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Markt


Inhaltsübersicht
I. Begriff
II. Die Dynamik von Märkten
III. Markt und Wettbewerb
IV. Bedeutung des Marktbegriffs für das Marketing

I. Begriff


»Markt« ist ein sehr vielschichtiger Begriff, der nicht durch eine einfache Definition vollständig beschrieben werden kann. In Anlehnung an Schneider sind zunächst drei primäre Bedeutungen zu unterscheiden (Schneider, D. 1993).

1. Der umgangssprachliche Marktbegriff


Erstens ist Markt ein umgangssprachlicher Begriff zur Charakterisierung eines in der Realität beobachteten Sachverhalts: Menschen kommen an einem Ort zum Zwecke des Tauschs zusammen. Hier liegt auch der Ursprung des Marktbegriffs (vom lateinischen »mercatus«), waren doch früher solche organisierten Marktveranstaltungen wie Wochenmärkte, Viehmärkte und Messen Zentren des Wirtschaftslebens. Mit der zunehmenden Arbeitsteilung und Differenzierung wirtschaftlicher Aktivitäten gewannen auch andere als die organisierten Formen des Tausches an Bedeutung; dennoch wurde der Begriff gleichsam als Metapher weiterhin verwendet.
So spricht man heute immer noch vom »Automobilmarkt«, dem »Stahlmarkt« oder einem »Wohnungsmarkt«, obwohl der Handel hierbei nicht – oder zumindest nur selten – an einem konkreten Ort zu einer bestimmten Zeit in organisierter Form stattfindet. Eine Definition des Marktes, die einen solchen Tatbestand beschreibt, ist etwa diejenige v. Stackelbergs, der in ihm »? die gedankliche Zusammenfassung aller Kauf- und Verkaufsakte eines bestimmten Gutes innerhalb eines bestimmten Gebietes« sieht (Stackelberg, H. v. 1951, S. 18 f.). Ähnlich wird Markt auch in der Marketing-Praxis gesehen, was sich etwa in der Definition von Kotler/Bliemel zeigt: »Ein Markt besteht aus allen potenziellen Kunden mit einem bestimmten Bedürfnis oder Wunsch, die willens oder fähig sind, durch einen Austauschprozess das Bedürfnis oder den Wunsch zu befriedigen« (Kotler, P./Bliemel, F. W. 1992, S. 12).

2. Der modelltheoretische Marktbegriff


Zweitens ist Markt ein Begriff, der in Modellen Verwendung findet. In dieser Version dient er dazu, Sachverhalte aus der Realität vereinfachend zu beschreiben. Dies entspricht der Intention, die Erfahrungstatbestände der Wirklichkeit theoretisch zu durchdringen. Speziell in der volkswirtschaftlich orientierten Preistheorie hat sich hier die Definition durchgesetzt, nach der ein Markt der ökonomische Ort des Aufeinandertreffens von Angebot und Nachfrage ist. Im Kontext preistheoretischer Modelle, die unter bestimmten Annahmen über die Intentionen und Handlungsschemata auf der Angebots- und der Nachfrageseite (Preiselastizität, Nutzenschätzungen, Produktionsfunktionen, rationales Handeln) erklären wollen, wie sich markträumende Preise bilden, ist dies eine sinnvolle Definition. Die Komplexität des realen Preisbildungsprozesses wird vereinfacht, indem Angebot und Nachfrage auf abstrakte Handlungsfunktionen reduziert und die manchmal sehr komplexen Abläufe in diesem Prozess durch das Leitbild des rationalen Handelns ersetzt werden. Es geht dabei immer nur darum, Mechanismen zu erklären, nicht reale Vorgänge. Verfolgt man dieses letztere Ziel, so ist die Definition unbefriedigend (vgl. zur Kritik an diesem Marktbegriff ausführlich Schneider, D. 1993): Angebot und Nachfrage müssten personell, räumlich, zeitlich und von der gehandelten Leistung her näher spezifiziert, die einzelnen Handlungen beim »Aufeinandertreffen« charakterisiert, die Annahmen von Markträumung und stets rationalem Handeln aufgegeben werden. Auch wäre zu hinterfragen, ob Angebot und Nachfrage immer eindeutig gegeneinander abgrenzbar sind, bietet der Nachfrager nach Ware doch auch ein Tauschgut an, z.B. Geld, Informationen oder sogar andere Güter im Gegengeschäft.

3. Der Marktbegriff in der Marketingtheorie und -praxis


Eine Marketing-Wissenschaft, deren Aufgabe es ist, die theoretische Fundierung für eine marktorientierte Unternehmensführung zu schaffen, kann mit dieser Marktdefinition nicht arbeiten. Sie braucht (drittens) einen Begriff, der den Markt so erfasst, dass er in Hypothesen zur Erklärung der Realität aufgenommen werden kann. Diese Hypothesen müssen empirisch testbar sein. Eine solche Definition muss die Abläufe und Organisation von Märkten widerspiegeln. Geeignet erscheint hierfür die Definition Schneiders, nach der Markt »der Name für über Marktstruktur und Marktregeln geordnete Marktprozesse« ist (Schneider, D. 1993), wobei diese, wenn von bestimmten Märkten die Rede ist, noch durch den Zusatz ergänzt werden sollte: die sich untereinander nach persönlichen, sachlichen, räumlichen und zeitlichen Kriterien abgrenzen lassen.

a) Marktstruktur


Unter »Marktstruktur« sind alle Größen zu verstehen, die faktischen Einfluss auf den Marktprozess ausüben. Dazu zählen sowohl die Kriterien, die bereits in der klassischen Preistheorie als Einflussparameter genannt werden, wie z.B. die Marktform und die sich daraus ergebenden Arten des Marktverhaltens, der Grad der Produktdifferenzierung und die Isolierbarkeit von anderen Teilmärkten, als auch Faktoren, die dort noch keine Berücksichtigung finden, etwa die Wettbewerbsgesinnung und andere Werte und Normen der Marktteilnehmer. Nicht zuletzt ist auch die Anwendung gewisser Marktregeln von großer Bedeutung für die Marktstruktur.
Marktform und Marktverhalten sind wegen der großen Bedeutung, die diese beiden Begriffe in der Wirtschaftstheorie haben, noch etwas näher zu charakterisieren.
Wenn man von Marktform spricht, so ist damit eine morphologische Betrachtung von Märkten gemeint. Dabei wird die Zahl (und z.T. auch die Größe) der Anbieter bzw. Nachfrager auf dem untersuchten Markt der Untersuchung zugrunde gelegt. Anstelle der exakten Anzahl der Marktteilnehmer wird lediglich eine grobe Klassifizierung dahingehend vorgenommen, ob es sich um einen, um wenige oder um viele Anbieter bzw. Nachfrager handelt. Durch diese sehr unscharfe Abgrenzung mit fließenden Übergängen verliert der Ansatz stark an Aussagekraft. Das ist insbesondere deshalb problematisch, weil unterstellt wird, dass zu jedem Cluster eine bestimmte Marktform gehört, aus der sich wiederum auf ein entsprechendes, für die betreffende Marktform typisches »Marktverhalten« schließen lässt. Bei einem Monopol wird der Anbieter sein Angebot im Rahmen dessen, was von der anderen Marktseite noch akzeptiert wird, frei gestalten. Er handelt unabhängig. Marktteilnehmer, die ein Oligopol bilden, haben zwar auch noch einen gewissen Spielraum in der Gestaltung von Leistung und Gegenleistung, doch ist die Reaktionsverbundenheit zwischen den Konkurrenten so eng, dass sofort mit deren Gegenreaktion zu rechnen ist. Die Handlungsmöglichkeiten sind also schon mehr oder weniger eingeschränkt. Ein Polypol schließlich ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Marktteilnehmer dem quantitativen und qualitativen Niveau von Leistung und Gegenleistung anpassen, das auf dem Markt herrscht. Der einzelne Anbieter ist – ebenso wie der einzelne Nachfrager – für alleinige Aktionen zu schwach.
Die Marktverhaltenslehre geht von dieser Gleichsetzung von Struktur und Verhalten ab und erkennt, dass ein alleiniger Anbieter (Monopolist) sich dennoch nicht monopolistisch verhalten muss. Gleiches gilt für die anderen am Markt Beteiligten. Damit werden Verhaltenselemente in die Marktanalyse einbezogen, was die Betrachtung verbessert. Dennoch wird vernachlässigt, dass noch andere Faktoren, z.B. die zu Beginn dieses Abschnitts genannten, auf die Marktstruktur und das faktische Verhalten der Marktteilnehmer Einfluss haben.
Auf einer anderen logischen Ebene, aber eng verbunden mit dem Verhaltensaspekt, liegt die Klassifizierung von Marktformen in vollkommene und unvollkommene Märkte. Die Bedingungen für einen vollkommenen Markt sind dabei:

-

Nutzen- bzw. Gewinnmaximierung als Zielsetzung aller Marktteilnehmer,

-

keine räumlichen, persönlichen und zeitlichen Präferenzen der Marktteilnehmer, da nur homogene Güter angeboten werden,

-

vollkommene Markttransparenz,

-

unendlich hohe Reaktionsgeschwindigkeit.


Ein unvollkommener Markt liegt dann vor, wenn eine oder mehrere der oben genannten Bedingungen nicht erfüllt sind. Auch diese Charakterisierung von Marktformen ist nur als Basis für theoretische Modelle geeignet.

b) Marktregeln


Marktregeln können in der Form kodifizierter Normen auftreten. Das GWB, das UWG, das Produkthaftungsgesetz oder das Rabattgesetz sind Beispiele dafür. Sie zeigen sich aber auch als ungeschriebene Bräuche, Sitten und Traditionen. Hier sind als Beispiele gewisse Abwicklungs- und Zahlungsmodalitäten anzuführen, die sich unter Umständen über einen längeren Zeitraum in einer Branche herausgebildet haben, ohne jemals vertraglich fixiert worden zu sein.

c) Marktprozesse


Marktstruktur und Marktregeln determinieren die »Marktprozesse«, die von v. Hayek und später auch von Hoppmann als zentrales Element von Märkten bezeichnet werden. Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen: die Informationssammlung der Marktteilnehmer, die Verhandlung zur Bestimmung von Leistung und Gegenleistung sowie den Austausch von Verfügungs- und Garantierechten. Diese drei Arten von Marktprozessen müssen keinesfalls chronologisch ablaufen, sie überlagern sich und finden teilweise in anderer Reihenfolge statt.
Die Informationssammlung der Marktteilnehmer wird dadurch notwendig, dass zwischen ihnen z.T. erhebliche Informationsasymmetrien herrschen. Zu beobachten sind diese Asymmetrien sowohl zwischen Marktteilnehmern einer Marktstufe (Anbieter – Anbieter, Nachfrager – Nachfrager), die sich über ihre relative Position im Markt im Unklaren sind, als auch zwischen den Marktstufen (Anbieter – Nachfrager). Der Nachfrager muss sich darüber informieren, von welcher Art, welchem Umfang und welcher Qualität die angebotenen Leistungen sind, Informationen, über die der Anbieter verfügen sollte. Der Anbieter seinerseits ist nur unzureichend über die Bedürfnisse des Nachfragers informiert, aber auch über andere Charakteristika, wie etwa dessen Zahlungsfähigkeit. Im Rahmen des Marktprozesses »Informationssammlung« lässt sich ein Wechselspiel von »screening« als Informationssuche (z.B. der Messebesuch eines interessierten Nachfragers oder die Marktforschungsaktivität des Anbieters einer neuen Leistung) und »signaling« als Informationsabgabe (z.B. Angebot von Garantien durch den Nachfrager oder alle Formen der Kommunikationspolitik auf Seiten des Anbieters) beobachten. Hier zeigen sich allerdings auch die Grenzen des Marktprozesses als Möglichkeit zur Reduktion von Informationsasymmetrien: Ein vollständiger Abbau ist häufig nicht möglich, es kann vielmehr der Fall eintreten, dass einer der Marktpartner wichtige Eigenschaften von sich oder der Leistung (hidden characteristics) bzw. seine wahre Absicht (hidden intention) verschweigt: Ebenso ist einer der Marktpartner eventuell in der Lage, seinen Handlungsspielraum, den er bei der Erbringung der Leistung hat, zu seinen eigenen Gunsten auszunutzen und damit den anderen zu schädigen (moral hazard).
Verhandlungen über das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sind das zweite Element der Marktprozesse. Ziel ist dabei eine Koordination der Wirtschaftspläne von Anbietern und Nachfragern, was aber nicht eine Räumung des Marktes im Sinne der klassischen Preistheorie bedeuten muss, sondern auch die Möglichkeit eines Angebots- oder Nachfrageüberhangs zulässt. Unter Leistung ist hierbei stets eine Vielzahl von Einzelleistungen zu verstehen, die zu einem Leistungsbündel als Transaktionsobjekt zusammengefasst werden. Diese Leistungselemente können stärker materiellen, aber auch mehr immateriellen Charakter haben, sie können sowohl autonom als auch integrativ unter Einbeziehung des Nachfragers bzw. von dessen Informationen, Objekten, Rechten o.Ä. erstellt werden. Als Gegenleistung kommt nicht nur Geld infrage, sondern auch jede andere Art von Leistung, man denke nur an die Informationsübertragung oder an den Bereich des Countertrading. Ein weiteres Ziel kann darüber hinaus die Absicherung des erzielten Verhandlungsergebnisses sein, indem verbliebene Unsicherheiten aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung durch Vereinbarungen entscheidungslogisch handhabbar gemacht werden, z.B. durch Garantien.
Diese Koordination erfolgt, und das ist wesentlich, über Verhandlungen. Es ist wichtig, dass hier weder eine Gruppenentscheidung mit Konsens noch Anordnung o.Ä. vorliegen.
Das Ende des Marktprozesses »Verhandlung« bildet der Abschluss von Verträgen, wobei unter Vertrag jede Art von Einigung zu verstehen ist, die rechtlich bindend wirkt.
Diese Verträge werden sodann im Marktprozess durch Austausch von Verfügungs- und Garantierechten umgesetzt. Dabei sind sowohl Zug-um-Zug-Geschäfte denkbar, bei denen Leistung und Gegenleistung parallel ausgetauscht werden, als auch Formen des Tausches, bei denen zwischen Übertragung der Rechte an der Leistung und der Gegenleistung ein längerer Zeitraum liegt, etwa bei einem Kreditkauf. Zu unterscheiden ist des Weiteren zwischen der Übertragung der Rechte und der Erbringung der Leistung. Schneider verwendet hier den Begriff der »Marktzufuhr«, die seiner Ansicht nach von den Marktprozessen abzugrenzen sei (Schneider, D. 1993, S. 79). Die Marktzufuhr umfasst dabei alle Aktivitäten, die dazu beitragen, dass Leistung bzw. Gegenleistung zum Austausch bereitgestellt werden können. Diese Abgrenzung erscheint bei integrativ erstellten Leistungen schwer durchführbar. Bei deren »Produktion« wirkt der Nachfrager entweder als Person oder durch die Einbringung von Objekten, Informationen etc. z.T. derart mit, dass die Leistung erst während dieser Produktion exakt spezifizierbar ist. Der Prozess der Informationssammlung reicht also noch in die Phase der Erstellung der Leistung hinein.
Ebenso schwierig ist es, den Marktprozess zeitlich abzugrenzen. Für die Aussage Schneiders, der Marktprozess ende mit der Übergabe der Verfügungs- und Garantierechte, spricht, dass damit die Einzeltransaktion rechtlich zunächst abgeschlossen ist (Schneider, D. 1993). Werden jedoch Garantierechte durch eine der beiden Marktseiten in Anspruch genommen, kommt es zu einer neuen Marktzufuhr entweder in Form einer Reparatur, einer Nachbesserung oder durch eine Entschädigungszahlung. Sofern jene erneute Marktzufuhr wiederum integrativ erstellt wird – und dies ist höchst wahrscheinlich  – so treten die oben beschriebenen Abgrenzungsprobleme wieder auf. Das Verhalten des Anbieters gegenüber dem Nachfrager während der Nutzungs- und Entsorgungsphase einer Leistung determiniert in entscheidendem Maße seine Einstellung gegenüber dem Marktpartner. Es beginnt also noch in der Zeit der Nutzung der Leistung die Informationssammlung für mögliche Folgekäufe. Da es das Ziel einer auf Dauer angelegten Unternehmung sein muss, Geschäftsbeziehungen von Dauer zu etablieren (»Companies don\'t make purchases; they establish relationships« [Goodman, C., zit. nach Kotler, P. 1992, S. 195]), kann der Marktprozess insofern nie als abgeschlossen gelten. Zumindest der Prozess der Informationssammlung findet permanent statt.
Für die konkrete Anwendung des Marktbegriffes bedarf die bisherige Formulierung der »nach Marktstruktur und Marktregeln geordneten Marktprozesse« noch der Ergänzung »die sich untereinander nach persönlichen, sachlichen und räumlichen Kriterien abgrenzen lassen«. Erst diese Marktabgrenzung macht es möglich, konkrete Märkte zu betrachten, relevante Märkte für eine einzelne Leistung zu benennen. Genau dies ist aber die Voraussetzung für einen zielgerichteten Einsatz der Marketinginstrumente.

II. Die Dynamik von Märkten


Sowohl die Marktprozesse als auch die sie ordnenden Marktstrukturen und Marktregeln sind einem ständigen Wandel unterworfen. Eine idealtypische »evolutorische« Entwicklung von Märkten lässt sich wie folgt beschreiben: In der Marktentstehungsphase besteht ein latentes Problem, das aus Sicht der Marktteilnehmer noch nicht gelöst, oder ein Bedürfnis, das noch nicht befriedigt ist. Schon in dieser Phase laufen Marktprozesse ab. Es kommt zu einer vermehrten Informationssammlung der Beteiligten, eventuell sogar schon zu Verhandlungen und Kooperationen (Lead-User-Konzept). Werden Interessen Dritter tangiert, kann es bereits in dieser frühen Phase zur Entwicklung von Marktregeln kommen, die das weitere Geschehen auf dem Markt ordnen. Die Marktstruktur wird von der Existenz eines oder zumindest weniger Anbieter gekennzeichnet sein, die in ihren Handlungen auf dem Markt noch relativ frei sind. Mit der Zeit kristallisiert sich heraus, ob der Markt ein großes Volumen hat, es also viele Nachfrager gibt, für die die neue Leistung aufgrund ihrer spezifischen Probleme und Bedürfnisse geeignet ist und die bereit sind, in die Marktprozesse von Verhandlung und Tausch einzutreten. Dadurch nimmt die Zahl der Marktteilnehmer sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite zu. Es entwickelt sich so eine Marktform, die längerfristig Bestand hat. Die Art, welcher Wettbewerbsstil gepflegt wird, welche Aktionsparameter eingesetzt werden, führt zu einer gewissen »Marktkultur«, ein Zustand, der als »Marktreife« bezeichnet werden kann. In dieser Phase differenzieren sich die Märkte, sodass für ähnliche Leistungsbündel mehrere Märkte existieren. Dies kann seinen Ausdruck in unterschiedlichen Preisen für nahezu identische Leistungen finden, die nicht durch sachliche, räumliche, persönliche oder zeitliche Unterschiede gerechtfertigt sind. Diese »Marktspaltung« kann verschiedene Ursachen haben. Die Marktstruktur kann durch extrem heterogene Marktteilnehmer geprägt sein, bei denen die Marktprozesse unterschiedlich ablaufen, es kann aber auch sein, dass hier die Marktregeln unterschiedliche Märkte entstehen lassen. Die Börsenregeln z.B. sehen eine Spaltung des Aktienmarktes in den geregelten Markt und den amtlichen Handel vor. Eine Überregulierung trägt dazu bei, immer mehr Prozesse außerhalb des regulären Marktes auf Schwarzmärkten stattfinden zu lassen.
In der Marktrückgangsphase schließlich nimmt die Zahl der Marktprozesse ab, immer mehr Anbieter und Nachfrager verlassen den Markt, und durch die immer weitergehende Differenzierung nehmen das Volumen des einzelnen Marktes und damit seine Tragfähigkeit für Transaktionen weiter ab.

III. Markt und Wettbewerb


1. Zum Verhältnis von Markt und Wettbewerb


Von grundlegender Bedeutung für das Funktionieren eines marktwirtschaftlichen Systems ist eine wettbewerbliche Beziehung zwischen den Marktteilnehmern. Dennoch wird das Verhältnis von Markt und Wettbewerb kontrovers diskutiert. Das führt zu zahlreichen Modellen, die einen Zusammenhang zwischen bestimmten Marktcharakteristika und daraus resultierenden Wettbewerbsqualitäten herstellen. Diese Diskussion hat insofern eminent praktische Bedeutung, da sie ihren Niederschlag in zahlreichen Wettbewerbsgesetzen findet.

2. Marktform und Wettbewerb


Die Anwendung des Marktformenschemas ergibt die Marktformen Polypol, Oligopol und Monopol, jeweils auf Anbieter- und Nachfragerseite. Nun könnte man annehmen, dass ein Polypol optimale Wettbewerbsintensität biete, da Auswahl und Konkurrenz mit der Zahl der Marktteilnehmer zunehmen. Diese Betrachtungsweise vernachlässigt allerdings die Marktprozesse: Ein Polypolist hat weder die Mittel, die Marktergebnisse entscheidend zu beeinflussen, noch wird er durch Aktionen seiner Wettbewerber entscheidend beeinflusst. Da die Tendenz zu Veränderungen hier sehr schwach ausgeprägt ist, diese jedoch eine Voraussetzung für die dynamische Wettbewerbskomponente ist, wird die Konstellation auch als »Schlafmützenkonkurrenz« bezeichnet.
Aufbauend auf dieser Erkenntnis versuchen andere Modelle, zwischen der potenziellen und der tatsächlichen Wettbewerbsintensität zu unterscheiden. Die größte Reaktionsverbundenheit und damit das stärkste Konkurrenzverhältnis wird dann im weiten Oligopol gesehen.
Dieser Ansatz berücksichtigt zwar stärker die Dynamik des Wettbewerbs, leidet jedoch an der grundsätzlichen Schwäche des in einer solchen Allgemeingültigkeit unzulässigen Schlusses von der Marktform auf die Wettbewerbsintensität. Dennoch findet diese Auffassung im GWB ihren Niederschlag, was in den Regeln zur Erleichterung von Kooperationen kleiner Anbieter erkennbar ist.

3. Marktverhalten und Wettbewerb


Sieht man den Schluss von Marktverhalten auf die Wettbewerbsintensität als nicht zulässig an, so kann man aber doch versuchen, zumindest Anhaltspunkte für die Letztere aus dem Verhalten der Marktteilnehmer zu gewinnen. Allerdings sind diese Ableitungen daraus dann keineswegs eindeutig. Eine Preissenkung kann unter Nachfrageraspekten kurzfristig als wettbewerbsförderlich zu beurteilen sein, ebenso aber auch als Verdrängungstaktik langfristig negative Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation besitzen.
Eindeutige Schlüsse aus einem bestimmten Marktverhalten lassen sich also nur dann ziehen, wenn die Absicht des handelnden Marktteilnehmers bekannt und alle Folgen abschätzbar sind. Im GWB finden sich solche Ansätze von Verhaltensregeln. Allerdings spiegeln die zum Teil unscharfen Anwendungsvoraussetzungen das Problem der Objektivierbarkeit deutlich wider.

4. Marktergebnis und Wettbewerb


Eine Beurteilung der Wettbewerbsqualität auf einem Markt anhand des Marktergebnisses setzt ein definiertes Sollergebnis voraus. Eine solche Sollgröße kann über Vergleiche zu regional oder sachlich ähnlichen Märkten gewonnen werden. Neben der offensichtlichen Problematik der Bestimmung einer solchen Zielvorstellung stellt sich jedoch die Frage, ob nicht über die Definition eines Sollergebnisses die Funktion des Wettbewerbs als Suchverfahren ignoriert wird, da die Unbekanntheit des Ergebnisses konstitutives Element eines Suchverfahrens ist.
Zur Beurteilung des Wettbewerbs auf einem Markt reicht die Betrachtung eines Merkmals nicht aus. Auch hier zeigt sich deutliche die Komplexität des Gebildes »Markt«.

IV. Bedeutung des Marktbegriffs für das Marketing


1. Grundsätzliche Bedeutung


Da der Markt das Arbeitsfeld einer marktorientierten Unternehmensführung ist, schafft der Marktbegriff einen Orientierungsrahmen für das Marketing. Das bedeutet, dass die Unternehmung sich mit hohem Stellenwert um die Gestaltung der Marktprozesse bemühen muss. Auf dem Absatzmarkt sind dies all jene Prozesse, die dazu dienen, die Leistungen des Unternehmens an den Nachfrager abzusetzen. Auf dem Beschaffungsmarkt handelt es sich um alle jene Prozesse, die dazu beitragen, die zur Erbringung der Leistung notwendigen Faktoren bereitzustellen, soweit sie nicht in der Unternehmung verfügbar sind.

2. Das Verhalten auf dem Absatzmarkt


Der Absatzmarkt bildet für viele Unternehmungen in einer Wettbewerbswirtschaft die zentrale Orientierung.
Der Prozess der Informationsaufnahme beginnt damit, dass die Unternehmung eine Entscheidung darüber trifft, welche der persönlich, sachlich, räumlich und zeitlich abgegrenzten Marktprozesse für sie relevant sind. Diese Marktprozesse sind dann zu konkretisieren, indem der potenzielle Anbieter mit den relevanten Marktteilnehmern in Interaktion tritt.
Für den Prozess der Informationsaufnahme ist es wichtig, dass die Unternehmung Informationsbedürfnisse der Nachfrager anpasst. Sie muss sich als kompetenter Anbieter profilieren, damit sie wahrgenommen und in dem Prozess der Informationsaufnahme der Nachfrager berücksichtigt wird. Die Unternehmung muss aber auch ihre eigene Informationsaufnahme bewusst im Sinne einer Marktorientierung gestalten, also sensibel sein für wichtige, unter Umständen auch nur schwach ausgeprägte Marktinformationen, die das weitere Handeln auf dem Markt beeinflussen. Bei der Verarbeitung dieser Informationen kommt es auf die Fähigkeit des Unternehmens an, die relevanten Signale herauszufiltern und in marktgerechtes Handeln umzusetzen. Das ganze Unternehmen muss in allen Funktionsbereichen so eingestellt sein, dass es die notwendige Findigkeit und Sensibilität entwickelt. Das Ziel muss die Etablierung einer lernenden Organisation sein.
Im Prozess der Verhandlung über das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung zeigt sich, inwiefern die oben angesprochenen Fähigkeiten hinreichend entwickelt werden konnten. Leistung und Gegenleistung müssen in den Augen der Nachfrager in einem angemessenen Verhältnis stehen. Auch ist in diesem Prozess Flexibilität gefordert, auf Anforderungen des potenziellen Kunden hinsichtlich der Zusammensetzung der betreffenden Leistungsbündel, die erst im Verhandlungsprozess deutlich werden, reagieren zu können. Die Gegenleistungsforderung sollte sich an der vom Nachfrager für ein bestimmtes Leistungsbündel entwickelten Preisbereitschaft orientieren. Dabei ist zwischen der Preisbereitschaft, dem Empfinden des Kunden, ein bestimmter Preis für eine bestimmte Leistung sei angemessen, und der Kaufkraft des Nachfragers, der Fähigkeit, die Gegenleistung zu erbringen, zu unterscheiden. Eventuell ist es Aufgabe des Anbieters, dem Nachfrager diese Kaufkraft durch eine Finanzierungsleistung (etwa in Form eines Lieferantenkredits) auf Zeit zu verschaffen.
Im Prozess des Austauschs von Verfügungs- und Garantierechten muss es das Ziel sein, sich auch für Folgekäufe als geeigneter Geschäftspartner zu profilieren. Physische Distribution, after-sales-services u.Ä. sind deshalb ebenfalls an den Markterfordernissen auszurichten.
Marktstruktur und Marktprozess haben zwar auf der einen Seite konstitutiven Charakter. Auf der anderen Seite werden sie durch die Entscheidungen aller Marktpartner ständigen Veränderungen unterworfen. Hierzu dienen alle Aktionsparameter der Absatzpolitik.

3. Das Verhalten auf Beschaffungsmärkten


Das Verhalten auf den Beschaffungsmärkten ist so zu gestalten, dass die Unternehmung den Anforderungen des Abatzmarktes hinsichtlich der Zusammensetzung von Leistungsbündel und Gegenleistungsforderung gerecht werden kann. Neben der Optimierung der Prozesse innerhalb des Unternehmens kommt deshalb der Frage, wie die benötigten Faktoren für das Unternehmen verfügbar gemacht werden, immer größere Bedeutung zu. Dabei ergeben sich für eine marktorientierte Unternehmensführung zwei Aufgaben: Sie muss entscheiden, welche Faktoren sie selbst erstellen oder welche Faktoren sie extern beschaffen kann und soll. Zum anderen müssen dann bei den zugekauften Leistungen Entscheidungen über die Gestaltung des Beschaffungsprozesses getroffen werden.
Gerade die erste Fragestellung hat in den letzten Jahren erhöhte Beachtung gefunden, sowohl durch die Diskussion im Rahmen der Forschungen zur Institutionenökonomik über die Alternativen »Markt oder Hierarchie« als auch durch das Ringen um die praktische Umsetzung des »Lean«-Gedankens. Der Versuch, mit (Transaktions-)Kostenvergleichen die Vorteilhaftigkeit einer Ausgliederung betrieblicher Aktivitäten zu erklären, greift aber in den meisten Fällen zu kurz. Es dürfen nicht nur die Wirkungen einer Outsourcing-Entscheidung auf der Kostenseite gesehen werden, sondern es muss auch die Erlöswirkung einer solchen Maßnahme berücksichtigt werden. Verminderte Qualität durch die Fehler von Zulieferern, Abhängigkeit von deren Flexibilität und Innovationsfähigkeit sowie ähnliche Effekte können schwer wiegende negative Erlöswirkungen zeitigen. Häufig kann auch gar nicht von einer echten Entscheidung zwischen Markt und Hierarchie im vollen Wortsinne gesprochen werden, da sich Markt- und Hierarchieelemente in der Praxis mischen. Die Alternative »Markt oder Hierarchie« wird deshalb vielfach zu einer Kombination »Markt und Hierarchie«. Fälle großer Abhängigkeit der Zulieferer von ihren Abnehmern lassen sich als anschauliche Beispiele heranziehen.
Ist die Entscheidung zwischen Kosten- und Erlöswirkungen einer Beschaffung von Faktoren über den Markt zugunsten der externen Zufuhr ausgefallen, so gilt es, die Prozesse auf dem Beschaffungsmarkt im Sinne der Zielvorstellung zu gestalten. Dabei entsprechen die Maßnahmen denen auf dem Absatzmarkt. In der Phase der Informationssammlung gilt es, den passenden Lieferanten zu finden. Da die Unternehmung als Nachfrager (Principal) nun selbst in der Rolle desjenigen ist, der durch Informationsasymmetrien in besonders starkem Maße von negativen Handlungen der Lieferanten (Agenten) betroffen wird, kommt es im Prozess der Verhandlung über die Relation von Leistung und Gegenleistung auf die Absicherung an. Die Vereinbarung von Garantien und Vertragsstrafen ist dabei ein häufig beschrittener Weg. Doch auch hier kann der Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen, innerhalb derer man zu dem Lieferanten Vertrauen gewinn, ein Weg sein, Informationsasymmetrien abzubauen. Auch in diesem Fall ist der Marktprozess also nicht mit der Einzeltransaktion abgeschlossen. Beim Austausch von Verfügungs- und Garantierechten geht es darum, dass man möglichst problemlos über die eingekaufte Leistung verfügen kann. Bei immer wieder in der gleichen oder ähnlichen Qualität und Quantität zu beschaffenden Leistungen können z.B. Rahmenlieferverträge wichtig werden, die es ermöglichen, die einzelne Leistung bedarfsgenau abzurufen. Die Maßnahmen, die zur Umsetzung solcher Konzepte ergriffen werden, so beispielsweise die Vernetzung der Informationssysteme von Abnehmer und Lieferant, lassen allerdings, wie oben bereits erwähnt, die Frage nach der Trennung von marktlichem Handeln und dem Agieren in Hierarchien aufkommen.
Marktstrukturen und Marktregeln von Beschaffungsmärkten sind in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Aktive Beeinflussung kann hier so aussehen, dass man durch die gleichzeitige Zusammenarbeit mit mehreren Lieferanten eine Marktstruktur sichert, die es einem einzelnen Lieferanten erschwert, eine einseitige Machtposition aufzubauen.
Literatur:
Bauer, H. H. : Marktabgrenzung, Berlin 1989
Busse von Colbe, W./Hammann, P./Laßmann, G. : Betriebwirtschaftstheorie, Bd. 2: Absatztheorie, 4. A., Berlin et al. 1992
Engelhardt, W. H./Kleinaltenkamp, M./Reckenfelderbäumer, M. : Leistungsbündel als Absatzobjekte, in: ZfbF, 1993, S. 395 – 426
Fehl, U./Oberender, P. : Grundlagen der Mikroökonomie, 5. A., München 1992
Fischer, M./Hüser, A./Mühlenkamp, C. : Marketing und neuere ökonomische Theorie, in: BFuP, 1993, S. 444 – 470
Helmstädter, E. : Wirtschaftstheorie I, 4. A., München 1991
Kotler, P. : Marketing-Management, 7. A., Englewood Cliffs/NJ 1992
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Krelle, W. : Preistheorie, 2. A., Tübingen et al. 1976
Ott, A. E. : Preistheorie, Köln 1968
Samuelson, P. A. : Volkswirtschaftslehre, 8. A., Köln 1987
Schneider, D. : Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Grundlagen, München et al. 1993
Schneider, E. : Einführung in die Wirtschaftstheorie, 2. Teil, 12. A., Tübingen 1968
Siebke, J. : Preistheorie, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd. 2, hrsg. v. Bender, D./Berg, H./Cassel, D. et al., 5. A., München 1992, S. 59 – 120
Stackelberg, H. v. : Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, 2. A., Tübingen 1951
Stigler, G. J. : The Theory of Price, 4. A., New York 1987
Williamson, O. E. : Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990

 

 


 

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