Öko-Marketing
Inhaltsübersicht
I. Gegenstand und Abgrenzung des Öko-Marketing
II. Erfolgsvoraussetzungen und Ansatzpunkte des Öko-Marketing
III. Informationsgrundlagen des Öko-Marketing
IV. Strategische Ausrichtung des Öko-Marketing
V. Operative Ausrichtung des Öko-Marketing
VI. Implementierung des Öko-Marketing
I. Gegenstand und Abgrenzung des Öko-Marketing
Dem Öko-Marketing kommt im Rahmen einer umweltbewussten Unternehmensführung die Aufgabe zu, bei der Planung, Koordination, Durchsetzung und Kontrolle aller marktgerichteten Transaktionen eine Vermeidung und Verringerung von Umweltbelastungen zu bewirken, um über eine dauerhafte Befriedigung der Bedürfnisse aktueller und potenzieller Kunden unter Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen und bei Sicherung der gesellschaftlichen Legitimität die angestrebten Unternehmensziele zu erreichen (Meffert, H./Kirchgeorg, M. 1993). Das Öko-Marketing kann als Vertiefung (Deepening) des kommerziellen Marketing angesehen werden, bei der neben der Abnehmer- und Wettbewerbsorientierung ökologische und ethische Entscheidungskriterien ergänzend Berücksichtigung finden.
Die Entwicklung des Öko-Marketing lässt sich in vier Stufen skizzieren, die eng mit der Entwicklung des generellen Marketing-Begriffes verbunden sind. Anfang der 1970er-Jahre führte die vom US-amerikanischen Bereich ausgehende Konsumerismusbewegung (Meffert, H. 1975) zu einer verstärkten Kritik am kommerziellen Marketing. Als Reaktion hierauf wurden ausgehend von der Grundidee eines »Human Concept« des Marketing (Dawson, L. M. 1969) erste Ansätze des Öko-Marketing entwickelt (Fisk, G. 1974). Eine vertiefende wissenschaftliche Auseinandersetzung wurde 1975 durch den National Workshop on Ecological Marketing der American Marketing Association initiiert (Henion, K. E./Kinnear, T. C. 1976). Aus dieser Diskussion wurden jedoch primär selektive instrumentelle Anpassungen im praxisorientierten Marketing zur Sicherung der Unternehmenslegitimität aufgenommen (Phase der selektiv-instrumentellen Ausrichtung). Die zunehmenden Umweltprobleme und eine Verschärfung der Umweltgesetze führte Ende der 1970er-Jahre zu einem stärkeren Umweltbewusstsein der Konsumenten. In Wissenschaft und Praxis wurde eine stärkere Integration ökologischer Erfordernisse aus einer konzeptionellen Gesamtsicht heraus diskutiert (Phase der integrierten Ausrichtung) (Diller, H. 1977; Ruppen, L. 1978; Meffert, H./Bruhn, M./Schubert, F. et al. 1985; Burghold, J. A. 1988; Brandt, A./Hansen, U./Schoenheit, I. et al. 1988). Ende der 1980er-Jahre wird dem Öko-Marketing als integralem Bestandteil eines ganzheitlich ausgerichteten Umweltmanagements besondere Beachtung beigemessen (vgl. z.B. Meffert, H./Kirchgeorg, M. 1993; Hopfenbeck, W. 1990; Steger, U. 1988). Einhergehend mit dem zunehmenden Verdrängungswettbewerb wird hierbei die Bedeutung eines proaktiven Öko-Marketing zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen besonders thematisiert (Phase der wettbewerbsstrategischen Ausrichtung) (Meffert, H. 1991). Konzepte des Öko-Marketing wurden Ende der 1990er-Jahre zu Ansätzen des Nachhaltigkeitsmarketing weiter entwickelt. Hierbei wurde eine integrative Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Dimension im kommerziellen Marketingansatz in den Mittelpunkt gerückt (Kirchgeorg, M. 2002; Balderjahn, I. 2004).
Die Gestaltung einer Öko-Marketing-Konzeption erfordert aus entscheidungsorientierter Sicht die Berücksichtigung ökologischer Aspekte in allen Konzeptionsphasen:
- | Ganzheitlich ausgerichtete Analyse relevanter Umweltprobleme, die ein Unternehmen bzw. dessen Produkte aktuell oder in der Zukunft betreffen, und Ableitung von Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen für das Marketing (Informationsaspekt); | - | Erweiterung der Unternehmensphilosophie und Marketing-Ziele durch Formulierung von umweltschutzbezogenen Grundsätzen und operationalen Umweltschutzzielen (Philosophie- und Zielaspekt); | - | Festlegung der strategischen Akzentsetzungen im Rahmen der Marktbearbeitung, um den ökologischen Problemstellungen bei einzelnen Zielgruppen Rechnung zu tragen (Strategie- und Zielgruppenaspekt); | - | Modifikation und integrierter Einsatz der Marketing-Instrumente zur Umsetzung des Öko-Marketing im horizontalen und vertikalen Wettbewerb (Aktions- und Koordinationsaspekt); | - | Kontrolle und Steuerung der umweltorientierten Marketing-Aktivitäten im Rahmen eines Öko-Controlling (Steuerungs- und Kontrollaspekt). |
II. Erfolgsvoraussetzungen und Ansatzpunkte des Öko-Marketing
Der Erfolg versprechende Einsatz des Öko-Marketing hängt im Wesentlichen von den spezifischen Rahmenbedingungen ab, unter denen es sich bewähren muss. Zum einen können Situationen unterschieden werden, bei denen die Umweltvorteile einer zu vermarktenden Produkt- bzw. Serviceleistung für einen Konsumenten einen individuellen oder lediglich sozialen bzw. kollektiven Nutzen stiften (Meffert, H. 1993). Weiterhin kann danach differenziert werden, ob umweltorientierte Produkte gegenüber traditionellen Produkten zu einem geringeren, gleichen oder zu einem höheren Preis bzw. zu höheren Opportunitätskosten (z.B. in Form von Zeit- und Informationsaufwand) zu erwerben sind. Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Ausgangskonstellationen lassen sich gemäß Abb. 1 vier typische Entscheidungssituationen im Öko-Marketing unterscheiden (Kaas, K. P. 1992; Meffert, H. 1993).
Abb. 1: Ansatzpunkte eines Öko-Marketing
Sofern umweltgerechte Produkte den Konsumenten einen individuellen Nutzen stiften und diese günstiger sind als die traditionellen Produktalternativen (Feld I), führen Umweltvorteile über die gewährten Preisvorteile gleichermaßen zu Wettbewerbsvorteilen (z.B. Angebot preisgünstiger energiesparender Elektrogeräte). Die Hauptaufgabe des Öko-Marketing muss neben der Initiierung der Entwicklung solcher Problemlösungen auf die Absicherung der Wettbewerbsvorteile ausgerichtet sein. Das Feld II kennzeichnet Entscheidungssituationen, bei denen Produkte Umweltvorteile aufweisen, die jedoch lediglich einen sozialen und keinen individuellen Nutzen für den einzelnen Konsumenten stiften, wobei der Preis für entsprechende Produkte geringer ist als bei Substitutionsprodukten. In diesem Fall müssen im Rahmen eines Öko-Marketing Ansatzpunkte entwickelt werden, um z.B. über die Hervorhebung des ökonomischen Vorteils oder die Vermittlung von Sozialprestige den Konsumenten zum Kauf derartiger Problemlösungen zu bewegen. Besondere Anforderungen werden an das Öko-Marketing gestellt, wenn umweltgerechte Produkte teurer sind und zusätzliche Opportunitätskosten beim Konsumenten verursachen (Feld III). Sofern Konsumenten hierbei mit umweltgerechten Produkten einen Individualnutzen verbinden, sind preisbezogene Wettbewerbsnachteile – sofern sie nicht durch Rationalisierungen zu reduzieren sind – durch andere Instrumente des Öko-Marketing zu kompensieren. Durch die Hervorhebung des Umweltnutzens in der Kommunikationspolitik und eine differenzierte Marktbearbeitung von Konsumenten nach unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften lassen sich Ansatzpunkte einer erfolgreichen Marktbehauptung erschließen. Die Grenzen des Öko-Marketing werden im Feld IV angezeigt. Wenn umweltgerechte Produkte weder einen zusätzlichen Individualnutzen noch einen ökonomischen Anreiz bieten, dann stellt sich ein klassisches Marktversagen ein. Traditionelle Produkte werden gegenüber den umweltverträglicheren Alternativen vielfach bevorzugt. In dieser Situation kann durch staatliches Eingreifen ein umweltorientiertes Verhalten vorgeschrieben oder durch steuerliche Anreize begünstigt werden (z.B. Abgaskatalysatoren). Es ist auch möglich, durch Konzepte eines Marketing für Ökologie einen Bewusstseins- und Wertewandel bei den Konsumenten herbeizuführen. Konzepte eines Marketing für Ökologie werden überwiegend von nicht erwerbswirtschaftlich tätigen Organisationen, wie z.B. Umweltschutzinitiativen, Naturschutzverbänden oder Verbraucherverbänden, aber auch von staatlichen Institutionen verfolgt. Sie sind als spezifische Ausrichtung des Social Marketing zu verstehen (Raffée, H. 1979; Fässler, E. 1989; Wiedemann, K.-P. 1993; Belz, F. -M. 2001).
III. Informationsgrundlagen des Öko-Marketing
Ausgangspunkt der Gestaltung einer Öko-Marketing-Konzeption bildet eine externe und interne Situationsanalyse. Das Öko-Marketing sieht sich im Spannungsfeld zwischen Ökologie-Push (z.B. Umweltgesetzgebung, Forderungen gesellschaftlicher Anspruchsgruppen) und Ökologie-Pull (z.B. verstärkte Nachfrage nach umweltgerechten Produkten, Umweltschutz als Wettbewerbsfaktor), dessen Bestimmungsfaktoren in ihrer Vernetztheit systematisch zu erfassen sind (Meffert, H./Kirchgeorg, M. 1993a). Die Analyse der rechtlichen, technologischen und ökologischen Umweltbedingungen bildet eine zentrale Voraussetzung des Öko-Marketing. Die Einhaltung der Umweltschutzgesetze wird als eine Notwendigkeit zur Sicherung der Unternehmenslegitimität angesehen. Zur wettbewerbsbezogenen Profilierung sind im Rahmen des Öko-Marketing im Vorfeld von gesetzlichen oder gesellschaftlichen Umweltschutzansprüchen proaktiv Problemlösungen zu entwickeln.
Im Mittelpunkt der Situationsanalyse steht weiterhin das Konsumentenverhalten. Die Marktforschung muss zur Abschätzung des Markt- und Absatzpotenzials umweltorientierter Produkte Informationen über das Umweltbewusstsein, die umweltorientierte Preisbereitschaft, die individuelle Kundenbetroffenheit von Umweltproblemen und die Ausprägung des umweltorientierten Kaufverhaltens bereitstellen. Insbesondere in den 1980er- und 1990er-Jahren wurde in empirischen Studien (z.B. Bruhn, M. 1978; Balderjahn, I. 1986; Wimmer, F. 1993) eine erhebliche Divergenz zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten ermittelt. Gründe für diese Verhaltensdivergenz werden in einer begrenzten Preisbereitschaft bzw. Kostenbarrieren, Wissens-, Qualitäts-, Gewohnheits-, Motivationsbarrieren, in der fehlenden Verfügbarkeit von Umweltprodukten sowie insgesamt einer erhöhten Unsicherheit bei der Kaufentscheidung für Umweltprodukte gesehen (Monhemius, K. -C. 1992; Kaas, K. P. 1992; Hüser, A. 1993). Eine Vielzahl von Entscheidungssituationen im Öko-Marketing ist deshalb dem Feld II oder IV der Abb. 1 zuzuordnen, wodurch die Erzielung von Kunden- und Wettbewerbsvorteilen erschwert wird. Ein besonderer Stellenwert ist der Analyse der Wettbewerbssituation beizumessen, um die Chancen und Risiken der Wettbewerbsprofilierung im Öko-Marketing zu bewerten. Im Mittelpunkt steht die Analyse der ökologieinduzierten Veränderung der Wettbewerbsintensität, z.B. durch Markteintritt neuer Konkurrenten, Bedrohungen durch Ersatzprodukte oder Veränderungen der Verhandlungsstärke von Lieferanten und Abnehmern (Porter, M. E. 1984; Meffert, H./Kirchgeorg, M. 1993a). Ein ökologieorientiertes Benchmarking gegenüber den Hauptwettbewerbern bildet hierbei eine zentrale Informationsgrundlage. Weiterhin sind Informationen über die Position des Handels zu erfassen, der zunehmend eine aktive Rolle als ökologischer Gatekeeper im Absatzkanal wahrnimmt (Hansen, U. 1992). Durch eine Segmentierung der aktuellen und potenziellen Händler nach umweltorientierten Kriterien (z.B. Umweltbewusstsein der Entscheidungsträger, Sortimentsstruktur, Kompetenz im Umweltschutz) können unter Berücksichtigung der jeweiligen Kooperationsbereitschaft handelstypenspezifische Handlungsoptionen im vertikalen Marketing entwickelt werden. Erfolgspositionen auf Märkten werden in zunehmendem Maße auch durch das Verhalten von nicht marktlichen Gruppen beeinflusst (z.B. Journalisten, Bürger- und Umweltinitiativen), sodass die Perspektive der klassischen Marktforschung um diese Anspruchsgruppen zu erweitern ist (Dyllick, T. 1989).
Den umwelt- und marktbezogenen Chancen und Risiken sind die unternehmensbezogenen Stärken und Schwächen gegenüberzustellen. Beeinträchtigungen der Umweltmedien (Boden, Wasser, Luft) und der Ressourcenverbrauch sind in der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens und im gesamten Lebenszyklus der angebotenen Produkt- und Dienstleistungen zu erfassen. Geeignete methodische Instrumente hierzu bilden Wertkettenanalysen, Öko-Bilanzen, Produktlinienanalysen oder auch sog. Öko-Portfolios (z.B. Freimann, J. 1989; Braunschweig, A./Müller-Wenk, R. 1993; Meffert, H./Kirchgeorg, M. 1993a).
IV. Strategische Ausrichtung des Öko-Marketing
Auf der Grundlage der Situationsanalyse sind die Marketing-Ziele und -Strategien zu modifizieren. Abgeleitet von umweltbezogenen Unternehmensleitbildern wie dem »Sustainable Development« (Meffert, H./Kirchgeorg, M. 1993a) sind differenziert nach einzelnen Umweltmedien, Unternehmensfunktionen, Geschäftsbereichen, Produkten, Produktsubstanzen und Zielgruppen konkrete Umweltschutzziele für das Öko-Marketing nach Inhalt, Ausmaß und Zeitbezug zu präzisieren. Mögliche Zielinhalte können z.B. darstellen:
- | Verringerung des Ressourceneinsatzes, | - | Verminderung des Energieverbrauchs von Produkten, | - | Erhöhung des Bekanntheitsgrades für Umweltschutzinnovationen, | - | Erhöhung des Zeitaufwandes für Umweltberatung im Kundendienst, | - | Erzielung von bestimmten Recyclingquoten, | - | Erhöhung der Kaufbereitschaft für umweltverträglichere Produkte. |
Besondere Probleme treten auf, wenn sich konfliktäre Beziehungen zwischen den ökonomischen und ökologischen Marketing-Zielen ergeben. Letztendlich erfordert die Lösung dieser Zielkonflikte ein verantwortungsethisches Entscheidungsverhalten der Entscheidungsträger.
Bei der Festlegung der strategischen Ausrichtung des Öko-Marketing sind die Basis- und Marktteilnehmerstrategien zu konkretisieren. Grundsätzlich lassen sich reaktive und proaktive Basisstrategien unterscheiden. Bei reaktiven Basisstrategien berücksichtigen Unternehmungen erst aufgrund gesetzlicher Auflagen Umweltschutzforderungen von Teilöffentlichkeiten. In diesem Fall erfüllt die Unternehmung zwar die ökologischen Minimalforderungen, vergibt sich aber langfristig die Möglichkeit, im Markt und in der Gesellschaft ein deutliches Profil als umweltorientiertes Unternehmen aufzubauen. Erst wenn im Rahmen des Öko-Marketing proaktiv und über gesetzliche Vorschriften hinaus Umweltschutzmaßnahmen ergriffen werden, bieten sich Profilierungsansätze. Bei den marktteilnehmergerichteten Strategien kann gegenüber den Konsumenten eine differenzierte oder undifferenzierte Marktbearbeitung vorgenommen werden. Aufgrund der Divergenzen zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten bieten sich vielfach differenzierte Marktbearbeitungsstrategien an, bei denen Segmente differenziert nach dem Umweltbewusstsein, der individuellen Betroffenheit und Preisbereitschaft von Konsumenten gezielt bearbeitet werden können. Besonderen Stellenwert nimmt die wettbewerbsorientierte Ausrichtung der Marketing-Strategie ein, um einen Umweltnutzen zu einem Wettbewerbsvorteil im Markt auszubauen. Wettbewerbsbezogene Profilierungsstrategien können auch unter Einbeziehung von Umweltschutzerfordernissen grundsätzlich in einer Qualitätsführerschaft bzw. Differenzierung, Kostenführerschaft sowie einer Nischen- bzw. Teilmarktorientierung bestehen. Empirische Untersuchungen haben darüber hinaus bestätigt, dass Timingentscheidungen über Pionier- und Folgestrategien bei der Markteinführung von Umweltprodukten zur Erzielung von Erfolgspositionen eine besondere Bedeutung erlangen (Kirchgeorg, M. 1990; Meffert, H. 1991; Ostmeier, H. 1990; Steger, U. 1993). Bei Festlegung der Marktteilnehmerstrategie sind weiterhin die Verhaltensoptionen im Vertikalen Marketing (Umgehungs-, Substitutions-, Kooperationsstrategien) gegenüber dem Handel zu prüfen. Inwieweit ein vertikal integriertes Vorgehen in Abstimmung und Kooperation mit dem Handel erfolgen kann, hängt von der ökologischen Grundhaltung, der Kompetenz und Kooperationsbereitschaft des Handels ab (Meffert, H./Kirchgeorg, M. 1993a).
V. Operative Ausrichtung des Öko-Marketing
Ausgehend von der Festlegung der strategischen Grundausrichtung ist der Einsatz der Marketing-Instrumente zu planen. Bei der Gestaltung eines ökologieorientierten Marketing-Mix bildet die Positionierungsentscheidung für umweltgerechte Produktvariationen und -innovationen den zentralen Ausgangspunkt. Hierbei stellt sich die Frage, durch welche Eigenschaften umweltgerechte Produkte im Wahrnehmungsraum des Konsumenten verankert werden sollen, damit eine Differenzierung gegenüber der Konkurrenz und eine Profilierung gegenüber den Konsumenten erreicht werden kann. Grundsätzlich ist eine eher flankierende, gleichberechtigte oder dominante Einbeziehung der Umweltverträglichkeit als Produkteigenschaft in die Markenpositionierung denkbar. Obwohl eine dominante Profilierung mit der Umweltverträglichkeit zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen vielfach angestrebt wird, erweist sich diese Option nicht unbedingt für jeden Anbieter als vorteilhaft. Zu denken ist hierbei an die Gefahr der Vernachlässigung klassischer Produktnutzenkomponenten, die Diskriminierung bestehender Marken bei dominanter Positionierung von neuen Umwelt- bzw. Öko-Marken im Programm und das Problem der Sicherung der Dauerhaftigkeit und Einzigartigkeit umweltorientierter Produkteigenschaften. Ausgehend von der verfolgten Positionierung ist der umweltorientierte Einsatz der Marketing-Instrumente zu planen.
Auf der Grundlage einer Umweltverträglichkeitsprüfung in der Beschaffungs-, Erstellungs-, Verkaufs-, Nutzungs- und Entsorgungsphase lassen sich für die Produktpolitik wesentliche Implikationen für umweltgerechtere Problemlösungen ableiten. Als produktpolitische Instrumente stehen Produktinnovationen, Produktvariationen und Produkteliminierungen zur Anpassung des Programms an ökologische Erfordernisse zur Verfügung (z.B. Thomé, G. 1981; Ostmeier, H. 1990; Türck, R. 1990; Bergmann, G. 1994). Während bei der Produktvariation ökologieorientierte Anforderungen in bereits bestehende Produkte zu integrieren sind, werden bei ökologieorientierten Produktinnovationen völlig neue Produktkonzepte auf dem Markt eingeführt.
Produktneuentwicklungen müssen sich an den Anforderungen von Stoffkreisläufen nach dem Grundsatz »cradle to grave« orientieren und eine Substitution von nicht regenerierbaren Ressourcen durch regenerierbare Ressourcen sowie eine Steigerung der ökologischen Effizienz anstreben. Die Entwicklung von recyclinggerechten Produkten, Langzeitprodukten, Kundendiensten zur Sicherstellung einer langen und umweltgerechten Nutzungsdauer oder Formen der Mehrfachnutzung bieten hierfür Ansatzpunkte. Produktstandards für umweltgerechte Produktinnovationen sind in enger Verknüpfung mit Total-Quality-Konzepten zu integrieren. Im Rahmen der Verpackungspolitik sind umweltgerechte Verpackungs- und Logistikalternativen zu entwickeln, ohne die Transportschutz-, Dimensionierungs-, Präsentations-, Qualitäts- und Informationsfunktion der Verpackung zu gefährden. Im Rahmen der Markenpolitik ist zu prüfen, inwieweit durch einen veränderten Markenauftritt und durch Zusatzmarkierungen (z.B. Umweltengel) die angestrebten Positionierungsziele zu erreichen sind. Einer ökologieorientierten Kommunikationspolitik kommt die Aufgabe zu, die realisierten Umweltvorteile und die Kompetenz des Unternehmens in Umweltfragen herauszustellen (Lambsdorff, H. G. 1993). Neben den klassischen Kommunikationsinstrumenten wird neueren Instrumenten, wie z.B. Risikodialogen, zum Aufbau von Kommunikationsbeziehungen zu kritischen Institutionen, Umweltverbänden und Medien, eine besondere Bedeutung beigemessen (Jungermann, H./Rohrmann, B./Wiedemann, P. M. 1991). Ergänzend können auch Formen des Umweltsponsoring in ein integriertes Konzept der Umweltkommunikation einbezogen werden (Bruhn, M. 1990; Zillessen, R./Rahmel, H. 1991).
Die Umsetzung des Kreislaufgedankens im Öko-Marketing stellt neue konzeptionelle Anforderungen an die Distributionspolitik (Kirchgeorg, M. 1998). Neben der traditionellen Aufgabe, umweltgerechte Produkte über geeignete Absatzkanäle den Zielgruppen zugänglich zu machen, erweitert sich das Aufgabenspektrum durch die vielfach bereits gesetzlich verankerten Rücknahmeverpflichtungen von Verpackungen und Produkten nach ihrem Gebrauch. Ähnlich wie bei der Entscheidung zwischen verschiedenen Formen von Absatzkanälen steht die Wahl eines geeigneten Rückführungskanals immer mehr im Mittelpunkt distributionspolitischer Entscheidungen (Meffert, H./Kirchgeorg, M. 1993a). Im logistischen System sind Kostenfaktoren durch ressourcenbezogene Überlegungen (Energie) und umweltbezogene Gesichtspunkte (Emissionen) bei der Wahl von Transportmittelalternativen zu ergänzen. In der Preispolitik sind Preisdifferenzierungsstrategien mit Bezug auf die unterschiedliche umweltorientierte Preisbereitschaft der Konsumenten, Formen der dynamischen Preisgestaltung (Skimmingpreisstrategien) und Ansätze der Mischkalkulation bei der Einführung umweltorientierter Produkte zu prüfen. Weitere Ansatzpunkte können sich in der Konditionenpolitik, z.B. über besondere Jahresboni und Finanzierungsformen (z.B. Leasing) für umweltgerechte Produktvarianten, ergeben.
VI. Implementierung des Öko-Marketing
Bei der Implementierung des Öko-Marketing ist durch eine Verknüpfung des Top-to-down-Ansatzes mit einem Bottom-up-Ansatz eine große Akzeptanz und Breitenwirkung im Unternehmen sicherzustellen. Der Prozess des geplanten Wandels sollte durch ein innengerichtetes Marketing zum Abbau möglicher Akzeptanz- und Verhaltensbarrieren begleitet werden. Aufgrund der Komplexität und Interdisziplinarität umweltschutzbezogener Problemstellungen ist insbesondere das vielfach in den Unternehmen vorherrschende funktionsorientierte Denken durch eine ganzheitlichere oder vernetztere Sicht zu ergänzen. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben und Spezialprobleme bietet sich die Einrichtung einer Umweltschutzorganisation an. Im Hinblick auf die Koordination und Kontrolle der Umweltschutzmaßnahmen ist das klassische Controlling durch ein ökologieorientiertes Controlling zu ergänzen (z.B. Steger, U. 1991; Wagner, G. R. 1993). Mithilfe eines ökologieorientierten Controlling sind dem Entscheidungsträger Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrumente zur Entwicklung und Implementierung einer Öko-Marketing-Konzeption bereitzustellen.
Literatur:
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