Steuern und Investition
Inhaltsübersicht
I. Einfluss der Steuern auf Investitionen, insb. auf das Investitionsverhalten der Unternehmen
II. Der Einbezug von Steuern in Planungsmodelle bei Investitionsentscheidungen
I. Einfluss der Steuern auf Investitionen, insbesondere auf das Investitionsverhalten der Unternehmen
1. Quantifizierbare Steuerwirkung
Steuerzahlungen vermindern, ohne dass der Steuerpflichtige unmittelbar eine konkrete Gegenleistung hierfür vom Staat erhält (§ 3 I AO), den finanziellen Transaktionsrahmen eines Unternehmens. Es handelt sich um Zahlungen, die mit Ausnahme von Steuerzahlungen auf Unternehmensmittel (z.B. Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer) oder auf den Verbrauch (z.B. Mineralölsteuer, Stromsteuer) nicht unmittelbar einer Investition zurechenbar sind. Aus dem Abfluss von liquiden Mitteln ist jedoch ein negativer Zielbeitrag für die Investition abzuleiten, da ein durch Steuern verkleinertes Transaktionsvolumen auch unmittelbar das Investitionspotenzial schmälern kann. Nur ein Steuersystem, das entscheidungsneutral abgefasst ist, also den Steuerpflichtigen keine Anpassungs- bzw. Ausweichhandlungen ermöglicht, würde bei identischen steuerlichen Sachverhalten alle Unternehmen gleich hoch belasten. Eine solche Besteuerung würde dabei grundsätzlich nicht das mit einer Investition beabsichtigte Unternehmensziel, sondern nur das Volumen der finanziellen Zielerreichung ändern. Dies gilt aber nur so lange, wie diese Entscheidungsneutralität wirklich vorliegt und es den Unternehmen nicht möglich ist, in Einzelfällen rechtlich zulässige Steuerausweichhandlungen vorzunehmen (so z.B. Steuerüberwälzungen auf Preise, Steuerumgehung bzw. -verminderung durch entsprechend zulässige Sachverhaltsgestaltungen), oder der Staat durch Steuerrechtsnormierung mit politischem Lenkungscharakter durch investitionsorientierte Fiskalpolitik (z.B. durch Subventionen, Investitionszulagen und -zuschüsse, Übertragung stiller Reserven in Form von Veräußerungsgewinnen auf neue Wirtschaftsgüter) bewusst Unterschiede in der Steuerbelastung herbeiführt. Da Steuersysteme in der Regel nicht entscheidungsneutral abgefasst sind und damit Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit einzelner Investitionen bzw. auf die Rangfolge von Investitionsalternativen haben können, gehören die Untersuchungen der Auswirkungen von Steuern und die Entwicklung von Entscheidungshilfen in Form von quantitativen Verfahren (Einbeziehung von Steuern in Investitionsrechenverfahren) zu den Analysegebieten der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre.
2. Nicht quantifizierbare Steuerwirkungen
Inwieweit Steuern (z.B. Steueränderungen, steuerliche Mehrbelastungen oder auch Investitionsanreize: Sonderabschreibungen, Subventionen, Zuschüsse und Zulagen) bei Unternehmen nicht rational begründ- und nachvollziehbare Veränderungen im Investitionsverhalten auslösen, kann nur vermutet werden. Die individuelle Risikobeurteilung der Entscheidungsträger, ihre subjektiven Wertvorstellungen wie auch negative und positive Erfahrungen mit Steuern (Erhebungsaufwand, Komplexität und Schwierigkeit der Steuergesetze, entstehende Unsicherheit durch die stetige Zunahme von sog. Steuerreformen usw.) dürften maßgebenden Einfluss auf den Entscheidungsprozess haben. Allerdings ist die Zahl von empirischen Untersuchungen über das Investitionsverhalten bei Steuerrechtsänderungen im Vergleich zu anderen Untersuchungsfeldern erstaunlich gering.
Sofern sich empirische Untersuchungen überhaupt mit dem Investitionsverhalten befassen, werden diese in der Regel ausschließlich an quantifizierbaren Daten (Daten aus der Rechnungslegung, gesamtwirtschaftliche Daten) vorgenommen. Als exemplarische Untersuchungen können genannt werden: Altshuler, R./Auerbach, A.J. 1990; Behrens-Ramberg, W. 1985; Morgan, E.J. 1985; Neumann, F./Gerstenberger, W. 1976; Schleiter, M. 1985; Uhlmann, L. 1980; Wittmann, F. 1998. Verhaltenswissenschaftliche Aspekte und Fragestellungen bleiben bei diesen Untersuchungen außen vor. Sie haben bisher sowohl in dem Bereich der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre als auch in die Finanzwissenschaften fast keinen Eingang gefunden. Eine Berücksichtigung wäre indes im Hinblick auf die Fiskalpolitik angebracht, die besonders an Aussagen über das empirisch feststellbare Verhalten interessiert sein sollte, d.h. wie Steuerpflichtige – im speziellen Fall Investoren – auf positive oder negative Steueränderungen reagieren bzw. im Vorfeld der Gesetzesänderungen schon Anpassungs- bzw. Ausweichhandlungen vornehmen (Hüsing, S. 1999; Kappler, R. 2000). Denn besonders die jüngere Vergangenheit zeigt, dass es unabhängig von der Qualität und Zielsetzung einer Steuerrechtsänderung (insb. steuerlicher Erleichterungen und Fördermaßnahmen) wichtig ist, die Entscheidungsträger auch von der Notwendigkeit – bzw. bei Steuererleichterungen von den Vorteilen der Steuerrechtsänderung – in geeigneter Weise zu informieren. Eine hierzu erforderliche ziel- und sachgerichtete Überzeugungsarbeit zur Durchsetzung der Steuerrechtsänderung und der damit verbundenen Zielsetzung kann aber nur gelingen, wenn ausreichende Kenntnisse über mögliche Verhaltens- und Reaktionsabläufe der betroffenen Entscheidungsträger vorliegen.
3. Notwendigkeit der Einbeziehung von Steuern in den Investitionsentscheidungsprozess
Vom ökonomischen Standpunkt her, d.h. bei Abwägung von Informationsnutzen und -kosten des gesamten Entscheidungsprozesses, ist die Erweiterung der quantitativen Investitionsplanung und -kontrolle um den Entscheidungsparameter Steuern nur gerechtfertigt, wenn die Ergebnisse der Planung vor und nach der Einbeziehung von Steuern voneinander abweichen und dadurch den Investor zu einer anderen Entscheidung veranlassen würden. Konkret bedeutet dies, dass der Einbezug von Steuern nur notwendig ist, wenn:
- | bei Betrachtung eines einzelnen Investitionsobjektes dessen Zielbeitrag bei Einbezug von Steuern negativ wird; | - | bei Vergleichen von Investitionsalternativen sich zusätzlich die Rangfolge der Vorteilhaftigkeit der Objekte zueinander durch den Einbezug von Steuern ändert. |
Würden sich z.B. bei Investitionsalternativen durch die Steuerzahlung nur die Höhe der ermittelten Kapital- oder Vermögensendwerte ändern, die Rangfolge aber bestehen bleiben (Rangfolgeinvarianz), wäre ein Einbezug von Steuern bei dieser Investitionsentscheidung entbehrlich.
Für die Untersuchung des Einflusses bzw. der Einflusslosigkeit der Besteuerung auf Investitionen wird in der Wissenschaft auf das Kriterium des Ertragswertes bzw. der periodischen Ertragswertabschreibung zurückgegriffen (Georgi, A.A. 1994; Schneider, 1992; Steiner, J. 1980). Der Ertragswert zu einem Zeitpunkt ist definiert als die Summe der in Zukunft erwarteten, abgezinsten Periodenüberschüsse einer Investition mit dem Kalkulationszinsfuß. Mit Hilfe der Ertragswerte werden Indifferenzbedingungen für den Einfluss der Steuern auf Investitionen untersucht und definiert, um dann Aussagen treffen zu können, wann der Einbezug von Steuern notwendig ist und damit zusätzlich entstehende Informationskosten gerechtfertigt sind. Als hinreichende Bedingung der Einflusslosigkeit von Gewinnsteuern gilt, dass der Barwert der Ertragswertabschreibung gleich dem Barwert der steuerlichen Abschreibung sein muss Heinhold, 1996.
II. Der Einbezug von Steuern in Planungsmodelle bei Investitionsentscheidungen
1. Stellenwert von Investitionsrechenmodellen
Den Investitionsrechenverfahren (Heinhold, M. 1996) unter Einbeziehung von Steuern kommt wie den Rechenmodellen ohne Berücksichtigung von Steuern im Rahmen des Entscheidungsprozesses bei einer Investition lediglich die Teilaufgabe zu, neben der Vielzahl anderer Einflussfaktoren quantitative, zahlungsorientierte Entscheidungsgrößen zu liefern.
Die Anzahl der Unternehmen, die ihre Investitionsentscheidungen zusätzlich mit Hilfe von Investitionsrechenverfahren zu unterstützen versuchen, nimmt gerade im Hinblick auf die zunehmend verbesserte Einsatzmöglichkeit der EDV bei Rechenmodellen und den damit verbundenen geringeren Informationskosten stetig zu. In der Praxis finden verschiedenste Verfahren Anwendung, wobei die überwiegende Zahl der Praktiker noch die Anwendung einfacher Modellverfahren bevorzugt. Besonders bei kleinen Unternehmen werden überwiegend statische Investitionsrechnungen angewandt. Hier kommen die klassischen Verfahren zum Einsatz: Kostenvergleichsrechnung, Gewinnvergleichsrechnung, Rentabilitätsrechnung, Amortisationsrechnung. Die Integration insbesondere von dynamisch konzipierten Investitionsplanungstools in kommerzielle Planungs- und Controllingsoftware führt zu einer zunehmenden Verbreitung dieser Modelle auch in mittelständischen Unternehmen (z.B. SAP R/3). Für große Unternehmen belegt eine empirische Studie aus dem Jahre 1986 (Wehrle-Streif, U. 1989), dass 92,3% der im deutschen Sprachraum ansässigen Unternehmen Investitionsentscheidungen auf der Grundlage von dynamischen Investitionsrechenmodellen treffen, wobei hiervon 70,3% der Unternehmen ausdrücklich die Steuerwirkung in ihre Berechnung mit einbeziehen.
2. Steuern in Investitionsrechenmodellen
Bei der Berücksichtigung von Steuern in Planungsmodellen haben sich in Wissenschaft und Praxis verschiedenste Techniken herausgebildet. a) Statische Investitionsrechenmodelle
Die in der Praxis kleinerer Unternehmen am häufigsten angewandten statischen Verfahren (sog. „ Hilfsverfahren der Praxis “ ) sind aufgrund ihrer Einfachheit am wenigsten geeignet, Steuern in ihrer Wirkung einzubinden. Ein realistischer Einbezug von Steuern als Auszahlungsgröße in diese Verfahren ist aufgrund der Modellprämisse der einperiodigen oder durchschnittlichen Betrachtung von Aufwendungen und Erträgen (also von Nicht-Zahlungsgrößen) und wegen der Vernachlässigung von zeitlichen Aspekten nicht möglich. So kann z.B. eine degressive Abschreibung in ihrer Steuerwirkung auf die Investition nicht aufgezeigt werden. Eine verbesserte Aussagefähigkeit wird durch den Versuch des Einbezugs von Steuern bei den statischen Verfahren grundsätzlich nicht erreicht. b) Verfahren für Investitionsprogrammentscheidungen
Bei den Simultanplanungsmodellen werden nicht einzelne isolierte Investitionen auf ihre Vorteilhaftigkeit untersucht, sondern Investitionsprogramme als Gesamtheit analysiert (Perridon, /Steiner, 2004). Bei diesen Verfahren werden neben den Einflussfaktoren der Einzelinvestition sowohl die Interdependenzen der Einzelinvestitionen im Investitionsprogramm zueinander als auch die Abhängigkeiten zu anderen Bereichen (zur Investitionsumgebung) eines Unternehmens untersucht. Steuern können in diesen Modellen unter Beachtung der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlagen der jeweiligen Steuerart realistischer einbezogen werden als bei nichtsimultanen Modellen, bei denen aufgrund der vereinfachenden Prämissen Steuern einzelnen Investitionsobjekten zugeordnet werden müssen. Im Bereich der Simultanplanung kann die Steuerbelastung auf den Unternehmensgewinn dem Investitionsprogramm als Gesamtheit zugeordnet werden. (Als Verfasser und Vertreter von simultanen Modellen unter Einbeziehung von Steuern können beispielhaft genannt werden: Jääskeläinen, V. 1966; Haberstock, L. 1971; Rosenberg, O. 1975; Modellüberblick: Kruschwitz, L. 2006). Die meisten Ansätze im Bereich der Simultanplanung beruhen auf einem Ansatz der Linearen Programmierung (LP-Modelle). Die Modelle unterscheiden sich sowohl in der Anzahl der berücksichtigten Interdependenzen als auch speziell bei steuerlichen Planungsmodellen im Umfang der einbezogenen Steuerarten.
Derartige Simultanmodelle sind allerdings für die praktische Unternehmensplanung nicht verwendbar. Weniger der hohe Komplexitätsgrad und die damit verbundenen Kosten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung sind das Haupthindernis für ihre praktische Verwendbarkeit. Es ist vielmehr die Unvereinbarkeit der in solchen Modellen unterstellten Annahmen bezüglich Zielsystem, Organisation und Ablauf des Entscheidungsprozesses mit der Realität (Heinhold, M. 1989). c) Dynamische Investitionsrechenmodelle
Im Bereich der betriebswirtschaftlichen Forschung als auch (wie die obigen Zahlen zeigen) im zunehmenden Maße in Unternehmen werden die Wirkungen von Steuern mit Hilfe dynamischer, nichtsimultaner Investitionsmodelle untersucht. Als Modellverfahren sind hier zu nennen:
- | die Kapitalwertmethode, | - | das Modell der effektiven Rendite bzw. die interne Zinsfußmethode, die sich formal aus dem Kapitalwertmodell ableiten lässt, | - | die Endwertmethode mit der Alternative der sukzessiven Vorgehensweise des vollständigen Finanzplanes (Vermögensendwertmethode). |
Es handelt sich bei allen Verfahren ausschließlich um Partialmodelle zur Beurteilung von Einzelinvestitionen und Investitionsalternativen. Sie sind i.d.R. deterministisch konzipiert. Zum Problem der Berücksichtigung der Unsicherheit gibt es ein umfangreiches wahrscheinlichkeitstheoretisches Schrifttum (Übersicht z.B. bei Perridon, /, /Steiner, 2004), das aber – soweit ersichtlich – kaum Eingang in die Investitionsrechenpraxis gefunden hat. Hier hilft man sich häufig mit Sensitivitätsanalysen und Szenariotechniken (Mertens, 2004). Ansätze zur Einbeziehung der Unsicherheit in die steuerlichen Investitionsplanungsmodelle finden sich bei Sureth, 1999.
3. Die Einbeziehung von Steuern in dynamische, nichtsimultane Modelle
Die Frage, wie Steuern in Investitionsrechenverfahren zu integrieren sind, lässt sich für ein Steuersystem (weder für alle hierin zu zahlenden Steuern noch für Steuervergünstigungen) nicht einheitlich beantworten.
Steuersysteme weisen in der Regel eine große Zahl von Steuerarten auf. Das Bestreben, alle Steuerarten in die Berechnung mit einzubeziehen, ist unter dem Gesichtspunkt der Abwägung von Informationsnutzen und -kosten sicherlich nicht sinnvoll. Es sollten daher nur in ihrer Auswirkung auf die Investition wichtige Steuerarten Berücksichtigung finden. Ein weiteres Problem der Berücksichtigung von Steuern sind die Bemessungsgrundlagen der jeweiligen Steuerarten. Der Einbezug von Steuerarten entsprechend der rechtlichen Normierung ist nicht möglich, da in der Regel Grundlage der Besteuerung der Gesamterfolg bzw. das Gesamtvermögen eines Steuersubjektes ist. Bei den Ertragsteuern (ESt/KSt, SolZ, GewSt) ermittelt sich die Steuerlast nicht nach den Erträgen des einzelnen Investitionsobjektes, sondern nach dem zukünftigen Gesamtgewinn der Unternehmung, der u.a. wiederum beeinflusst ist von der derzeitigen und zukünftigen Investitionspolitik. Nur Steuern, die unmittelbar dem Objekt als Steuer auf die Unternehmensmittel (z.B. Kraftfahrzeuge) oder als Steuer auf die Unternehmensleistung (z.B. Verbrauchsteuern) zurechenbar sind, können wie die anderen Auszahlungen einer Investition direkt zugeordnet werden. Bei allen anderen Steuerarten (ESt/KSt, SolZ, GewSt) ist eine Einbindung in Partialmodelle nur unter Anwendung von vereinfachenden Prämissen möglich. Deshalb wird in den Modellen von folgenden vereinfachenden Annahmen ausgegangen:
Bemessungsgrundlage für die ESt/KSt und GewSt ist der entsprechende Periodengewinn/-verlust der jeweiligen Einzelinvestition, der sich errechnet aus dem Zahlungsüberschuss der Periode vermindert um die Periodenabschreibung.
Es wird bei den Erfolgsteuern (ESt/KSt, GewSt) einheitlich von einem konstanten Tarif ausgegangen. Bei der ESt wird statt eines progressiven Steuertarifes in der Regel der Spitzensteuersatz angewandt. Bei der GewSt wird zusätzlich beachtet, dass sie bei ihrer Bemessungsgrundlage und bei der ESt/KSt abzugsfähig ist. Freibeträge werden bei allen Steuerarten nicht berücksichtigt. Eine Anpassung der Steuersätze an die realen – den steuerlichen Grenzbelastungen widersprechenden – Gegebenheiten ist natürlich jederzeit möglich.
Der kombinierte Ertragsteuersatz s errechnet sich für Kapitalgesellschaften bei Einbeziehung der Körperschaftsteuer, des Solidaritätszuschlags und der Gewerbesteuer wie folgt:
Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit natürlichen Personen als Gesellschaftern ist seit 2001 für deutsche Steuerpflichtige zusätzlich die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer zu berücksichtigen. Aus § 35 EStG folgt:
Bei Annahme eines Kommunalen Hebesatzes von 4,0 = 400% beträgt die anrechenbare Gewerbesteuer 7,5% des Bruttogewerbeertrags GE (vor Abzug der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe). Der die ESt, die GewSt und den SolZ berücksichtigende Teilsteuersatz für natürliche Personen mit gewerblichen Einkünften lautet damit:
Bei einer langfristigen Fremdfinanzierung wird in den Steuersätzen häufig noch die hälftige Hinzurechnungspflicht der sog. Dauerschuldzinsen bei der GewSt berücksichtigt.
Diese vermeintlich verbesserte Anpassung an die realen Gegebenheiten führt aber nur dann zu realistischeren Ergebnissen, wenn die Finanzierung eindeutig projektbezogen ist. In der Praxis erfolgt eine Finanzierung aber häufig nicht projektbezogen, sodass im Grunde eine vereinfachende Annahme durch eine ebenso unrealistische oder sogar falsche Annahme ausgetauscht wird (Blohm, H./Lüder, K./Schäfer, 2006).
Steuerwirkungen können mit Hilfe obiger Teilsteuersätze zweifach berücksichtigt werden. Zum einen werden sie direkt als Zahlungsgröße in die Zahlungsreihe eines Investitionsmodells eingebunden, zum anderen können sie im Kalkulationszinsfuß berücksichtigt werden.
Werden Steuerwirkungen auf Zinsen im Kalkulationszinsfuß explizit nicht einbezogen, so besteht die Möglichkeit, die Steuerwirkung auf Zinsen ebenfalls als Zahlungsgröße direkt in die Zahlungsreihe einzubinden (sog. Nettomethode I, Blohm, /Lüder, /Schäfer, 2006).
Der Einfluss der Ertragsteuern auf den Kalkulationszinsfuß bzw. auf den Ab- bzw. Aufzinsungsfaktor [qs=(1+is)] lässt sich wie folgt ableiten.
Netto-Kalkulationszinsfuß nach Ertragsteuern:
Für Kapitalgesellschaften lautet der Nettokalkulationszinssatz mit (1):
Für Personengesellschaften und Einzelunternehmen gilt mit (3):
4. Dynamische Investitionsmodelle unter Berücksichtigung von Steuern
Die folgenden Ausführungen zeigen anhand von zwei dynamischen Investitionsrechenverfahren wie Steuern in diese Modelle integriert werden können. a) Die Kapitalwertmethode
Bei der Kapitalwertmethode wird der Kapitalwert aller zukünftigen Zahlungsströme einschl. evtl. Liquidationserlöse der Investitionsanschaffungsauszahlung gegenübergestellt. Zur Ermittlung des Wertes werden die Zahlungen mit einem einheitlichen Kalkulationszinsfuß abgezinst (diskontiert). Beim Kalkulationszinsfuß wird keine Unterscheidung in Aufnahme-/Sollzinssatz und Anlage-/Habenzinssatz vorgenommen. Durch die Abzinsung mit dem Kalkulationszinsfuß wird das zu beurteilende Investitionsprojekt mit einer fiktiven Finanzanlage verglichen, die sich zum Kalkulationszinsfuß verzinst.
Das in der Fachliteratur und in der Praxis am meisten verwendete steuerliche Investitionsrechenverfahren basiert auf dem Standardmodell von Johanssen, 1969. Hier werden sowohl in der Zahlungsreihe (durch Besteuerung eines Periodenüberschusses unter Berücksichtigung der steuerlichen Abschreibungen) als auch im Kalkulationszinsfuß die Steuern berücksichtigt. Dieses Rechenverfahren kann als eine Erweiterung des von Brown, E.C. 1948 entwickelten Basismodells (Steiner, J. 1980) angesehen werden. Im Basismodell bleiben im Unterschied zum Standardmodell Steuerwirkungen auf den Kalkulationszinsfuß unberücksichtigt. Sie werden darüber hinaus im Basismodell auch nicht als Zahlungsgröße (vgl. Zinsmodell, Schneider, 1992) in die Zahlungsreihe eingearbeitet. Dem Kapitalwertmodell liegt die Annahme der sofortigen Steuerwirkung zugrunde, d.h. Periodenüberschüsse des einzelnen Investitionsobjektes lösen eine unmittelbare Steuerzahlung aus; Verluste, die durch das Investitionsobjekt verursacht wurden, führen zu einer sofortigen Steuerersparnis (unmittelbarer Verlustausgleich). Es wird damit bei der Besteuerung des Investitionsobjektes im Modell davon ausgegangen, dass der gesamte Unternehmenserfolg (Gewinn) des Unternehmens in jeder Periode mindestens ≥ dem Verlust aus dem Investitionsobjekt ist.
Der Kapitalwert nach Ertragsteuern im Standardmodell ermittelt sich wie folgt:
Bei diesem Kapitalwertmodell wird davon ausgegangen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer (n) kleiner ist als die steuerliche Nutzungsdauer (nSt), sodass bei Veräußerung der Liquidationserlös um einen Restbuchwert (Bn) zu kürzen ist. Ist die tatsächliche Nutzungsdauer (n) größer als die steuerliche Nutzungsdauer (nSt), dann unterliegt der Liquidationserlös – da das Investitionsobjekt zum Zeitpunkt der Veräußerung vollständig abgeschrieben ist (unter Vernachlässigung des Erinnerungswertes von 1 € oder eines möglichen Restwertes, z.B. Schrottwert eines Schiffes) – in voller Höhe der Besteuerung. Zusätzlich muss die Kapitalwertformel noch modifiziert werden, da für den Zeitraum über die steuerliche Nutzungsdauer hinaus bei der Berechnung der Steuerzahlung auf die Periodenüberschüsse keine Abschreibung mehr verrechnet werden kann (Heinhold, M. 1996).
b) Dynamische Endwertmodelle
Der Kapitalwert als Fiktion der Errechnung eines kritischen Wertes auf den Beginn der Investition bezogen widerspricht häufig dem Vermögensdenken der Unternehmung (Vermögensmaximierer). Greifbarer erscheint hier der Endwert einer Investition zu sein. Dieser ist definiert als das auf den Endzeitpunkt der Investition errechnete objektbezogene Geldvermögen (Finalwert). Die Berechnung erfolgt durch Aufzinsung sämtlicher Zahlungen auf das Ende des Planungszeitraumes. Eine Einzelinvestition ist als vorteilhaft anzusehen, wenn sie einen positiven Endwert erwirtschaftet. Für Investitionsalternativen gilt zusätzlich, dass die Alternative mit dem höheren Vermögensendwert die vorteilhaftere ist.
Die Formel für den Endwert nach Steuern (EWs) lautet im Grundmodell:
Dieser Endwert ist, finanzmathematisch betrachtet, das Ergebnis aus der Aufzinsung des Kapitalwertes.
Die Berücksichtigung eines geteilten Kalkulationszinsfußes für Objektüberschüsse und -defizite aus einer Investition ist nur unter der Prämisse sinnvoll, dass Überschüsse stets zum Habenzinssatz angelegt werden, während Unterdeckungen stets fremdfinanziert werden (Kontenausgleichsverbot, Blohm, H./Lüder, K./Schäfer, 2006). c) Der vollständige Finanzplan als sukzessives Endwertmodell
Die Methode des vollständigen Finanzplanes (s. Abb. 1) unterscheidet sich von der oben dargestellten Endwertmethode dadurch, dass das objektbezogene Geldvermögen (der Endwert) von Periode zu Periode sukzessiv berechnet wird, wodurch man einen Überblick über den dynamischen Amortisationszeitpunkt erhält. Außerdem ist es bei dieser Verfahrensweise möglich, die Finanzierungs- und Steuerwirkungen explizit auszuweisen (Grob, H.L. 1989, 2006). Die Vorteile gegenüber der oben definierten Kapital- und Endwertmethode werden u.a. auch in der Möglichkeit der Berücksichtigung eines geteilten und von Periode zu Periode veränderlichen Kalkulationszinsfußes gesehen sowie in der Berücksichtigung von periodisch sich ändernden steuerlichen Parametern.
Abb. 1: Grundschema eines vollständigen Finanzplanes
Die Elemente der letzten Zeile [7] des vollständigen Finanzplanes (Abb. 1) geben jeweils das objektbezogene Geldvermögen am Ende der betreffenden Periode an. d) Investitionshilfen
Neben den bisher berücksichtigten Steuern sind besonders im Bereich der Thematik Steuern und Investitionen die sog. Investitionshilfen im Rahmen der Wirtschaftspolitik nicht zu vernachlässigen. Als staatliche Investitionshilfen im engeren Sinne sind Sonderabschreibungen und Investitionszulagen zu verstehen. Wird der Begriff weiter gefasst und löst man sich vom primären Bereich der Besteuerung, so sind hier auch jegliche Investitionszuschüsse staatlicher und nichtstaatlicher Zuschussgeber darunter zu verstehen. Am Beispiel der Endwertformel soll gezeigt werden, wie die Zahlungsreihe zu modifizieren ist, wenn mögliche Wirkungen solcher Investitionshilfen Berücksichtigung finden sollen. (1) Berücksichtigung einer Investitionszulage
Bei einer Investitionszulage ZLT (Zufluss am Ende der Periode T) handelt es sich um nicht rückzahlbare staatliche Gelder. Sie gehören nicht zu den steuerpflichtigen Einkünften.
(2) Berücksichtigung eines Investitionszuschusses
Bei einem Investitionszuschuss ZST (Zufluss am Ende der Periode T) handelt es sich zwar auch um nicht rückzahlbare Gelder. Sie gehören jedoch im Gegensatz zur Investitionszulage zu den steuerpflichtigen Einkünften. Zur steuerlichen Berücksichtigung gibt es zwei Möglichkeiten:
(a) Die erfolgswirksame Behandlung zum Zahlungszeitpunkt:
(b) Die Einbindung des Zuschusses als Anschaffungspreisminderung in die Bemessungsgrundlage der Abschreibung:
(c) Berücksichtigung von Sonderabschreibungen:
e) Die Gefahr der Fehlinterpretation der Steuerwirkung im Endwert- und Kapitalwertmodell
Es ist in den Rechenverfahren zur Ermittlung des Kapitalwertes möglich, dass sich durch die Einbeziehung von Steuern in die Investitionsrechenverfahren diese Werte im Vergleich zur Berechnung ohne Steuern erhöhen, d.h. dass der Kapitalwert einer Investition unter Einbezug von Steuern höher ist als ohne Steuerberücksichtigung. Dies verwundert, da die konkrete Auszahlungswirkung einer Steuer auf die Zahlungsreihe negativ ist. In der Literatur wird ein solcher Effekt als „ Steuerparadoxon “ bezeichnet (Heinhold, M. 1996; Schneider, 1992; Siegel, 1982). Er ist wie folgt zu erklären:
Der Einbezug von Steuern als Auszahlung wirkt sich in der Zahlungsreihe kapitalwertmindernd aus (sog. Zahlungseffekt). Der Einbezug der Steuern in den Kalkulationszinsfuß vermindert die Verzinsung der gedachten Alternative am Kapitalmarkt, sodass hier eine kapitalwerterhöhende Wirkung vorliegt (sog. Zinseffekt). Die nun scheinbare Verbesserung der Vorteilhaftigkeit resultiert aus einer Überkompensation des Zahlungseffektes durch den Zinseffekt der Besteuerung. Eine solche Überkompensation entsteht, wenn die Überschüsse nach Steuern im Zeitablauf der Investition steigen sowie wenn durch Abschreibungen der Gewinnausweis in die Zukunft verlagert wird und in den ersten Perioden evtl. sogar Verluste entstehen. Aufgrund des Diskontierungseffektes wird hier eine Kapitalwerterhöhung nach Steuern herbeigeführt. Die Modellannahme des sofortigen Verlustausgleiches führt noch dazu, dass die durch Verluste in den Perioden entstehenden positiven Steuerzahlungen den Effekt noch deutlich verstärken.
Im Ergebnis resultiert das Phänomen somit lediglich aus den Prämissen der Investitionsrechenmodelle, d.h. primär entstehend aus dem Vergleich der Investition mit einer alternativen Finanzinvestition, sekundär verstärkt durch den sofortigen Verlustausgleich. Beim Endwertmodell tritt diese paradoxe Wirkung im Allgemeinen nicht auf (Steiner, J. 1980).
Literatur:
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Blohm, H./Lüder, K./Schäfer, C. : Investition, 8. A., München 2006
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Georgi, A.A. : Steuern in der Investitionsplanung, 2. A., Hamburg 1994
Grob, H.L. : Investitionsrechnung mit vollständigen Finanzplänen, München 1989
Grob, H. L. : Einführung in die Investitionsrechnung, 5. A., München 2006
Haberstock, L. : Zur Integrierung der Ertragsbesteuerung in die simultane Produktions-, Investitions- und Finanzplanung mit Hilfe der linearen Programmierung, Köln et al. 1971
Heinhold, M. : Simultane Unternehmensplanungsmodelle – Ein Irrweg? in: DBW 1989, S. 689 – 708
Heinhold, M. : Unternehmensbesteuerung, Bd. 3: Investition und Finanzierung, Stuttgart 1996
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Johanssen, S.E. : Income Taxes and Investment Decisions, in: Swedish Journal of Economics 1969, S. 103 – 110
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Kruschwitz, L. : Finanzierung und Investition, 4. A., München 2004
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