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Zielvereinbarungssysteme


Inhaltsübersicht
I. Zielvereinbarungen als Managementinstrument
II. Begriffliche Basis
III. Management by objectives als Hintergrund
IV. Zieltheorie der Arbeitsmotivation
V. Anforderungen an zu vereinbarende Ziele
VI. Kritische Würdigung
VII. Ausblick

I. Zielvereinbarungen als Managementinstrument


Bei Zielvereinbarungen treffen Vorgesetzte mit ihren Mitarbeitern oder ganzen Teams Abmachungen über (von den einzelnen Beschäftigten bzw. Gruppen) anzustrebende Ziele.
Zielorientierte Führungs- und/oder Entlohnungskonzepte sind für den Bereich höherrangiger Führungskräfte bereits seit längerem bekannt, z.B. bis zur Ebene Hauptabteilungsleiter oder Abteilungsleiter (vgl. etwa Knebel,  1984). Auch soziologische Untersuchungen unter hoch qualifizierten Angestellten ergaben, dass in diesen Beschäftigtengruppen spätestens seit Beginn der 1980er-Jahre Zielvereinbarungssysteme und daran gekoppelte Vergütungskomponenten weit verbreitet sind (Baethge, /Denkinger, /Kadritzke,  1995, S. 98 ff.). Ebenso werden sie seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten bei Positionen an der Schnittstelle Unternehmen/Markt (z.B. Verkaufsförderung, Außendienst) eingesetzt. Jüngeren Datums ist nunmehr ein gewisser Trend, Zielvereinbarungen auch für die Beschäftigten auf mittleren und unteren Ebenen einzuführen, sie also zu einem alle Ebenen und Bereiche umfassenden, flächendeckenden Führungs- und Steuerungsverfahren zu machen.
Damit gehören Zielvereinbarungen auf dem lukrativen „ Markt “ neuer Führungs- und Managementkonzepte mit deutlich wachsender Tendenz zu den am höchsten gehandelten und mit großen Erwartungen verbundenen Instrumenten. Unternehmen aller Größenklassen und Branchen wie auch neuerdings Behörden und andere Organisationen aus dem öffentlichen Sektor versprechen sich davon einen ebenso effizienten wie flexiblen Steuerungsmechanismus der Unternehmensaktivitäten, der noch dazu partizipative Komponenten enthält und insofern den Bedürfnissen und Interessen der Beschäftigten entgegenkommen kann (vgl. ausführlich Schau,  1998).
Die gestiegene Attraktivität von Zielvereinbarungen lässt sich durch folgende Erwartungen der Initiatoren erklären:

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Durch Ziele und Zielvereinbarungen lassen sich Unternehmen und andere Organisationen besser und flexibler steuern als durch klassische Führungsinstrumente wie hierarchische Anweisungen. Die Beweglichkeit im Sinne der ständigen Anpassungsfähigkeit an die sich ändernden Umwelt- und Rahmenbedingungen wird gestärkt.

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Miteinander verzahnte und vernetzte Zielvereinbarungen bis „ hinunter “ zur Basis der Hierarchie versprechen eine stringente Umsetzung der Unternehmensplanung im Sinne der Controlling-Idee.

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Durch Zielvereinbarung lassen sich die Beschäftigten stärker auf die Zielerreichung verpflichten. Die Mit-Beeinflussung der für sie maßgeblichen Zielgrößen gewährleistet die Übernahme von mehr Eigenverantwortung, Handlungsspielräume bei den Wegen zur Zielerreichung, die Reduzierung von Kontrollen sowie als Folge dieser Aspekte eine stärkere Motivation und Identifikation der Mitarbeiter/innen mit „ ihren “ Zielen/Aufgaben bzw. dem Unternehmen.

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Zielvereinbarung und Leistungsbeurteilung wachsen eng zusammen, was sich vornehmlich aus den Funktionsproblemen der bisherigen Verfahren der Personalbeurteilung mit ihren pauschalen und beliebig auslegbaren Kriteriensystemen ergibt (vgl. ausführlichst Breisig,  2001a).

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Mit einer Verkopplung von Zielerreichungsgraden der einzelnen Mitarbeiter oder Teams und Teilen des Entgelts lässt sich eine stärkere Leistungsorientierung in der Entlohnung umsetzen, die die Beschäftigten ebenfalls zu einer höheren Leistungsmotivation veranlasst.

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Zielvereinbarungen lassen sich als integraler Bestandteil in umfassendere moderne Managementkonzepte sowie in organisatorische Strategien der Dezentralisierung einfügen. Beispiele sind etwa Ansätze des Qualitätsmanagement (z.B. Total Quality Management), weil diese häufig auf die zahlenmäßige Erfassung qualitätsrelevanter Kriterien abheben. Aber auch andere Konzepte wie Corporate Identity, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess oder dergleichen können als Rahmen für die Einführung von Zielvereinbarungs-Systemen fungieren.


In der letzten Zeit haben Zielvereinbarungen im Zusammenhang mit der Einführung von Balanced Scorecards einen weiteren Bedeutungsschub erlangt (Kaplan, /Norton,  1996). Dabei handelt es sich um ein besonders für Dienstleistungsunternehmen interessantes Kennzahlen-Konzept. Diese Scorecards sollen eine konkrete Übersetzung der strategischen Ziele von Unternehmen oder Organisationseinheiten nach unten hin gewährleisten. Das Besondere ist, dass dabei eine ausgewogene (balanced) Mischung von Ergebnis-Kennzahlen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, und zukunftsorientierten Leistungsfaktoren (Innovations-, Entwicklungs-, Wachstumsziele) entwickelt werden soll. Mittels Zielvereinbarungen werden diese Steuerungsgrößen auf den einzelnen Hierarchieebenen bereichsspezifisch festgelegt.

II. Begriffliche Basis


Ziele sind angestrebte Ergebnisse, die durch bewusst auf sie ausgerichtetes Handeln erreicht werden sollen. Sie beschreiben somit einen für die Zukunft, i.d.R. auch für einen genau angegebenen Zeitpunkt, erwünschten Soll-Zustand. Der Weg der Zielverfolgung ist für gewöhnlich nicht enthalten bzw. vorgeschrieben.
Der Begriff Zielvereinbarung ist alles andere als einheitlich. Er steht inzwischen für eine Vielzahl unterschiedlichster Anwendungsformen.
Generell handelt es sich um eine spezifische Form der Festlegung von Zielen als zukunftsbezogene Steuerungsgrößen der Leistung und des Verhaltens der Mitarbeiter, die sich maßgeblich von einer Zielvorgabe im Rahmen hierarchischer Beziehungen unterscheidet (zumindest unterscheiden sollte).
Im Mitarbeitergespräch werden zwischen dem Beschäftigten und seinem Vorgesetzten gemeinsam Ziele für den Arbeitsbereich des Mitarbeiters festgelegt.
Diese können eingebunden sein in ein umfassendes, ebenenübergreifendes Zielsystem des Unternehmens. Bei anderen Formen kommen die Ziele weniger aus dem Bereich des Controllings bzw. der Unternehmensplanung, sondern sind von den jeweiligen Aufgaben der Mitarbeiter abgeleitet (teilweise dokumentiert in Form der Stellenbeschreibung).
Die Zielvereinbarungen haben eine feste, den Beteiligten bekannte Laufzeit, und nach Ablauf dieser Periode werden durch einen Soll/Ist-Vergleich (vgl. unten) in einem weiteren Gespräch und möglichst auf der Basis spezifischer Daten die Zielerreichungsgrade ermittelt.
Die Zielerreichungsgrade können als Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf personelle Entscheidungen oder Teilnahme an Personalentwicklungsmaßnahmen dienen. Nicht wenige dieser Systeme weisen auch einen expliziten Entgeltbezug auf, indem aus dem Zielerreichungsgrad eine variable Vergütungskomponente ermittelt wird.

III. Management by objectives als Hintergrund


Viele Zielvereinbarungssysteme sind konzeptionell auf die Anwendung des Führungsmodells Management by objectives (MBO) zurückzuführen, das im Deutschen zumeist mit Führen durch Ziele o.ä. übersetzt wird.
Das MBO wurde in den 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre in den USA von einer Vielzahl von Autoren entwickelt. Es stellt möglichst quantifizierte, also in Zahlen ausgedrückte Ziele als zentralen Steuerungsmechanismus der Unternehmensaktivitäten bzw. der Aktivitäten seiner Mitglieder heraus.
Ein Unternehmen, das nach MBO führt, kennt neben einer Aufgaben- und Personenhierarchie auch eine Zielhierarchie (vgl. Abb. 1). Ausgehend von der Unternehmensführung, die Rahmenziele und strategische Pläne festlegt, werden die Ziele kaskadenförmig auf die untergeordneten Organisationseinheiten (Sparten, Hauptabteilungen, Gruppen, einzelne Stellen) „ heruntergebrochen “ .
Die auf diesem Wege festgelegten Ziele nehmen nach unten hin an Detaillierung, Präzision und Operationalisierung zu. Sie sollen gegenüber den Zielen der Vorperiode eine Herausforderung enthalten, d.h., sie sollen in ihrem Anspruch über den bisher erreichten Stand hinausgehen.
Zielvereinbarungssysteme
Abb. 1: Zielhierarchie in MBO-Konzepten
In Bezug auf die Frage der Beteiligung der Mitarbeiter an der Festlegung ihrer Stellenziele lassen sich im MBO zwei verschiedene Ansätze ausmachen. Bei der Zielvorgabe legt der Vorgesetzte in alleiniger Kompetenz die Zielgrößen für die unterstellten Mitarbeiter fest und gibt sie per Anordnung als verbindliche Richtschnur vor. Bei der Zielvereinbarung soll die Festlegung demgegenüber in einem kooperativen Prozess zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter erfolgen. Dieser Partizipation an der Zielfestlegung wird im MBO eine stark motivierende Wirkung zugeschrieben. Sie soll eine stärkere Realitätsnähe, aber auch eine höhere Identifikation der Beschäftigten mit den Zielen auslösen. Die Mitarbeiter sollen sich selbst „ in die Pflicht genommen “ fühlen und gegenüber der fremdbestimmten Variante der Zielvorgabe ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein für die Realisation der Ziele entwickeln.
Die Zielvereinbarung findet in der Regel statt in einem jährlichen Gespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter. Die dabei festgelegten Ziele gelten für eine feststehende Dauer (häufig ein Jahr) und werden in einem einfachen Formular festgehalten. Zugleich wird geklärt, wie man die im Soll/Ist-Vergleich (vgl. unten) festgestellten Zielerreichungsgrade bewertet (z.B. anhand einer fünfstufigen Skala: Ziel weit verfehlt – annähernd erreicht – erreicht – übertroffen – weit übertroffen). Auch können eventuell unterschiedliche Gewichtungen vorgenommen werden.
Die Mitarbeiter werden nach Ablauf einer entsprechenden Periode (z.B. ein Jahr) anhand eines Soll/Ist-Vergleiches bewertet. In einem Beurteilungsgespräch wird der Grad der Zielerreichung festzustellen und zu diskutieren versucht. Dabei soll auch, da in der Zwischenzeit aufgrund nicht vorhersehbarer Einflüsse das Zielniveau beeinträchtigt werden kann, eine Abweichungsanalyse vorgenommen werden. Schließlich sollen Folgemaßnahmen (z.B. Personalentwicklung) aufgrund der Beurteilungsergebnisse besprochen und die neuen Ziele für die kommende Periode festgelegt werden.

IV. Zieltheorie der Arbeitsmotivation


Das MBO ist ein Ansatz, der aus der Sphäre der Unternehmensberater erwachsen ist und insoweit eher pragmatisch-umsetzungsorientierten Ansprüchen genügt. MBO lässt sich jedoch seinerseits auf eine verhaltenswissenschaftliche Basis zurückführen, die in der Fachliteratur als die Zieltheorie der Arbeitsmotivation bzw. als die Goal-Setting-Theorie bezeichnet wird. Als prominentester Vertreter gilt der Amerikaner Locke (vgl. z.B. Locke,  1968; Locke, /Latham,  1990).
Nach dieser Richtung gelten Ziele als die zentralen Determinanten und Regulatoren menschlichen Handelns. Ziele entfalten ihre Steuerungsfunktion durch Aufmerksamkeitslenkung, Anstrengungsmobilisierung und Erhöhung der Ausdauer. Zudem begünstigen sie die Herausbildung geeigneter Handlungsstrategien.
Von Zielen geht des Weiteren eine gewisse Sogwirkung (traction) aus, die dazu führt, dass die Betreffenden bestrebt sind, jede Störung bzw. Unterbrechung im Hinblick auf die Zielerreichung abzuwehren.
Die Vertreter der Goal-Setting-Theorie haben vor allem über Experimente versucht, die konkreten Bedingungen für eine möglichst hohe Motivationswirkung von Zielen herauszufinden. Die wichtigsten Rahmenbedingungen und Zusammenhänge sind dabei die folgenden:

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Schwierigkeitsgrad: Schwierige Ziele führen zu besseren Leistungen als leichte. Insofern wird gefolgert, dass die Ziele eine Herausforderung und entsprechend anspruchsvoll formuliert sein sollten.

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Exaktheit der Zielbestimmung: Spezifische, klare Ziele bringen bessere Resultate als vage Vorgaben. So gilt die Vorgabe „ tue dein Bestes “ oder „ steigere die Produktivität “ als uneffektiv und damit wenig sinnvoll. Spezifische Ziele sind in diesem Sinne z.B. die „ Senkung der Reklamationsquote um 20% im nächsten Jahr “ oder „ Umsatzsteigerung von 7% in den kommenden sechs Monaten “ . Als Folgeproblem dieser Norm ergibt sich jedoch, dass viele Bereiche aufgrund der Natur ihrer Aufgabenstellung (z.B. eine Personalabteilung, ein Sekretariat) einer Ziel-Spezifizierung kaum oder nur über fragwürdige Umwege zugänglich sind. Auch lassen sich ökonomische Größen recht gut in klare Ziele umsetzen, nicht jedoch soziale Ziele wie die Humanisierung von Arbeitsbedingungen, die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit, die Verbesserung des Betriebsklimas oder die Steigerung der Kundenzufriedenheit.

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Zielakzeptanz und -commitment: Die Zielakzeptanz bezieht sich auf den Grad, zu dem ein Mitarbeiter ein Ziel verinnerlicht, es sozusagen als ihr/sein eigenes ansieht. Mit einer hohen Zielbindung wächst die Leistung, was eher für Zielvereinbarung als für Zielvorgabe spricht. Zielcommitment bezieht sich auf das Ausmaß, mit dem ein Mitarbeiter sozusagen ein persönliches Interesse an der Zielerreichung hat. Entsprechend ist zu erwarten, dass leistungsbezogene Entlohnung die Zielbindung stärkt.

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Feedback: Ziele wirken besonders dann leistungssteigernd, wenn sie mit – möglichst ständigen – Rückmeldungen über die aktuellen Ergebnisse kombiniert werden.


V. Anforderungen an zu vereinbarende Ziele


Aufgrund der Befunde der Goal-Setting-Theorie und praktischer Erfahrungen werden vielfältige Anforderungen an die festzulegenden bzw. zu vereinbarenden Ziele formuliert. Als am besten geeignet werden selbstredend quantitative Ziele (im weitesten Sinne auf Kennzahlen-Basis) erachtet. Diese seien hinlänglich klar und nach Ablauf der Periode überprüfbar. Da dies aber nicht immer möglich ist, werden auch andere, „ weichere “ Forderungen erhoben. So sollen die Ziele klar und verständlich, auf einen eingegrenzten und ebenso klaren Zeitraum bezogen und von den betreffenden Individuen auch beeinflussbar sein. Zudem sollen sich die Beteiligten (Vorgesetzter und Mitarbeiter) auf Überprüfungskriterien oder Indikatoren verständigen, jedenfalls sofern es sich nicht um quantifizierte und in ihrem Erreichungsgrad klar messbare Zielgrößen handelt.
Bekannt geworden ist inzwischen die sog. SMART-Regel (vgl. Abb. 2).
Zielvereinbarungssysteme
Abb. 2: Anforderungen an Zielvereinbarungen nach der SMART-Regel
Ein weiterer bedeutsamer Punkt ist, dass sich die Beteiligten auf eine überschaubare Zahl von Zielen (z.B. drei bis fünf) verständigen. Weniger ist mehr, damit die anzustrebenden Ziele im Blickfeld bleiben und die ihnen zugedachte Funktion der Aufmerksamkeitslenkung und Anstrengungsmobilisierung überhaupt erfüllt werden kann.

VI. Kritische Würdigung


Zielvereinbarungssysteme weisen aus Sicht der Unternehmen viele potenzielle Vorteile auf, die ihren aktuellen Bedeutungszuwachs verständlich machen.
Zielvereinbarungen versprechen eine höhere Planbarkeit und Koordinierung der Unternehmensaktivitäten besonders in großen Unternehmen. Sie ermöglichen eine kontrollierbare Verteilung der einzelnen Aufgaben auf die diversen Ebenen, Organisationseinheiten, Teams und ggf. auch Mitarbeiter.
Auch zentrale personalpolitische Funktionen werden von dem Instrument angesprochen.
Durch die klare und für alle Beteiligten sichtbare Festlegung von Zielen können die Mitarbeiter die an sie gerichteten Erwartungen erkennen, erhalten konkretes Feedback und können Einflüsse auf die Festlegung der für sie maßgeblichen Steuerungsgrößen ausüben. Zudem können sie bei festgelegten Zielen mehr Autonomie und Selbstbestimmung bei den Wegen der Zielerreichung beanspruchen. Durch die Orientierung an Zielen als Steuerungsmechanismus und eine Konzentration der Beurteilung auf einen Soll/Ist-Vergleich am Ende einer feststehenden Periode tut sich das Management oft leichter damit, den Beschäftigten zwischendurch mehr Raum für selbstständiges und selbstverantwortliches Agieren inklusive einer Selbstkontrolle zuzugestehen.
Jedoch gibt es auch bei den Zielvereinbarungssystemen eine Reihe von Anwendungsproblemen, die bei der Gestaltung solcher Verfahren zu bedenken sind (Breisig,  2001b, S. 66 ff.).
Ein erstes Problem besteht darin, dass es bei vielen Arbeitsplätzen Schwierigkeiten bereitet, operationale und klare Ziele statt einer vagen Umschreibung von Tätigkeitsinhalten festzulegen. Der ursprüngliche MBO-Ansatz ist zwingend mit der Forderung verbunden, möglichst exakte, ja nur rein quantitative Ziele als messbare und in ihrer Erreichung kontrollierbare Steuerungsgrößen zuzulassen. Wird diese Voraussetzung zwanghaft zu befolgen versucht, ist der Anwendungsbereich in der Tat stark eingeschränkt. Jedwede Form von komplexeren und/oder unbestimmten Aufgabeninhalten fällt dann heraus oder wird auf gekünsteltem Wege über irgendwelche Hintertüren in eine zahlenmäßige Ausdrucksform zu pressen versucht. Beispiel: Es werden nach einem sehr groben und methodisch fragwürdigen Raster ein paar Kunden befragt, und die Ergebnisse dieser Befragung werden herangezogen, um das Ziel Kundenzufriedenheit zu messen.
Gerade die in der Dienstleistungsgesellschaft für Fragen wie Qualität und Kundenorientierung ausschlaggebenden Verhaltensweisen der Mitarbeiter wie fachkundige und findige Beratung, ein freundlicher Umgang mit einem unzufriedenen Kunden am Telefon, das Einbringen von Kenntnissen und Ideen zur Produktinnovation usw. entziehen sich weitgehend der Messbarkeit. Zwar kann man zwanghaft irgendwelche zahlenmäßigen Größen ins Spiel bringen wie z.B. Reklamationsquoten, Ergebnisse von Zufriedenheitsbefragungen oder dergleichen. Diese sind jedoch nicht ein objektives Abbild der dahinter stehenden Mitarbeiterleistungen.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass es zu langfristig folgenschweren Fehlsteuerungen kommen kann. Je nachdem, welche Ziele genau vereinbart werden, wird die Aufmerksamkeit oft auf kurzfristige und gut erfassbare Größen konzentriert (z.B. Umsatz). Dies wirkt sich unter Umständen zulasten der mehr qualitativ-langfristigen Ziele aus wie Kundenberatung, Stabilisierung der Kundenbindung, Teamfähigkeit, Kooperationsbereitschaft oder Innovationsverhalten. Es besteht die begründete Gefahr, dass die nicht quantifizierbaren Bereiche des Leistungsverhaltens (Führungs- und Sozialverhalten, Innovation usw.) außen vor bleiben.
Eine weitere Schwierigkeit stellt auf die Frage der Beeinflussbarkeit der Ziele durch die Mitarbeiter ab. Im Prinzip wird unterstellt, dass allein die Mitarbeiter mit ihrem Leistungsverhalten für das Erreichen oder Nicht-Erreichen der Ziele verantwortlich sind. In vielen realen Aufgabenzusammenhängen sind jedoch diverse Situationsbedingungen aus einem komplexen Geflecht marktlicher, konjunktureller, preislicher, produktbezogener, führungsmäßiger oder sonstiger Faktoren ebenso für eine gute oder schlechte Leistung verantwortlich. Insofern ist es problematisch, quantitative Ziele bzw. deren Erreichungsgrad als objektiven Indikator der Leistung der Mitarbeiter auszugeben. Wird dieser Zusammenhang aber systematisch durch das Verfahren unterstellt, fühlen sich die Mitarbeiter im Falle von nicht von ihnen zu vertretenden Abweichungen ungerecht behandelt, besonders wenn dies auch Konsequenzen in ihrer Vergütung nach sich zieht.
Eines der häufig zentralen Defizite der Ziel-Vereinbarung besteht schließlich in einer unzureichenden Beteiligung der Mitarbeiter an der Zielfestlegung. Eine Zielhierarchie (vgl. Abb. 1) kann im Prinzip nur durch eine Vorgabe der Ziele von oben nach unten umgesetzt werden. Und genau dies geschieht häufig: es findet bestenfalls eine Kommunikation über vorgegebene Ziele, nicht aber eine wirkliche Partizipation der Mitarbeiter statt.
Eine authentische Zielvereinbarung verlangt jedoch nach einer realen Chance der Mitarbeiter, von den für sie über die Zielhierarchie vorbestimmten Zielen abweichende durchzusetzen, sofern es dafür gute Gründe gibt. Entscheidend ist an diesem Punkt, dass es ein faires und beide Perspektiven einbeziehendes Konfliktlösungsverfahren gibt, sofern sich Vorgesetzter und Mitarbeiter nicht einigen können (Breisig,  2001b, S. 122 ff.).

VII. Ausblick


Immer mehr Unternehmen und andere Organisation werden bemüht sein, Zielvereinbarungen zur Förderung der Kooperation und Kommunikation sowie für Leistungsabsprachen mit den Mitarbeitern mit zumindest teilweisem Entlohnungsbezug weiter voranzutreiben.
Dies ist trotz der beschriebenen Probleme eine Chance. Zielvereinbarungssysteme sind gestaltungsbedürftig und – auch im Wege der Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte – gestaltungsfähig. Wenn es gelingt, das Instrument trotz seiner unbestreitbaren praktischen Probleme einer vernünftigen, die Risiken begrenzenden und die positiven Potenziale fördernden Ausformung zu unterziehen, kann es ein wesentliches Element des viel beschworenen „ Modernisierungspaktes “ zwischen Belegschaften und ihren Interessenvertretungen einerseits und dem aufgeschlossenen Management andererseits sein – zum Nutzen aller Beteiligten.
Literatur:
Baethge, M./Denkinger, J./Kadritzke, U. : Das Führungskräfte-Dilemma. Manager und industrielle Experten zwischen Unternehmen und Lebenswelt, Frankfurt a.M. et al. 1995
Breisig, T. : PersonalbeurteilungMitarbeitergespräch – Zielvereinbarungen. Grundlagen, Gestaltungsmöglichkeiten und Umsetzung in Betriebs- und Dienstvereinbarungen, 2. A., Frankfurt a.M. 2001a
Breisig, T. : Entlohnen und Führen mit Zielvereinbarungen. Orientierungs- und Gestaltungshilfen für Betriebs- und Personalräte sowie für Personalverantwortliche, 2. A., Frankfurt a.M. 2001b
Bungard, W./Kohnke, O. : Zielvereinbarungen erfolgreich umsetzten, 2. A., Frankfurt a.M. 2001
Kaplan, R. S./Norton, D. P. : The Balanced Scorecard: Translating strategy into action, Boston 1996
Knebel, H. : Leistungsvergütung auf der Grundlage von Zielvereinbarungen: Wunsch und Wirklichkeit, in: Personal, H. 5/1984, S. 187 – 190
Locke, E. A. : Toward a theory of task motivation and incentives, in: Organizational Behavior and Human Performance, Jg. 50, H. 3/1968, S. 157 – 189
Locke, E. A./Latham, G. P. : A theory of goal setting and task performance, Englewood Cliffs 1990
Mungenast, M. : Leistungsbeurteilung und Ziele, in: Personal, H. 2/1994, S. 56 – 59
REFA-Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation, : Den Erfolg vereinbaren. Führen mit Zielvereinbarung, München 1995
Schau, M. : Corporate Identity durch die Einbeziehung von Zielvereinbarungen im Rahmen der Personalentwicklung, Diss., Frankfurt a.M. 1998
Tondorf, K. : Erfolg vereinbaren?, in: Mitbestimmung, Jg. 44, H. 5/1998, S. 61 – 62
Uhl, A. : Motivation durch Ziele, Anreize und Führung, Diss., Berlin 2000

 

 


 

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