Agency-Theorie
Inhaltsübersicht
I. Agency-Theorie und Finanzierungstheorie
II. Agency-Kosten bei der Eigenkapitalbeschaffung
III. Verringerung der Agency-Kosten des externen Eigenkapitals durch Monitoring und Bonding
IV. Agency-Kosten des Fremdkapitals
V. Weiterentwicklungen und Implikationen
VI. Grenzen der Agency-Theorie
Die Agency-Theorie untersucht insbesondere die Beziehungen zwischen den Inhabern eines Unternehmens (Prinzipale) und den mit der Geschäftsführung des Unternehmens beauftragten Managern (Agenten). Sie zeigt Interessenkonflikte zwischen den Unternehmenseignern und den Führungskräften des Unternehmens auf und entwickelt Kontraktformen, durch die Agenten gezwungen und motiviert werden sollen, in ihren Unternehmensentscheidungen die Interessen ihrer Prinzipale weitgehend zu verfolgen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Agency-Theorie liegt im Verhältnis von Fremdkapital- zu Eigenkapitalgebern. Im Mittelpunkt der Modellbildungen stehen Anreizesysteme, die dazu führen, dass das Management zum Nachteil der Fremdkapitalgeber handelt. In einer weiteren Modellklasse wird auf Kontrollfunktionen des Fremdkapitals fokussiert.
Für die Finanzierungstheorie liegt die Bedeutung der Agency-Theorie insbesondere in einer Rückbesinnung auf die Realitäten bzw. Unvollkommenheiten der Kapitalmärkte.
Die Agency-Theorie steht damit im Widerspruch zu den ursprünglich sehr puristischen Annahmen der klassischen Finanzierungstheorie. So tritt das Problem der Interessenkonflikte zwischen Agenten und Prinzipalen in den mit vollkommenen Kapitalmärkten arbeitenden Theorien des Capital Asset Pricing Model (CAPM und der Arbitrage Pricing Theory (APT nicht auf (Kapitalmarktmodelle; Portfoliotheorie). In diesen Modellen sind die Investitionsentscheidungen der Manager von den individuellen Präferenzen der Eigentümer separierbar. Das nach Irving Fisher (Fisher, I. 1930) benannte Separationstheorem geht davon aus, dass die Manager eines Unternehmens die unterschiedlichen Präferenzen ihrer Kapitalgeber (Prinzipale) für Sparen und Konsum nicht berücksichtigen müssen. Sie können in ihrer Investitionsplanung präferenzunabhängig das optimale Investitionsprogramm finden, ohne dabei Interessen ihrer Investoren zu verletzen. Die sehr einfache Entscheidungsregel für das Unternehmensmanagement zielt dann lediglich darauf ab, sämtliche Investitionsprojekte mit einem positiven Kapitalwert zu verwirklichen.
Im Gegensatz zu der von weitgehender Informationseffizienz ausgehenden Kapitalmarkttheorie berücksichtigt die Agency-Theorie, dass sämtliche im Unternehmen agierenden Gruppen eigene Interessen verfolgen und dass somit der Nutzen der Unternehmenseigner, Arbeitnehmer und Manager nicht simultan maximiert wird. Die Entscheidungsfindung im Unternehmen stellt analog zu den Preisbildungsprozessen am Kapitalmarkt einen Prozess dar, der schließlich nach Eingang der verschiedenen Gruppeninteressen zu einer Gleichgewichtssituation führt. Ein Unternehmen erhält damit nicht mehr den Charakter einer Institution, in der automatisch und rational die Vermögensinteressen der Unternehmenseigner maximiert werden, sondern den Charakter einer sehr vielschichtigen Interessengemeinschaft.
Die unterschiedlichen Partikularinteressen treten besonders deutlich im Rahmen der Unternehmensinvestition und bei der Verteilung des Unternehmens-Cash-Flow auf.
Die Agency-Theorie steht im Widerspruch zu den Arbeiten von Modigliani/Miller (Modigliani, F./Miller, M.H. 1958) zur Irrelevanz der Kapitalstruktur beziehungsweise zur optimalen Kapitalstruktur bei individueller Besteuerung der Kapitalgeber (Miller, M.H. 1977). Während im Modigliani/Miller-Modell keinerlei Informationsasymmetrien zwischen Managern und Eigentümern bestehen und die Manager ihre Entscheidungen im Interesse der Unternehmenseigner fällen, misst die Agency-Theorie der Vertragsgestaltung zwischen Prinzipal und Agent eine besondere Bedeutung für die individuelle Nutzenmaximierung der beiden Vertragsparteien zu. Agency-Kosten entstehen, indem die Manager (Agenten) aus Eigennutz in ihren Handlungen von den für die Eigner (Prinzipalen) nutzenmaximierenden Entscheidungen abweichen, wodurch diesen Informations- und Überwachungskosten entstehen. Zusätzlich können Agency-Kosten für vertrauensbildende Maßnahmen im Rahmen der Selbstbindung des Managements auftreten.
II. Agency-Kosten bei der Eigenkapitalbeschaffung
Zur Ableitung der Agency-Kosten wird im Folgenden das Verhalten eines Managers untersucht, der zunächst hundert Prozent des Eigenkapitals seines Unternehmens besitzt und nach und nach Teile seines Eigenkapitals an externe Anleger (Prinzipale) veräußert. Für diese Betrachtung wird vereinfachend davon ausgegangen, dass die Unternehmensgröße konstant und fest vorgegeben ist, der Manager seine Entscheidungen autonom treffen kann, sein Arbeitseinkommen konstant ist, spezielle Kontrollmechanismen nicht existieren, Steuereinflüsse vernachlässigt werden können und Portefeuille-Bildungsprozesse außer Ansatz bleiben.
Besitzt der Manager zugleich hundert Prozent des Eigenkapitals, so vereinigt er die Position des Prinzipals und Agenten in einer Person, wodurch der Agency-Interessenkonflikt vermieden wird. Sein Gesamtnutzen setzt sich aus den entgeltlichen Leistungen seines Arbeitseinkommens, der Eigenkapitalrendite sowie den von ihm in Anspruch genommenen unentgeltlichen Vorteilen zusammen. Diese resultieren z.B. aus nicht produktivitätserhöhenden teuren Geschäftsreisen, aus einem aufwendigen Geschäftsfahrzeug oder aus extravaganter Büroausstattung. Der autonome Manager und alleinige Unternehmenseigner erleidet durch Inanspruchnahme unentgeltlicher Vorteile in gleicher Höhe Vermögensverluste durch die Reduktion seines Firmenwertes. Im Optimum wird der zusätzliche Nutzen aus seinen unentgeltlichen Vorteilsnahmen dem zusätzlichen Verlust aus der Reduktion des Firmenwertes entsprechen. Anhand von Abb.1 kann schrittweise nachvollzogen werden, wie sich die von der Agency-Theorie beschriebenen Interessenkonflikte zwischen Managern und Eigentümern auf deren Verhalten und Vermögen auswirken.
Abb. 1: Agency-Kosten des externen Eigenkapitals
In der an Jensen/Meckling (Jensen, M.C./Meckling, W.H. 1976, S. 316) angelehnten Abb. 1 zu den Agency-Kosten des externen Eigenkapitals werden auf der Abszisse die unentgeltlichen Vorteile abgetragen, die der Manager durch sein Entscheidungsverhalten erzielen kann. Auf der Ordinate kann der Unternehmenswert abgelesen werden, der aus dem Handeln des Managers resultiert. Die Gerade kennzeichnet für einen Unternehmer, der zugleich hundert Prozent des Eigenkapitals besitzt, die möglichen Substitutionsbeziehungen zwischen Unternehmenswert und Marktwert der unentgeltlichen Vorteile. Die Steigung der Geraden beträgt – 1. Obwohl auf der Geraden eine Erhöhung der Entnahme unentgeltlicher Vorteile (E) zu einer Verminderung des Marktwertes des Unternehmens (W) in gleicher Höhe führt, ist er gegenüber den verschiedenen Substitutionspunkten auf dieser Geraden nicht indifferent. Der Eigentümer/Manager verwirklicht vielmehr sein Entnahme-Optimum an unentgeltlichen Vorteilen im Tangentialpunkt A zwischen der Substitutionsgeraden und der individuellen Nutzenindifferenzkurve U2. Jensen/Meckling gehen dabei davon aus, dass die Grenzrate der Substitution zwischen unentgeltlichen Vorteilen und Unternehmenswertminderung mit wachsender Entnahme unentgeltlicher Vorteile fällt (Jensen, M.C./Meckling, W.H. 1976). Durch die nach der individuellen Indifferenzkurve optimale Entnahme unentgeltlicher Vorteile sinkt für den Eigentümer der Unternehmenwert von W1 auf W2.
Würde der sämtliche Unternehmensanteile haltende Manager jetzt Teile seines Eigentums veräußern wollen und dabei sein Entnahmeverhalten an unentgeltlichen Vorteilen konstant halten, so müsste er auf den ersten Blick als Preis für die Veräußerung seines Eigenkapitals (1 – β) · W2 erhalten, wobei β seinen verbleibenden Eigenkapitalanteil darstellt. Nach Verkauf der (1 – β)-Anteile steigt aber der Anreiz des Managers zur Entnahme unentgeltlicher Vorteile, denn er trägt jetzt einen geringeren Anteil an der Unternehmenswertminderung. Die neue individuelle Substitutionsbeziehung zwischen zusätzlicher Entnahme unentgeltlicher Vorteile und Unternehmenswertminderung hat statt der Steigung – 1 die Steigung – β und wird somit durch den Anteil des Managers am Eigenkapital bestimmt.
Auf der neuen Substitutionsgeraden könnte der Manager versuchen, durch zusätzliche Entnahme unentgeltlicher Vorteile einen höheren Nutzen auf der Indifferenzkurve U1 zu realisieren. Zu Lasten der neuen Inhaber würde durch dieses Entnahmeverhalten (E3) der Unternehmenswert auf W3 sinken. Der Punkt B auf der Indifferenzkurve U1 wird jedoch nur einen fiktiven Realisationspunkt darstellen, denn die neuen Eigenkapitalgeber werden das sie schädigende Verhalten des Managers antizipieren und deshalb für ihre Anteile nicht den Preis (1 – β) · W2 sondern lediglich den Preis (1 – β) · W3 bezahlen. Somit trägt der Manager die Folgen des die neuen Eigentümer schädigenden Entnahmeverhaltens letztlich selber.
Die neuen Eigentümer werden dem ursprünglichen Eigentümer und Manager lediglich einen Preis bezahlen, der die mögliche Entnahme unentgeltlicher Vorteile voll berücksichtigt. Im Gleichgewicht wird die Situation realisiert, in der der Manager durch eine Änderung des Entnahmeverhaltens keinen zusätzlichen Nutzen mehr erzielen kann. Mit der Entnahmepolitik E4 erreicht der Manager im Punkt C die für ihn optimale Nutzensituation auf der Indifferenzkurve U3. Die neuen Eigenkapitalgeber werden dem ursprünglichen Eigentümer und Manager für das Eigenkapital folglich statt des Preises (1 – β) · W2 den niedrigeren Gleichgewichtspreis (1 – β) · W3 bezahlen. Die Unternehmenswertminderung in Kaufkrafteinheiten beträgt damit W2 – W4 und der Wohlfahrtsverlust kann an der Differenz zwischen den Nutzenindifferenzkurven U2 und U3 abgelesen werden. Letzlich werden durch die Gefahr des eigennützigen Verhaltens von Managern und durch das Misstrauen der Anleger den Unternehmenswert maximierende Kooperationsformen verhindert.
III. Verringerung der Agency-Kosten des externen Eigenkapitals durch Monitoring und Bonding
Aus dem Dilemma der aus den Interessenkonflikten zwischen Managern und Eigentümern resultierenden Agency-Kosten kann teilweise ein Ausweg gefunden werden. So können die Möglichkeiten des Managers, durch Entnahme unentgeltlicher Vorteile die Eigentümer zu schädigen, durch vertragliche Vereinbarungen verringert werden. Vertragliche Vereinbarungen über die maximale Entnahme unentgeltlicher Vorteile durch den Manager können jedoch nur durchgesetzt werden, wenn hierzu geeignete Kontrollmechanismen vereinbart werden. Die Kontrolle der Manager durch die Eigentümer oder durch deren Beauftragte senken aber nicht nur die Agency-Kosten, sondern verursachen auch so genannte „ Monitoring Costs “ . Unter den Monitoring Costs werden Aufwendungen der Eigentümer für die Kontrolle des vertragsgerechten Verhaltens der Manager verstanden.
Die aus dem Misstrauen zwischen Eigentümern und Managern resultierenden Agency-Kosten können außer durch Monitoring auch durch Selbstbindung ( „ Bonding “ ) abgebaut werden. Die im Rahmen der Selbstbindung anfallenden Bonding Costs stellen Agency-Kosten dar, die von den Managern getragen werden, um den Unternehmensinhabern glaubhaft zu machen, dass sie in deren Interesse handeln werden.
Durch Monitoring und Bonding, die selber Agency-Kosten darstellen, können die ursprünglichen Agency-Kosten für die Entnahme unentgeltlicher Vorteile durch die Agenten nicht voll beseitigt werden. Es bleiben die sogenannten „ Residual Losses “ , als Vermögensverluste der Eigentümer, die durch die individuelle Nutzenmaximierung der Manager zu Lasten des Unternehmenswertes auch bei strenger Kontrolle auftreten.
Es lässt sich zeigen, dass es theoretisch ein optimales Ausmaß an Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gibt. Hierzu geht man davon aus, dass mit einem Anstieg der Agency-Kosten für Kontrollmaßnahmen eine abnehmende Reduzierung der Entnahme unentgeltlicher Vorteile durch die Manager einhergeht. Abb. 2 verdeutlicht diese Zusammenhänge.
Abb. 2: Agency-Kosten bei Monitoring und Bonding
Die wieder an Jensen/Meckling (Jensen, M.C./Meckling, W.H. 1976) angelehnte Abb. 2 zu den Agency-Kosten des externen Eigenkapitals bei Monitoring und Bonding basiert auf den Daten von Abb. 1. Während ohne Monitoring und Bonding in Höhe von E3 Entnahmen unentgeltlicher Vorteile durch die Manager vorgenommen werden, wodurch der Unternehmenswert auf W3 sinkt, werden durch den optimalen Einsatz von Monitoring und Bonding von den Managern nur noch in Höhe von E4 unentgeltliche Vorteile entnommen, wodurch der höhere Unternehmenswert W4 realisiert werden kann. Dabei beschreibt die durch die Punkte B und C gehende Funktion F(M,α) das neue Austauschverhältnis zwischen Entnahme unentgeltlicher Vorteile und Unternehmenswertsenkung. In Abhängigkeit vom Eigenkapitalanteil β des Managers und dem Ausmaß an Monitoring (M), weist die Funktion folgende Eigenschaften auf: δF/δM < 0 und δ2F/δM2 > 0.
Der zugleich sämtliche Unternehmensanteile haltende Manager ist an den Monitoring-Maßnahmen der zukünftigen Eigentümer durchaus interessiert, denn im Optimalpunkt C erreicht er mit Monitoring ein höheres Nutzenniveau (U2) als ohne Monitoring (U3). Aufgrund strengerer Kontrolle oder durch Selbstbindung muss der Manager zwar seine Entnahmen unentgeltlicher Vorteile etwas einschränken, der hierdurch entstehende Nutzenverlust wird jedoch durch den Vermögenszuwachs überkompensiert, den er durch den Verkauf seiner Eigenkapitalanteile zum Preis von (1 – α) · W4 anstatt von (1 – α) · W3 erzielt. Auf einem Kapitalmarkt, auf dem die Manager und Unternehmenseigner weitgehend rational handeln, sind die Eigenkapitalgeber indifferent zwischen dem Kauf der Eigenkapitalanteile ohne Monitoring zum Preis von (1 – α) · W4 oder mit Monitoring zum Preis von (1 – α) · W3. Insofern profitiert der Manager in diesem Modell des zunehmenden Ersatzes seines Eigenkapitals durch externes Eigenkapital von den Kontrollmaßnahmen der neuen Eigentümer.
IV. Agency-Kosten des Fremdkapitals
In einem Unternehmen, das zu einem großen Teil über Fremdkapital finanziert wird, fallen auch zwischen Gläubigern und Schuldnern Agency-Kosten an, da für den Eigentümer wesentlich höhere Anreize für riskante Investitionen bestehen, als in einem vorwiegend über Eigenkapital finanzierten Unternehmen. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass bei zwei Investitionsprojekten, von denen eines einen positiven Kapitalwert mit sehr niedrigem Risiko und das andere einen leicht negativen Kapitalwert mit sehr hohem Risiko aufweist, das riskante Projekt trotz negativem Erwartungswert durchgeführt wird (asset substitution). Der Eigentümer gerät aus Sicht des Gläubigers in die Position eines Lotteriespielers. Er verfolgt aus seiner individuellen Sicht jedoch lediglich subjektive Nutzenmaximierung, denn den Großteil des potentiellen Gewinns kann er für sich beanspruchen, während im Falle des Misserfolges der größte Teil der Verluste von den Kreditoren getragen wird. Bei einer Haftungsbeschränkung der Gesellschafter auf das Eigenkapital fallen somit besonders hohe Agency-Kosten des Fremdkapitals an.
Zur Verdeutlichung der Agency-Kosten des Fremdkapitals wird die Interessenlage eines hoch verschuldeten Eigentümers eines Unternehmens betrachtet, der vor der Investitionsentscheidung zwischen zwei sich gegenseitig ausschließenden gleichgroßen Projekten mit identischen Cash-Flow-Erwartungen steht. Indem die beiden Investionsprojekte das gleiche Kovarianzrisiko zum Marktportefeuille im Sinne des CAPM aufweisen, haben sie nach diesem den gleichen Marktwert, können sich jedoch in Bezug auf ihr unsystematisches Risiko erheblich unterscheiden. Betrachtet man das Eigenkapital des Unternehmers als eine europäische Kaufoption auf das Gesamtvermögen des Unternehmens mit einem Basispreis in Höhe des Nominalwertes des Fremdkapitals (Black, F./Scholes, M. 1973), so läßt sich nach Merton (Merton, R.C. 1973; Merton, R.C. 1974) zeigen, dass der Wert einer solchen Option mit zunehmender Varianz steigt. Dies hat zur Folge, dass das hochriskante Investitionsprojekt für den Eigentümer attraktiver wird, da ein Vermögenstransfer zwischen Fremdkapitalgebern und Eigenkapitalgebern stattfindet. Begrenzt wird dieses Agency-Problem zwischen den Eigentümern eines hochverschuldeten Unternehmens und seinen Fremdkapitalgebern durch Schutzmaßnahmen der Gläubiger. Diese werden entweder ihren Kredit absichern, oder einen risikogerechten Zins für ihr Fremdkapital verlangen. Aus dieser Sicht lassen sich die Kosten der Kreditwürdigkeitsprüfung eines Kreditinstitutes im Rahmen der Agency-Theorie auch als Monitoring-Costs definieren.
Als zusätzliche Agency-Kosten des Fremdkapitals müssen noch mögliche Konkurskosten berücksichtigt werden. Verwirklichen Eigentümer bei sehr niedriger Eigenkapitalausstattung ihres Unternehmens Investitionsprojekte mit einem besonders hohen Risiko, so steigt die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz. Aus diesem Grund werden rationale Gläubiger des Unternehmers neben den Überwachungs- und Kontrollkosten auch potenzielle Konkurskosten kapitalisiert in ihre Zinsforderungen einrechnen.
V. Wichtige Weiterentwicklungen und Implikationen
Das Modell von Jensen/Meckling (Jensen, M.C./Meckling, W.H. 1976) diente als Grundlage für eine Reihe von Weiterentwicklungen der Agency-Theorie.
Konfliktbereiche zwischen Eigenkapitalgebern und Management wurden von Harris und Raviv (Harris, M./Raviv, A. 1990) und Stulz (Stulz, R. 1990) untersucht. Beide Modelle gehen davon aus, dass das Management einer Unternehmung den Betrieb stets im Eigeninteresse fortführt bzw. alle verfügbaren Mittel investiert, auch wenn eine Einstellung des Unternehmens oder eine Kapitalrückzahlung für die Kapitalgeber vorteilhaft wäre. Durch Fremdkapital lassen sich Konflikte zwischen Management und Eigenkapitalgebern verringern, da Zinszahlungen die freien Cash Flows reduzieren. Weiterhin erhalten Fremdkapitalgeber die Möglichkeit, die Liquidation des Unternehmens zu erzwingen, wenn die Rentabilität unter eine bestimmte Grenze sinkt (zur Free Cash Flow Problematik vgl. auch Jensen, M.C. 1986). Die optimale Kapitalstruktur entsteht aus einem Trade-Off der Vorteile des Fremdkapitals für die Unternehmenskontrolle zu den Kosten des Fremdkapitals. Diese ergeben sich aus einer erhöhten Konkursgefahr und potenzieller Unterinvestition, d.h. auch lohnende Investitionen werden nicht mehr durchgeführt.
Aus den beiden Modellen lassen sich eine Reihe von Implikationen entwickeln. So weisen Unternehmen mit hohen Liquidationswerten, d.h. einem hohen Anteil verwertbarer Vermögensgegenstände, und Unternehmen, die einen niedrigen Kontrollaufwand für die Eigenkapitalgeber verursachen, c.p. einen höheren Verschuldungsgrad auf. Ebenso spielen die Investitionsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle bei der Wahl des optimalen Verschuldungsgrades. Unternehmen, die über gute Investitionsmöglichkeiten verfügen, werden eine niedrigere Verschuldung wählen, während hingegen in reifen Industrien ein hoher Verschuldungsgrad optimal ist.
Hart und Moore (Hart, O./Moore, J. 1995) analysieren auf Grundlage von Agency Überlegungen Managemententscheidungen, die zu Überinvestitionen, d.h. zu Investitionen mit zu geringer Rendite, führen. In ihrem Modell führen Kreditklauseln, die in vorrangigen Fremdkapitalkontrakten regelmäßig vereinbart werden, zu einer Beschränkung der weiteren Kreditaufnahmemöglichkeiten bzw. neuer Investitionen.
Diamond (Diamond, D.W. 1989) sowie Hirshleifer und Thakor (Hirshleifer, D./Thakor, A.V. 1992) haben in ihren Modellen Konflikte zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalgebern analysiert. Beide Modelle belegen, dass Manager aus Angst vor Reputationsverlusten relativ sichere Projekte wählen.
Im Modell von Diamond gewähren Fremdkapitalgeber Unternehmen, die sich Reputation durch korrekte Erfüllung der Ansprüche der Fremdkapitalgeber erworben haben, vorteilhafte Finanzierungskonditionen. Hierdurch entsteht ein Anreiz, auch in Zukunft sichere Projekte zu wählen, um nicht Finanzierungsvorteile zu verlieren. Junge Unternehmen ohne entsprechende Reputation unterliegen Fremdkapitalkosten, die die Gefahr der Asset Substition (vgl. Abschnitt IV) beinhalten. Für diese besteht der Anreiz, besonders riskante Projekte durchzuführen. Gelingt es ihnen im Erfolgsfall Reputation aufzubauen, werden sie ebenfalls dazu neigen, sichere Investitionsalternativen zu wählen.
Hirshleifer und Thakor (Hirshleifer, D./Thakor, A.V. 1992) zeigen in ihrem Modell, dass Manager bei der Auswahl zwischen mehreren Investitionsalternativen diejenige mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit wählen, auch wenn sie nicht den höchsten Erwartungswert aufweist. Sie begründen dies damit, dass der Arbeitsmarkt lediglich zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Managern unterscheiden kann. Manager maximieren daher durch konsequente Auswahl der Projekte mit den höchsten Erfolgsaussichten ihren eigenen Wert auf dem Arbeitsmarkt, nicht jedoch zwangsläufig den Wert des Unternehmens.
Titman (Titman, S. 1984) erweitert die potenziellen Konfliktbereiche auf das Verhältnis von Kunden versus Kapitalgebern und Management. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Annahme, dass der Wert eines Gutes von dem Fortbestand der anbietenden Unternehmung abhängt. So kann der Produzent eines Gutes anfallende Wartungs- und Reparaturarbeiten kostengünstiger anbieten als andere Unternehmen. Dies wird von den Kunden rational bewertet und spiegelt sich im Preis der verkauften Güter und letztlich im Marktwert des Unternehmens wider. Je geringer der Schaden für die Kunden aufgrund einer Liquidation des Unternehmens ist, desto höher kann c.p. der Fremdkapitalanteil sein.
VI. Grenzen der Agency-Theorie
Aus Sicht der Agency-Theorie lässt sich für die externe Finanzierung ein optimales Mischungsverhältnis zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalaufnahme ermitteln. Es wird hierzu davon ausgegangen, dass mit steigender Unternehmensverschuldung sinkende Agency-Kosten des externen Eigenkapitals und steigende Agency-Kosten des Fremdkapitals einhergehen. Das Minimum der Agency-Kosten wird bei dem Verschuldungsgrad erreicht, zu dem die marginalen Agency-Kosten des Eigenkapitals gerade den marginalen Agency-Kosten des Fremdkapitals entsprechen. Die genaue Errechnung der minimalen Agency-Kosten erhält für die Bestimmung der optimalen Kapitalstruktur aber nur sekundäre Bedeutung, da die Finanzierungskosten z.B. auch durch unterschiedliche Steuersätze für Eigen- und Fremdkapital und durch gespaltene Kapitalmarktzinssätze beeinflusst werden.
Durch die Agency-Theorie gelingt es, Marktunvollkommenheiten und gruppenabhängige Kapitalbeschaffungskosten zu erklären, die von den auf effizienten Märkten basierenden Modellen der Kapitalmarkttheorie nicht erfasst werden. Die Agency-Theorie stellt somit einen im Rahmen der Finanzierungstheorie wichtigen Ansatz dar, mit dem Konflikte zwischen potentiellen Kapitalgebern und Management erfasst und Verhandlungskompromisse aufgezeigt werden. Im Rahmen der Kapitalbeschaffung steht die Agency-Theorie neben zahlreichen Ansätzen, die sich ebenfalls mit Marktunvollkommenheiten beschäftigen. Zu nennen sind hier insbesondere die Theorie asymmetrischer Informationsverteilungen (Gerke, W. 1993), der Transaktionskostenansatz sowie Ansätze zur Verhinderung von Marktversagen, wie zum Beispiel Rating (Gerke, /van Rüth, /Schöner, 1992) und Signalling (Ramasastry, A./Kose, J./Williams, J. 1987).
Der Agency-Ansatz ist auch geeignet, die Existenz der Finanzintermediäre zu begründen und die Leistungen der Banken, Börsen und Versicherungen zu veranschaulichen. Bisher schwer einsetzbar ist die Agency-Theorie zur exakten Unternehmenswertbestimmung im Rahmen konkreter Verhandlungsprozesse und bei Investitionsentscheidungen. Hierfür erweist sie sich im Detail als zu wenig quantifizierbar. So lassen sich die Implikationen der Agency-Theorie empirisch oft nur schwer nachweisen. Eine Reihe von Studien wurden auf Unternehmens- und Branchenebene durchgeführt. Oft konnten zum Beleg der Agency-Theorie nur statistisch nicht signifikante Ergebnisse erzielt werden (vgl. Titmann, S./Wessels, R. 1988; Barclay, M.J./Smith, Jr. 1995). Hinzu kommt, dass zwischen Eigentümern und Managern bestehende Interessenkonflikte teilweise weniger radikal ausgetragen werden, als dies von der Agency-Theorie angenommen wird. So kann zwischen den Eigentümern eines Unternehmens und der Unternehmensführung ein langfristig gewachsenes Vertrauensverhältnis bestehen auf dessen Basis die Beteiligten ohne Agency-Kosten oder zusätzliche Kosten für Monitoring und Bonding in ihren Handlungen implizit die gegenseitigen Interessen abwägen. Dies widerlegt jedoch nicht prinzipiell die Agency-Theorie und deren Bedeutung als Erklärungsmodell für interessenbedingte Marktunvollkommenheiten bei der Unternehmensfinanzierung.
Literatur:
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Black, F./Scholes, M. : The Pricing of Options and Corporate Liabilities, in: The Journal of Political Economy 1973, S. 637 – 654
Diamond, D.W. : Reputation Acquisition in Debt Markets, in: Journal of Political Economy 1989, S. 828 – 862
Fisher, I. : The Theory of Interest, New York 1930
Gerke, W. : Informationsasymmetrien am Markt für Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen, in: Handbuch des Finanzmanagements, hrsg. v. Gebhardt, G./Gerke, W./Steiner, M., München 1993, S.620 – 640
Gerke, W./van Rüth, V./Schöner, M.A. : Informationsbörse für Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen, Stuttgart 1992
Harris, M./Raviv, A. : Capital Structure and the Informational Role of Debt, in: Journal of Finance 1990, S. 321 – 349
Hart, O./Moore, J. : Debt and Senority: An Analysis of the Role of Hard Claims in Constraining Management, in: American Economic Review 1995, S. 567 – 585
Hirshleifer, D./Thakor, A.V. : Managerial Conservatism, Projekt Choice, and Debt, in: The Review of Financial Studies 1992, S. 437 – 470
Jensen, M.C. : Agency Cost of Free Cash Flow, Corporate Finance, and Takeovers, in: American Economic Review 1986, S. 323 – 329
Jensen, M.C./Meckling, W.H. : Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics 1976, S. 305 – 360
Merton, R.C. : The Theory of Rational Option Pricing, in: Bell Journal of Economics and Management Science 1973, S. 141 – 183
Merton, R.C. : On the Pricing of Corporate Debt: The Risk Structure of Interest Rates, in: The Journal of Finance 1974, S. 449 – 470
Miller, M.H. : Debt and Taxes, in: The Journal of Finance 1977, S. 261 – 275
Modigliani, F./Miller, M.H. : The Cost of Capital, Corporation Finance, and the Theory of Investment, in: American Economic Review 1958, S. 261 – 297
Ramasastry, A./Kose, J./Williams, J. : Efficient Signalling with Dividends and Investments, in: The Journal of Finance 1987, S. 321 – 343
Stulz, R. : Managerial discretion and optimal financing policies, in: Journal of Financial Economics 1990, S. 3 – 27
Titman, S. : The Effect of Capital Structure on a Firms Liquidation Decision, in: Journal of Financial Economics 1984, S. 137 – 151
Titman, S./Wessels, R. : The Determinants of Capital Structure Choice, in: The Journal of Finance 1988, S. 1 – 19
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