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Arbeitgeberverbände


Inhaltsübersicht
I. Begriff
II. Historische Entwicklung
III. Rechtliche Grundlagen
IV. Organisation
V. Ziele und Aufgaben
VI. Internationale Zusammenarbeit
VII.  Ausblick

I. Begriff


Arbeitgeberverbände sind auf freiwilliger Mitgliedschaft basierende Zusammenschlüsse von Unternehmen, die das Ziel haben, deren sozialpolitische Interessen zu vertreten. Ihre Kernaufgabe besteht darin, im System der Tarifautonomie die Entgelt- und sonstigen Arbeitsbedingungen mit den Gewerkschaften auszuhandeln und kollektiv zu regeln. Die sozialpolitische Interessenvertretung erstreckt sich darüber hinaus auf die Mitwirkung in der Selbstverwaltung der verschiedenen Zweige der Sozialversicherung, die Besetzung der Arbeits- und Sozialgerichte sowie auf vielfältige Beteiligung in den Gremien wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Institutionen. Schließlich wirken sie beratend bei der wirtschafts- und sozialpolitischen Gesetzgebung mit.
In der Bundesrepublik Deutschland ruht die verbandliche Interessenvertretung der unternehmerischen Wirtschaft traditionell auf drei Säulen: Neben den sozialpolitischen Arbeitgeberverbänden bestehen ebenfalls auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Wirtschaftsverbände, die den Bereich der wirtschaftspolitischen Unternehmensinteressen abdecken, sowie die Kammern, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts die gesamtwirtschaftlichen Interessen ihrer (Pflicht-)Mitglieder auf regionaler Ebene wahrnehmen. Die wichtigsten Spitzenorganisationen dieser viergliedrigen Verbandsstruktur sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

II. Historische Entwicklung


Die Entstehung von Arbeitgeberverbänden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hängt eng zusammen mit der Arbeiterbewegung und der Bildung von Gewerkschaften, die den Prozess der Industrialisierung begleiteten. Die Gewerkschaften versuchten damals vor allem mit der Waffe des Streiks, ihre Forderungen nach Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter durchzusetzen. In den frühen Stadien ihrer Entstehung hatten die Arbeitgeberverbände den Charakter von Abwehrorganisationen. Ihre Bildung war somit eine Reaktion auf die Gewerkschaftsbewegung, folgte deren Aktivitäten aber nur zögernd und mit zeitlichem Abstand. Eine Solidarität unter den Arbeitgebern als Grundlage für einen Zusammenschluss war zunächst nicht vorhanden.
Der erste Arbeitgeberverband war der Deutsche Buchdruckerverein, der 1869 gegründet wurde. Ab etwa 1890 kam es verstärkt zur Gründung von Arbeitgeberverbänden. Als Reaktion auf einen Streik der Textilarbeiter im sächsischen Crimmitschau im Jahre 1903 wurden im folgenden Jahr die beiden Zentralorganisationen „ Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände “ und „ Verein deutscher Arbeitgeberverbände “ gegründet. Sie schlossen sich 1913 zur Vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (VDA) zusammen.
Entsprechend ihrer auf die Abwehr gewerkschaftlicher Forderungen ausgerichteten Grundorientierung lehnten sie Verhandlungen mit den Gewerkschaften über Lohn- und Arbeitsbedingungen ab. Man wollte an der individuellen, arbeitsvertraglich geregelten Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern festhalten.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es – auch als Reaktion auf die revolutionären Wirren jener Zeit – zur Bildung der „ Zentralgemeinschaft der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände “ (1918). Sie wurde möglich, weil die Arbeitgeberverbände sich bereit erklärten, die Gewerkschaften als Verhandlungspartner zur tarifvertraglichen Festlegung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse anzuerkennen. Damit änderte sich die ursprüngliche Grundorientierung der Arbeitgeberverbände als reine Abwehrorganisationen. Und obwohl die „ Zentralgemeinschaft “ 1924 durch Austritt des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes zerbrach, blieb das System der Tarifautonomie im Grundsatz erhalten. Gleichwohl traten in jener Zeit Vorstellungen des Klassenkampfes wieder verstärkt in den Vordergrund der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen.
Ein Element zur Veränderung von Klassenkampfeinstellungen war das Betriebsrätegesetz (1920), dessen Ziel die Überwindung „ kapitalistischer “ Betriebsstrukturen war. Auch die Entstehung der sozialen Selbstverwaltung in den zwanziger Jahren veränderte die Rolle der Arbeitgeberverbände (und der Gewerkschaften) von Kampforganisationen hin zu sozialen Ordnungsfaktoren.
Unter dem Nationalsozialismus wurden nach der Auflösung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Deutschen Arbeitsfront zwangsvereinigt. Das bedeutete auch das Ende der Tarifautonomie. Die Lohn- und Arbeitsbedingungen wurden künftig durch die Reichstreuhänder der Arbeit, die dem Reichsarbeitsministerium unterstellt waren, gestaltet und festgelegt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg standen einer Neugründung von Arbeitgeberverbänden zunächst verschiedene Restriktionen seitens der Besatzungsmächte entgegen. Gleichwohl gab es in den westlichen Besatzungszonen verschiedene Initiativen zur Wiedererstehung eines funktionsfähigen Arbeitgeberverbandswesens. Die Entwicklung zu einer einheitlichen Verbandsstruktur vollzog sich über mehrere Stufen und mündete nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1950 in der „ Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände “ , die das Ergebnis einer Umbenennung der Vorläuferorganisation „ Vereinigung der Arbeitgeberverbände “ war.
Die inzwischen mehr als 50-jährige Geschichte der BDA kann hier nur in wenigen markanten Ereignissen aus der Chronologie schlaglichtartig skizziert werden. Dabei soll insbesondere auf die verschiedenen Grundsatzprogramme und programmatischen Denkschriften Bezug genommen werden, in deren Themen sich die inhaltlichen Schwerpunkte der Verbandspolitik widerspiegeln (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände,  1999, S. 154 ff.).

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1953 wurde das Grundsatzprogramm „ Gedanken zur sozialen Ordnung “ veröffentlicht.

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1953 wurde Dr. Paulssen, Präsident der Bundesvereinigung.

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1954 unterzeichneten der Präsident der Bundesvereinigung und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes ein Schlichtungsabkommen.

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1964 wurde Prof. Dr.-Ing. Balke, Präsident der Bundesvereinigung.

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1967 bis 1977 beteiligte sich die Bundesvereinigung an der Konzertierten Aktion zwischen Vertretern des Staates, der Tarifparteien und der Wissenschaft, um ihr Handeln in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik untereinander abzustimmen.

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1968 wurde ein neues Grundsatzprogramm „ Freiheitliche soziale Ordnung heute und morgen “ publiziert.

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1969 wurde Dr. Friedrich, Präsident der Bundesvereinigung.

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1973 wurde Dr. Schleyer, Präsident der Bundesvereinigung.

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1974 folgte ein neues Grundsatzprogramm „ Fortschritt aus Idee und Leistung “ .

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Am 18. Oktober 1977 wurde der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dr. Schleyer, , von Terroristen ermordet.

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Am 16. März 1978 wurde Esser, Präsident der Bundesvereinigung.

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1982 wurde die Denkschrift „ Soziale Sicherung in der Zukunft “ der Öffentlichkeit übergeben.

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1983 folgte die Denkschrift „ Strategien zum Abbau der Arbeitslosigkeit “ .

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1986 wurden „ Leitsätze zur Sozial- und Gesellschaftspolitik “ veröffentlicht.

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1986 wurde Dr. Murmann, Präsident der Bundesvereinigung.

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1990 traten die neu gegründeten Arbeitgeberverbände aus den neuen Bundesländern in die BDA ein.

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1996 wurde Dr. sc. techn. Hundt, Präsident der BDA.

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1998 publizierte die BDA das Reformkonzept „ Sozialpolitik für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung “ .

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1999 traten BDA und DGB mit einer gemeinsamen Erklärung anläßlich des dritten Gesprächs zum Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit an die Öffentlichkeit.

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Am 1. November 1999 nahm die BDA ihre Arbeit in Berlin auf.

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Am 23. November 1999 wurde das Jubiläum 50 Jahre BDA begangen.

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2001/2002 stellte die BDA mit „ BDA-pro-job.de “ ihre Vorschläge für eine flexible Arbeitsmarktverfassung vor.

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2004 wurde das Internetportal www. csr-germany.de gestartet.

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2005 veröffentlichte die BDA das Bildungsprogramm „ Bildung schafft Zukunft “ .

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Im selben Jahr wurde der Bericht der gemeinsamen BDA-BDI Kommission Mitbestimmung unter dem Titel „ Mitbestimmung modernisieren “ vorgelegt.

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Vor den Bundestagswahlen 2005 legte die BDA mit „ Wachstum und Beschäftigung fördern “ ein umfassendes Reformkonzept der Arbeitgeber vor.


III. Rechtliche Grundlagen


Eine der wesentlichen Grundlagen für die Existenz und Tätigkeit von Arbeitgeberverbänden ist das Recht der Koalitionsfreiheit, das in Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes jedem Einzelnen garantiert ist. Es umfasst unter anderem das Recht, eine Koalition zu gründen, einer bestehenden Koalition beizutreten, sich in ihr zu betätigen oder aus ihr auszutreten (positive Koalitionsfreiheit). Ebenso ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts das Recht jedes Einzelnen geschützt, einer Koalition nicht beizutreten (negative Koalitionsfreiheit).
Das Grundgesetz garantiert aber nicht nur die Koalitionsfreiheit des Einzelnen, sondern auch den Schutz solcher Vereinigungen, die sich zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammengeschlossen haben. Die Koalitionen sind in ihrer Existenz, ihrer organisatorischen Autonomie, der Führung ihrer Geschäfte, der Maßnahmen zur Aufrechterhaltung ihrer Geschlossenheit nach innen und außen und ihrer koalitionsgemäßen Betätigung geschützt. Dieser Schutz besteht sowohl gegenüber dem Staat wie gegenüber Dritten, aber auch gegenüber den eigenen Mitgliedern.
Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften als geschützte Koalitionen müssen folgende Voraussetzungen erfüllen (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung,  2000, S. 313 f.):

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Sie müssen freiwillige Zusammenschlüsse auf überbetrieblicher Ebene sein.

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Sie müssen eine größere Anzahl von Mitgliedern mit korporativer Organisation dauernd verbinden.

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Sie müssen sich als Gegenspieler des anderen Partners verstehen und von der Gegenseite unabhängig sein.

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Die Willensbildung in Koalitionen muss demokratischen Erfordernissen entsprechen.

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Die Koalition als Tarifvertragspartei muss das geltende Tarifrecht für sich verbindlich anerkennen und ihre Aufgabe im Abschluss von Tarifverträgen zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage ihrer Mitglieder sehen.

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Sie müssen die Fähigkeit zur Ausübung von Druck und Gegendruck besitzen.

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Schließlich muss eine Koalition in der Lage sein, ihre Aufgabe zur sinnvollen Gestaltung des von der staatlichen Rechtsordnung freigelassenen Raumes zu erfüllen.


Die in der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zusammengeschlossenen Arbeitgeberverbände erfüllen die aufgeführten Voraussetzungen.

IV. Organisation


Arbeitgeberverbände sind in der Regel in der Rechtsform des eingetragenen Vereins organisiert. Im Prinzip ist die Struktur der Mitgliedsverbände der BDA folgendermaßen aufgebaut: Betriebe einer Region sind in regionalen fachlichen – teilweise auch überfachlichen – Arbeitgeberverbänden organisiert. Diese sind auf Landesebene zu Landesfachverbänden zusammengeschlossen. Gemeinsam mit den überfachlichen Orts- oder Bereichsorganisationen bilden sie die Landesvereinigungen der Arbeitgeberverbände. Diese sind Mitglieder der BDA.
Daneben sind die Landesfachverbände aller Bundesländer in Fachspitzenverbänden auf Bundesebene vereinigt. Diese Fachspitzenverbände sind ebenfalls Mitglieder BDA.
Im Unterschied zum BDI und zum DIHK repräsentieren die Mitglieder der BDA alle Wirtschaftszweige. Die Struktur der BDA-Mitgliedschaft ergibt sich aus der folgenden Übersicht:

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Überfachliche sozialpolitische Landesvereinigungen (14 Mitglieder)

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Sozialpolitische Fachspitzenverbände (52 Mitglieder), davon Industrie (24 Mitglieder), Finanzdienste (2 Mitglieder), Handel (4 Mitglieder), Handwerk (2 Mitglieder), Verkehrsbetriebe (3 Mitglieder), Dienstleistungsgewerbe (16 Mitglieder) und Landwirtschaft (1 Mitglied).


V. Ziele und Aufgaben


Die deutschen Arbeitgeberverbände haben nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Rolle stets ordnungspolitisch definiert und begründet. Grundpfeiler dieser ordnungspolitischen Standortbestimmung waren und sind bis heute das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, zur Tarifautonomie sowie zur Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften und damit eine Absage an jegliche Klassenkampforientierung. Neben den materiellen Zielen, den Sozialstaat für die Unternehmen bezahlbar zu halten, verfolgten die Arbeitgeberverbände das Ziel, die strukturellen Voraussetzungen für das Funktionieren von sozialer Marktwirtschaft, Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft zu erhalten und zu festigen. In den folgenden Abschnitten wird die Haltung der Arbeitgeberverbände auf den einzelnen sozialpolitischen Politikfeldern kurz skizziert.

1. Tarifautonomie


Obwohl die BDA selbst kein tariffähiger Verband ist, hat sie doch in ihren Funktionen tarifpolitischer Beratung, Empfehlungen und Koordinierung einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung und Entwicklung der Tarifautonomie. Tarifträgerverbände sind in der Regel Landesfach- oder Fachspitzenverbände. Ausgehend von ihren ordnungspolitischen Grundpositionen trug die BDA entscheidend dazu bei, dass sich in der Bundesrepublik Deutschland ein stark auf sozialer Kooperation beruhendes Modell der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen entwickelte, das im Laufe der Jahre verschiedene Phasen durchlief, die stichwortartig wie folgt charakterisiert werden können (Bähr,  1999, S. 38 ff.):

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Modernisierung durch „ Versachlichung “ : die Tarifpolitik im „ Wirtschaftswunder “ (1955 – 1966),

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Lohnkosteninflation: die Arbeitgeberverbände in der Defensive (1966 – 1972),

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Stabilisierung und Konfrontation: die Tarifpolitik in der Wachstums- und Beschäftigungskrise der siebziger und achtziger Jahre,

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Versagen der Tarifpolitik? Die Entwicklung in den neuen Bundesländern.


Nicht zuletzt durch die tarifpolitischen Entwicklungen in den neuen Bundesländern verdichteten sich zu Beginn der 90-er Jahre die Anzeichen für eine Krise des bestehenden Tarifvertragssystems. Kritik am Flächentarifvertrag, der mit seinen kollektiven Regelungen den besonderen Gegebenheiten einzelner Unternehmen nicht mehr gerecht werde, oft ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überfordere, übten nicht nur betroffene Unternehmen, sondern auch Vertreter der Wirtschaftswissenschaft, Publizisten und Verbände, wie etwa der BDI.
Die BDA tritt für die Erhaltung und Fortentwicklung einer modernen Tarifautonomie ein. Dabei will sie die betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Flächentarifverträge erweitern. Das ist in erster Linie eine Aufgabe der Tarifvertragsparteien. In vielen Branchen sind durch vielfältige tarifvertragliche Öffnungsklauseln die Regelungsspielräume für die Betriebspartner erheblich ausgedehnt worden. Ziel der BDA ist, betriebliche Bündnisse für Arbeit im Rahmen der Flächentarifverträge zu fördern und auch in denjenigen Branchen zu ermöglichen, in denen sie bisher noch fehlen oder blockiert werden. Dabei bleibt das Ziel der BDA primär tarifvertragliche Öffnungsklauseln zu vereinbaren, weiterzuentwickeln und anzuwenden.

2. Arbeitsrecht


In der Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Arbeitsrechts sehen die Arbeitgeberverbände wichtige Ansatzpunkte für die Durchsetzung der sozialpolitischen Ziele ihrer Mitglieder. Insgesamt halten sie es für erforderlich, das Arbeitsrecht zu deregulieren, zu entbürokratisieren und zu flexibilisieren. Vor diesem Hintergrund sei die im Jahre 2001 vom Bundestag verabschiedete Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes ein Schritt in die falsche Richtung. Mit der Ausdehnung und Erweiterung der Mitbestimmung schaffe dieses Gesetz mehr Regulierung, Bürokratie und weniger Flexibilität. Auch in dem Gesetz für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge sehen die Arbeitgeberverbände einen massiven Eingriff in die personalpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen, etwa durch den Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung. Auch die Korrekturen am Gesetz für Selbständigkeit, die nach kurzer Laufzeit Ende 1999 vorgenommen wurden, blieben hinter den Forderungen der BDA zurück. In der Frage der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Arbeitswelt stimmen Wirtschaft und Bundesregierung im Ziel überein, auf dem Wege dahin kritisiert die BDA allerdings den Hang der Regierung zu überflüssigen und kontraproduktiven Regulierungen.

3. Soziale Sicherung


Ihre Grundsatzposition bringt die BDA auf die Formel „ Basissicherung und Ausbau privater Eigenvorsorge “ . In der Rentenversicherung sieht sie die Finanzierungsprobleme angesichts der demographischen Entwicklung als langfristig ungelöst an. Die Reformansätze der Bundesregierung, etwa die Maßnahmen zur Stabilisierung der Beitragssätze über die Ökosteuer oder die erforderliche Absenkung des Rentenniveaus durch einen demographischen Ausgleichsfaktor in der Rentenformel, reichten bei weitem nicht aus, um die Altersrente auch künftig finanzierbar zu halten. Demgegenüber wird der Einstieg in die ergänzende private und betriebliche Alterssicherung als Schritt in die richtige Richtung gewertet, wenngleich auch hier noch Gestaltungsbedarf bestehe.
In der Kranken- und Pflegeversicherung vermisst die BDA bisher auch nur einigermaßen geeignete Reformschritte, um die strukturellen Probleme in diesen Sozialversicherungszweigen zu lösen. Sie fordert vor allem die folgenden Maßnahmen:

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Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung von lohnbezogenen Beiträgen auf einkommensunabhängige Prämien umstellen

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Gesetzliche Krankenversicherung auf medizinisch notwendige Leistungen beschränken

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Soziale Pflegeversicherung nur als Grundversorgung

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Ergänzende kapitalgedeckte Risikovorsorge bei gesetzlicher Krankenversicherung und sozialer Pflegeversicherung

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Eigenbeteiligung weiter ausbauen


In der Unfallversicherung fordern die Arbeitgeberverbände eine grundlegende Generalüberholung. In einzelnen Gewerbezweigen erreichen die Beiträge zur Unfallversicherung mit über 10 Prozent eine höhere Belastung als der Arbeitgeberanteil in jedem anderen Zweig der Sozialversicherung. Es müsse eine klare Grenzziehung zwischen betriebsspezifischen und allgemeinen Lebensrisiken erfolgen. Insbesondere fordert die BDA, die Wegeunfälle aus dem Leistungskatalog auszugliedern. Auch das Rentensystem der gesetzlichen Unfallversicherung bedürfe einer systemgerechten Reform. Weiterer Reformbedarf besteht bei der Finanzierung und Organisation der Berufsgenossenschaften.

4. Arbeitsmarkt


Arbeitsmarktpolitische Positionen der BDA berühren grundsätzlich und besonders angesichts der unbefriedigenden Arbeitsmarktlage nicht nur die Arbeitslosenversicherung, sondern beispielsweise auch die Tarifpolitik, das Arbeitsrecht oder die anderen Zweige der Sozialversicherung. Zu den spezifisch arbeitsmarktpolitischen Forderungen der BDA, die sie unter das Motto Wettbewerb statt künstlicher Beschäftigung stellt, gehören unter anderem:

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Verlängerung der Erwerbsbiographien,

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Stärkere Nutzung der Beschäftigungschancen der Zeitarbeit,

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Arbeitskräftepotenziale ausbauen und nutzen,

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Europäisch koordinierte Beschäftigungsstrategie,

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Integration von Schwerbehinderten.


5. Bildungspolitik


In der Bildungspolitik erwartet die BDA „ Mehr Wettbewerb, mehr Leistung, mehr Chancen “ . Diese Forderung bezieht sich sowohl auf die berufliche Bildung wie auf die Schul- und Hochschulpolitik. Den offensichtlichen Defiziten, vor allem im Schul- und Hochschulbereich, begegnen die Arbeitgeberverbände mit gezielten Initiativen und Maßnahmen, wie etwa „ BD@Bildung.de – Die Initiative der Arbeitgeber “ . Sie folgen damit ihrer langjährigen Tradition, auch im allgemeinen Bildungssektor eigene Positionen zu entwickeln und zu vertreten.

VI. Internationale Zusammenarbeit


Arbeitgeberverbände sind ein wesentliches Element demokratischer und marktwirtschaftlicher Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen. Sie finden sich daher in allen Ländern mit solchen Ordnungen, wenngleich die Aufgaben und Strukturen sich im Detail teilweise unterscheiden (z.B. getrennte oder gemeinsame Vertretung wirtschafts- und sozialpolitischer Interessen). Auch in den ehemals kommunistischen Ländern entstanden nach der Wende Arbeitgeberorganisationen nach westlichem Vorbild.
Die Arbeitgeberseite hat im Zuge der internationalen Zusammenarbeit vom Beginn an die Aktivitäten der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf (IAO) mitgetragen, die durch den Versailler Friedensvertrag zur „ Begründung des Weltfriedens “ und zur Förderung der „ sozialen Gerechtigkeit “ eingerichtet wurde. Die deutschen Arbeitgeberverbände waren bis 1933 und sind seit 1951 regelmäßig an den Internationalen Konferenzen durch eine Delegation vertreten und beteiligen sich an den Kommissionsberatungen.
Der älteste internationale Zusammenschluss ist die Internationale Arbeitgeberorganisation (IOE), die 1919 gegründet wurde und die Interessen der Arbeitgeber gegenüber der IAO vertritt sowie den Erfahrungs- und Meinungsaustausch der ihr angeschlossenen Arbeitgeberverbände fördert.
Das Business and Industry Advisory Committee (BIAC) in Paris ist das Beratungs- und Koordinierungsorgan der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände gegenüber der OECD.
Im Zuge des europäischen Einigungsprozesses hat die Union der Industrieverbände in der EU (UNICE) mit Sitz in Brüssel besondere Bedeutung gewonnen. Ihre Mitglieder sind die wirtschafts- und sozialpolitischen Spitzenorganisationen der EU-Staaten. Sie vertritt deren Interessen gegenüber den Organen der EU.
Die Weiterentwicklung der EU bringt es mit sich, dass auch sozialpolitische Probleme zunehmend auf europäischer Ebene behandelt werden. Dabei fordert die BDA, eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der Ebene der Mitgliedsstaaten und der EU vertraglich zu verankern. Konstitutionelle und besonders sensible Entscheidungen, wie etwa die Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme, sollten einstimmig getroffen werden. Im Übrigen unterstützte die BDA aus wirtschaftlichen wie aus politischen Gründen die 2004 erfolgte Erweiterung der EU.

VII. Ausblick


Arbeitgeberverbände haben sich aus langfristiger Perspektive als Element einer sozialen Marktwirtschaft und Mitträger der Tarifautonomie bewährt. Daran ändert auch die noch immer anhaltende Kritik am bestehenden Tarifvertragssystem nichts Grundlegendes. Als Unternehmenszusammenschlüsse, die auf freiwilliger Mitgliedschaft basieren, müssen sie die Unternehmen aber künftig mehr als bisher von ihren Leistungen und dem Nutzen überzeugen, den eine Mitgliedschaft bietet. Dazu gehört in erster Linie die Fortsetzung der Reformen am System der Tarifautonomie, die den Unternehmen auf der einen Seite möglichst hohe Sicherheit vor Konflikten auf Betriebs- oder Unternehmensebene, ihnen aber gleichzeitig auf der anderen die erforderlichen Handlungsspielräume für eine flexible Personalpolitik gewähren. Dazu gehört aber auch eine Weiterentwicklung des Beratungs- und Dienstleistungsangebots für die Unternehmen auf den Kompetenzfeldern der Arbeitgeberverbände. Schließlich wird es auch erforderlich sein, Organisationsstrukturen aktuellen Erfordernissen anzupassen und sie weiterzuentwickeln, etwa durch die Schaffung von Verbänden, die gleichzeitig wirtschafts- und sozialpolitische Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Dieter Hundt, , Präsident der BDA, hat zum 50-jährigen Jubiläum geschrieben: „ Für die Zukunft gilt: Wer in der Ordnungspolitik auf Markt und Wettbewerb setzt, kann sich selbst davon nicht ausnehmen. Wir stellen uns dem Wettbewerb “ (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände,  1999, S. 144).
Literatur:
Bähr, J. : Tarifautonomie, Lohnentwicklung und Konfliktregelung, in: 50 Jahre BDA – 50 Jahre Politik für die Wirtschaft, hrsg. v. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, , Berlin 1999, S. 33 – 63
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung , : Übersicht über das Arbeitsrecht, Bonn 2000
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände , : 50 Jahre BDA – 50 Jahre Politik für die Wirtschaft, Berlin 1999
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände , : Geschäftsberichte, Köln 2000
Leckebusch, R. : Entstehung und Wandlungen der Zielsetzungen, der Struktur und der Wirkung von Arbeitgeberverbänden, Berlin 1966
Schleyer, H. M. : Das soziale Modell, Stuttgart 1974

 

 


 

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