Franchising
Inhaltsübersicht
I. Typologie
II. Rechtliche Aspekte und Vertrag
III. Franchise-Strategien
IV. Franchising im und mit dem Handel
V. Beurteilung des Franchising
VI. Zukunftsaspekte des Franchising
I. Typologie
1. Praxis und Definitionen
Franchisebetriebe unterscheiden sich nicht von eigenen Vertriebsstellen der gleichen Kette.
Mit gleichem Markenzeichen und Angebot, mit gleich erscheinenden Preisen, mit typischer Werbung und Atmosphäre und Service treten sie einheitlich auf. Erstes Indiz dafür, dass es sich hier um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, sind meistens Freundlichkeit und Dienstbereitschaft, hinter denen Inhaber höchstpersönlich oder deren direkt motivierte Mitarbeiter stehen.
Beispiel für dieses Betriebsfranchising sind Fressnapf, McDonald\'s, BMW oder Kieser Training. Das Business-Format Franchising umfasst den ganzen Berieb des Franchisenehmers in all seinen Funktionen (ausgenommen Verwaltung). Dieser Franchisetyp wird von zahlreichen Experten als das einzig »echte« Franchising in Europa angesehen, hingegen das in Amerika so bezeichnete Produktfranchising lediglich als Autorisierung zum Vertrieb einer Markenware. Zwischen Produktfranchising und Betriebsfranchising siedeln die europäischen Franchise Verbände ihre das Franchising typisierenden Merkmale an:
- | Gewährung von Nutzungsrechten an gewerblichen Schutzrechten | - | einheitliches Erscheinungsbild, | - | geheimes, identifizierbares und für den Marktzutritt wesentliches Know-how sowie | - | laufende technische oder kommerzielle Unterstützung. |
Für das Franchising haben sich in Deutschland darüber hinausgehende Begriffsdefinitionen entwickelt. Die Definition des Verfassers lautet (Knigge, J. 2004, S. 1.3):
- | Franchising ist ein vertikales Vertriebssystem für Waren und Dienstleistungen. | - | Es beruht auf umfassender Arbeitsteilung und Zusammenarbeit zwischen selbstständigen Unternehmen, Franchisegeber und Franchisenehmer. | - | Dafür schließen beide einen Vertrag mit an der Investition orientierter längerfristiger Dauer. | - | Der Franchisegeber gibt dem Franchisenehmer das Recht, dessen oder von diesem bestimmte Produkte und Sortimente oder Dienste in einem bestimmten Gebiet zu vertreiben. | - | Der Franchisegeber unterstützt den Franchisenehmer mit bestimmten, speziellem Know-how und einem umfassenden Servicepaket für Vorbereitung, Start und laufenden Betrieb. | - | Der Franchisenehmer verwendet für einheitliches System-Auftreten Namen, Warenzeichen und werbliche Ausstattungen des Franchisegebers. | - | Der Franchisenehmer setzt Person(en) und Investitions-Kapital ein, befolgt das Marketing- und Organisationssystem des Franchisegebers, erlaubt Kontrollen und liefert Informationen. | - | Der Franchisenehmer bezieht vom Franchisegeber oder von diesem bestimmten Dritten Waren oder/und zahlt ihm direkte Entgelte. | - | Der Franchisenehmer kauft und verkauft in eigenem Namen und für eigene Rechnung (Eigenhändler). |
Manche Vertriebssysteme oder Händlerorganisationen möchten sich aus traditionellen und/oder vertriebs-politischen Gründen vom Franchising abgrenzen, z.B. aus Angst, den lange bestehenden Vertriebspartnern durch das neue Wort Franchise mit angeblich mehr Systembindung zu drohen oder um im Verteilungskampf zwischen Händlern, Herstellern und Endverbrauchern das gewünschte Ziel zu erreichen. Andere Ketten sehen es gelassener, dass man ihre Konzessionärssysteme, Exklusivhändlerschaft, Lizenznehmer oder Ähnliches im zutreffenden Fall als Franchisesysteme identifiziert.
2. Abgrenzungen und Franchise-Typen
Einige Eckpunkte zur Unterscheidung von ähnlichen Vertriebssystemen sind:
- | vertikale Struktur des Franchisesystems im Gegensatz zu horizontalen Kooperationen in Einkauf und Marketing, deren Mitglieder gleichzeitig die Eigentümer der Vereinigung sind. | - | längerfristige Vertragsdauer: nur diese entspricht dem Investitions-Sicherungsinteresse des Franchisenehmers anders: Brotladen-Pächter. | - | Rechtsstatus Eigenhändler: dadurch unterscheiden sich Franchisesysteme von modernen Verkaufsagentur-Systemen (z.B. Jacques\' Wein-Depots). |
Die Erscheinungsformen des Franchising (Franchise-Typen oder Franchise-Arten) lassen sich nach folgenden Kriterien untergliedern:
- | Franchisen für Produkte, Sortimente, Dienste | - | Hersteller/Großhändler/Einzelhandels-/Handwerks- und Dienstleistungs-Franchising (Konstellation Franchisegeber/-nehmer) | - | Produktions- (industrielles und verarbeitendes) und Vertriebsfranchising | - | Separat-Betriebs-Franchising und Abteilungs-Franchising (nur dann Franchising, wenn Umfang des Ertrags zumindest eine kleine Betriebs-Vollexistenz ergeben würde) | - | Stationäres (Laden, Büro, Werkstatt), mobiles Franchising (Verkaufsfahrzeug, Direktvertrieb) | - | Individual- (einzelner Franchise-Betrieb) und Master-Franchising (Gebiets-Franchise mit Recht auf Filialen und Sub-Franchising) | - | Direktes (Selbstbetreiber) und indirektes Franchising (Investor mit angestelltem Betriebsleiter) |
In der Praxis ist die häufigste Art das direkte, Individual- und stationäre Separat-Betriebs-Franchising (Owner-Operator-Franchising) (Knigge, J. 2005; Love, J. F. 1986).
Das Wort Franchise stammt ursprünglich aus dem Französischen. Vor allem in den USA hat sich Franchising durch die systematische Anwendung in Praxis und Sprache etabliert und ist auch in Deutschland und Europa seit Ende der 1960er-Jahre immer mehr im Vormarsch und seit den 1990er-Jahren im Boom.
II. Rechtliche Aspekte und Vertrag
1. Eigenhändler
Das Franchising ist als Recht in Deutschland nicht kodifiziert. Ebenso wenig in einzelnen anderen EG-Mitgliedsländern, ausgenommen z.B. in Frankreich (»Loi Dubain«) zur Offenlegung der Franchise-Verträge und -Angebote vor Vertragsunterzeichnung und in Österreich Anzeigepflicht des Franchise-Vertrages beim Kartellgericht. Im Übrigen lässt sich eine Franchise-Definition wie bereits formuliert, mit rechtlicher Relevanz nur indirekt oder fragmentarisch aus der früheren EG-Gruppen-Freistellungsverordnung für Franchise-Vertriebssysteme (Kommission der EG, [Hrsg.]1988; gültig bis 31.12.1999), aus Stellungnahmen des Deutschen Bundeskartellamts und aus richterlichen Urteilsbegründungen entnehmen.
In allen drei Fällen geht man von einem Franchisenehmer als unabhängigem Händler, also einem sog. Eigenhändler aus, der Käufe und Verkäufe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätigt. Damit ist eine Abgrenzung zum Handelsvertreter, Kommissionär, Kommissionsagenten, zum Angestellten und zum Gesellschafter-Partner erfolgt. Subunternehmer und rein technische Lizenznehmer sind damit ebenfalls keine Franchisenehmer. Andererseits gibt es keine rechtlich relevanten Tatbestände, Getränkeabfüll-Systeme, z.B. Coca Cola, und Autovertragshändler- und Autovertragswerkstatt-Systeme wie von BMW, Ford und Opel nicht als Franchisesysteme zu akzeptieren.
2. Einfluss anderer Rechtsgebiete
In der BRD muss man einen Franchise-Vertrag als zusammengesetzt sehen aus Regelungen, die verschiedene Rechtsgebiete, diesbezügliche Gesetze, Richtlinien und Gerichtsentscheidungen betreffen. Laut Gerichtsurteilen gibt es eindeutige Analogien von Franchise- zu Handelsvertreter-Vertragsverhältnissen, z.B. bei Ausgleichsansprüchen nach § 89b HGB oder bezüglich Entgelt, Vertragsbezirken oder Kundschaft bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten nach § 90a HGB. In Zukunft machen die gelockerten Berufsbilder der Handwerksordnung Franchising von neuen und handwerksähnlichen Dienstleistungen weniger Schwierigkeiten. So müssen bei relativ einfach und schnell zu lernenden Tätigkeiten, z.B. bei Renovierungen oder Reparaturen, die keine sicherheitstechnischen Voraussetzungen haben, Franchisenehmer vor Ort selbst keinen Meisterbrief besitzen oder keinen Meister als Betriebsleiter beschäftigen.
Abgesehen von Preisbindungsverbot oder Diskriminierungsverbot aus marktbeherrschender Stellung hat das EU-Recht mit der EU-Freistellungsverordnung für Gruppen vertikaler Vereinbarungen zunehmend mehr Einfluss auf Franchise-System-Gestaltungen als das deutsche Kartellrecht (GWB). Wesentliche Einwirkung haben auch das Markengesetz (Marken-G) und das Widerrufsrecht nach §§ 355ff BGB und die Regelung der AGB in §§ 305ff BGB, letztere beide zum Schutz auch von Franchisenehmern. Scheinselbstständigkeit muss bei Verträgen de jure und im Verhalten de facto vor allem bei Kleinbetrieben wegen sonst drohender Sozial- und Arbeitsgerichtsprozesse und Folgen daraus vermieden werden (SGB IV, § 7 (4)).
3. Verträge
Die Verträge sollten klar in der Sprache, ausgewogen – auch optisch – in der Verteilung von Leistungen und Pflichten sein, nicht nur juristische Kautelen, sondern auch Marketing, Betriebswirtschaft, Psychologie und Organisation des Franchisesystems einbeziehen. Der Franchisegeber sollte Flexibilität einbauen für die zukünftige Systementwicklung, sog. Systemstandards als Charta und Prinzipien-Konsens und als Beurteilungskriterien besonders bei Dienstleistungs-Franchisesystemen. Als Grundsatz gilt auch, dass der Franchise-Vertrag das letzte Verkaufsinstrument vor dem Vertragsabschluss ist. Verträge werden heute über mindestens fünf Jahre, meistens mit Option über zehn Jahre geschlossen.
Neben der Regelung von einheitlichem Erscheinungsbild, reibungsloser Ablauforganisation und zulässigen Kontrollrechten und neben der zu beachtenden rechtlichen Selbstständigkeit von Franchisenehmern gibt es für Franchisegeber weitere sechs wesentliche Punkte, die sorgfältig und gleichzeitig so flexibel wie nötig zu regeln sind:
- | Vorvertragliche Aufklärung, | - | Gebietsregelung/Gebietsschutz, | - | Bezugsverpflichtung/Vertriebsbindung, | - | Preis- und Konditionensteuerung | - | Anbindung von Systemhandbüchern, | - | Wettbewerbsabreden. |
III. Franchise-Strategien
1. Franchisegeber-Ziele und System-Strategien
Franchise-Strategie und Franchise-Philosophie gehen davon aus, dass die Vorteile eines erfahrenen Unternehmens mit erprobten Betriebstypen, Know-how, Werbekraft und Image, Einkaufsvolumen und Informationsvorsprung optimal kombiniert werden mit den Vorzügen kleiner bis mittlerer, von selbstständigen Eigentümern geführten Unternehmen, die vor Ort mit regionalen Marktkenntnissen, Engagement und eigenem Risiko tätig sind. Vertikale Arbeitsteilung zwischen Systemzentrale und örtlichen selektierten Partnern nach dem Motto »Jeder tut das, was er auf seiner Stufe am besten kann« ergibt in der Summe die besten Synergieeffekte.
Für Franchisegeber ergeben sich zum Teil sehr unterschiedliche Wahlmöglichkeiten bei ihren Franchise-System-Strategien; das wird bei externer Management-Beratung z.B. von Franchise-Knigge® in den konkreten Fällen seit Jahren immer wieder bestätigt.
Das Franchising als Strategie hat vielfältige Funktionen (s. Abb. 1).
Abb. 1: Franchising als strategisches Instrument (Quelle: Knigge, J. 2004, S.1.9)
So lauten strategische Ziele und System-Optionen nach Unternehmenstypen
- | bei Herstellern: den Absatz intensivieren, Produktionsplanung absichern, Marke stationär verankern, mehr Feedback vom Markt, Preise und Kalkulationen besser steuern, Nutzung bestehender Unternehmer und Standorte (Beispiel Villeroy & Boch oder ähnlich als großer Dienstleister der »Veranstalter« TUI ReiseCenter) | - | bei Großhändlern: hohe Auftragskonzentration, über neuen Betriebstypen selbst Einzelhändler werden mit schneller Markterschließung, ähnlich wie OBI | - | als »Erfinder« mit Dienstleistungsmarketing oder als kleinerer Filialist: schneller wachsen, Konkurrenz zuvorkommen, Finanzierung ohne Bankabhängigkeit (PORTAS, Backwerk) | - | als Großfilialist: Verkaufsnetz an kleineren Orten verdichten, weitere Deckungsbeiträge und Kostendegressionen erreichen, Filialen verselbstständigen Personalprobleme lösen (Blume 2000 und arko-Kaffee) | - | als international expandierendes System: mit Partnern des jeweiligen Landes das Risiko der unterschiedlichen Verhältnisse und Mentalitäten abfedern (VOM FASS). |
2. Franchise-Teilstrategien zur Systemrealisierung
Auf anderer Ebene liegt die Franchise-Partner-Strategie. Hier ist z.B. zu entscheiden, ob
- | Franchisenehmer mit Herkunft aus der Branche, | - | direkte Individual-Franchisenehmer oder multiple Franchisenehmer mit größerem Investment und/oder mehreren Standorten, | - | Hauptmietvertrag mit Mietrisiko-Übernahme, | - | Existenzgründer oder bestehende Händler/Kunden gewünscht werden. |
Ziel für Franchisegeber sollte es sein, auf dem Käufermarkt von Franchise-Existenzen eine günstige Verkäuferposition zu erringen, nicht nur durch den unvergleichbaren Betriebstyp (out of category) und ein attraktives Franchise-Leistungspaket, sondern auch durch klare Anforderungsprofile und kreative und systematische Suche und Ansprache von passenden und ggf. bisher noch vernachlässigten Franchisenehmer-Typen und -Zielgruppensegmenten u.a. mit neuesten Internet-Methoden.
Bevorzugt werden in einer franchisenehmerorientierten Strategie:
- | Unternehmerinitiative und Erfolgswille, | - | persönlicher Einsatz und Aufgeschlossenheit, | - | Verkaufsorientierung, Organisationstalent, | - | Kontaktfähigkeit und örtliche Kenntnisse, | - | kritisch-konstruktiver Kooperationsgeist und | - | ausreichende Finanzierung. |
Die optimale Franchise-Gebietserschließungs-Strategie kann darin bestehen, entweder sukzessiv den Markt aufzurollen oder im Cluster-Verfahren zunächst jeweils regionale Schwerpunkte zu bilden oder unternehmerische Area-Developer einzusetzen.
Standort-Strategie beim Franchising kann sein, parallel zur Partner-Akquisition auch die Standorte heranzuholen oder fertig zu verkaufen. Franchisegebundene Strategien können darin bestehen, sich auf dem Kapitalmarkt Geld oder Refinanzierung zu beschaffen für Komplett-Leasing oder andererseits systematische Finanzierungsberatung mit Bonitäts-Rating z.B. mit WirtGut®-Software zur maximalen Ausschöpfung öffentlicher Finanzierungsmittel. Daneben können auch atypische Partner-Beteiligungsmodelle infrage kommen bei größeren Investor/Betriebsleiter-Märkten. Franchise-Werbe-Strategie sollte sein, zusammen in hohen Bekanntheitsgrad und starke Werbe-Impulse mit realistisch hohen Werbebeiträgen zu investieren.
Sehr wesentlich ist die Franchise-Entgelt-Strategie des Franchisegebers: Es ist zu entscheiden, ob er an der Ware, der Dienstleistung und/oder an der Immobilie verdienen will.
IV. Franchising im und mit dem Handel
Im Handel eignen sich Fach- und Spezialgeschäfte und Fachmärkte mit unfassenderem Sortiment und Beratung für Franchising. Paradebeispiel erfolgreichen Franchisings im Sortimentshandel ist das Filialunternehmen Ihr Platz. Vor allem die ständige Innovation im Sortiment, die permanente Unvergleichbarkeit, die »out of category«-Position, die USP (unique selling proposition), die Alleinstellung ermöglicht seinen Franchisenehmern vernünftige Preise und Deckungsbeiträge. Diese erlauben wiederum dem Franchisegeber einen adäquaten Franchise-Gebührensatz. Vobis ist mit seiner heute ausschließlichen Franchise-Kette mit Franchise-Läden und Franchise-Abteilungen entstanden aus dem Versandhandel und Filialsystem und einem langjährig betriebenen SB-Discount-System, das von 2004/2005 völlig auf Franchising und digital-Expert-Service umgestellt wurde.
Besonders prädestinierte Branchen für Franchising im Handel und Dienstleistungsgewerbe sind im jeweiligen Land starke Automobilhandels- und -werkstattsysteme mit innovativen Autos, Do-it-your-self-bedarfsorientierte Sortimente in Fachmärkten à la Obi, Lebensmittelspezialitäten mit Marken und eigenständigen Betriebstypen und Sortimenten, z.B. bei Kaffee & Confiserie wie arko. Die Reichweite der Fachmarkt-Franchisen reicht z.B. von Autozubehör bis Zootierbedarf, Outdoor und Erlebnis. Der Lebensmittel-Sortimentseinzelhandel hat kein Franchising hervorgebracht, außer bei Kleinverbrauchermarkt-Ketten, z.B. extra oder SB-Kontra von REWE.
Echte Franchise-Systeme haben auch Genossenschaften im Mode-Sektor wie z.B. Quick Schuh von Nord-West.
Unübersehbar sind die herstellerinitiierten Franchiseketten im Handel, gleich ob ursprünglich herstellereigene Fachgeschäfte wie WMF, arko oder Tchibo nunmehr franchisiert werden oder bei Marco Polo, S\'Oliver, Backfactory und MBE Mail Boxes Etc. neue Betriebe mit Franchising entstehen. Meist können hier die Hersteller allein mit ihren speziellen Produkten und Kollektionen mehr oder weniger das gesamte Sortiment liefern, lassen aber Spielraum für organisierte, passende Ergänzungen.
Andererseits müssen Franchisesysteme mit reiner Handelsherkunft von sich aus unvergleichliche Sortimente in der Gesamtzusammensetzung schaffen oder wesentliche Teile mit Eigenmarken besetzen oder für günstigste Einkaufspreise sorgen. Geschlossene Warenwirtschaftssysteme veranlassen viele bestehende Händler, sich an entsprechend organisierte Franchise- und Filialsysteme anzuschließen.
V. Beurteilung des Franchising
Die strategischen Ziele und Vorteile für den Franchisegeber wurden bereits vorgestellt und die Leistungen des Franchisegebers indirekt auch als Vorteile für den Franchisenehmer herausgestellt. Andererseits können es für den sonst geeigneten Franchisegeber-Kandidaten der Wunsch nach Beibehaltung oder die Angst vor Verlust von Kontrolle sein, die ihn vom Franchising abhalten. Filialisten bangen nicht selten wegen vermeintlicher Qualitäts- und Image-Einbußen, nicht 100%iger Bezugsbindung, Sortimentsverwässerung oder schrecken vor der Notwendigkeit der Umstellung des Führungsstils zurück. Potenzielle Hersteller-Franchisegeber glauben nicht selten, allein mit Shop in Shop, Depot usw. besser zu fahren, weil sie an mehr bestehende Standort-Frequenzen gelangen und sich so zum eigenen Wohle zu ständiger Kreativität zwingen müssen. Kapitalüberfluss, Konzerntechnokratie, autoritäre Führung, mangelnde Kooperationserfahrung und größere Gewinne in den besten Filialen halten ebenfalls viele Filialisten häufig vom Franchising ab. Hier werden als Alternative zum Franchising franchiseähnliche, filialähnliche Lösungen mit sog. Pacht- und Agentur-Betreibersystemen praktiziert.
Bei Franchisenehmern bietet das Franchising den Existenzgründern ein zehnmal kleineres Floprisiko, also quasi eine Versicherung für Erfolg, und erlaubt auch einem bestehenden Einzelhändler leichtere Diversifikation. Dagegen steht die Einschränkung der Selbstständigkeit und eine meist längerfristige Vertragsbindung. Franchisenehmer sind Charakter, die eine nicht so ausgeprägte Kreativität und Risikobereitschaft zu ihrem Vorteil machen, indem sie lieber aktiv und freundlich verkaufen, das Ladenlokal in Schuss halten, das Personal fördern und motivieren und ggf. einen zweiten oder dritten Laden im System aufmachen. Es gibt aber auch Branchen, die generell und nicht nur für Franchisenehmer riskant sind, z.B. Modehandel, wenn Trends und Moden nach kurzer Zeit vom Franchisegeber nicht mehr genügend aktualisiert werden.
VI. Zukunftsaspekte des Franchising
Je nach Erhebungsgrundlagen der Sachverständigen, die statistische Schätzungen über Franchise-Zahlen publizieren, sind die Daten und die Prognosen unterschiedlich. So lag Anfang der 1990er-Jahre in der BRD die Zahl der Franchisesysteme unter Einbeziehung der Autovertragshändler und -werkstätten, der internationalen Cola-Marken und bestimmter Hotel-Franchise-Systeme bei über 900 Franchisesystemen mit mindestens 60.000 Franchise-Betrieben und über 200 Mrd. Euro Umsatzvolumen pro Jahr (Knigge, J. 2004).
Franchising ist die Möglichkeit, sich erfolgreichen Geschäftskonzepten mit geringem Risiko anschließen zu können. Dies wird immer mehr verbreitet und bewusst. Franchise-Nehmer-Potenzial ist vorhanden bei ca. 700.000 Menschen, die pro Jahr eine selbstständige Existenz beginnen (wegen der Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur mit gewachsenem Ausländeranteil), bei Einzelhändlern als ein zweites Standbein, bei frustrierten Mittelmanagern, die ein erfolgreiches weiteres Berufsleben anfangen wollen, und bei solchen Kaufleuten, die sich aus Marken-Image, EDV- und ablauftechnischen Zwängen kompletten Warenwirtschafts- oder Informationswirtschaftssystemen anschließen müssen.
Andererseits entdecken immer mehr Unternehmen die Möglichkeit, als Franchisegeber systematischer und schneller zu expandieren. Aber auch das Bewusstsein, dass hiermit der Vertrieb flexibilisiert und schlanker gemacht wird (lean management vor Ort), und die Aufklärung, dass es Absicherungsinstrumente gibt, verringert die Angst vor Kontrollverlusten. Zahlreiche Firmen entdecken auch die Möglichkeit, Karrieren für Mitarbeiter von der Unselbstständigkeit bis zur lokalen selbstständigen Partnerschaft im gleichen System bieten zu können.
Franchising wird besonders große Zukunft in allen Bereichen des Vertriebs haben, wo Beratung und Service überdurchschnittliche Wertschöpfung und Verteilung von Deckungsbeiträgen an zwei Parteien ermöglichen. Die anderen Branchen wurden schon genannt.
In Zukunft wird es eine größere Reihe internationaler Franchisesysteme geben. Besonders dort, wo global marketing mit global products möglich ist, so z.B. Subway, McDonald\'s, Ibis Hotels oder Blue Spirit und Fressnapf. Auch lassen sich Luxusgüter mit extremer Selektion und hohem Wert international mit Franchise-Dependencen risikoarm und absatzsicher vermarkten.
Mit der Franchise-Methode lassen sich auch neue Märkte in Osteuropa angehen. Die Erfahrung zeigt jedoch, wie auch in westeuropäischen und außereuropäischen Ländern, dass flächendeckende Netze häufig nicht mit gleichen Betriebstypen und nicht mit gleicher Marke ins Ausland exportiert werden können. Vielmehr, wie auch im Filialeinzelhandel, geht es um national oder gar regional begrenzte Märkte, wo spezifische Sortimente und Betriebstypen, Marken-Images und Organisationen nur räumlich beschränkt einheitlich operieren. Das sind die Grenzen auch für das Franchising expansionshungriger Firmen, aber gleichzeitig die Chance für immer wieder neue und kreative, nur regional und national tätige Franchisesysteme.
Literatur:
European Franchise Federation, : Europäischer Verhaltenskodex (Ethikkodex), Brüssel 2000
Knigge, J. : Franchise-Systeme im Dienstleistungssektor, Berlin 1973
Knigge, J. : Aktuelle Tendenzen im Franchising, in: Vertikales Marketing im Wandel, hrsg. v. Irrgang, W., München 1993, S. 295 – 313
Knigge, J. : Franchise-Finanzierungs-Erfolg – der Schnellste Weg zu den Fördermittel-Tropfen, in: Franchising.mag, H. 1/2003, S. 32
Knigge, J. : Finanzierungserfolg mit professionellem Franchise-Finanzkonzept und -Businessplan, in: Franchising im Wandel, hrsg. v. Flohr, E., München 2003
Knigge, J. : Franchise-Knigge®, Management-Leitfaden: Aufbau von Franchise-Systemen; Kurzauszug: Franchise-Knigge®, Seminar-Handbuch: Franchiseerfolg im Systemaufbau, München 2004/05
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, : Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 vom 22.12.1999 (Gruppen vertikaler Vereinbarungen), Amtsblatt der EG, 29.12.1999, S. 21 – 25
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, : Verordnung (EG) Nr. 4087/88 vom 30.11.1988 (Gruppen von Franchise-Vereinbarungen), Amtsblatt der EG, 28.12.1988, S. 46 – 52
Love, J. F. : McDonald\'s: Behind the Arches, New York 1995
Tietz, B. : Handwörterbuch des Marketing, Stuttgart 1995
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