieb ihre Operateure unterfordern, sie im Störungsfall aber überfordern, was zu mangelnder Wirtschaftlichkeit à la Halle 54 bei VW oder zu desaströsen Konsequenzen à la Tschernobyl führen kann.
So gesehen landen Rationalisierungs- und Automatisierungskonzepte gelegentlich in einer Sackgasse, wenngleich insgesamt ihre positive Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung unbestritten ist.
Literatur:
Bainbridge, Lisane : Ironies of Automation, in: New Technology and Human Error, hrsg. v. Rasmussen, Jens/Duncan, Keith/Leplat, Jacques, New York 1987, S. 271 – 283
Boff, Kenneth/Lincoln, Janet : Engineering Data Compendium: Human Perception and Performance, New York 1986
Brödner, Peter : Betriebliche Rationalisierungsstrategien und Einsatz technischer Systeme, in: Ingenieurpsychologie, hrsg. v. Zimolong, Bernhard, Göttingen 2004, S. 943 – 981
Brödner, Peter : Fabrik 2000: Alternative Entwicklungspfade in die Zukunft der Fabrik, Berlin 1986
Forzi, Tomaso/Luczak, Holger : E-Business: Status Quo and Perspectives, in: WWDU 2002 – Work with Display Units – Worldwide Work, hrsg. v. Luczak, Holger/Cakir, A. & G., Berlin 2002, S. 494 – 496
Hoß, Dietrich/Schrick, Gerhard : Wie rational ist Rationalisierung heute? Ein öffentlicher Diskurs anläßlich des 75-jährigen Jubliläums des Rationalisierungs-Kuratoriums der deutschen Wirtschaft (RKW) e.V., Vorwort, Stuttgart 1996
Kaplan, Robert S./Norton, David P. : The Balanced Scorecard – Measures that Drive Performance, in: HBR, Jg. 70, H. 1/1992, S. 71 – 79
Kieser, Alfred : Moden und Mythen des Organisierens, in: DBW, Jg. 56, 1996, S. 21 – 39
Kirchner, Johannes : Arbeitswissenschaftlicher Beitrag zur Automatisierung, Berlin 1972, Schriftenreihe Arbeitswissenschaft u. Praxis Bd. 23
Landau, Kurt/Luczak, Holger : Ergonomie und Organisation der Montage, München 2001
Lay, Gunter : Zurück zu neuen Ufern – Rücknahme des Automatisierungsniveaus in deutschen Unternehmen auf breiter empirischer Basis belegt, in: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, Jg. 96, 2001, S. 399 – 405
Luczak, Holger : Arbeitswissenschaft, 2. A., Berlin 1998
Luczak, Holger/Eversheim, Walter : Produktionsplanung und -steuerung, Berlin 1998
Luczak, Holger/Wiendahl, Hans-Peter/Weber, Jürgen : Logistik-Benchmarking, 2. A., Berlin 2003
Luczak, Holger/Volpert, Walter : Arbeitswissenschaft – Kerndefinition – Gegenstandskatalog – Forschungsgebiete, RKW – Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft e.V., Eschborn 1987
Rasmussen, Jens : Information Processing and Human-Machine Interaction, New York 1986
REFA, : Methodenlehre der Betriebsorganisation, Teil 2: Datenermittlung, München 1993
Rohmert, Walter/Rutenfranz, Josef : Praktische Arbeitsphysiologie, Stuttgart 1983
Schmidt, Ludger/Luczak, Holger : Prozeßführung und Überwachung in komplexen Mensch-Maschine-Systemen, in: Ingenieurpsychologie, hrsg. v. Zimolong, Bernhard, Göttingen 2004
Schwabe, Gerhard/Streitz, Norbert/Unland, Rainer : CSCW-Kompendium – Lehr- und Handbuch zum computergestützten kooperativen Arbeiten, Berlin 2001
Sheridan, Thomas : Humans and Automation, Santa Monica 2002
Taylor, Frederik Winslow : Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung, München 1913

 

 


 

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