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Distributionspolitik


Inhaltsübersicht
I. Die Distribution als wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich
II. Prozesse und Strukturen der Distribution
III. Fragestellungen und Ansätze der Distributionsforschung
IV. Instrumente und Strategien der Distributionspolitik

I. Die Distribution als wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich


1. Die Bedeutung der Distribution


„ Je höher der Lebensstandard einer Volkswirtschaft ist, um so höher liegt tendenziell der Anteil der Distributionskosten an den Gesamtkosten der Wirtschaftstätigkeit “ (Klein-Blenkers, Fritz 1974, Sp. 478). In hochentwickelten Volkswirtschaften hat daher die Distribution in den meisten Branchen eine größere gesamtwirtschaftliche Bedeutung als die Produktion erlangt.
Aus Sicht der einzelnen Unternehmung hat die Distribution ihrer Absatzgüter die Produktion als Managementproblem i.d.R. weit in den Schatten gestellt. Die besonderen Probleme der Distributionstätigkeit erwachsen vor allem daraus, dass es sich überwiegend um Vorgänge im zwischenbetrieblichen (bzw. zwischenmenschlichen) Bereich mit einer außerordentlich großen Zahl von Gestaltungsalternativen handelt, bei denen geistige Leistungen und damit die menschliche Arbeitskraft im Vordergrund stehen. Der Ausnutzung der Betriebsgrößendegression sowie einer Leistungserbringung auf Vorrat sind hier ebenso enge Grenzen gesetzt wie der Substitution des Faktors Arbeit durch Kapital oder der Schematisierung der Arbeitsvorgänge in zeitlicher und sachlicher Hinsicht (Klein-Blenkers, Fritz 1964).
Von dieser Feststellung ist allerdings die sog. physische Distribution auszunehmen, welche die logistischen Aufgaben der Raum- und Zeitüberbrückung mittels Transport und Lagerhaltung umschließt. In diesem Bereich der sog. Logistikdienstleistungen können erhebliche Rationalisierungspotenziale durch Spezialisierung und Funktionskonzentration ausgeschöpft werden (Pfohl, Hans-Christian 2003; Möhlmann, Eduard 1987; Baumgarten, Helmut/Zibell, Roland 1988). Ähnliches gilt für die Anwendung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in der stufenübergreifenden Warenbewirtschaftung sowohl innerhalb der Handelssysteme als auch zwischen Industrie, Handel und spezialisierten Distributionsbetrieben. Hier ist insbesondere auf die Verfahrensfortschritte in den Bereichen der computergestützten, integrierten Warenwirtschafts- und Zahlungsabwicklungssysteme sowie des elektronischen Datenaustausches (Computer Integrated Merchandising, E-Business) hinzuweisen (Zentes, Joachim 1991).

2. Die Begriffe Distribution und betriebliche Distributionspolitik


Die Begriffe Distribution und betriebliche Distributionspolitik sind nicht deckungsgleich, sondern entstammen einmal einer gesamtwirtschaftlichen und zum anderen einer einzelwirtschaftlichen Betrachtung: Während die Distribution eines bestimmten Absatzgutes die Gesamtheit absatzwirtschaftlicher Aktivitäten aller an der Überführung dieses Absatzgutes vom Erzeuger bis zum letzten Verwender beteiligten Wirtschaftseinheiten umschließt, bezieht sich die Distributionspolitik auf bestimmte Entscheidungen und Maßnahmen der einzelnen Unternehmung (z.B. des Herstellers oder eines Händlers) und stellt somit einen Teilbereich des Marketing dar.

a) Das gesamtwirtschaftliche Betätigungsfeld der Distribution


Gegenstand der Distributionstätigkeit sind alle materiellen und immateriellen Realgüter (Immobilien, Waren, Dienstleistungen, Nutzungsrechte etc.), deren Erzeugung und Verbrauch institutionell auseinander fallen. Auch bei Gütern, die im Zuge ihrer Erzeugung gleichzeitig verbraucht werden (etwa Dienstleistungen wie Haare schneiden), sind Distributionsleistungen denkbar (etwa die Umsatzanbahnung durch kommunikative Maßnahmen). Selbst Distributionsleistungen (z.B. Transport einer Ware) können ihrerseits den Gegenstand eigener Distributionstätigkeiten bilden (z.B. die Vermittlung von Transportleistungen). Es ist daher zweckmäßig, zwischen dem Objekt einer Distributionstätigkeit und den damit verbundenen Distributionsleistungen zu unterscheiden, auch wenn letztere wiederum Gegenstand eines eigenen Distributionsvorganges sein können; denn es handelt sich um verschiedene, gedanklich separierbare Distributionsprozesse, die sich auf unterschiedliche Distributionsobjekte (im Beispiel zum einen die Ware, zum anderen die Transportleistungen) erstrecken.

b) Die Distributionspolitik als Teilbereich des Marketing


Aus der Sicht der einzelnen Unternehmung kann die Distributionspolitik jenem Teilbereich des Marketing – den wir allgemein Absatzpolitik nennen – zugerechnet werden, dem die systematische, zielgerichtete Einflussnahme auf die Kaufentscheidung der aktuellen und potenziellen Abnehmer obliegt.
Bezüglich der Frage, welche absatzpolitischen Instrumente dem Begriff der Distributionspolitik (z.T. auch Absatzmethode, Distributions-Mix, Vertriebspolitik genannt) subsumiert werden, sind unterschiedlich weit gefasste Interpretationen anzutreffen.
In der engsten Fassung beschränkt sich die Distributionspolitik auf die Gestaltung der physischen Distributionsprozesse. Dabei können die Vereinbarungen der Lieferkonditionen und deren Erfüllung durch die Maßnahmen der Marketing-Logistik zu dem Instrumentalbereich der Lieferungspolitik (Ahlert, Dieter 1984) zusammengefasst werden.
In der heute üblichen weiter gefassten Interpretation umschließt die Distributionspolitik darüber hinaus auch die Gestaltung der Warenverkaufsprozesse. Es werden ihr also auch die Verkaufs- und Außendienstpolitik sowie die Wahl und Gestaltung der Absatzwege (Absatzkanalpolitik) zugerechnet. Absatzkanalpolitik bedeutet nicht nur die Auswahl der Absatzmittler auf den unterschiedlichen Handelsstufen, sondern auch die Einflussnahme auf das Verhalten der Absatzmittler. Dabei kann der Lieferant auf das gesamte Arsenal seiner absatzpolitischen Instrumente zurückgreifen. Es erscheint daher nahe liegend, die Absatzkanalpolitik als instrumenteübergreifenden Maßnahmenkomplex zu interpretieren. Er umfasst von der händlerspezifischen Ausgestaltung der Produktpolitik über das vertikale Preismanagement bis hin zur Verkaufsförderung oder etwa auch der handelsgerichteten Werbung sämtliche Instrumentalvariablen, soweit sie spezifisch auf die Absatzmittler ausgerichtet sind.
In der hier gewählten Begriffsfassung beinhaltet die Distributionspolitik zusammenfassend einerseits als absatzpolitische Einzelinstrumente die Lieferungspolitik und die Verkaufs- und Außendienstpolitik und andererseits als instrumenteübergreifenden Entscheidungsbereich die Gesamtheit aller Maßnahmen der handelsgerichteten Absatzpolitik (Ahlert, Dieter 1996).

II. Prozesse und Strukturen der Distribution


Ausgangspunkt der systematischen Distributionsanalyse sind die Diskrepanzen im Spannungsfeld zwischen Erzeuger und Verwendern, bezogen auf ein bestimmtes Absatzgut. Diese Diskrepanzen zu überbrücken und dadurch zur optimalen Güterversorgung der Volkswirtschaft beizutragen, kann als gesamtwirtschaftliche Aufgabe der Distribution (bzw. des Handels im funktionalen Sinne) bezeichnet werden. Aus dieser globalen Aufgabenstellung können die Distributionsfunktionen im Sinne konkreter Verrichtungen abgeleitet werden, die in einer jeweils spezifischen Form der Arbeitsteilung von unterschiedlichen Funktionsträgern erfüllt werden. Damit wird in die einzelwirtschaftliche Betrachtung der Entscheidungen einzelner Unternehmungen über die Art und Weise ihrer Teilnahme an den Distributionsprozessen übergeleitet. Das Ergebnis dieser Einzelentscheidungen führt zu einer bestimmten Struktur des Distributionssystems, in dem sämtliche an der Distribution teilnehmenden Wirtschaftseinheiten gedanklich zusammengefasst sind.

1. Die Systematik der Distributionsfunktionen


Als geeignetes Ordnungsraster bietet sich eine Kombination aus drei unterschiedlichen Einteilungen an: Zunächst kann nach den Typen der Prozessbeziehungen zwischen Funktionen unterschieden werden, die sich einmal auf den Realgüterstrom (Waren und Dienstleistungen), zum anderen auf den Nominalgüterstrom (Geld und Kredit) und schließlich auf den Informationsstrom zwischen Erzeuger und Verwendern erstrecken. In diesen drei Teilprozessen sind jeweils vielfältige Diskrepanzen zu überbrücken, die sich nach den formalen Kategorien Raum, Zeit, Quantität und Qualität weiter unterteilen lassen. In Abb. 1 sind diesen Diskrepanzen die entsprechenden distributiven Aktivitäten zugeordnet (Thies, Dieter 1978).
Das dritte Einteilungskriterium ergibt sich aus dem Tatbestand, dass mit der Abwicklung einer jeden distributiven Tätigkeit einerseits spezifische Risiken und anderseits das Entstehen spezifischer Distributionskosten verbunden sind. Jedem Segment des in Abb. 1 dargestellten Funktionswürfels können in einem bestimmten Distributionssystem ein oder auch mehrere unterschiedliche Funktionsträger zugeordnet sein.
Distributionspolitik
Abb. 1: Das System der Distributionsfunktionen

2. Die Funktionsträger im Bereich der Distribution


Die Funktionsaufteilung innerhalb des Distributionssystems ist in einer funktionsfähigen Marktwirtschaft das Resultat von Marktprozessen. Nicht nur für Absatzgüter, sondern auch für jede einzelne Distributionsfunktion sowie für alle ökonomisch sinnvollen Funktionskombinationen gibt es jeweils separierbare Märkte, auf denen der Preismechanismus das Zusammenspiel von Funktionsanbietern und -nachfragern regelt. Die Institutionen, die sich um die Funktionsübernahme bewerben bzw. die im Zuge von Make-or-Buy-Entscheidungen festzulegen haben, welche Distributionsfunktionen sie selbst erfüllen und welche sie anderen Wirtschaftseinheiten übertragen wollen, weil diese z.B. kostengünstiger arbeiten, lassen sich wie folgt einteilen:
Distributionsorgane auf der Herstellerebene

-

Eigene Marketingorgane des Herstellers

-

Vertriebs- und Werkhandelsgesellschaften (rechtlich selbstständige, wirtschaftlich abhängige Betriebe, an die der Hersteller die Vermarktung ausgliedert)

-

Verkaufssyndikate, Absatzgenossenschaften (rechtlich selbstständige, wirtschaftlich weitgehend unabhängige Betriebe, die das Marketing für mehrere Unternehmungen derselben Branche übernehmen)


Distributionsorgane auf der Absatzmittlerebene

-

Groß- und Einzelhandelsbetriebe in einer Fülle von Betriebs- und Verbundformen (inkl. Marktveranstaltungen, Großmärkte und dgl.)

-

Einkaufsvereinigungen von Verbrauchern (z.B. Einkaufsringe, Einkaufsgenossenschaften und dgl.)


Die Absatzmittler sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Betriebe, die Ware auf eigene Rechnung und eigenes Risiko einkaufen, um sie wieder zu verkaufen.
Distributionshelfer (Beschaffungs- bzw. Absatzhelfer)

-

Absatzvermittler wie Handelsvertreter, Kommissionäre, Handelsmakler (sie nehmen Verkaufsfunktionen wahr)

-

Marktforschungs-, Werbeagenturen, Werbemedien, Kreditinstitute (allg. Geschäftsbanken bzw. Sparkassen, Finanzierungsgesellschaften, Teilzahlungsbanken, Exportfinanzierungsinstitute), Auskunfteien, Informationsbüros, Versicherungsgesellschaften, Kundendienstwerkstätten, Spediteure, Frachtführer, Lagerhäuser, Messen, Ausstellungen, Börsen, Auktionen u.a.m.


Die Distributionshelfer übernehmen bestimmte Distributionsfunktionen gegen Entgelt. Es sind eigenständige Institutionen bzw. Firmen, die jedoch hinsichtlich der übernommenen Funktionen den Weisungen des Auftraggebers (Hersteller, Absatzmittler oder Verbraucher) zu folgen haben.
Verbraucher (eigene Beschaffungsorgane)

-

Konsumenten (Verwendung in privaten Haushalten)

-

Institutionen (Verwendung in institutionellen Haushalten wie Behörden, Schulen, Krankenhäusern etc.)

-

Produzenten (Verwendung als Produktionsfaktoren in gewerblichen Betrieben).


III. Fragestellungen und Ansätze der Distributionsforschung


1. Die methodischen Ansätze der Distributionsforschung im Überblick


In der Fachliteratur wird die Güterdistribution aus den verschiedensten Perspektiven und unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten analysiert. Jeder der in Abb. 2 dargestellten Forschungsansätze vermittelt aufgrund der spezifischen Betrachtungsmethode und Schwerpunktbildung ganz eigenständige und wertvolle Einsichten in die Strukturen und Gestaltungsprobleme von Distributionssystemen (Leitherer, Eugen 1999).
Distributionspolitik
Abb. 2: Methodische Ansätze der Distributionsforschung
Zu den unterschiedlichen Ausgangspositionen, Fragestellungen und wissenschaftlichen Vorgehensweisen der einzelnen Forschungsansätze wird auf die umfassende Darstellung bei Ahlert, Dieter 1996 verwiesen. Im Folgenden werden die verhaltenswissenschaftlichen Ansätze exemplarisch vertieft.

2. Grundlagen der verhaltenswissenschaftlichen Analyse von Distributionssystemen


Die verhaltenswissenschaftliche Analyse hat im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Distributionsforschung ergänzenden Charakter. Das bedeutet, sie kommt bei der Explikation der Strukturen und Prozesse im Distributionssystem dort zum Zuge, wo die rein ökonomischen Erklärungen an ihre Grenzen stoßen.
So lassen sich die Fragen,

-

warum bestimmte Wirtschaftseinheiten an der Distribution nachhaltig teilnehmen (Determinanten der Beitrittsentscheidung und Gleichgewichtsfähigkeit),

-

wie die Arbeitsteilung bei der Erfüllung der Distributionsfunktion zustande kommt und warum sie sich wandelt und

-

wie die konkreten Ausprägungen der distributionspolitischen Aktivitäten (Selektions-, Akquisitions- und Koordinationsmaßnahmen) zu erklären sind,


zunächst weitgehend durch Rückgriff auf wirtschaftswissenschaftliche Theoriekonzepte beantworten. Exemplarisch sei auf die ökonomische Gleichgewichtsanalyse (Hax, Herbert 1961; Meffert, Heribert 1975), auf das Konzept des Regalplatzwettbewerbs (Cairns, James 1962; Hansen, Peter 1972) oder die Transaktionskostentheorie (Picot, Arnold 1986) verwiesen.
Da in Distributionssystemen Menschen interagieren, treten allerdings immer wieder Abweichungen der realen von den ökonomisch optimalen Konstellationen auf, für deren Erklärung verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse fruchtbar sind. Das Anreiz-Beitrags-Konzept der Organisationsforschung (March, James G./Simon, Herbert A. 1958), die Rollentheorie (Thomas, Edwin J./Biddle, Bruce J. 1972), die Konflikt- und Kooperationstheorie (Kroeber-Riel, Werner/Weinberg, Peter 1972; Glasl, Friedrich 1992), und insbesondere die Machttheorie (French, James R. P./Raven, Bertram 1959; Marx, Gerd-Rüdiger 1976) leisten wichtige Beiträge zum Verständnis ökonomisch nicht nachvollziehbarer Phänomene, indem sie auf persönliche Motivstrukturen, Empfindlichkeiten und Eitelkeiten, fremdbestimmtes und habitualisiertes Verhalten etc. des homo psychologicus Bezug nehmen (Stern, Louis W. 1969; Steffenhagen, Hartwig 1975; Schneider, Rolf 1977; Maas, Rainer-Michael 1980; Meffert, Heribert 1981; Ahlert, Dieter 1996).

3. Die Machtkonstellation im Distributionssystem


Herausragende Bedeutung unter den verhaltenswissenschaftlichen Konstrukten hat das Phänomen Macht. Aus dieser Perspektive sind sämtliche beobachtbaren Beziehungen (Realgüter-, Nominalgüter- und Informationsströme) und die nicht beobachtbaren Beziehungen (Ziel-, Rollen-, Konflikt- und Kooperationsbeziehungen) in Distributionssystemen entweder als Indikator für den Umfang an Machtfülle (Sanktionsgrundlagen) der einzelnen Systemelemente oder als Vorgänge im Rahmen des Machterwerbs oder der Machtanwendung interpretierbar.
Dabei kann Macht als das Potenzial positiver bzw. negativer Sanktionierung eines Distributionssubjekts gegenüber einem oder mehreren anderen Distributionssubjekten (z.B. des Herstellers gegenüber einem Händler et vice versa) definiert werden. Sie beruht letztlich auf den subjektiven Erwartungen des „ Machtunterworfenen “ , positive (oder negative) Sanktionen von Seiten des „ Machthabers “ zu erfahren, wenn ersterer den Manipulationsversuchen des letzteren stattgibt (bzw. nicht stattgibt), und kann daher auch als spezifische Abhängigkeit (mangelnde Ausweichmöglichkeit) interpretiert werden.

a) Die typischen Sanktionsausprägungen im Verhältnis zwischen Industrie und Handel


Im Rahmen der Machtanalyse ist es zweckmäßig, zwischen den spezifischen Sanktionsformen im Verhältnis zwischen den Distributionssubjekten (hier exemplarisch zwischen einem Hersteller und einem Händler) und den Grundlagen, auf denen das Sanktionspotenzial beruht, zu unterscheiden. Die Sanktionsformen werden im oberen Teil der Abb. 3 allgemein systematisiert und im unteren Teil exemplarisch für das Verhältnis zwischen Industrie und Handel spezifiziert.
Distributionspolitik
Abb. 3: Sanktionsausprägungen im Verhältnis zwischen Industrie und Handel

b) Die Sanktionsgrundlagen in statischer Betrachtung


Will man die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebene Machtverteilung im Verhältnis zwischen einem Hersteller und einem Händler ermitteln, so ist zu berücksichtigen, dass stets beide Systemelemente über eine bestimmte relative Machtfülle verfügen, die mit der spezifischen Abhängigkeit des jeweils anderen korrespondiert.
Die gegenläufigen Macht- bzw. Abhängigkeitsbeziehungen heben einander nicht auf, können sich jedoch gegenseitig weitgehend kompensieren, sodass per saldo kein Systemelement über einen Machtüberschuss verfügt (symmetrische Machtverteilung). Hat dagegen ein Systemelement per saldo ein Machtübergewicht, so wird von asymmetrischer Machtverteilung gesprochen. Dieses Systemelement ist dazu prädestiniert, die Vorherrschaft im System zu übernehmen, die auch als Marketing-Führerschaft bezeichnet wird (Kümpers, Ursula Anette 1976). Der Marketingführer gestaltet das gesamte Marketing-Mix über alle Distributionsstufen hinweg bis hin zum Endverbraucher und hat „ die Fähigkeit, gegebenenfalls auf die am Distributionsprozess beteiligten Organisationen einzuwirken, um die Anpassung ihrer Marketingaktivitäten an dieses Mix zu bewirken “ (Kümpers, Ursula Anette 1976, S. 20).
In einigen Branchen (z.B. Lebensmittel) haben etliche Markenartikelhersteller inzwischen die Rolle des Marketingführers eingebüßt, und der Handel verfügt über das Machtübergewicht. Diese häufig beklagte Nachfrage(über)macht des Handels ist allerdings in der Regel nur derivativer Natur, d.h. sie leitet sich aus dem im Käufermarkt typischen Machtübergewicht der Verbraucher her. Dabei trägt der Handel die zersplitterte Nachfrageübermacht der Verbraucher in gebündelter Form an die Herstellerstufe heran und bewirkt dort unbeliebte Ausleseprozesse. Wettbewerbspolitisch bedenklich ist aber nur die originäre Handelsmacht, welche auf einer Monopolstellung des Handels (mangelnde Ausweichmöglichkeiten der Hersteller und Verbraucher) beruht und eine ökonomisch optimale Arbeitsteilung im Distributionssystem behindert (Ahlert, Dieter/Wellmann, Thomas 1988a; Ahlert, Dieter/Wellmann, Thomas 1988b; Ahlert, Dieter/Wellmann, Thomas 1989).

c) Die dynamische Machtanalyse im Distributionssystem


Die Machtverteilung im Distributionssystem unterliegt einem permanenten Wandel. Einflussgrößen sind neben der Dynamik der Systemumwelt vor allem Vorgänge im Bereich des Machtunterworfenen (Änderungen seiner subjektiven Einschätzungen, Wertungen oder der sich bietenden Ausweichmöglichkeiten). Darüber hinaus kann der Machthaber selbst seine Sanktionsgrundlagen insbesondere durch ein erfolgreiches Marketing vergrößern bzw. stabilisieren, er kann aber auch beim Einsatz von Machtmitteln „ versagen “ und damit seine Sanktionsgrundlagen vermindern.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Elemente eines Distributionssystems nach Maßgabe ihrer spezifischen Distributionsziele Maßnahmen der allgemeinen Unternehmenspolitik, der verbrauchergerichteten Absatzpolitik und insb. der Distributionspolitik durchführen, die stets zugleich die Machtfülle beeinflussen und Ausdruck der Machtanwendung sind.

IV. Instrumente und Strategien der Distributionspolitik


1. Die distributionspolitischen Entscheidungsbereiche


Die Distributionspolitik der Unternehmung umfasst die Ableitung konkreter Distributionsziele aus den allgemeinen Marketingzielen, die Entwicklung einer spezifischen Distributionsstrategie sowie die Planung, Durchführung und Kontrolle von Maßnahmen zur strategiegeleiteten Gestaltung der Distributionsprozesse (vgl. im Einzelnen Abb. 4).
Distributionspolitik
Abb. 4: Entscheidungsbereiche der Distributionspolitik
Der Zweck der distributionspolitischen Entscheidungen in den Bereichen der Verkaufs- und Außendienstpolitik, der Lieferungspolitik und der Absatzkanalpolitik besteht letztlich darin, den Absatzgütern einer Unternehmung Präsenz im Absatzmarkt, d.h. geeignete Konfrontationsmöglichkeiten mit der Verbraucherzielgruppe zu verschaffen. Es hat sich in der Marketingpraxis weithin durchgesetzt, die verschiedenen Formen der sachlichen, personalen und medialen Präsentation einer Absatzleistung unter der Metapher „ Regalplatz “ zusammenzufassen. Auf eine griffige Kurzformel gebracht, besteht das zentrale Anliegen des Anbieters im Rahmen seiner Distributionspolitik darin, seinen Absatzgütern „ Regalplatz zu verschaffen und möglichst dauerhaft zu sichern “ (Ahlert, Dieter 1996).

2. Alternative Strategiekonzepte des Absatzkanalmanagements in der Praxis


Als Kernbereich der Distributionspolitik kann das Management des Absatzkanals angesehen werden. Die Absatzkanalstrategie ist eine unternehmensindividuelle Kombination aus den folgenden Strategiebausteinen, die in den Bereichen der Absatzkanalwahl, der händlergerichteten Akquisition und der Verhaltensabstimmung im Absatzkanal zur Auswahl stehen:
Absatzkanalpolitisches Selektionskonzept
Vertikale Selektion

-

Direkter Absatzweg (einstufiger Vertrieb)

-

Indirekter Absatzweg (verkürzt (zweistufiger Vertrieb) bzw. unverkürzt (drei- und mehrstufiger Vertrieb))


Horizontale Selektion

-

Totale Erfassung der jeweiligen Absatzmittlerstufe (Universalvertrieb)

-

Partielle Erfassung der jeweiligen Absatzmittlerstufe (qualitative Selektion (Selektivvertrieb) bzw. quantitative Selektion (Exklusivvertrieb)).


Absatzkanalpolitisches Akquisitionskonzept
Undifferenzierte Akquisition
Differenzierte Akquisition

-

qualitativ differenzierte Bearbeitung der jeweiligen Absatzmittlerstufe

-

intensitätsmäßig differenzierte Bearbeitung der jeweiligen Absatzmittlerstufe

-

diskriminierende Absatzmittlerbehandlung.


Absatzkanalpolitisches Koordinationskonzept
Freier, ungebundener Vertrieb
Kooperativer Vertrieb

-

Verhaltensabstimmung mit geringem Verbindlichkeitsgrad

-

Verhaltensabstimmung auf der Grundlage von Bindungen (faktische Bindungen, vertragliche Einzelbindungen bzw. Vertragliche Vertriebssysteme).


Anweisungsvertrieb
Die in der Praxis realisierten Strategiekonzepte sind äußerst vielfältig und lassen sich nach der jeweils dominierenden Grundintention wie folgt einteilen:

-

Absatzkanalstrategien unter dem Primat der Überallerhältlichkeit der Absatzgüter (intensive Bemühungen um eine hohe Distributionsdichte; überwiegend Universalvertrieb)

-

Absatzkanalstrategien unter dem Primat der vertikalen Kooperation zwischen Hersteller und den Absatzmittlern (Verhaltensabstimmung und enge Zusammenarbeit bei der verbrauchergerichteten Absatzpolitik)

-

Absatzkanalstrategien unter dem Primat der Selektion und Exklusion von Absatzmittlern (Bereinigung des Absatzkanals in qualitativer und ggf. auch quantitativer Hinsicht in den Formen des Selektiv- bzw. Exklusivvertriebs)

-

Absatzkanalstrategien unter dem Primat der präsentationsbezogenen Integration von Hersteller und Absatzmittlern (gemeinsames Auftreten im Rahmen von Vertragshändler-, Franchise-, Lieferantenabteilungs-, Depot-, Shop-in-Shop Konzepten und dgl.) (Koordination; Schenk, Hans-Otto/Wölk, Andrea 1971; Geist, Manfred 1974; Mack, Manfred 1975; Tietz, Bruno/Mathieu, Günter 1978; Ahlert, Dieter 1981; Bergmann, Gustav 1988; Buerke, Günter 1988; Specht, Günter/Fritz, Wolfgang 2005; Schröder, Hendrik 1990).


Literatur:
Ahlert, Dieter : Vertragliche Vertriebssysteme zwischen Industrie und Handel, Wiesbaden 1981
Ahlert, Dieter : Grundzüge des Marketing, 3. A., Düsseldorf 1984
Ahlert, Dieter : Distributionspolitik, 3. A., Stuttgart et al. 1996
Ahlert, Dieter/Wellmann, Thomas : Von der Machtkonzentration zur dynamischen Marktbeherrschung im Handel, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Jg. 40, H. 3/1988a, S. 193 – 219
Ahlert, Dieter/Wellmann, Thomas : Deregulierung oder Verschärfung des GWB?, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Jg. 40., H. 3/1988b, S. 250 – 275
Ahlert, Dieter/Wellmann, Thomas : Die Machtkonzentration im Lebensmittelhandel. Ein unlösbares Problem der Wettbewerbspolitik?, in: Absatzwirtschaft, H. 6/1989, S. 106 – 115
Baumgarten, Helmut/Zibell, Roland : Trends in der Logistik, München 1988
Bergmann, Gustav : Strategisches Absatzkanalmanagement in Märkten mit hoher Nachfragemacht des Handels, Frankfurt a.M. et al. 1988
Buerke, Günter : Planung und Durchsetzung von Vertriebsinnovationen, Frankfurt a.M. et al. 1988
Cairns, James : Suppliers, Retailers and Shelf Space, in: Journal of Marketing, Jg. 26., H. 3/1962, S. 34 – 36
French, James R. P./Raven, Bertram : The Bases of Social Power, in: Studies in Social Power, hrsg. v. Cartwright, Dorwin, Ann Arbor 1959, S. 150 – 167
Geist, Manfred : Selektive Absatzpolitik auf der Grundlage der Absatzsegmentrechnung, 2. A., Stuttgart 1974
Glasl, Friedrich : Konfliktmanagement. Diagnose und Behandlung von Konflikten in Organisationen, 3. A., Bern et al. 1992
Hansen, Peter : Die handelsgerichtete Absatzpolitik der Hersteller im Wettbewerb um den Regalplatz, Berlin 1972
Hax, Herbert : Vertikale Preisbindung in der Markenartikelindustrie, Köln et al. 1961
Klein-Blenkers, Fritz : Die Ökonomisierung der Distribution, Köln et al. 1964
Klein-Blenkers, Fritz : Distribution, in: Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, hrsg. v. Tietz, Bruno, 1974, Sp. 473 – 480
Kroeber-Riel, Werner/Weinberg, Peter : Konflikte in Absatzwegen als Folge inkonsistenter Präferenzen von Herstellern und Händlern, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1972, S. 525 – 544
Kümpers, Ursula Anette : Marketingführerschaft, Münster 1976
Leitherer, Eugen : Betriebliche Marktlehre I, Stuttgart 1999
Maas, Rainer-Michael : Absatzwege, Wiesbaden 1980
Mack, Manfred : Neuere Vertragssysteme in der BRD, Bielefeld 1975
March, James G./Simon, Herbert A. : Organizations, New York et al. 1958
Marx, Gerd-Rüdiger : Marketing und Marktmacht, am Beispiel von Absatzwegsystemen der Konsumgüterindustrie, Zürich 1976
Meffert, Heribert : Vertikales Marketing und Marketingtheorie, in: Konflikt und Kooperation in Absatzkanälen, hrsg. v. Steffenhagen, Hartwig, Wiesbaden 1975, S. 15 – 20
Meffert, Heribert : Verhaltenswissenschaftliche Aspekte vertraglicher Vertriebssysteme, in: Vertragliche Vertriebssysteme zwischen Industrie und Handel, hrsg. v. Ahlert, Dieter, Wiesbaden 1981, S. 99 – 123
Möhlmann, Eduard : Möglichkeiten der Effizienzsteigerung logistischer Systeme durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien im Güterverkehr, Göttingen 1987
Pfohl, Hans-Christian : Logistiksysteme, 7. A., Berlin et al. 2003
Picot, Arnold : Transaktionskosten im Handel, in: Der Betriebsberater, H. 27/1986, S. 2 – 16
Schenk, Hans-Otto/Wölk, Andrea : Vertriebssysteme zwischen Industrie und Handel, Berlin 1971
Schneider, Rolf : Kriterien der Absatzwegewahl, Frankfurt a.M. et al. 1977
Schröder, Hendrik : Vertikaler Markenschutz als Problem der Markenartikelindustrie, Frankfurt a.M. et al. 1990
Specht, Günter/Fritz, Wolfgang : Distributionsmanagement, 4. A., Stuttgart et al. 2005
Steffenhagen, Hartwig : Konflikt und Kooperation in Absatzkanälen, Wiesbaden 1975
Stern, Louis W. : Distribution Channels. Behavioral Dimensions, New York et al. 1969
Thies, Dieter : Distributionsfuntkionen und betriebliche Absatzpolitik, Göttingen et al. 1978
Thomas, Edwin J./Biddle, Bruce J. : Basic Concepts for Classifying the Phenomena of Role, in: Role Theory. Concepts and Research, hrsg. v. Biddle, Bruce J., New York 1966, S. 23 – 41
Tietz, Bruno/Mathieu, Günter : Das Kontraktmarketing als Kooperationsmodell, Köln et al. 1978
Zentes, Joachim : Moderne Distributionskonzepte in der Konsumgüterwirtschaft, Stuttgart 1991

 

 


 

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