Bilanzierung und Bewertung
Inhaltsübersicht
I. Einführung
II. Bilanzierung dem Grunde nach (Bilanzansatz bzw. Bilanzierung i.e.S.)
III. Bilanzierung der Höhe nach (Bewertung)
I. Einführung
Die Regeln für die Bilanzierung und Bewertung bestimmen sich nach dem allgemeinen Zweck der Bilanz (Vermögens- oder Erfolgsermittlung i.S.d. statischen, dynamischen oder organischen Bilanztheorie). Darüber hinaus wird nach dem Anlass für die Aufstellung der Bilanz zwischen Regelbilanzen (Jahresabschluss) einerseits und Sonderbilanzen (z.B. Eröffnungs-, Zerschlagungs- oder Umwandlungsbilanz) andererseits unterschieden. Im Nachfolgenden werden ausschließlich die Grundsätze für die Erstellung von Regelbilanzen nach deutschen handelsrechtlichen und internationalen Grundsätzen dargestellt.
1. Handelsrecht
Gemäß § 242 HGB besteht für jeden Kaufmann die Verpflichtung, „ zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen “ . Zusammen mit der Gewinn- und Verlustrechnung bildet diese Bilanz den Jahresabschluss des Unternehmens, der bei Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften i.S.v. § 264 a HGB zusätzlich um einen Anhang zu erweitern ist (vgl. § 242 Abs. 3 i.V.m. § 264 Abs. 1 HGB). Die Gliederung der Bilanz ist für letztere in § 266 HGB vorgeschrieben.
Die Hauptaufgabe der Bilanzierung nach HGB besteht, neben anderen Zielsetzungen (z.B. Dokumentation, Rechenschaftslegung), in der Ermittlung eines vorsichtig bemessenen ausschüttungsfähigen Gewinns. Der Gläubigerschutzgedanke steht hierbei im Vordergrund.
Was als „ Vermögen “ bzw. „ Schulden “ gilt, bestimmt sich nach den handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften einschließlich nicht kodifizierter Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Hierbei ist grundlegend zwischen der Frage der Bilanzierung dem Grunde nach (Bilanzansatz) und der Bilanzierung der Höhe nach (Bewertung) zu unterscheiden.
2. Internationale Rechnungslegung
Auch international ist die Bilanz obligatorischer Bestandteil des Jahresabschlusses. Die Hauptaufgabe der Abschlusserstellung wird in der Zurverfügungstellung entscheidungsrelevanter Informationen für gegenwärtige und potenzielle Investoren (Kapitalmarkt- oder Investororientierung) gesehen.
International enthält die Bilanz auf der Aktivseite „ assets “ und auf der Passivseite „ liabilities “ und „ equity “ . Was hierunter zu verstehen ist, wird für die US-GAAP grundlegend in CON 6 und für die IFRS/IAS im sog. Framework definiert. Auch international wird zwischen Bilanzansatz- (Bilanzierungs-) und Bewertungsregeln differenziert.
1. Handelsrecht
Die für alle Kaufleute gültigen Ansatzvorschriften sind in §§ 246 – 251 HGB geregelt. Sie betreffen die Frage, welche Posten in die Bilanz aufzunehmen sind (Bilanzierungspflicht), welche Posten aufgenommen werden dürfen (Bilanzierungswahlrecht) bzw. welche Posten nicht aufgenommen werden dürfen (Bilanzierungsverbot) und regeln somit die Bilanzierung von Posten der Aktiv- oder Passivseite der Bilanz (Aktivierung bzw. Passivierung). a) Bilanzierungspflicht
Gemäß § 246 Abs. 1 HGB besteht – vorbehaltlich anderer gesetzlicher Regelungen – für sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten, die in personeller Hinsicht dem Kaufmann und in sachlicher Hinsicht dem Betriebsvermögen zuzuordnen sind, grundsätzlich eine Bilanzierungspflicht (Vollständigkeitsgebot). Dabei dürfen Posten der Aktivseite nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden (Verrechnungsverbot, § 246 Abs. 2 HGB). § 247 HGB nennt, eher klarstellend, auch noch explizit das Eigenkapital. Der Bilanzansatz bestimmt sich also durch die Zuordenbarkeit in eine der genannten Kategorien.
Der Begriff des „ Vermögensgegenstandes “ wird gesetzlich nicht definiert. Nach allgemeiner Auffassung umfasst er sowohl körperliche Gegenstände (Sachen i.S.d. § 90 BGB) als auch immaterielle Werte, selbst wenn diese nicht mit einem Recht verbunden sind. Es genügt, wenn eine rechtliche oder tatsächliche Position an einem wirtschaftlichen Wert besteht, zivilrechtliches Eigentum ist nicht erforderlich. Maßgebliches Ansatzkriterium für Vermögensgegenstände ist deren (abstrakte) Einzelveräußerbarkeit bzw. -verwertbarkeit unter dem Aspekt der Schuldendeckungsfähigkeit.
Auch für den Begriff „ Schulden “ besteht keine Legaldefinition. Hierunter werden die auf der Passivseite der Bilanz auszuweisenden Verbindlichkeiten und Rückstellungen subsumiert (vgl. § 253 Abs. 1 HGB). Verbindlichkeiten stellen (rechtliche oder wirtschaftliche) Verpflichtungen des Unternehmens zu einer Leistung (Geld- oder Sachleistung) dar, die zu einer Vermögensminderung, d.h. einer wirtschaftlichen Belastung führen, erzwingbar i.S.v. unabwendbar und in ihrer Höhe und Fälligkeit quantifizierbar sind. Bei Rückstellungen handelt es sich einerseits um dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten (sog. Verbindlichkeitsrückstellungen), andererseits dienen sie aber auch der Erfassung von drohenden Verlusten aus schwebenden Geschäften (sog. Drohverlustrückstellungen) sowie von bestimmten, gesetzlich genau festgelegten Aufwendungen (sog. Aufwandsrückstellungen).
In der Bilanz nach § 250 HGB als aktive/passive Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzende Posten sind Ausgaben/Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand/Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen (z.B. im Voraus bezahlte Zinsen/im Voraus erhaltene Zinsen, die auch eine bestimmte Periode nach dem Bilanzstichtag betreffen).
Das Eigenkapital ergibt sich als Residualgröße durch Abzug der übrigen Passiva von den Aktiva. b) Bilanzierungswahlrechte
Folgende Bilanzierungswahlrechte bestehen nach dem HGB:
- | Aktivierungswahlrecht für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert (§ 255 Abs. 4 HGB) | - | Aktivierungswahlrechte für bestimmte Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 HGB) | - | Aktivierungswahlrecht für Disagio (§ 250 Abs. 3 HGB) | - | Passivierungswahlrecht für bestimmte Pensionsrückstellungen (nach Art. 28 EGHGB) | - | Passivierungswahlrecht für unterlassene Instandhaltung mit einer Nachholungsfrist von 4 – 12 Monaten (§ 249 Abs. 1 S. 3 HGB) | - | Passivierungswahlrecht für sog. Aufwandsrückstellungen (§ 249 Abs. 2 HGB). |
Ferner können folgende Bilanzierungshilfen und Sonderposten angesetzt werden:
- | Aktivierungswahlrecht für Kosten der Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes (§ 269 HGB) | - | Aktivierungswahlrecht für aktive latente Steuern (§ 274 Abs. 2 HGB) | - | Passivierungswahlrecht für Sonderposten mit Rücklageanteil (§ 247 Abs. 3 HGB). | c) Bilanzierungsverbote
Neben den Bilanzierungswahlrechten existieren folgende explizite Bilanzierungsverbote:
- | Aufwendungen für die Gründung des Unternehmens und die Beschaffung des Eigenkapitals (§ 248 Abs. 1 HGB) | - | Immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden (§ 248 Abs. 2 HGB) | - | Aufwendungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen (§ 248 Abs. 3 HGB) | - | Originärer Geschäfts- oder Firmenwert (§ 255 Abs. 4 HGB) | - | Rückstellungen für andere als in § 249 Abs. 1 und 2 HGB genannte Zwecke. |
2. Internationale Rechnungslegung
Die nach US-GAAP und IFRS/IAS für die Bilanzierung maßgeblichen Begriffe „ assets “ , „ liabilities “ und „ equity “ sind nicht deckungsgleich mit den handelsrechtlichen Begriffen „ Vermögensgegenstand “ , „ Schulden “ und „ Eigenkapital “ .
Unter „ asset “ wird eine in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehende Ressource verstanden, die ein Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit darstellt, und von der erwartet wird, dass aus ihr dem Unternehmen künftig wirtschaftlicher Nutzen zufließen wird. Ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen ist gegeben, wenn ein direkter oder indirekter Zufluss an liquiden Mitteln oder Zahlungsmitteläquivalenten gewährleistet ist. Wie auch nach Handelsrecht ist für die Zuordnung der assets keine rechtliche, sondern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzustellen. Die „ asset “ -Definition ist insofern weiter als die des Vermögensgegenstands und beinhaltet auch Rechnungsabgrenzungsposten und Bilanzierungshilfen im handelsrechtlichen Sinne (aktive latente Steuern) sowie teilweise nach HGB nicht bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände (insbesondere im Bereich der Entwicklungskosten und selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenstände).
Sofern ein „ asset “ im o.g. Sinne vorliegt, gilt als weitere Ansatzvoraussetzung, dass der Zufluss des Nutzenpotentials wahrscheinlich und eine zuverlässige Bewertung möglich ist. Sofern diese Aktivierungskriterien vorliegen, besteht grundsätzlich eine Aktivierungspflicht, bei Nichtvorliegen besteht ein Aktivierungsverbot. Aktivierungswahlrechte sind der internationalen Rechnungslegung fremd. In der Praxis bestehen jedoch aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten teilweise faktische Aktivierungswahlrechte.
Spiegelbildlich zur Definition der „ assets “ stellen „ liabilities “ gegenwärtige Verpflichtungen dar, die aufgrund eines vergangenen Ereignisses entstanden sind und deren Erfüllung künftig zu einem Abfluss von wirtschaftlichem Nutzenpotenzial an Dritte führen wird. Auch hier gilt als weitere Ansatzvoraussetzung, dass der Nutzenabfluss wahrscheinlich und der Wert zuverlässig bestimmbar ist. Unter den Begriff der „ liabilities “ fallen dabei sowohl Verbindlichkeiten als auch Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten. Allerdings ist der Umfang der zu bildenden Rückstellungen ( „ provisions “ ) tendenziell eher niedriger, da aufgrund des notwendigen Außenverpflichtungscharakters die Bildung reiner Aufwandsrückstellungen nicht zulässig ist. Auch den „ liabilities “ sind Passivierungswahlrechte fremd.
Das „ equity “ ergibt sich ebenfalls als Residualgröße von „ assets “ und „ liabilities “ .
Bewerten bedeutet, einem Bilanzposten (Vermögensgegenstand/Verbindlichkeit) im Hinblick auf das mit dem Jahresabschluss verfolgte Ziel nach bestimmten Regeln (allgemeine und spezifische Bewertungsvorschriften) einen Betrag beizumessen. Das Ziel kann z.B. in realer oder nomineller Kapitalerhaltung oder aber wie nach HGB primär in der Ermittlung eines vorsichtig bemessenen ausschüttungsfähigen Gewinns bestehen.
1. Handelsrecht a) Allgemeine Bewertungsvorschriften
Die Bewertungsvorschriften für alle Kaufleute ergeben sich aus den §§ 240, 252 – 256 HGB. Einschränkungen sowie zusätzliche Vorschriften für Kapitalgesellschaften finden sich in den §§ 279 – 283 HGB. Die allgemeinen Bewertungsgrundsätze sind in § 252 HGB zusammengefasst:
- | Prinzip der Bilanzkontinuität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) |
Das Prinzip der Bilanzkontinuität besagt, dass „ die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahres ? mit denen der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen “ müssen. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Summe der Periodenerfolge dem Totalgewinn entspricht.
- | Going-Concern-Prinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) |
Das Going-Concern-Prinzip (oder auch Unternehmensfortführungsprinzip) besagt, dass bei der Bewertung von Bilanzposten „ von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit “ auszugehen ist, sofern dem nicht tatsächliche (z.B. schwerwiegende wirtschaftliche Schwierigkeiten) oder rechtliche (z.B. eingeleitetes Insolvenzverfahren) Gegebenheiten entgegenstehen. Es ist von der Unternehmensfortführung auszugehen, wenn diese für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr nach dem Bilanzstichtag sichergestellt ist.
Gemäß dem Grundsatz der Einzelbewertung sind „ Vermögensgegenstände und Schulden ? zum Abschlussstichtag einzeln zu bewerten “ . Zweck dieser Vorschrift ist, aus Objektivierungsgründen eine Gesamt-(Ertragswert-)betrachtung für die Bilanz zu verhindern. Abweichungen vom Einzelbewertungsprinzip sind insbesondere unter Wirtschaftlichkeits- und Wesentlichkeitsgesichtspunkten zulässig; z.B. die Festbewertung (§ 240 Abs. 3 HGB), die Gruppenbewertung (§ 240 Abs. 4 HGB) und die sog. Bewertungsvereinfachungsverfahren (§ 256 HGB). Ferner soll vermieden werden, dass mittels Saldierung ein Wertausgleich zwischen Vermögensgegenständen und Schulden stattfindet, die zum indirekten Ausweis unrealisierter Gewinne führen könnte. Dies wird nur für sog. Bewertungseinheiten für zulässig erachtet (gleicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang im Unternehmen).
- | Stichtagsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) |
Gemäß dem Stichtagsprinzip sind sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden zum Abschlussstichtag zu bewerten. Maßgebend sind somit die Wertverhältnisse am Abschlussstichtag. Hieraus folgt, dass im Rahmen der Bilanzerstellung (bis zur Feststellung der Bilanz) wesentliche wertaufhellende Informationen, d.h. Informationen, die sich auf Gegebenheiten vor/am Abschlussstichtag beziehen, zu berücksichtigen sind, während sog. wertbegründende Informationen, d.h. Informationen, die sich auf Gegebenheiten beziehen, die sich erst nach dem Abschlussstichtag ereignet haben, nicht mehr in der Bilanz (aber u.U. im Lagebericht) zu berücksichtigen sind.
- | Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) |
Das Vorsichtsprinzip verlangt vom Kaufmann bei Vorhandensein einer Bandbreite mehrerer denkbarer Wertansätze den Ansatz eines eher pessimistischen Wertes. Es gestattet jedoch nicht, unzulässige stille Reserven zu legen. Konkretisiert wird das Vorsichtsprinzip durch das Realisations- und das Imparitätsprinzip:
Das Realisationsprinzip besagt, dass Gewinne nur zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert (quasi-sicher) sind. Als Realisationszeitpunkt gilt allgemein der Umsatzzeitpunkt, d.h. der Zeitpunkt, an dem der Kaufmann seine vertragliche Leistung erbracht hat und somit die Gegenleistung verlangen kann. Mit Bezugnahme auf den Umsatzakt erfolgt somit eine Objektivierung in zeitlicher und wertmäßiger Hinsicht.
Im Gegensatz dazu sind Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, im Jahresabschluss zu berücksichtigen, d.h. zu antizipieren, selbst wenn sie noch nicht im o.g. Sinne realisiert sind. Diese Ungleichbehandlung positiver und negativer Erfolgsbeiträge wird als Imparitätsprinzip bezeichnet.
- | Periodisierungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB) |
Das Periodisierungsprinzip besagt, dass „ Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres ? unabhängig vom Zeitpunkt der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen “ sind. Dieses Prinzip legt das Abgrenzungskriterium fest, nach dem der Totalerfolg den einzelnen Rechnungslegungsperioden zuzuteilen ist. Hiernach richtet sich die Abgrenzung nach Wertentstehung (Erträge) bzw. Wertverzehr (Aufwendungen) einer Periode.
- | Stetigkeitsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) |
Nach dem Stetigkeitsprinzip sollen „ die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden ? beibehalten werden “ . Der Grundsatz soll die Vergleichbarkeit von zwei oder mehreren aufeinander folgenden Jahresabschlüssen sicherstellen, indem eine Beeinflussung der Ertragslage durch eine unstetige Ausübung von Bewertungswahlrechten vermieden wird.
Von den Prinzipien des § 252 Abs. 1 HGB darf gemäß § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. b) Spezielle Bewertungsvorschriften
Neben diesen allgemeinen Bewertungsgrundsätzen bestehen explizite Einzelregelungen für den Wertansatz von Vermögensgegenständen und Schulden, wobei grundsätzlich zwischen der Zugangs- und Folgebewertung zu unterscheiden ist. Das Gesetz enthält neben zwingenden Bewertungsvorschriften auch Bewertungswahlrechte.
Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind gem. § 253 Abs. 1 und 2 HGB höchstens mit den Anschaffungskosten oder den Herstellungskosten, vermindert um planmäßige Abschreibungen und bei Vorliegen dauerhafter Wertminderungen vermindert um außerplanmäßige Abschreibungen anzusetzen. Die Bewertung der Posten des Umlaufvermögens erfolgt ebenfalls zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Sofern sich hier jedoch ein niedrigerer Wert aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt, ist zwingend – ohne Rücksicht auf die Dauerhaftigkeit – auf den beizulegenden Wert abzuschreiben (strenges Niederstwertprinzip nach § 253 Abs. 3 S. 1 und 2 HGB). Die in § 255 Abs. 1 und 2 HGB definierten Anschaffungs- und Herstellungskosten bilden den Ausgangspunkt und gleichzeitig die Wertobergrenze für Vermögensgegenstände. Sie werden wie in Abb. 1 dargestellt ermittelt.
Abb. 1: Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 255 HGB
Soweit von dem Ansatzwahlrecht gem. § 255 Abs. 4 HGB für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert Gebrauch gemacht wird, ist dieser bei Zugang in Höhe des Unterschiedsbetrages anzusetzen, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt.
Verbindlichkeiten sind gem. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB zu ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen, Rentenverpflichtungen, für die eine Gegenleistung nicht mehr zu erwarten ist, zu ihrem Barwert und Rückstellungen nur in Höhe des Betrags, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist; Rückstellungen dürfen nur abgezinst werden, soweit die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten.
Rückzahlungsbetrag ist der Betrag, der im Rahmen normaler Geschäftstätigkeit zur Erfüllung der Schuld notwendig ist (Erfüllungsbetrag). Im Allgemeinen stimmt der Rückzahlungsbetrag mit dem Ausgabebetrag überein. Sofern der Ausgabebetrag unter dem Rückzahlungsbetrag liegt (z.B. Disagio) besteht für den Unterschiedsbetrag ein Aktivierungswahlrecht nach § 250 Abs. 3 HGB. Im seltenen Fall eines über dem Rückzahlungsbetrag liegenden Auszahlungsbetrags muss der Unterschiedsbetrag als passiver Rechnungsabgrenzungsposten angesetzt und in der Folgezeit auf die Laufzeit der Verbindlichkeit verteilt werden.
Es bestehen darüber hinaus folgende Bewertungswahlrechte:
- | Wahl der Abschreibungsmethode bei einzelnen Vermögensgegenständen (§ 253 Abs. 2 S. 1 und 2 HGB) | - | Außerplanmäßige Abschreibungen auf Anlagevermögen bei nur vorübergehender Wertminderung (§ 253 Abs. 2 S. 3 HGB); für Kapitalgesellschaften nur zulässig bei Finanzanlagen (§ 279 Abs. 1 HGB) | - | Abschreibungen auf den niedrigeren Zukunftswert bei Umlaufvermögen (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB) | - | Abschreibungen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung (§ 253 Abs. 4 HGB); dieses Wahlrecht gilt gem. § 279 Abs. 1 HGB nicht für Kapitalgesellschaften | - | Wertbeibehaltungswahlrecht nach § 253 Abs. 5 HGB; für Kapitalgesellschaften besteht nach § 280 Abs. 1 HGB ein Wertaufholungsgebot | - | Steuerrechtliche Abschreibungen (§ 254 HGB); Kapitalgesellschaften dürfen diese Abschreibungen nur insoweit vornehmen, als ihre Anerkennung bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung davon abhängt (§ 279 Abs. 2 HGB) | - | Abschreibung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts alternativ in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Viertel oder planmäßige Verteilung auf die Geschäftsjahre der voraussichtlichen Nutzung (§ 255 Abs. 4 S. 2 HGB) | - | Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren (§ 256 HGB). |
Bewertungswahlrechte dienen dem Bilanzierenden in erster Linie als Instrumente der Bilanzplanung und -politik. Einschränkungen finden sich jedoch durch den o.g. Stetigkeitsgrundsatz, wonach einmal ausgeübte Bewertungswahlrechte grundsätzlich beizubehalten sind. Abweichungen von diesem Grundsatz sind zwingend im Anhang anzugeben und zu begründen (§ 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB).
2. Internationale Rechnungslegung a) Allgemeine Bewertungsgrundsätze
Alle im HGB kodifizierten allgemeinen Bewertungsgrundsätze finden sich auch im Rahmen internationaler Rechnungslegung – z.T. allerdings mit unterschiedlichem Stellenwert – wieder. Wesentliche Abweichungen finden sich insbesondere beim Bilanzkontinuitäts- sowie beim Vorsichtsprinzip (Realisations- und Imparitätsprinzip):
Abweichungen vom Prinzip der Bilanzkontinuität sind nach den IFRS/IAS im Zusammenhang mit der Berichtigung grundlegender Fehler sowie der Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zulässig (IAS 8). Dies gilt – allerdings eingeschränkt – auch im Hinblick auf bestimmte Bewertungsmethodenänderungen für US-GAAP (vgl. APB 20).
Dem Vorsichtsprinzip kommt nur eine untergeordnete Bedeutung bei der Vornahme von Schätzungen zu. Im Hinblick auf das Realisations- und Imparitätsprinzip finden sich erhebliche Unterschiede. So werden international teilweise nicht nur i.S.v. HGB realisierte Erträge, sondern auch realisierbare Erträge (z.B. im Rahmen der Fremdwährungsumrechnung, der Bewertung von Finanzinstrumenten mit fair values sowie der langfristigen Fertigung) erfasst. b) Spezielle Bewertungsvorschriften
Für die Bewertung der Abschlussposten existieren grundsätzlich folgende – im Framework zu den IFRS/IAS explizit genannte – Bewertungsgrundlagen:
- | Historische Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten | - | Tageswert | - | Veräußerungswert (Erfüllungsbetrag) | - | Barwert. |
Die konkrete Bewertung der einzelnen assets und liabilities im Rahmen von Zugangs- und Folgebewertung wird in Einzelstandards geregelt. Die Vorschriften sind grundsätzlich stärker absatzmarktorientiert als die handelsrechtlichen. So ist in vielen Fällen neben der Bewertung von assets zu (fortgeführten) Anschaffungs-/Herstellungskosten eine, auch über diese Werte hinausgehende, fair value-Bewertung zulässig (z.B. Neubewertung von Anlagevermögen nach IFRS/IAS 16) oder vorgeschrieben (insbesondere im Bereich der Finanzinstrumente nach IFRS/IAS und US-GAAP).
Bei den IAS finden sich noch einige Bewertungswahlrechte, die allerdings im Rahmen der Überarbeitung von Standards immer mehr abgebaut wurden bzw. werden.
Literatur:
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Baetge, Jörg/Kleekämper, Heinz/Wollmert, Peter/Kirsch, Hans-Jürgen : Rechnungslegung nach IFRS, Stuttgart 2. A., 2002
Beck\'scher Bilanz-Kommentar, : , hrsg. v. Ellrott, Helmut/Förschle, Gerhart/Hoyos, Martin et al., München, 6. A., 2006
Förschle, Gerhart/Holland, Bettina/Kroner, Matthias : Internationale Rechnungslegung, Heidelberg, 6. A., 2003
Gelhausen, Hans-Friedrich/Pape, Jochen/Schruff, Wienand/Stolberg, Klaus : Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung nach internationalen Grundsätzen, Stuttgart, ab 2002
Pellens, Bernhard/Fülbier, Ralf/Gassen, Joachim : Internationale Rechnungslegung, Stuttgart, 6. A., 2006
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