Verhaltenstheoretische Ansätze des Personalmanagements
Inhaltsübersicht
I. Einführung
II. Verhalten
III. Verhaltenstheoretischer Ansatz – Quo vadis?
I. Einführung
Über die geschichtliche Entwicklung der Personalwirtschaft als Disziplin der Betriebswirtschaftslehre liegen eine Reihe von Darstellungen vor (Ackermann, /Reber, 1981, S. 3 ff.; Wunderer, 1983; Klimecki, /Gmür, 2001, S. 2 ff.), die sich ergänzen und im Wesentlichen ein übereinstimmendes Bild ergeben. Grundsätzlich wird deutlich, dass mit der Intensivierung der Beschäftigung mit den Fragen des Personalmanagements das gesamte Fach der Betriebswirtschaftslehre herausgefordert wurde, über eine Neuorientierung nachzudenken, wie dies bei der Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft 1976 in Linz unter dem Titel „ Personal- und Sozialorientierung der Betriebswirtschaftslehre “ (Reber, 1977) angesprochen wurde. Durch diese Verflochtenheit mit der Re- und Neudefinition des Objektbereichs der gesamten Betriebswirtschaftslehre und ihrer Abgrenzung von Nachbardisziplinen wird der Forschung und Lehre in der jungen Teildisziplin bis heute eine große Last aufgebürdet. Mögliche Konflikte zwischen Grundsatzauffassungen charakterisiert Wunderer (Wunderer, 1983, S. 127): „ Das Personalwesen ist der junge Spross einer jungen Mutter, Betriebswirtschaftslehre genannt, und eines etwas bedächtigen Vaters, von Beruf Nationalökonom “ . Dieses Kind schlägt „ ? nach überwiegender Meinung aller Experten der Mutter ? “ nach und konnte „ ? infolge seines jungen Alters nur begrenzt eigene Charakterzüge ? “ entwickeln. In Bezug auf die Rolle des Vaters scheint sich Wunderer verschätzt zu haben. Er selbst und Mittmann halten bereits im gleichen Jahr (Wunderer, /Mittmann, 1983) in einer Sammelrezension von 24 Lehrbüchern des Personalwesens fest, dass von der „ Ökonomie nur Spurenelemente “ zu finden sind. Weitere zehn Jahre später sehen Sadowski et al. (Sadowski, et al. 1994) auch in einer Sammelrezension einen „ ökonomischen Silberstreifen am Horizont “ und bewerten dies als Fortschritt. Dies wohl zur Entkräftung des generellen Vorwurfs Schneiders, nach welchem der verhaltenstheoretische Ansatz einen „ Fluchtversuch vor der Wirtschaftstheorie “ (Schneider, 1987, S. 189) beinhalte. In jüngster Zeit ist deshalb eine Verengung der ursprünglich vielfältigen Ansätze zur Entwicklung von Forschung und Lehre im Personalmanagement (Wunderer, 1983) auf zwei Hauptlinien festzustellen. Dem Aufbau einer verhaltenstheoretischen Konzeption wird eine „ Personalökonomie “ gegenübergestellt (Weibler, 1996; Alewell, 1996; Backes-Gellner, /Lazear, /Wolff, 2001; Wolff, /Lazear, 2001), womit wohl die „ junge Mutter “ in verhaltenstheoretischen Nachbardisziplinen in die fürsorglichen Arme des „ betagten Vaters “ wieder zurückgeführt werden soll. Im Diskurs zwischen diesen Ansätzen werden eine Vielzahl von Widersprüchen und gravierenden Unzulänglichkeiten unter den Teppich gekehrt. Diese beginnen bereits beim Verhaltensbegriff.
II. Verhalten
Häufig findet man den Hinweis (z.B. Klimecki, /Gmür, 2001, S. 33), dass der verhaltenstheoretische Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre aus dem Anzapfen von Quellen aus den sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen (Psychologie, Soziologie, Pädagogik, usw.) nach dem Prinzip von „ Sammlern und Jägern “ bestehe. Ohne Rückhalt in einer Vorstellung von dem eigenen Objektbereich kann dies nur Schneiders, Vorwurf eines Dilettantismus bestätigen.
Der Hinweis auf die sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen ist allerdings, gerade im Blick auf den zentralen Begriff „ Verhalten “ bzw. „ behavior “ , gerechtfertigt. Mit diesem Begriff hat die nordamerikanische Psychologie eine Schule begründet, welche mit ihrem Stimulus-Reaktions-Schema (S-R Paradigma) bzw. dessen Erweiterung zum Stimulus-Organismus-Reaktions-Schema (S-O-R Paradigma) einen Zusammenhang von Verhalten von Personen auch in Betrieben herstellbar macht. Lewin, hat mit seiner eingängigen Formel „ Verhalten ist eine Funktion aus der Kombination zweier Faktoren, Person und Umwelt, Vp=f(P,U), eine leicht gangbare Brücke zwischen behavioristischer Psychologie und Betriebswirtschaftslehre gebaut. „ Verhalten “ kann hierbei im Sinne der Anreiz-Beitrags-Theorie (Simon, / Smithburg, /Thompson, 1950, S. 391 f.) als „ Beitrag “ gedeutet werden; Personalmanagement fungiert als Teil der Umwelt mit dem Ziel, die effektive Steuerung des personalen Verhaltens zur Maximierung der Betriebsziele zu erreichen.
Wichtig an dieser Art der Betrachtung ist, dass Verhalten ein „ offenes “ , d.h. „ äußerliches “ , beobachtbares, Wirkung verursachendes Phänomen darstellt und keine intrapersonalen „ Annahmen “ über „ Nutzen “ , „ Präferenzen “ , „ Motive “ bedeutet. Offenes Verhalten ist auf die Umwelt der Person gerichtet, findet in einer Umwelt statt, verändert diese und wird durch die Reaktion der Umwelt beeinflusst. Diese Definition des Verhaltens ist von direktem Belang für das Betriebsgeschehen, es verursacht Leistungen und Kosten. „ Nutzen “ ist in dieser Sichtweise Teil der Person, ebenso wie kognitive Prozesse – Wahrnehmen, schließendes und kreatives Denken, Erinnern – zur Entstehung von Wissen über die eigene Person und ihre Beziehungen zu den Umweltbedingungen. Das betriebswirtschaftliche Interesse liegt primär an diesem offenen Verhalten im Sinne einer Beteiligung an der Wertschöpfung. Erst bei der Frage nach der Steuerung dieses Verhaltens werden intrapersonale Merkmale – Motive und Lernen – betrachtungsrelevant. Hierbei sind „ Motive “ immer „ intrinsische “ Phänomene, „ Anreize “ gehören zur „ Umwelt “ ebenso wie die Gestaltung von Lernprozessen zur Anreicherung des personalen Wissens ( „ implizites Wissen “ ). Bei der Übertragung dieser Grundannahmen aus dem Bereich der angesprochenen psychologischen Schulen in die Betriebswirtschaftslehre haben sich eine Vielzahl von Unebenheiten – begrifflicher Art, aber auch substantielle Missverständnisse – eingeschlichen.
1. „ Bounded Rationality “ und der „ entscheidungsorientierte “ Ansatz
Herbert A. Simon (Simon, 1965) relativiert die „ heroischen Vereinfachungen “ (Frese, 1978) der ökonomischen Theorie rationaler Entscheidungen (z.B. Gäfgen, 1968; Krelle, 1968) in zwei grundlegenden Aspekten. Diese liegen zum einen im Bereich der Zielsetzung und -erfüllung und zum anderen im Bereich der Rationalität bei der Auswahl der Alternativen. Personen sehen ihre Ziele auch dann als erfüllt an, wenn nicht ein Maximum, sondern ein befriedigendes ( „ satisficing “ ) Niveau erreicht wurde. Bei der Auswahl der Alternativen verfügen Entscheider lediglich über eine „ subjektive “ , beschränkte (bounded) Rationalität (Simon, 1965; Simon, 1960).
Simons Werk wurde zwar auch schon vor seiner Wahl zum Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften 1978 in der deutschsprachigen Volks- und Betriebswirtschaftslehre beachtet (Reber, 1979). Hierbei stand allerdings mehr seine Kritik an der klassischen Entscheidungs- und Planungstheorie im Vordergrund; seine Alternativen mit den Bezeichnungen „ satisficing “ und „ bounded rationality “ werden häufig zitiert. Konsequenzen hieraus, zu einer Hinwendung zum kognitiven Problemlösen zu kommen, welche ihn selbst zu Computersimulationen und zur künstlichen Intelligenz führen (Newell, /Simon, 1972; Reber, 1973), wurden nicht realisiert. Allein Kirsch (Kirsch, 1971) entwickelt einen „ Informationsverarbeitungsansatz “ , welcher wesentlich von Simon, / angeregt wurde. Hierbei fällt Kirsch, auf, dass der Begriff „ Entscheidung “ gerade in der deutschsprachigen Psychologie eine völlig andere Bedeutung (Thomae, 1981) hat als jener einer rationalen Auswahl von Alternativen in den Wirtschaftswissenschaften (Kirsch, 1971, S. 53 ff.). Der Gegensatz setzt dann ein, wenn die Rationalität ihre Grenzen hat, d.h. nur „ unsichere Erwartungen “ bzw. „ Indeterminiertheiten “ (Albach, 1959) vorliegen, Verhalten aber trotz dieser unklaren Situationen oder intrapersonalen Unsicherheiten geschehen soll. Gefragt ist damit eine personale Antriebskraft, d.h. ein motivationales Vermögen, das nicht „ eshaft “ wie die klassischen Motivinhalte, sondern „ ichhaft “ verläuft. Die klassische Psychologie hat hierzu Begriffe wie „ Entschluss “ , „ Wille “ und „ Vorsatz “ parat. Mit dem Siegeszug der behavioristischen Psychologie wurden diese intrapersonalen Konzepte suspekt. In ihrem Rahmen werden die Inhaltstheorien der Motivationen mit kognitiven Elementen verbunden. Der Prototyp hierfür ist die Erwartungs-Valenz Theorie von Vroom (Vroom, 1964). Die Begriffe der „ Erwartung “ und der „ subjektiven Rationalität “ liegen inhaltlich nahe zusammen, sodass leicht eine Verbindung zwischen psychologischen und ökonomischen Theorien hergestellt werden kann, die auch häufig im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang aufgegriffen wird.
Die (Re-)Integration von „ Willensphänomenen “ in der modernen Psychologie erfolgte über die Entwicklung der kognitiven Dissonanztheorie (Festinger, 1957). In ihrem Rahmen weisen insbesondere Brehm/Cohen (Brehm, /Cohen, 1962) auf die Bedeutung der „ Selbstverpflichtung “ (commitment) hin. Diese wird in der Frage der komplizierten Beziehungen zwischen extrinisischen und intrinsischen Anreizen in der „ Crowding “ -Theorie von Osterloh/Frey (Osterloh, /Frey, 2000, S. 10 ff.) herausgearbeitet. Mit dieser Integration von motivationalen Kräften, unterschiedlichen Antriebsquellen und kognitiven Prozessen entstanden komplexe Verhaltenstheorien, die zusätzlich zur pragmatischen Verhaltenserklärung die Einsicht gewonnen haben, „ situativer “ (kontingenztheoretischer) über den intrapersonalen Raum hinausreichen zu müssen. Ein Beispiel ist hier die „ Goal-Setting-Theory “ (Locke, /Latham, 1990), welche mit der Akzentsetzung auf verhaltensnahe Konzepte unter Einbezug situativer Bedingungen dem Personalmanagement theoretisch abgesicherte und praktikable Hilfestellungen zur Diagnose und Steuerung des personalen Verhaltens zur Verfügung stellen kann.
2. Ökonomisches Verhaltensmodell
Unter Bezugnahme auf Becker (Becker, 1976) und Kirchgaessner (Kirchgaessner, 1991) nennt Alewell (Alewell, 1996, S. 668) drei zentrale Elemente des ökonomischen Verhaltensmodells:
(a) | Personen streben in Knappheitssituationen in ihrem Verhalten danach, ihren Nutzen zu maximieren. | (b) | Personen weisen feststehende Präferenzen auf. | (c) | Die Koordination individueller Handlungen erfolgt auf Märkten. |
Die erste Annahme der Nutzenmaximierung ist eher als Glaubensbekenntnis der Ökonomie denn als deskriptive Verankerung des personalen Verhaltens anzusehen, denn „ der Nutzenbegriff selbst ist dabei sehr weitgehend unbestimmt “ (Alewell, 1996, S. 671). Eine Präzisierung strebt die zweite Annahme an: Im Präferenzbegriff wird auf intrapersonale Motivdispositionen Bezug genommen, wobei keine möglichen Motivinhalte – Gesundheit, Prestige, Sinnesfreuden, Wohlwollen anderer, Neid – ausgeschlossen werden. Hier trifft sich die Ökonomie mit der Psychologie. Angesprochen werden intrinsische Motivdispositionen, die einerseits als stabil angesehen werden und deshalb z.B. durch ein Personalmanagement nicht verändert werden können. Verhaltensänderungen sind damit nicht durch Manipulationen der individuellen Präferenzstrukturen, sondern durch Veränderungen in der Umwelt z.B. durch Anreizstrukturen möglich. Auch diese Annahme entspricht weitgehend psychologischen Forschungen über die bereits in frühem Kindesalter erfolgte Ausprägung und Festigung der individuellen Motivstruktur (im Blick insbesondere auf das Leistungsmotiv: Heckhausen, 1989, S. 231 ff.).
Mit dem Hinweis auf Motivausprägungen wie Neid, Macht, Narzismus, Frustration, Aggression, usw. wird deutlich, dass unter Nutzenmaximierung sowohl eine Selbstschädigung – z.B. wenn Neid zu Racheverhalten führt, welche die Eigenschädigung nicht scheut – gemeint sein kann als auch individuelle Eigenschaften, welche der sozialen Kooperation im Wege stehen können. Dies gilt allgemein für „ intrinsische “ Motivationslagen, die nicht nur aus „ Freude an der Arbeit “ bzw. „ Motivatoren “ im Sinne Herzbergs (Herzberg, 1971) bestehen. In der Ökonomie wurde zur Kennzeichnung kooperationsabträglicher Motivationsdispositionen der von Chester Barnard (Barnard, 1938) eingeführte Begriff der opportunistischen Motivlagen aufgegriffen (Williamson, 1990). Zur Eindämmung des opportunistischen Verhaltens greift die ökonomische Verhaltenstheorie über die personale Sphäre hinaus: Der Mensch muss bei seiner Nutzenmaximierung vor der Versuchung sich selbst – z.B. wenn er sich bei aggressivem Verhalten selbst verletzen könnte – und seinen Mitmenschen zu schaden durch den Einsatz von „ Durchsetzungsinstitutionen für Regeln “ (Wolff, /Lazear, 2001, S. 15) geschützt werden.
Mit solchen Regelungen werden kulturelle, rechtliche und organisatorische Maßnahmen angesprochen. Dass entsprechende Koordinationsmaßnahmen nicht allein durch die dritte Annahme, den Marktmechanismus, erfolgen können, dürfte unbestritten sein. Osterloh/Frey (Osterloh, /Frey, 2000, S. 22) halten fest, dass Ökonomen dann, wenn sie davon sprechen, Firmen so zu führen als seien sie Märkte, an Organisationsstrukturen wie „ Profit Centers, Spin-Offs oder Holdings “ denken, in welchen Befehle durch Verträge und Transferpreise ersetzt werden.
3. Psychologischer Reduktionismus
Beide bisher angesprochenen Verhaltensmodelle haben gemeinsam eine Verankerung, welche weder dem Objekt der Betriebs- noch der Volkswirtschaftslehre entspricht (Reber, 1978). Unter der Bezeichnung methodologischer Individualismus (Schanz, 1977; Schanz, 1978) wird die Reduktion auf das individuelle Wirtschaftssubjekt häufig als Tugend angesehen. Warum heißt dann das Fach „ Betriebswirtschaftslehre “ ?
Im Bereich ökonomischer Theorien kann die Spieltheorie wesentliche Grundeinsichten über die Grenzen der Nutzentheorie sowie für das Grundverständnis sozialer Vorgänge vermitteln. Morgenstern (Morgenstern, 1935) zeigt in dem nach ihm benannten Dilemma die Grenzen der Rationalität in konfliktären, interagierenden Sozialbeziehungen auf. Die Spieltheorie macht mit der Abbildung der Realität Ernst, dass das Ergebnis des Verhaltens von interagierenden Partnern nicht von einem Individuum allein, sondern dem Verhalten des Mitspielers abhängt (Neumann, von, /Morgenstern, 1961; Luce, /Raiffa, 1957; Shubik, 1965). Die Situation des „ gemischten “ Konfliktes zeigt Partner mit übereinstimmenden Interessen und simultan auch konfliktären Interessen. Aus der Untersuchung des Gefangenendilemmas (Rapoport, /Chammah, 1965; Rapoport, /Orwant, 1962; Axelrod, 1984) wird deutlich, dass bei auf Dauer angelegten Beziehungen das Streben eines jeden Partners nach einer maximalen Befriedigung seines individuellen Nutzens (dem sog. kompetitiven Verhalten) zur Beeinträchtigung seiner „ Auszahlungen “ führt im Vergleich zu einem „ kooperativen “ Verhalten im Sinne eines „ Leben und Leben lassens “ . Außerdem wird das gemeinsame Verhalten zweifach geschädigt. Organisationen erzielen damit nicht ihre besten Ergebnisse, wenn sich ihre Mitglieder allein auf ihre Nutzenmaximierung kaprizieren und schaden sich selbst, wenn sie der Versuchung zur Maximierung nicht widerstehen und die Folgen eines Kooperationsbruches für ihre zukünftigen Auszahlungen nicht ins Kalkül einbeziehen. Hieraus gibt Hofstadter (Hofstadter, 1998, S. 62) den Rat: „ Der aufgeklärte Egoist kooperiert “ . Solche Einsichten lassen sich nicht aus der Nutzentheorie deduzieren. Die Spieltheorie zeigt einen überlegenen Ansatz, der allerdings auch nicht an organisationale Tatbestände heranreicht, da im Bereich der N-Personenspiele in der Regel (Axelrod, 1997 versucht, diese Vereinfachung durch die Entwicklung eines „ Normenspiels “ zu überwinden) angenommen wird, dass sich über Koalitionsbildung eine Zweipartnersituation entwickelt und damit die Zweipersonensituation mit geringen zusätzlichen Komplikationen (z.B. Verteilung der Auszahlungen innerhalb der Koalition) relevant bleibt. Damit wird der Bereich der Mehrpersonenspiele wieder einer „ Reduktion “ unterworfen.
III. Verhaltenstheoretischer Ansatz – Quo vadis?
(1) Nicht das Individuum, die Gruppe oder die Organisation ist das Zentrum des Faches Betriebswirtschaftslehre und in ihr der Personalwirtschaft, sondern der Betrieb. Der Wert des Betriebes liegt in seiner Fähigkeit, Mehrwert durch die „ Kombination der Produktionsfaktoren “ zu schaffen. An diesem Mehrwert sind alle Beteiligten ( „ Stakeholders “ ) interessiert. Diese Interessen beziehen sich nicht allein auf Anteile am monetären Ertrag, sondern auch an der Beteiligung an den Machtverhältnissen ( „ Governance “ ; Mitbestimmung), am Aufstieg in der Betriebshierarchie, der Beachtung der Persönlichkeit, Zielvereinbarungssysteme usw., d.h. generell im Sinne der individuellen Motivausprägungen. Komplex wird das Problem durch die mangelnde Zurechenbarkeit des Anteils an der Mehrwertschöpfung auf die individuellen Beiträge durch den „ Synergieeffekt “ aus der Arbeitsteilung und -koordination. Die Beiträge stellen „ Gemeinkosten “ dar, welche zur Verteilung einer „ adäquaten “ ( „ gerechten “ , „ akzeptablen “ ) Schlüsselung (Nozick, 1976) bedürfen, über die es latente und offene Konflikte gibt und immer geben wird, und deren Lösung Rückwirkungen auf die Höhe des Einsatzes zugunsten der Mehrwerterstellung hat.
(2) Arbeitsteilung und -koordination geben dem Betrieb die Eigenschaft, ein soziales Phänomen im Rahmen von (Volks-, Welt-)Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu sein. In diesem Sozialgebilde geht es um Kooperation und Konflikte im Sinne der angesprochenen „ gemischten “ Spielsituation.
(3) Bei der Auseinandersetzung mit der Betriebspraxis haben die Absolventen der Wirtschaftswissenschaften im Bereich der Bewältigung der sozialen Herausforderungen die wesentlich größeren Probleme als im Bereich der „ funktionalen “ Anforderungen wie Marketing, Rechnungswesen, Finanzierung usw. Dies wird in Absolventen- und Absolventinnenbefragungen von jeweils unterschiedlicher Fundierung (Euler, et al. 1995; o. V., 2000) ebenso deutlich wie in empirischen Ergebnissen der Führungsforschung (Reber, /Jago, /Böhnisch, 1993). Letztere zeigen, dass die Effektivität von Führungskräften sowohl in nordamerikanischen als auch europäischen Ländern durch Mängel im Bereich der sozialen Kompetenz wesentlich stärker beeinträchtigt wird als durch Mängel im Bereich der professionellen, betriebswirtschaftlich-technischen Qualifikation.
Diese Defizite müssten nicht bestehen angesichts der vorliegenden verhaltenstheoretischen Wissensbestände: Im Blick auf die individuelle Ebene liegen wie angesprochen hochentwickelte Motivationstheorien vor, die in engem Zusammenhang mit sozial/kognitiven Lerntheorien (z.B. Bandura, 1986) in der Betriebswirtschaftslehre zum Einsatz gebracht werden können. Von besonderer Bedeutung ist hier die Förderung der Diagnosefähigkeit der Betriebsmitglieder über die jeweiligen Ausprägungen der Motivstruktur und Wissenslage, sodass die (inner-) betrieblichen Umweltbedingungen in eine kontingente Entsprechung ( „ Fit “ , „ Match “ ) mit den Persönlichkeitseigenschaften gebracht werden können. Dies gilt insbesondere für die interpersonalen Führungsqualitäten, welche – im Sinne des Vroom/Yetton-Modells (Vroom, /Yetton, 1973) – im sozialen Kompetenzbereich einer intensiven Ausbildung zugeführt werden können.
(4) Organisationsstrukturen stellen schon immer auf der Grundlage ihrer Abstraktheit eine besondere Herausforderung für ihre optimale Gestaltung dar. Lange Zeit blieb ihre Variabilität auf einer funktionalen oder objektbezogenen Gliederung der Arbeitsteilung und wenigen Gestalten der (hierarchischen) Koordination beschränkt. Bereits die Matrix-Organisation (Reber, /Strehl, 1988) erreicht schnell die Grenzen der kognitiven Verarbeitungsfähigkeit von betroffenen Organisationsmitgliedern.
In jüngster Zeit, besonders unter dem Einsatz moderner Informationstechnologien, sind im Zeichen von Flexibilisierung und Hierarchieabbau und in der Konstruktion von Netzwerken (Sydow, /Wirth, 1999; Sydow, /Windeler, 1994; Bauer, 2002) bedeutsame Veränderungen vor allem im Bereich der zwischenbetrieblichen Organisationsgestaltung erkennbar. Diese haben Konsequenzen für die individuelle und mikrosoziale Ebene des Betriebsgeschehens, die sowohl positiv für die Beteiligten und ihre Leistungsbeiträge für den Betrieb sein können als auch mit großer Skepsis (Putnam, 2000; Sennett, 1998) gesehen werden können.
Im Rahmen solcher Veränderungen hat auch die Personalabteilung ihre Aufgabenstellung neu zu finden (Wunderer, /Dick, 2000), wobei deren Kennzeichnung als „ Wertschöpfungszentrum “ (Wunderer, /Arx, von, 1998) eine einleuchtende Perspektive anbietet.
(5) Die angesprochenen Ebenen sind „ integrativ “ (auch unter Einschluss der „ Privatsphäre “ : Thom, 2000), ganzheitlich (Kolbinger, 1957) als Gestalt bzw. Konfiguration (Miller, /Friesen, 1984) zu betrachten. Beispielhaft zeigen Osterloh/Frey (Osterloh, /Frey, 2000) ein solches integratives Bemühen: Sie gehen von der ressourcenbasierten strategischen Frage nach dem nachhaltigen, wertvollen und schwer kopierbaren Wettbewerbsvorteil einer Firma aus und suchen nach den Bedingungen des expliziten Wissensaufbaus durch den geeigneten Einsatz intrinsischer und extrinsischer (motivationaler) Anreize und kontingenter Organisationsstrukturen. Die Formel vom Zusammenhang von Strategie und Struktur ist um die Dimensionen der sozialen Interaktionsfähigkeit und der personalen Motive und des personalen Wissens zu ergänzen. Dies aber nicht in dem Sinne, dass ein generelles Vorrangverhältnis postuliert wird – zeitliche Engpasssituationen haben natürlich ihre Gültigkeit – , sondern als gleichrangiges Interdependenzverhältnis, wie dies z.B. von McKinsey, in dem 7-S-Modell (Waterman, /Peters, /Phillips, 1991) für die Praxis aufbereitet wurde.
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