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Steuerplanung


Inhaltsübersicht
I. Aufgabe der Steuerplanung
II. Möglichkeiten und Grenzen der Steuerplanung
III. Teilbereiche suboptimaler Steuerplanung
IV. Organisation der Steuerplanung

I. Aufgabe der Steuerplanung


Mit dem menschlichen Streben nach Steigerung des eigenen materiellen Nutzens kam die ökonomische Planung zur Welt. Durch planvolles ökonomisches Handeln, d.h. durch gedankliche Vorstrukturierung ökonomischer Entscheidungen, versuchen die Wirtschaftssubjekte, ihre Situation zu verbessern. Beim Streben nach Nutzenmaximierung spielen finanzielle Zielgrößen wie Konsum, Ersparnisbildung, Einkommen oder Reinvermögenserhöhung eine herausragende Rolle.
Bezeichnet man die Zielgröße ökonomischen Handelns mit G und geht man vom Streben nach Maximierung des finanziellen Nutzens aus, dann lässt sich jeder ökonomischen Handlungsmöglichkeit HAj= 1,2...n im Vorteilhaftigkeitskalkül die erwartete Erfolgsgröße Gj=1,2..n zuordnen. Die Erfolgsgröße Gj ergibt sich aus der Gegenüberstellung der positiven (Ej) und negativen (Aj) Entscheidungskomponente. Im Rahmen der Planung sind alle Handlungsmöglichkeiten (-programme) HAj nach ihren Erfolgsaussichten Gj = Ej  – Aj zu beurteilen.
Die verschiedenen Handlungsprogramme HAj haben steuerliche Konsequenzen. Subventionen, mit Einzahlungen verbunden, sind der Positivkomponente Ej, Steuern, mit Auszahlungen verbunden, sind der Negativkomponente Aj zuzuordnen. Allein die Komplexität einer kalkulatorischen Steuerlastprognose lässt es ratsam erscheinen, die erwartete Steuerbelastung Sj jenseits der übrigen negativen Entscheidungskomponente Aj gesondert auszuweisen.
Unter Berücksichtigung aller einem Handlungsprogramm zurechenbaren künftigen Steuerzahlungen Sj lässt sich die Zielvorschrift ökonomischen Handelns mit
Steuerplanung
umschreiben. Steuerplanung hat die Aufgabe, die Berücksichtigung der negativen Entscheidungskomponente Sj im Bewertungskalkül zu gewährleisten (vgl. Wagner, F.W./Dirrigl, H.  1980, S. 1). Werden die alternativen Handlungsprogramme HAj steuerlich in unterschiedlichem Maße belastet, wären beim Verzicht auf Steuerplanung, d.h. bei Verzicht auf Kalkulierung der Komponente Sj, Fehlentscheidungen möglich.
Steuerplanung ist die Kernaufgabe der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Es handelt sich hier um eine „ Ex-ante-Disziplin “ : Ihr Anwendungsnutzen liegt nicht in der Steuerdeklaration nach Abwicklung eines Handlungsprogramms HAj, sondern in

-

der Prognose von Steuerwirkungen und

-

der zielkonformen Gestaltung von Steuertatbeständen.


II. Möglichkeiten und Grenzen der Steuerplanung


1. Steuerplanung im Totalmodell


Steuerplanung im Totalmodell ist formal sehr einfach: Jedem in Frage kommenden Handlungsprogramm HAj ist neben den erwarteten Erfolgsbeiträgen Ej und Aj die erwartete Gesamtsteuerbelastung Sj als negative Entscheidungskomponente anzulasten. Sodann ist nach der Zielvorschrift zu verfahren.
In der Realität scheitert die Lösung dieses Planungsproblems an seiner Komplexität. Zur Ermittlung der schlichten Planungsgröße Sj müssen jedem Handlungsprogramm HAj aus einem Bouquet von etwa 40 Einzelsteuern die erwarteten Belastungsbeträge kalkulatorisch zugeordnet werden. Selbst wenn man sich auf die kalkulatorische Berücksichtigung gewinnabhängiger Steuern beschränken wollte, blieben die Planungsprobleme unlösbar. So ist bei einem gegebenen Investitionsprogramm und gegebenem finanziellem Erfolg (Ej  – Aj) die Gewinnsteuerbelastung Sj u.a. von der Wahl des Standorts, der Art der wirtschaftlichen Betätigung (privat/gewerblich), der Wahl der Rechtsform, der Wahl der Finanzierungsform, der Periodisierung des Totalerfolgs (Steuerbilanzpolitik) und der Gewinnverwendungspolitik (Ausschüttung/Thesaurierung) abhängig.
Die Komplexität der Besteuerungsproblematik ist also ein weiterer Grund für die praktische Untauglichkeit der Totalplanung. Die entscheidungsorientierte betriebswirtschaftliche Steuerlehre stützt sich deshalb auf Partialmodelle und trägt damit den Gegebenheiten der Planungspraxis Rechnung.

2. Steuerplanung in Partialmodellen


Die Planung komplexer Entscheidungsprozesse wird erst realisierbar, wenn sie den Anspruch auf Vollkommenheit aufgibt. Auch die Steuerplanung muss Ballast abwerfen. Sie kann dies, indem sie auf die Berücksichtigung von

1.

gewinnunabhängigen Steuern,

2.

entscheidungsneutralen Steuern und

3.

Interdependenzen zwischen den Teilplänen


verzichtet.
(1) Nach weitgehender Abschaffung der deutschen Substanzsteuern (GewKSt, VSt) beschränkt sich die Steuerplanung im Wesentlichen auf die Berücksichtigung gewinnabhängiger Steuern (ESt, GewESt und KSt). Dies hat zwei Gründe: Erstens fallen diese drei Steuerarten gemessen am Gesamtsteueraufkommen besonders stark ins Gewicht. Zweitens haben diese drei Ertragsteuerarten einen stärkeren Einfluss auf ökonomische Entscheidungen als etwa die Verbrauchsteuern.
Ausgangsgröße zur Feststellung künftiger Zahlungsverpflichtungen aus ESt, GewESt und KSt ist der nach steuerrechtlichen Vorschriften ermittelte Gewinn, wie er im Regelfall durch Vermögensvergleich nach § 5 EStG ( „ Steuerbilanz “ ) zu berechnen ist. Nach dem Maßgeblichkeitsprinzip orientiert sich die steuerrechtliche Gewinnermittlung im Grundsatz an den handelsrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften. Zahlreiche steuerliche Sondervorschriften bewirken aber Unterschiede zwischen handels- und steuerrechtlichem Gewinn. Während das Handelsrecht die Bildung stiller Reserven, also die Verlagerung des Erfolgsausweises in künftige Perioden, weithin toleriert, stellt das Steuerrecht seine Bewertungs- und Abschreibungsvorschriften in den Dienst periodengerechter Gewinnermittlung. Durch zwingende steuerrechtliche Ansatz-, Bewertungs- und Abschreibungsvorschriften wird die Möglichkeit zur Bildung stiller Reserven und damit die Möglichkeit zur Verschiebung von Gewinnsteuerzahlungen in die Zukunft eingeschränkt.
Die einem Handlungsprogramm HAj zuzurechnende künftige Gewinnsteuerbelastung ist von (mindestens) drei Faktoren abhängig:
(a) Basis zur Ermittlung des steuerlichen Gewinns ist der aus dem realwirtschaftlichen Handlungsprogramm HAj erwartete finanzielle Erfolg. Dabei darf die nach ökonomischen Kategorien ermittelte Erfolgsgröße vor Steuern (Ej  – Aj) nicht gleichgesetzt werden mit dem steuerrechtlichen Gewinn, der nach Maßgabe der EStG-Vorschriften zu ermitteln ist.
(b) Die erwartete Gewinnsteuerbelastung ist weiterhin abhängig von den konstitutiven Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Tätigkeit. Bei gleichem finanziellem Ergebnis realwirtschaftlicher Tätigkeit aus (a) macht es einen Unterschied, ob dieses Ergebnis im privaten oder gewerblichen Bereich, in einer Kapitalgesellschaft oder einer Nichtkapitalgesellschaft, im Inland oder im Ausland erwirtschaftet wird.
(c) Ungeachtet des steuerlichen Grundsatzes periodengerechter Gewinnermittlung räumt das Steuerrecht z.B. über die Zulässigkeit von Sonderabschreibungen Wahlrechte zur Verteilung des steuerlichen Totalerfolgs auf einzelne Abrechnungsperioden ein. So wird ein steuerbilanzpolitischer Spielraum eröffnet. Damit wird die Periodisierung des Totalerfolgs zum Aktionsparameter der Steuerplanung.
Eine auf Genauigkeit bedachte Steuerplanung müsste die Steuereinflussgrößen (a) – (c) im Rahmen prospektiver Veranlagungssimulation berücksichtigen. Verfügte ein Wirtschaftssubjekt auf (a) realwirtschaftlichem, (b) konstitutivem und (c) steuerbilanzpolitischem Gebiet über jeweils vier Aktionsmöglichkeiten, dann müsste für jede der 64 Handlungsmöglichkeiten im Wege der Veranlagungssimulation die Plangewinnsteuerbelastung prognostiziert werden. Für jede der 64 Veranlagungssituationen müsste – ex ante – eine Gewinnsteuerermittlung und -veranlagung für jede Einzelperiode des Planungszeitraums durchgeführt werden. Die Beschränkung auf gewinnabhängige Steuern leistet also nur einen bescheidenen Beitrag zur Reduzierung der Steuerplanungskosten.
(2) Zur weiteren Reduzierung des Komplexitätsgrads der Steuerplanung bemüht sich das Schrifttum, die Gesamtmenge der erwarteten Steuerbelastung Sj in die beiden Teilmengen einer entscheidungsrelevanten und einer entscheidungsirrelevanten Steuerbelastung (entscheidungsneutrale Steuern) zu zerlegen. Indem sie auf die kalkulatorische Erfassung der entscheidungsirrelevanten Steuerteile verzichtet, verschafft sich die Steuerplanung weitere Erleichterung. Mit der Identifizierung entscheidungsirrelevanter Steuerkomponenten leistet die Steuerwissenschaft einen Beitrag zur Vereinfachung von Plankalkülen. Wissenschaftlicher Fortschritt bewirkt in einzelwirtschaftlicher Hinsicht die Verminderung von Planungskosten und in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht die Steigerung menschlicher Wohlfahrt (vgl. Wagner, F.W.  1986).
Angenommen, ein Wirtschaftssubjekt habe im Rahmen der Steuerplanung über drei Handlungsprogramme HAj zu entscheiden:
Steuerplanung
Ist S1 = S2 = S3, hat man es mit einer entscheidungsfixen Steuer zu tun, die im Kalkül berücksichtigt werden kann, aber nicht berücksichtigt werden muss. Entscheidungsfixe Steuern sind in der Steuerplanung ebenso entscheidungsirrelevant wie Fixkosten in einer kurzfristigen Planungsrechnung auf der Basis gegebener Kapazitäten (vgl. Wagner, F.W./Heyd, R.  1981; Döring, U.  1984, S.86 ff.).
Entscheidungsirrelevant ist die Besteuerung auch dann, wenn sie an die finanzielle Zielgröße (Ej  – Aj) anknüpft, sofern der Grenzsteuersatz kleiner als 100% ist. Eine solche Steuer wird als Zielsteuer (vgl. Schneider, D.  1992, S. 206 ff.) bezeichnet. Entscheidungsfixe Steuern und Zielsteuern werden auch entscheidungsneutrale Steuern genannt. Weil sich mit ihrer Berücksichtigung die Rangfolge der Handlungsprogramme HAj nicht verändern kann, dürfen sie im Kalkül der Steuerplanung vernachlässigt werden. Als entscheidungsrelevant gelten nur solche Steuern, welche die Rangfolge zwischen den Handlungsalternativen verschieben können.
Zu einer Rangfolgeverschiebung kann es kommen, wenn ein Steuerbelastungsgefälle existiert. Ausgelöst wird ein Steuerbelastungsgefälle durch uneinheitliche Steuerarten, uneinheitliche Steuertarife, uneinheitliche Bemessungsgrundlagen für die Totalperiode und/oder uneinheitliche Bemessungsgrundlagen für die Teilperioden.
Sind zwei wirtschaftliche Aktivitäten HA1 und HA2 zu vergleichen, dann entsteht (beispielhaft)
(a) ein Steuerartgefälle, wenn HA1 als betriebliche Alternative von hoher GewESt getroffen, HA2 als private Alternative von GewESt befreit ist;
(b) ein Steuertarifgefälle, wenn HA1 im Inland realisiert und von hoher deutscher ESt getroffen wird, während HA2 als Auslandsinvestition (unter den Bedingungen der Freistellungsmethode) mit niedrigerer ausländischer ESt belastet wird;
(c) ein Bemessungsgrundlagengefälle für die Totalperiode, wenn HA1 mit langfristigem, HA2 mit kurzfristigem Fremdkapital finanziert wird, weil nur die langfristigen Fremdkapitalzinsen (zur Hälfte) in die Bemessungsgrundlage der Gewerbeertragsteuer einbezogen werden;
(d) ein Bemessungsgrundlagengefälle für die Teilperioden, wenn für eine Investition im Rahmen von HA1 (HA2) die normale AfA (eine hohe Sonderabschreibung) verrechnet werden darf. Die Sonderabschreibung erlaubt eine Antizipation von Aufwand und damit eine Verschiebung von Gewinnsteuerzahlungen in die Zukunft.
In allen vier Fällen (a) – (d) ist ein Steuergefälle zugunsten von HA2 zu verzeichnen. Ist HA1 vor Steuern geringfügig günstiger als HA2, kann die Rangfolge nach Steuern umgekehrt sein.
Der Steuerplaner interessiert sich vorzugsweise für Steuerbelastungsunterschiede, d.h. für Situationen, wo vergleichbare wirtschaftliche Sachverhalte unterschiedliche steuerliche Rechtsfolgen auslösen. Die in III vorzustellenden Partialmodelle der Steuerplanung bemühen sich ausnahmslos, die Wirkungen diskriminierender bzw. begünstigender Besteuerung im Vorteilhaftigkeitskalkül zu erfassen.
(3) Die simultane Planung realwirtschaftlicher, konstitutiver und steuerbilanzpolitischer Aktionsparameter führt in theoretischer Hinsicht zu Planungsgrundlagen, die eine optimale Entscheidung ermöglichen, scheitert aber in der Planungspraxis an der Fülle der unsicheren Zukunftsinformationen, die zu beschaffen und zu verarbeiten sind. Weil der Zusatznutzen simultaner Steuerplanung ungewiss ist, die Zusatzkosten zur Beschaffung simultaner Planungsgrößen aber mit Sicherheit hoch sein würden, beschreitet die Steuerplanung unter Inkaufnahme suboptimaler Lösungen den Weg sukzessiver Planung. Kennzeichen der sukzessiven Steuerplanung ist die Entwicklung von Partialmodellen (Steuerplanungsmodelle), für die eine isolierte Optimallösung gesucht wird.
Drei Modelltypen sind in Theorie und Praxis vorherrschend

(a)

Optimierung konstitutiver Entscheidungen
Planvariable: Rechtsform oder Standort
Plandaten: realwirtschaftliches Aktionsprogramm (b), Steuerbilanzpolitik (c).

(b)

Optimierung realwirtschaftlicher Entscheidungen
Planvariable: Investitions-, Finanzierungs-, Produktions- oder Absatzalternativen
Plandaten: konstitutiver Rahmen (Rechtsform; Standort) (a), Steuerbilanzpolitik (c).

(c)

Optimierung des Ergebnisausweises
Planvariable: steuerbilanzpolitische Alternativen
Plandaten: konstitutiver Rahmen (Rechtsform; Standort) (a); realwirtschaftliches Aktionsprogramm (b).


Da in diesen Partialmodellen die Interdependenzen zu den übrigen Teilplänen vernachlässigt werden, muss eine suboptimale Gesamtlösung in Kauf genommen werden.

III. Teilbereiche suboptimaler Steuerplanung


Führen die beiden Handlungsalternativen HA1 und HA2 zum gleichen finanziellen Erfolg vor Steuern, ist der Entscheidungsträger zunächst entscheidungsindifferent. Unter Berücksichtigung von Steuern entscheidet er sich – im ceteris paribus-Fall – für die Alternative mit der geringeren Steuerbelastung. Steuerplanung ist also eine Veranstaltung zu legaler Steuervermeidung. Die gängigen steuerplanerischen Partialmodelle werden im Folgenden kurz vorgestellt (vgl. Siegel, T.  1982, S. 80ff).

1. Steuerliche Optimierung konstitutiver Entscheidungen


Zwischen Kapitalgesellschaften und Nichtkapitalgesellschaften gibt es erhebliche Besteuerungsunterschiede. Deshalb wird der steuerliche Einfluss auf die Rechtsformwahl üblicherweise durch einen Steuerbelastungsvergleich zwischen OHG und GmbH demonstriert. Das rechtsformabhängige Besteuerungsgefälle ist auf rechtsformspezifische Unterschiede der Steuerarten, der Steuertarife und der Steuerbemessungsgrundlagen zurückzuführen. Der Gewinn vor Steuern unterliegt in der OHG der ESt und der GewESt, die unter bestimmten Modifikationen auf die ESt anrechenbar ist. Der Gewinn der GmbH unterliegt im Thesaurierungsfall der KSt und der GewESt, im Ausschüttungsfall zusätzlich (mit der halben Ausschüttung) der ESt. Tarifunterschiede ergeben sich u.a. aus der Tatsache, dass thesaurierte Gewinne der OHG (GmbH) mit progressiver ESt von 15 – 45% (mit proportionaler KSt von 25%) belastet werden. Bemessungsgrundlagenunterschiede resultieren u.a. aus der Tatsache, dass Geschäftsführergehälter und Mietzahlungen an einen Gesellschafter nur bei der GmbH die GewESt-Bemessungsgrundlage mindern. Ob das so beschriebene Steuergefälle der OHG oder der GmbH zugute kommt, hängt von den Verhältnissen des Einzelfalls ab.
Auch bei der Standortwahl ist ein Steuergefälle zu beachten. Bei der nationalen Standortwahl beschränken sich die ertragsteuerlichen Belastungsunterschiede auf die GewESt. Wegen der Hebesatzautonomie der Gemeinden (mind. 200% – etwa 500%) kann es zu einem erheblichen Tarifgefälle kommen. Bei Modellen zur internationalen Standortwahl (vgl. Jacobs, O.H.  2002, S. 840 ff.) vergleicht man die inländische mit der ausländischen Ertragsteuerbelastung, sofern das einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen die Investition im Ausland von der deutschen Besteuerung freistellt. Wenn es Niedrigsteuerländern gelingt, durch attraktive Gewinnsteuersätze internationales Investitionskapital anzulocken, ist dies ein Indiz für die Effizienz einzelwirtschaftlicher Steuerplanung.

2. Steuerliche Optimierung funktionaler Entscheidungen


Die Klärung des steuerlichen Einflusses auf Investitionsentscheidungen ist weitgehend abgeschlossen (vgl. Schneider, D.  1992, S. 173 ff.; Georgi, A.A.  1994). An die Stelle aufwändiger Veranlagungssimulationen treten in Theorie und Praxis vereinfachte (mehrperiodige) Modellrechnungen. Am bekanntesten ist die Ermittlung des Kapitalwerts nach Steuern nach dem sog. Standardmodell, das in seiner Grundform die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen drastisch vereinfacht (vgl. Kruschwitz, L.  2005). Lockert man die restriktive Annahme der Einheitlichkeit des Gewinnsteuersatzes für die zu beurteilende Sachinvestition und die alternative Kapitalanlage (Kalkulationszinsfuß), lassen sich die Besteuerungsunterschiede zwischen privaten und betrieblichen, inländischen und ausländischen sowie rechtsformspezifischen Anlagemöglichkeiten realistischer abbilden. Trotz seiner vereinfachenden Annahmen ist das Modell dann in der Lage, ein steuerart-, steuertarif- und steuerbemessungsgrundlagenbedingtes Belastungsgefälle ansatzweise zu berücksichtigen (vgl. Georgi, A.A.  1994).
Auch Finanzierungsentscheidungen unterliegen steuerlichem Einfluss. In einperiodigen Partialmodellen werden verschiedene Finanzierungsalternativen (Eigen-/Fremdfinanzierung; Innen-/Außenfinanzierung; langfristige/kurzfristige Fremdfinanzierung) auf ihre Vorteilhaftigkeit hin untersucht (vgl. Schneeloch, D.  2002). Steuerinduzierte Rangfolgeverschiebungen sind möglich. Sie sind hauptsächlich auf Belastungsunterschiede bei ESt und KSt und auf Bemessungsgrundlagenunterschiede bei der GewESt zurückzuführen, wobei Eigenkapitalzinsen voll, langfristige Fremdkapitalzinsen halb und kurzfristige Fremdkapitalzinsen gar nicht von GewESt getroffen werden. Bei der Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Leasingentscheidungen kommen mehrperiodige Partialkalküle zum Einsatz (vgl. Kruschwitz, L.  1991).
Im Gegensatz zur Investitionsplanung, die die Veränderung von Kapazitäten zum Gegenstand hat, beruht die operative Produktions- und Absatzplanung auf der Annahme gegebener Kapazitäten. Die Kosten- und Erlös- bzw. Leistungsrechnung hat die Aufgabe, derartige Kalküle mit den benötigten Plandaten zu versorgen. Die Frage, inwieweit Steuern, insbesondere Ertragsteuern, in der Kostenrechnung berücksichtigt werden müssen, ist inzwischen geklärt (vgl. Wagner, F.W./Heyd, R.  1981; Döring, U.  1984, S. 80 ff.). Steuern sind in der kurzfristigen Produktionsplanung nur insoweit zu berücksichtigen, als es ein Steuergefälle zwischen dem Kalkulationsobjekt und seiner Vergleichsbasis, also zwischen der Produktions- und der Unterlassensalternative bei Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft und zielkonformer Verwendung knapper Produktionsfaktoren, gibt. Da unter diesen Bedingungen nur selten ein Steuergefälle entsteht, kann in der Kostenrechnungspraxis auf die Berücksichtigung von Ertragsteuern i. Allg. verzichtet werden.

3. Optimierung der Steuerbilanzpolitik


Die Ertragsteuerzahlung einer Periode ist in ihrer Höhe abhängig vom steuerpflichtigen Gewinn, der mit Hilfe der Steuerbilanz zu ermitteln ist. Ansatz-, Bewertungs- und Abschreibungswahlrechte geben dabei dem Steuerpflichtigen einen Spielraum zur Verteilung des steuerlichen Totalerfolgs auf die einzelnen Abrechnungsperioden. Bei einem proportionalen Steuertarif (KSt-Tarif bzw. ESt-Tarif in der oberen Proportionalzone) wird der Steuerpflichtige die Wahlrechte so ausnutzen, dass der Erfolgsausweis und damit die Pflicht zur Steuerzahlung möglichst weit in die Zukunft verlagert werden. Über einen „ zinslosen Steuerkredit “ werden Zinsgewinne erwirtschaftet.
Bei einem progressiven Steuertarif wird der Zinseffekt durch einen Progressionseffekt überlagert. Allein unter Progressionsgesichtspunkten ist die Steuerbelastung der Totalperiode am geringsten, wenn der Totalerfolg gleichmäßig auf die Einzelperioden verteilt wird.
Will man Zins- und Progressionseffekt gleichzeitig berücksichtigen, müssen im steuerbilanzpolitischen Partialkalkül die Steuerbilanzgewinne so ausgewiesen werden, dass der Barwert der Nettokapitalrückflüsse maximiert wird. Sind – bei gegebenem realwirtschaftlichem Handlungsprogramm – die steuerunabhängigen Ein- und Auszahlungen Datum, werden die steuerbilanzpolitischen Parameter im Rahmen eines Steuerbarwertminimierungsmodells optimiert (vgl. Schneeloch, D.  2002, S. 67).

IV. Organisation der Steuerplanung


Will man Steuerwirkungen im betrieblichen Planungsprozess berücksichtigen, benötigt man

(a)

Basisinformationen aus fast allen betrieblichen Planungsbereichen und

(b)

Spezialinformationen aus der höchst komplexen Steuerrechtsmaterie.


Das organisatorische Problem der Steuerplanung besteht in der institutionellen Verbindung beider Informationsebenen. Dieses Organisationsproblem ist bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen kaum lösbar: Der externe Steuerberater verfügt zwar über die Sachkompetenz zu (b), nicht aber über die betriebsindividuellen Basisinformationen aus einzelnen Planungsbereichen. Neben der Steuerdeklaration liefert der externe Steuerberater allenfalls noch Entscheidungshilfe bei der Optimierung der Bilanzpolitik.
Eine interne Lösung der Steuerplanungsaufgabe ist nur in Großunternehmen anzutreffen, wo die Steuerabteilung entweder dem Rechnungswesen bzw. der Finanzabteilung zugeordnet oder als Stabstelle ausgegliedert ist. Die Steuerabteilung konzentriert ihre direkte Mitwirkung an einzelnen Planungsaufgaben auf jene Sachverhalte, bei denen die Planungsalternativen von einem großen Steuergefälle zwischen den Alternativen begleitet sein können. Hierzu gehören insbesondere Wahl und Wechsel der Rechtsform, (internationale) Standortwahl oder Großinvestitionen, besonders wenn die Möglichkeit steuerlicher Sonderabschreibungen eingeräumt wird. Bei ständig wiederkehrenden Routineentscheidungen, insb. im Investitions- und Finanzierungsbereich, kann die Steuerabteilung eine direkte Mitwirkung im Einzelfall durch Rahmenvorgaben ersetzen. Die Rahmenvorgaben sind von der Steuerabteilung zu modifizieren, sobald sich das Steuerrecht in gravierenden Punkten geändert hat.
Literatur:
Döring, Ulrich : Kostensteuern, Stuttgart 1984
Georgi, Andreas A. : Steuern in der Investitionsplanung, Hamburg, 2. A., 1994
Heinhold, Michael : Unternehmensbesteuerung, Bd. 3: Investition und Finanzierung, Stuttgart 2002
Jacobs, Otto H. : Internationale Unternehmensbesteuerung, München, 5. A., 2002
Kruschwitz, Lutz : Investitionsrechnung, München, 10. A., 2005
Kruschwitz, Lutz : Leasing und Steuern, in: ZfbF, 1991, S. 99 – 118
Rümmele, Peter : Zeitliche und sachliche Abgrenzung von Entscheidungsmodellen in der Steuerplanung, Hamburg 1998
Schneeloch, Dieter : Besteuerung und Betriebliche Steuerpolitik. Bd. 2: Betriebliche Steuerpolitik, München, 2. A., 2002
Schneider, Dieter : Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, Wiesbaden, 6. A., 1994
Schneider, Dieter : Investition, Finanzierung und Besteuerung, Wiesbaden, 7. A., 1992
Siegel, Theodor : Steuerwirkungen und Steuerpolitik in der Unternehmung, Würzburg et al. 1982
Wagner, Franz W. : Der gesellschaftliche Nutzen einer betriebswirtschaftlichen Steuervermeidungslehre, in: Finanzarchiv, Jg. 1986, S. 32 – 54
Wagner, Franz W. : Grundfragen und Entwicklungstendenzen der betriebswirtschaftlichen Steuerplanung, in: BFuP, 1984, S. 201 – 222
Wagner, Franz W./Dirrigl, Hans : Die Steuerplanung der Unternehmung, Stuttgart et al. 1980
Wagner, Franz W./Heyd, Reinhard : Ertrag- und Substanzsteuern in der entscheidungsbezogenen Kostenrechnung, in: ZfbF, 1981, S. 922 – 935

 

 


 

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