Kostenrechnung unter Unsicherheit
Inhaltsübersicht
I. Einführung
II. Unsicherheit im Rahmen spezifischer Kostenkategorien
III. Kostenrechnung zur Fundierung von Entscheidungen bei unsicheren Erwartungen
I. Einführung
1. Funktionen der Kostenrechnung und Unsicherheit
Die Kostenrechnung ist ein Instrument zur Unterstützung unternehmerischer Führungsentscheidungen, insbesondere der Entscheidungsvorbereitung, der Kontrolle und der Koordination. Die damit verbundenen Funktionen lassen sich allgemein als Entscheidungsfunktion einerseits und Verhaltenssteuerungsfunktion andererseits kennzeichnen (Ewert, R./Wagenhofer, A. 2000a). Beide Funktionen sind in der Realität grundsätzlich durch die Existenz von Unsicherheit charakterisiert:
- | Bei der Planung sind die optimalen Maßnahmen unter Beachtung unsicherer Erwartungen zu bestimmen. | - | Bei der Kontrolle geht es um die strukturelle Gestaltung und Auswertung von Abweichungsanalysen. Zu Abweichungen der Ist- von den Sollgrößen kann es aber nur bei Unsicherheit kommen. | - | Die Verhaltenssteuerung betrifft die Gestaltung der Anreizsysteme eines Unternehmens im weitesten Sinne. Solche Fragen setzen die Existenz sowohl von Interessenkonflikten als auch von Informationsunterschieden zwischen Zentrale und Entscheidungsträger voraus. Dies impliziert zumindest Unsicherheit der Zentrale bezüglich tatsächlich vorliegender Gegebenheiten im Bereich des Handlungsfeldes des zu motivierenden Entscheiders. |
2. Aufbau des Beitrags
Im vorliegenden Beitrag können nicht alle obigen Punkte behandelt werden. Hinsichtlich solcher Fragen, die mit der Risikoanalyse innerhalb der Kostenrechnung, Kontrollrechnungen bzw. Abweichungsanalysen und mit Verhaltenssteuerungsgesichtspunkten zusammenhängen, sei auf die Stichworte Agency-Theorie, Analyse der Unsicherheit, Kostenkontrolle, Unsicherheitstheorie verwiesen. Der Fokus dieses Beitrags soll dagegen auf Aspekten liegen, welche die Bedeutung unsicherer Erwartungen für Elemente einzelner Kostenrechnungssysteme oder die grundsätzliche Eignung solcher Systeme im Rahmen der Entscheidungsfunktion betreffen.
Dementsprechend widmet sich Kapitel II. spezifischen Kostenkategorien, in denen unsichere Erwartungen im Rahmen von Kostenrechnungssystemen traditionell erfasst werden. Kapitel III. behandelt Konsequenzen, die sich aus unsicheren Erwartungen für die Gestaltung von Entscheidungsrechnungen ergeben können.
II. Unsicherheit im Rahmen spezifischer Kostenkategorien
1. Wagniskosten
Unter (Einzel-)Wagnissen versteht man in der Kostenrechnung üblicherweise Risiken „ unproduktiver Güterverbräuche “ wie etwa Ausschuss, Nacharbeit, Gewährleistungen, Forderungsausfall, Diebstahl, Schwund, Zerstörung von Anlagen durch Unfälle oder Explosionen etc. Die damit verbundenen Kosten werden abweichend vom externen Rechnungswesen oftmals nicht in Höhe ihres tatsächlichen und im Zeitablauf ggf. stark schwankenden Anfalls erfasst, weil diese Vorgehensweise die Interpretation der Gewinnentwicklung als Maßstab z.B. der marktorientierten Stellung des Unternehmens beeinträchtigen könnte. Stattdessen wird empfohlen, die mit solchen Wagnissen verbundenen Kosten in Form normalisierter Beträge als spezifische Wagniskosten in die Rechnung einzubeziehen; diese Wagniskosten lassen sich dabei für verschiedene Kostenarten (z.B. Materialkosten, Abschreibungen, etc.) getrennt ermitteln. Der periodisch angesetzte Kostenbetrag für Wagnisse bleibt für mehrere Perioden konstant und soll im Durchschnitt den tatsächlichen Belastungen durch Einzelwagnisse entsprechen; er ist daher auch in bestimmten Intervallen zu überprüfen und ggf. anzupassen. Auf diese Weise werden letztlich einzelwagnisbedingte, erratische Erfolgsänderungen weitgehend unterbunden.
In der Kostenrechnungsliteratur werden die Wagniskosten regelmäßig für die obigen, spezifischen Einzelwagnisse reserviert und eine Einbeziehung des so genannten „ allgemeinen Unternehmerwagnisses “ als Ausdruck des generellen Risikos unternehmerischer Betätigung in die Kostenrechnung abgelehnt (siehe stellvertretend für viele Kloock, J./Sieben, G./Schildbach, T. 1999, S. 73). Diese Auffassung ist jedoch nicht unproblematisch, wie der folgende Abschnitt über die Kapitalkosten zeigen wird. Außerdem scheint aus empirischer Sicht der Ansatz spezieller Wagniskosten weit weniger verbreitet, als man aus der Lehrbuchliteratur vermuten würde (Währisch, M. 2000, S. 686 f.).
2. Kapitalkosten
Die Kapitalkosten betreffen in der Kostenrechnung das sachzielnotwendige Fremd- und Eigenkapital. Dabei wird das sachzielnotwendige Vermögen mit einem durchschnittlichen Kapitalkostensatz multipliziert, der eine auf der Kapitalstruktur des Unternehmens basierende Mischung aus Fremd- und Eigenkapitalkosten darstellt. Bei den Eigenkapitalkosten handelt es sich letztlich um Opportunitätskosten; sie geben an, welche erwartete Rendite die Eigner hätten erzielen können, wenn sie das Kapital anderweitig zu vergleichbarem Risiko investiert hätten. Damit enthält der Eigenkapitalkostensatz eine Risikoprämie, deren Berechnung grundsätzlich kapitalmarktorientiert unter Berücksichtigung des Portefeuilleproblems der Investoren zu erfolgen hat (etwa auf Basis des „ Capital Asset Pricing Model “ (CAPM), vgl. z.B. Kruschwitz, L. 1999, S. 155 ff.). Diese Risikoprämie ist im Kern aber eine Kompensation für das „ allgemeine Unternehmerwagnis “ , für dessen Eingehen risikoscheue Anleger eben einen Ausgleich fordern. Insofern findet auch das „ allgemeine Unternehmerwagnis “ Eingang in die Kostenrechnung, nur an einer anderen Stelle.
Die konsequente Berücksichtigung auch der Eigenkapitalkosten spielt derzeit im Rahmen der Diskussion wertorienterter Anreizsysteme für Manager eine große Rolle, weil sich hier zeigen lässt, dass so genannte Residualgewinne, bei denen Zinsen auf das Eigenkapital gewinnmindernd angesetzt sind, viele positive Eigenschaften aufweisen (vgl. zur Übersicht z.B. Ewert, R./Wagenhofer, A. 2000b).
3. Risikokosten
Im Rahmen der Bankkalkulation ist es üblich, zur Ermittlung von Deckungsbeiträgen einzelner Kreditgeschäfte so genannte Risikokosten zu erfassen. Damit soll einerseits eine Kompensation erwarteter Ausfallrisiken erreicht werden, sodass ex ante die erwartete Rendite der Bank aus dem Kreditgeschäft wenigstens mit alternativen sicheren Anlagen vergleichbar ist; andererseits enthalten die Risikokosten bei risikoscheuem Verhalten darüber hinaus auch eine Risikoprämie. Zur Bestimmung von Risikokosten lassen sich grundsätzlich traditionelle, marktdeduzierte und optionspreisbasierte Verfahren anwenden, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann (vgl. etwa Brakensiek, T. 1991 sowie Hartmann-Wendels, T./Pfingsten, A./Weber, M. 1998, S. 651 ff.).
III. Kostenrechnung zur Fundierung von Entscheidungen bei unsicheren Erwartungen
1. Vorbemerkungen
Die explizite Integration unsicherer Erwartungen in kostenrechnerische Ansätze ist erst seit etwa Anfang der 1980er-Jahre verstärkt zu beobachten. Der Grund dürfte sein, dass die Kostenrechnung vornehmlich kurzfristig wirksame Entscheidungen im Beschaffungs-, Produktions- und Absatzbereich fundieren soll, bei denen die Unsicherheit als nicht so gravierend eingestuft wird. Die zunehmende Bedeutung des Risikomanagements in der Praxis hat diese Vorstellung aber obsolet werden lassen. Nachfolgend werden verschiedene Zugänge zur Unsicherheitsproblematik im Rahmen kostenrechnerischer Ansätze vorgestellt.
2. Break-Even-Analysen
Mit einer Break-even-Analyse (vgl. z.B. Schweitzer, M./Troßmann, E. 1986) sollen vornehmlich Indizien hinsichtlich der Bedeutung der Unsicherheit verschiedenster Parameter für die Lösung bzw. Zielerreichung eines Entscheidungsproblems gewonnen werden. Es handelt sich um eine spezifische Form von Sensitivitätsanalysen, mit denen z.B. kritische Absatzmengen ( „ Break-even-Mengen “ ) errechnet werden, bei deren Überschreiten man einen bestimmten Mindestgewinn erreicht. Die Rechnungen lassen sich auch in stochastischer Form durchführen (Welzel, O. 1987), um etwa eine Wahrscheinlichkeitsverteilung des Gewinns basierend auf den Einzelverteilungen verschiedenster Parameter zu bestimmen. Diese stochastischen Break-even-Analysen erlangen derzeit bei der Berechnung spezifischer Kennzahlen zum Risikomanagement eine zunehmende Bedeutung, weil sich mit ihrer Hilfe auch im Nichtbankenbereich Größen wie z.B. der Value-at-Risk ermitteln lassen. Break-even-Analysen geben aber allgemein keine Empfehlung für eine bestimmte Lösung, sodass offen bleibt, wie man sich letztlich entscheiden soll.
3. Kostenrechnung als grundsätzliches Informationssystem
Ausgehend vom Grundmodell der Entscheidungstheorie lässt sich die Unsicherheit durch einen Zustandsraum abbilden. Die Ergebnisse einer Aktion hängen vom Eintritt eines Umweltzustandes ab, der vom Unternehmen nicht beeinflusst werden kann. Lassen sich diese Zustände mit Wahrscheinlichkeiten belegen, spricht man von einer Risikosituation. Ein Entscheidungsträger steht nun vor dem Problem, für all seine Aktionen eine Ergebnisfunktion aufzustellen, die seine Ziele (z.B. das Konsumniveau) mit den Aktionen und Umweltzuständen verknüpft. In diesem Rahmen können Kostenrechnungssysteme als Informationssysteme betrachtet werden, die in spezifischer Form dazu beitragen, Erwartungen des Entscheidungsträgers zu verändern. Sie beeinflussen daher seine Aktionswahl und lassen sich grundsätzlich mit den Methoden der entscheidungstheoretischen Informationsanalyse unter Einbeziehung der Informationskosten bewerten (Demski, J.S./Feltham, G. 1976; Krönung, H.-D. 1988). Diese Sichtweise setzt die Wahl und Dimensionierung eines Kostenrechnungssystems zwar in einen allgemeinen entscheidungstheoretischen Kontext, hat aber bislang kaum zu verwertbaren Einzelresultaten geführt.
4. Spezifische Fragestellungen im Rahmen konkreter Entscheidungsrechnungen bei Unsicherheit
Die folgenden Ansätze beschäftigen sich mit spezifischen Aspekten, die insbesondere die Problematik Vollkostenrechnung/Teilkostenrechnung betreffen. Ausgangspunkt ist die aus den üblichen deterministischen Ansätzen gewonnene Aussage, zur Bestimmung optimaler Entscheidungen sei es hinreichend, nur die variablen Kosten- und Erlösbestandteile zu berücksichtigen. Daraus resultiert die Empfehlung, für operative Entscheidungen nur Teilkosten- bzw. Deckungsbeitragsrechnungen zu verwenden; der Gebrauch von Stückvollkostenrechnungen berge dagegen sogar die Gefahr von Fehlentscheidungen. Nachfolgend werden zwei alternative Zugänge zu dieser Problematik präsentiert, die ausdrücklich auf unsicheren Erwartungen basieren und zu einer Relativierung der obigen Empfehlung führen. a) Stückvollkosten bei unsicheren Erwartungen und heuristischen Entscheidungskalkülen
Die auf Entscheidungsheuristiken basierenden Arbeiten (Dickhaut, J.W./Lere, J.C. 1983; Lere, J.C. 1986; vgl. auch Krönung, H.-D. 1988, S. 234 ff.) gehen von beschränkter Informationsverarbeitungskapazität eines Entscheiders aus. Dieser verwendet keine komplexen Optimierungskalküle, sondern tastet sich an die Lösung durch ein sequenzielles Vorgehen heran, indem er z.B. bei der Bestimmung von Absatzmengen sukzessiv Erhöhungen bzw. Verminderungen vornimmt, bis sich die Erfolgsdifferenz unterhalb einer vorgegebenen Grenze bewegt. Insbesondere besitzt der Entscheider keine vollständige Kenntnis der Kostenfunktion, sondern kann nur mit Hilfe eines Kostenrechnungssystems für konkrete Mengen deren jeweilige Kosten ermitteln. Zur Wahl steht dabei einerseits eine Teilkostenrechnung, die nur die variablen Stückkosten erbringt, andererseits aber auch eine Vollkostenrechnung, die zusätzlich proportionalisierte Fixkosten enthält, deren Stückbetrag auf Basis einer a priori vorgegebenen Beschäftigung bestimmt wurde.
Angenommen, der Entscheider ist risikoneutral und das Kostenrechnungssystem liefert stets unverzerrte Informationen über den Kostenerwartungswert der einzelnen Mengen. Dann bleiben die üblichen Empfehlungen zur Teilkostenrechnung weiterhin gültig. Das Kostenrechnungssystem kann aber auch verzerrte Informationen derart liefern, dass es die tatsächlichen Kostenerwartungswerte unterschätzt, weil es z.B. nicht möglich oder viel zu teuer ist, bei jedem operativen Partialmodell sämtliche Konsequenzen auf andere Entscheidungsfelder durch spezielle Opportunitätskostenansätze zu erfassen (vgl. dazu auch Zimmerman, J. 1979). In diesem Fall würde die Verwendung einer Teilkostenrechnung zur Überproduktion führen, während eine Stückvollkostenrechnung diesem Effekt bei der obigen Entscheidungsheuristik entgegenwirkt und eine Verbesserung bringen kann (falls nicht z.B. eine zu starke Unterproduktion entsteht). Eine analoge Wirkung ergibt sich für den Fall, dass – unabhängig vom Vorliegen verzerrter Kosteninformationen – der Entscheider risikoscheu ist. Dies führt zur tendenziellen Verringerung der Produktionsmenge, was durch Verwendung von Stückvollkostenrechnungen erreicht werden kann. b) Stückvollkosten und optimale Preisfindung bei Risiko
Eine weitere Begründung von Stückvollkosten zeigen Banker/Hughes (Banker, R./Hughes, J. 1994) im Rahmen eines Problems der simultanen Kapazitäts- und Preisbestimmung (vgl. zu einem ähnlichen Ansatz auch Jahnke, H./Chwolka, A. 1999). Zu Beginn einer Periode wird eine Kapazitätsentscheidung bei risikobehafteten künftigen Absatzmengen getroffen. Die festgelegte Produktionskapazität kann im Laufe der Periode zwar noch einer ggf. höheren Nachfrage angepasst werden, doch ist dies teurer, als wenn die gleiche Kapazität direkt zum Periodenbeginn erworben worden wäre. Die Unternehmung hat einerseits ihre Kapazitätswahl zu optimieren, wobei Kapazitätseinheiten zu einem konstanten Preis gekauft werden können; andererseits muss sie zum Periodenbeginn auch den Preis ihrer Produkte festlegen, der eine Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher Absatzmengen induziert (der Erwartungswert der Absatzmengen folgt dabei einer typischen Preis-Absatz-Funktion). Es lässt sich zeigen, dass bei der optimalen Lösung die Preisbestimmung quasi auf Basis der Stückvollkosten vorgenommen wird, obwohl die Kapazitätskosten aus Sicht der Preis- und Mengenpolitik eigentlich „ sunk costs “ sind. Daraus resultiert scheinbar eine Abweichung von der üblichen Optimierungsregel „ Grenzerlös = Grenzkosten “ . Bei der Interpretation der Resultate ist aber zu berücksichtigen, dass die Kapazität im vorliegenden Fall nicht wirklich fix ist, sondern simultan mit der Preis- und Mengenpolitik festgelegt wird. Damit sind letztlich auch die Kapazitätskosten variabel, sodass es nicht verwundert, dass sie eine Bedeutung für die Preispolitik erhalten. Diese Analyse erfasst daher eher eine Situation „ langfristiger “ Preise, für deren Bestimmung z.B. auch die Prozesskostenrechnung (die ja ebenfalls eine spezifische Vollkostenrechnung ist) empfohlen wird. Allgemein ist die Eignung der Prozesskostenrechnung für strategische Entscheidungen aber nur unter relativ engen Prämissen gegeben (vgl. dazu Schiller, U./Lengsfeld, S. 1998). c) Potenzielle Entscheidungsrelevanz von Fixkosten bei risikoscheuen Entscheidern
Die hier relevanten Ansätze gehen zwar letztlich auf Diskussionen in Adar/Barnea/Lev und Dillon/Nash, zurück, haben aber die deutschsprachige Literatur erst durch einen provokanten Beitrag von Schneider nachhaltig beeinflusst und zu einer lebhaften Debatte geführt (Adar, Z./Barnea, A./Lev, B. 1977; Dillon, R.D./Nash, J.F. 1978; Schneider, D. 1984, vgl. ausführlich mit vielen weiteren Nachweisen Ewert, R./Wagenhofer, A. 2000a, S. 237 ff.). Die zunächst überraschende These von Schneider besteht darin, dass es in Risikosituationen für die optimale Entscheidungsfindung eines risikoscheuen Entscheiders regelmäßig notwendig ist, Fixkosten ins Kalkül einzubeziehen, während man bei reiner Orientierung an Teilkosten das Optimum verfehlen würde. Eine Deckungsbeitragsrechnung wäre im Regelfall mithin nicht nur nicht hinreichend, sondern sogar sicher ungeeignet für Entscheidungsrechnungen bei Risiko!
Der Grund dafür wird einsichtig bei Betrachtung des risikoorientierten Entscheidungsverhaltens auf Basis der Maximierung des Erwartungsnutzens (Laux, H. 1998). Dabei wird der Erwartungswert E[U(V)] einer an das Endvermögen V anknüpfenden Nutzenfunktion U maximiert. Risikoscheu impliziert grundsätzlich eine streng konkave Nutzenfunktion, d.h., die erste Ableitung ist positiv, die zweite dagegen negativ (U\'> 0, U " <> 0). Die konkrete Intensität der Risikoscheu wird durch die so genannte absolute Risikoaversion AR (bzw. das Arrow, K.J./-Pratt, J.W.-Maß) gemessen, die wie folgt definiert ist:
AR(V) = -U"(V)/U\'(V) > 0
Die absolute Risikoaversion ist bei Risikoscheu zwar überall positiv, aber in ihrer konkreten Höhe grundsätzlich variabel, d.h., sie kann je nach Höhe des Vermögens schwanken. Damit wird erfasst, dass die Risikoscheu prinzipiell vom Reichtum des Entscheiders abhängen kann, dass sich also ein vermögender Unternehmer bezüglich des Risikos möglicherweise anders verhält als etwa ein wenig vermögender Entscheider. Die Höhe der Fixkosten verschiebt ceteris paribus die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Endvermögenswerte bei operativen Problemen in unterschiedliche Vermögensbereiche. Sofern aber eine reichtumsabhängige Risikopräferenz vorliegt, impliziert die Verschiebung eine mit dem Umfang der Fixkosten veränderte Risikoeinstellung gegenüber den risikobehafteten Ergebnissen der Handlungsvariablen und mithin eine typischerweise andere optimale Entscheidung (die für Fixkosten abgeleiteten Ergebnisse gelten dabei analog auch für das Anfangsvermögen, bezüglich der Wirkungsrichtung aber mit jeweils umgekehrtem Vorzeichen). Nur dann, wenn die absolute Risikoaversion überall konstant ist, bleibt auch die optimale Aktion von der Höhe der Fixkosten unbeeinflusst. Selbst in einer solchen Situation sind die Fixkosten indes regelmäßig von Bedeutung, wenn sie selbst stochastisch sind (d.h., sie unterliegen einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, die aber nicht von den Entscheidungsvariablen des Problems abhängt). Der Grund liegt in Diversifikationsaspekten zwischen der Fixkostenverteilung und der Verteilung der Überschüsse aus den zu optimierenden Handlungsvariablen (Ewert, R./Wagenhofer, A. 2000a, S. 253 f.).
Diese Argumentation begründet eine Empfehlung für Vollkostenrechnungen als Periodenrechnung, in der also die Fixkosten als Block einbezogen werden. Mit einer Proportionalisierung von Fixkosten und daher einer Stückvollkostenrechnung haben die Ergebnisse dagegen nichts zu tun. Die obige Darstellung basiert aber auf einer gewichtigen Prämisse: Sie vernachlässigt die Existenz eines Kapitalmarkts.
Die zusätzliche Einbeziehung von Kapitalmärkten (vgl. Ewert, R. 1996) hat folgende Konsequenzen: Handelt es sich um eine börsennotierte Unternehmung, kann unter bestimmten Bedingungen ( „ Spanning “ und „ Competitivity “ , vgl. DeAngelo, H. 1981) als einmütig präferierte Zielsetzung die Maximierung des Shareholder Value verwendet werden. Bei arbitragefreiem Kapitalmarkt hat die Marktbewertung die Eigenschaft der Wertadditivität (Schall, L. 1972) und kann in einer quasi-risikoneutralen Form dargestellt werden. Daraus folgt aber die Irrelevanz der Fixkosten und des Anfangsvermögens. Sollte dagegen die Unternehmung selbst nicht börsennotiert sein, haben die Eigner im Rahmen ihrer individuellen Portefeuillegestaltung dennoch vielfältige Möglichkeiten, die aus dem Produktions- und Absatzprogramm des Unternehmens resultierenden Risiken zu diversifizieren. Damit kann aber die operative Programmplanung letztlich von der Doppelfunktion der Erbringung von Überschüssen einerseits und der Diversifikation von Risiken andererseits entlastet werden. Es lässt sich zeigen (Ewert, R. 1996), dass unter den gleichen Bedingungen, unter denen die Marktwertmaximierung als einmütig befürwortete Zielsetzung aller Investoren gültig ist, für die Entscheidungsfindung eines nicht börsennotierten Unternehmens eine virtuelle Marktwertmaximierung resultiert, die ebenfalls mit einer Irrelevanz der Fixkosten verbunden ist. Im Ergebnis sind Fixkosten bei Risiko demnach nur dann entscheidungsrelevant, wenn ein nicht börsennotiertes Unternehmen ohne Berücksichtigung der Eignerportefeuilles betrachtet wird.
Literatur:
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Demski, Joel S./Feltham, Gerald : Cost Determination – A Conceptual Approach, Ames/Iowa 1976
Dickhaut, John W./Lere, John C. : Comparison of Accounting Systems and Heuristics in Selecting Economic Optima, in: JAR, Jg. 21, H. 2/1983, S. 495 – 513
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Ewert, Ralf : Fixkosten, Kapitalmarkt und (kurzfristig wirksame) Entscheidungsrechnungen bei Risiko, in: BFuP, Jg. 48, 1996, S. 528 – 556
Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred : Interne Unternehmensrechnung, Berlin et al., 4. A., 2000a
Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred : Rechnungslegung und Kennzahlen für das wertorientierte Management, in: Wertorientiertes Management, hrsg. v. Wagenhofer, Alfred/Hrebicek, Gerhard, Stuttgart 2000b, S. 3 – 64
Hartmann-Wendels, Thomas/Pfingsten, Andreas/Weber, Martin : Bankbetriebslehre, Berlin et al. 1998
Jahnke, Hermann/Chwolka, Anne : Preis- und Kapazitätsplanung mit Hilfe kostenorientierter Entscheidungsregeln, in: BFuP, Jg. 51, 1999, S. 3 – 20
Kloock, Josef/Sieben, Günter/Schildbach, Thomas : Kosten- und Leistungsrechnung, Düsseldorf, 8. A., 1999
Krönung, Hans-Dieter : Kostenrechnung und Unsicherheit, Wiesbaden 1988
Kruschwitz, Lutz : Finanzierung und Investition, München et al., 2. A., 1999
Laux, Helmut : Entscheidungstheorie, Berlin et al., 4. A., 1998
Lere, John C. : Product Pricing Based on Accounting Costs, in: Acc. R., Jg. 61, 1986, S. 318 – 324
Schall, Lawrence : Asset Valuation, Firm Investment, and Firm Diversification, in: JB, Jg. 45, 1972, S. 11 – 28
Schiller, Ulf/Lengsfeld, Stefan : Strategische und operative Planung mit der Prozeßkostenrechnung, in: ZfB, Jg. 68, 1998, S. 525 – 547
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Schweitzer, Marcell/Troßmann, Ernst : Break-Even-Analysen, Stuttgart 1986
Währisch, Michael : Der Ansatz kalkulatorischer Kostenarten in der industriellen Praxis, in: ZfbF, Jg. 52, 2000, S. 678 – 694
Welzel, Otmar : Möglichkeiten und Grenzen der Stochastischen Break-Even-Analyse als Grundlage von Entscheidungsverfahren, Heidelberg 1987
Zimmerman, Jerold : The Costs and Benefits of Cost Allocations, in: Acc. R., Jg. 54, 1979, S. 504 – 521
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