Sonderposten mit Rücklageanteil
Inhaltsübersicht
I. Begriff
II. Handels- und steuerrechtliche Regelung
III. Ansatz
IV. Ausweis
V. Bewertung
VI. Prüfung
I. Begriff
Der Sonderposten mit Rücklageanteil ist nicht im Bilanzgliederungsschema des § 266 HGB aufgeführt, er gehört weder zum originären Bilanzinhalt des § 247 I HGB noch zu den Bilanzierungshilfen. Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit beruht allein auf § 247 III Satz 1 HGB, wonach in der Bilanz Passivposten gebildet werden dürfen, die für Zwecke der Steuern vom Einkommen und Ertrag zulässig sind. Auf diese Weise erfolgt ein korrespondierender Ausweis ertragsteuerlicher Subventionen in der Handelsbilanz, womit die Voraussetzung des § 5 I Satz 2 EStG zu deren Inanspruchnahme erfüllt ist. In Höhe der aufgeschobenen Steuerzahlungen setzt sich der Sonderposten mit Rücklageanteil auch aus Fremdkapital zusammen, weshalb er häufig als „ Mischposten “ bezeichnet wird. Dem entspricht auch die Praxis der externen Bilanzanalyse, die regelmäßig aus Vereinfachungsgründen eine hälftige Aufteilung in Eigen- und Fremdkapital vornimmt.
II. Handels- und steuerrechtliche Regelung
1. Handelsrecht
Die durch § 247 III HGB erfolgte Öffnung der Handelsbilanz für originär steuerrechtliche Sachverhalte wird nach § 273 Satz 1 HGB für Kapitalgesellschaften auf jene Fälle beschränkt, in denen das Steuerrecht die Anerkennung bei der steuerlichen Gewinnermittlung davon abhängig macht, dass der Sonderposten mit Rücklageanteil auch in der Handelsbilanz ausgewiesen wird. Gleiches gilt nach § 279 II HGB auch dann, wenn über das Maß der §§ 253, 279 I HGB hinausgehende steuerrechtliche Abschreibungen i.S.v. § 254 HGB unter Ausübung des in § 281 I Satz 1 HGB gewährten Ausweiswahlrechts nicht aktivisch, sondern indirekt durch Einstellung in den Sonderposten mit Rücklageanteil vorgenommen werden. Wegen der daraus erwachsenen Verbesserung der Bilanztransparenz (§ 243 II HGB) steht dies trotz fehlender ausdrücklicher Kodifizierung auch Personengesellschaften offen. Soweit diese dem PublG unterfallen, ist auch § 273 HGB zu beachten, wohingegen § 279 HGB gemäß § 5 I Satz 2 PublG nicht anwendbar ist.
Nach § 270 I Satz 2 HGB sind Einstellungen in den Sonderposten mit Rücklageanteil sowie dessen Auflösung der Gewinnentstehung zuzurechnen und fallen demzufolge in die Kompetenz der Geschäftsführung. Die in Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang zu erbringenden Ausweispflichten regeln §§ 281 II, 285 Nr. 5 HGB.
2. Steuerrecht
Die handelsbilanzielle Abbildung aufgeschobener Steuerzahlungen mittels Sonderposten mit Rücklageanteil kann zunächst auf unversteuerten Rücklagen beruhen, in denen Gewinne zeitlich begrenzt aufgenommen werden, so aus der Einnahme von im Voraus gewährten Zuschüssen (R 34 IV EStR), der Aufdeckung stiller Reserven (§ 6b III EStG, R 35 IV EStR), der erstmaligen Anwendung des Wertaufholungs- bzw. Abzinsungsgebots des § 6 I Nr. 1 bis 3a EStG (§ 52 XVI EStG), der vorzeitigen Berücksichtigung künftiger Anschaffungs- und Herstellungskosten bei kleinen und mittleren Unternehmen (§ 7g III EStG), der Vereinigung gegenseitiger Forderungen und Verbindlichkeiten (Konfusion) bei Umwandlungsvorgängen (§ 6 I UmwStG), der Veräußerung von Anlagevermögen bei Stilllegungen im Steinkohlebergbau oder der Nutzung von Kalamitäten (§ 3 I Forstschädenausgleichsgesetz).
Weiterer Bestandteil von Sonderposten mit Rücklageanteil sind Wertberichtigungen, wobei es sich um die passivisch erfassten Unterschiedsbeträge zwischen der handelsrechtlich zulässigen und der niedrigeren steuerrechtlichen Bewertung von Wirtschaftsgütern handelt. In Frage kommen sowohl Sonderabschreibungen (z.B. § 7g I EStG, § 82f EStDV, erhöhte Absetzungen (z.B. § 7 i EStG) als auch Bewertungsabschläge (z.B. § 6b I EStG, R 34 II, 35 III EStR).
III. Ansatz
1. Einzelabschluss
Um eine Ausschüttung temporärer Steuervorteile zu verhindern, kommt für Kapitalgesellschaften gemäß §§ 273 Satz 1 i.V.m. 279 II HGB die Bildung eines Sonderpostens mit Rücklageanteil nur bei vorliegender Umkehrmaßgeblichkeit in Betracht. Da diese in § 5 I Satz 2 EStG umfassend kodifiziert ist, bedarf es keiner ausdrücklichen Erwähnung in den einzelnen steuerrechtlichen Normen. Der Gesetzgeber hat gegenwärtig nur bei der Steinkohlestilllegungsrücklage ausdrücklich auf den Ausweis der Steuervergünstigung in der Handelsbilanz verzichtet, weshalb in diesem Fall die hinausgeschobene Steuerbelastung i.S.v. § 274 I HGB passiv abzugrenzen ist. Für die Bilanzierung des verbleibenden Eigenkapitalanteils kommt die Rücklage nach § 58 IIa AktG bzw. § 29 IV GmbHG in Frage.
Bei Personengesellschaften korrespondiert Bildung und Auflösung des Sonderpostens mit Rücklageanteil dem gegenüber nicht in allen Fällen mit dem steuerbilanziellen Ansatz: So fehlt den gemäß § 6 I Nr. 1 bis 3a EStG auszuweisenden Wertaufholungs- bzw. Abzinsungsgewinnen eine handelsbilanzielle Entsprechung, weshalb diese auch nicht für eine Ausschüttung zur Verfügung stehen. Folgerichtig erkennt die Finanzverwaltung eine gemäß § 52 XVI EStG gebildete Rücklage unter Inkaufnahme der Durchbrechung von § 5 I Satz 2 EStG auch ohne entsprechende Einstellung in den Sonderposten mit Rücklageanteil steuerlich an, da diese andernfalls zu einem „ Auseinanderlaufen “ von Handels- und Steuerbilanz führen würde, was durch die Umkehrmaßgeblichkeit gerade verhindert werden soll. Gleiches gilt für die Rücklage nach § 6b EStG, soweit keine oder eine betragsmäßig geringere Einstellung in den Sonderposten mit Rücklageanteil erfolgt ist, weil insofern kein oder ein niedrigerer handelsbilanzieller Veräußerungsgewinn angefallen war.
2. Konzernabschluss
Mit Aufhebung von § 308 Abs. 3 HGB durch Art. 2 TrPublG v. 19.7.2002 (BGBl. I S. 2681) ist das Wahlrecht zur Übernahme der Sonderposten mit Rücklageanteil aus den Einzelabschlüssen der in- bzw. ausländischen Konzerngesellschaften in den Konzernabschluss entfallen. Bei Sonderposten mit Rücklageanteil sind daher immer aufzuteilen in andere Rücklagen sowie Rückstellungen (§§ 306 i.V.m. 249 I Satz 1 HGB). Dies ergibt sich aus § 13 II PublG.
Die Umstellung eines deutschen Konzernabschlusses auf International Financial Reporting Standards (IFRS) erfordert die erfolgswirksame Auflösung gebildeter Sonderposten mit Rücklageanteil, da dort eine entsprechende Bilanzposition nicht existiert und der Sonderposten mit Rücklageanteil weder als equity noch als liability aufzufassen ist. Die ausstehende Steuerbelastung ist hierfür als latente Steuer (deferred taxes) aufwandswirksam zu passivieren. Der Eigenkapitalanteil ist in eine ausschüttungsgesperrte Rücklage (reserves) einzustellen.
IV. Ausweis
1. Bilanz
Der Sonderposten mit Rücklageanteil ist als neuer Posten i.S.d. § 265 V Satz 2 HGB zwischen Eigen- und Fremdkapital auszuweisen (für Kapitalgesellschaften gemäß § 273 Satz 2 HGB vor den Rückstellungen), was eine gegenüber § 266 III HGB erweiterte Bilanzgliederung nötig macht. Die Höhe von Eigen- und Fremdkapitalanteil wird nicht separat ausgewiesen, womit auch der Ausweis einer Rückstellung für latente Ertragsteuern i.S.v. § 274 I HGB entfällt, was in § 247 III Satz 3 HGB klargestellt ist.
Der Ausweis des Gesamtbetrages aller Sonderposten mit Rücklageanteil als Einheit ist hinreichend, die Rechtsgrundlagen der unversteuerten Rücklagen bzw. der Vornahme steuerlicher Wertberichtigungen sind jedoch in Bilanz oder Anhang anzugeben (§§ 273 Satz 2 i.V.m. 281 I Satz 2 HGB). Für Letzteres spricht der Grundsatz der Übersichtlichkeit und Klarheit (§ 243 II HGB), wobei die einmal gewählte Darstellungsweise zur Wahrung der Ausweisstetigkeit beizubehalten ist (§ 265 I Satz 1 HGB). Dieser Grundsatz ist auch bei der Ausübung des Wahlrechts nach § 281 I Satz 1 HGB zu beachten, weshalb die einmal gewählte Ausweisform prinzipiell beizubehalten ist.
Insbesondere ein Wechsel zum aktivischen Ausweis wird wegen verminderter Bilanzklarheit nur bei Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse (z.B. Ergebniswirksamkeit) und unter gesonderter Begründung im Anhang (§ 265 I Satz 2 HGB) zulässig sein. Unabhängig von der Ausweisform ist der Betrag der allein nach steuerrechtlichen Vorschriften vorgenommenen Abschreibungen nach Anlage- und Umlaufvermögen getrennt entweder in der Bilanz oder wahlweise auch in der Gewinn- und Verlustrechnung bzw. im Anhang auszuweisen (§ 281 II Satz 1 HGB).
2. Gewinn- und Verlustrechnung
Die Erfolgswirkungen aus der betragsmäßigen Veränderung des Sonderpostens mit Rücklageanteil werden dem gewöhnlichen Geschäftsergebnis zugerechnet und sind daher als sonstige betriebliche Aufwendungen bzw. sonstige betriebliche Erträge gesondert entweder durch Davon-Vermerk oder als getrennte Posten auszuweisen bzw. im Anhang anzugeben (§ 281 II Satz 2 HGB).
Das Saldierungsverbot (§ 246 II HGB) gilt auch für den Ausweis von Einstellungen und Auflösungen in den Sonderposten mit Rücklageanteil, soweit diese auf der gleichen Steuerrechtsnorm beruhen. Die Angabe des jeweiligen Gesamtbetrages aller Erträge bzw. Aufwendungen reicht indes aus.
3. Anhang
Über die bereits dargestellten, nur wahlweise im Anhang zu erfüllenden Angabepflichten hinaus, ist die Ergebniswirksamkeit der Bildung und (entgegen dem Gesetzestext auch) der Auflösung der Sonderposten mit Rücklageanteil gemäß § 285 Nr. 5 HGB in vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschäftsjahren von mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften (§ 288 Satz 1 HGB) zu dokumentieren. Hierbei ist das Wesentlichkeitsprinzip zu beachten.
V. Bewertung
Die Bewertung der Sonderposten mit Rücklageanteil bemisst sich nach den jeweiligen steuerrechtlichen Vorschriften. Diese bestimmen eine Höchstgrenze zulässiger Wertminderungen, unterhalb derer sich ein Bewertungswahlrecht ergibt. Wird eine Überschreitung etwa im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt, hat die Korrektur auch handelsbilanziell zu erfolgen.
Soweit steuerliche Wertberichtigungen zum Ausweis eines Sonderpostens mit Rücklageanteil führen, ist nur der Differenzbetrag zwischen handelsrechtlicher und darüber hinausgehender steuerrechtlicher Abschreibung passivisch auszuweisen. Mithin sind etwa Sonderabschreibungen ausschließlich auf der Aktivseite zu erfassen, wenn diese sich betragsmäßig mit auch handelsrechtlich zulässigen Abschreibungen decken, was eine Doppelbewertung notwendig macht.
Das Ausmaß der im Übrigen jederzeit zulässigen Auflösung des Sonderpostens mit Rücklageanteil geht mit der im Zeitverlauf abnehmenden Diskrepanz zwischen handels- und steuerrechtlichen Abschreibungsvolumina einher. Hierbei ist der jeweils spätest mögliche Auflösungstermin des Steuerrechts zu beachten. Ungeachtet dessen sind in den Sonderposten mit Rücklageanteil eingestellte Wertberichtigungen gemäß § 281 I Satz 3 HGB aufzulösen, wenn die Vermögensgegenstände, für die sie gebildet worden sind, aus dem Vermögen ausscheiden.
VI. Prüfung
Die Bilanzierungsprüfung konzentriert sich auf die steuerrechtliche Legitimation. Da die Einhaltung des Steuerrechts nicht Gegenstand von Abschlussprüfungen ist, beschränkt sich die Prüfung neben der Kenntnisnahme der zum Ausweis des Sonderpostens mit Rücklageanteil führenden Steuerrechtsnormen auf eine vor allem auf der Sachverhaltsebene stattfindenden Plausibilitätskontrolle der Ansatzberechtigung sowie bei Kapitalgesellschaften auf die Geltung der Umkehrmaßgeblichkeit. Eine Vollständigkeitsprüfung entfällt mangels Verpflichtung zur Nutzung steuerlicher Vergünstigungen.
Im Rahmen der Ausweisprüfung kann der Prüfer bei den Angaben zum Sonderposten mit Rücklageanteil keine, die gesetzlichen Mindestanforderungen überschreitende Differenzierung verlangen, etwa die Aufgliederung einzelner Einstellungs- und Auflösungsbeträge nach der Art angewandter Steuernormen. Publizitätsgeneigte Unternehmen können jedoch darüber hinaus einen Sonderpostenspiegel als Teil des Anhangs erstellen, woraus zugleich die Pflichtangaben gemäß §§ 273 Satz 2 i.V.m. 281 I Satz 2 und II Satz 1 HGB zu entnehmen sind.
Eine differenzierte Ausübung des Ausweiswahlrechts nach § 281 I Satz 1 ist nur bei Vorhandensein sachlicher Gründe, etwa getrennt nach Anlage- und Umlaufvermögen zu akzeptieren.
Bei den Angaben nach § 285 Nr. 5 HGB darf sich der Prüfer nicht mit Begriffen wie geringfügig oder erheblich zufrieden geben. Vielmehr bedarf es einer zumindest ungefähren Quantifizierung, inwieweit das jeweilige Jahresergebnis – nach Steuern und unter Berücksichtigung von Ausschüttungen – durch Veränderungen des Sonderpostens mit Rücklageanteil beeinflusst wurde.
Bei der Bewertungsprüfung hat der Prüfer die steuerrechtliche Statthaftigkeit des gewählten Wertansatzes festzustellen. Insofern hat er die Höhe der zulässigen Zuführungen bzw. der gebotenen Auflösungen zu ermitteln und diese mit den gewählten Wertgrößen im Hinblick auf steuerrechtliche Zulänglichkeit sowie rechnerische Richtigkeit zu vergleichen. Auch hierbei ist ein freiwillig erstellter Sonderpostenspiegel hilfreich, der analog zum Anlagenspiegel die betragsmäßigen Entwicklung der Bestandteile des Sonderpostens mit Rücklageanteil aufzeigt.
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Selchert, F. W. : Jahresabschlußprüfung der Kapitalgesellschaften, 2. A., Wiesbaden 1996
Siegel, T. : Der Sonderposten mit Rücklageanteil und die Sonderrücklage, in: HdJ, Köln 1992, Abt. III/4
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