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Wertorientierte Unternehmensführung


Inhaltsübersicht
I. Stakeholder- oder Shareholder-Ansatz?
II. Finanzielle Operationalisierung des Shareholder Value
III. Treiber des Shareholder Value
IV. Indikatoren für Wertschaffung im Rechnungswesen
V. Implementierung einer wertorientierten Unternehmensführung
VI. Praktische Verbreitung wertorientierter Unternehmensführung
VII. Vorteile einer wertorientierten Unternehmensführung
VIII. Kritik an einer wertorientierten Unternehmensführung

I. Stakeholder- oder Shareholder-Ansatz?


Unternehmensführung braucht Ziele, an denen sich die Geschäftsleitung ausrichtet und an denen sie gemessen wird. Da Unternehmungen die Zielerreichung vieler Gruppen berühren, könnte man versuchen, der Unternehmensführung eine Zielvorschrift zugrunde zu legen, in welche die Ziele aller Gruppen einfließen, die durch die Unternehmung in ihrer Zielerfüllung berührt werden (Stakeholder-Ansatz; vgl. z.B. Janisch, Monika 1993). Eine solche Vorgehensweise ist aber wenig operational:

-

Die Stakeholder haben finanzielle und nicht-finanzielle Ziele. Austauschbeziehungen lassen sich kaum finden.

-

Die Ziele verschiedener Stakeholder können sich widersprechen, was Regeln der Konfliktbewältigung verlangt.

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Auch innerhalb einer Gruppe können unterschiedliche Präferenzen bestehen, was erneut Regeln der Konfliktbewältigung nötig macht.


Nicht operationale Organisationsziele der Unternehmung sind nachteilig, weil sie dem Management einen Freiraum verschaffen, den dieses zu Lasten anderer ausnutzen kann. Auch erschweren sie die Kontrolle der Unternehmensführung. Die Ausrichtung an der Zielsetzung einer Gruppe hat deshalb Vorteile. Mit dem Shareholder-Ansatz, der allein die finanziellen Ziele der Eigentümer in den Vordergrund stellt, wird eine operationale und zugleich gut begründbare Zielsetzung für die Unternehmung gefunden:
Die Zielsetzung ist operational, wenn der Shareholder Value als Marktwert des Eigenkapitals (relativ) leicht zu messen ist und Wissen darüber besteht, wie man diesen Wert beeinflussen kann. Als Substitut des Marktwertes des Eigenkapitals lässt sich bei börsennotierten Unternehmen die Marktkapitalisierung, Anzahl der Aktien mal Aktienkurs, ansehen.
Die Zielsetzung ist gut begründbar, weil sich die meisten Stakeholder finanziell durch Vertragsbeziehungen schützen können, während dies für die Eigentümer nicht gilt. Vertraglich schützen lassen sich z.B. Arbeitnehmer, Kredit- und Warengläubiger, Kunden und Lieferanten. Das gilt zwar nicht für Deliktgläubiger und die Öffentlichkeit, aber deren Abgrenzung und Interessenbestimmung ist auch umstritten. Hingegen sind Eigentümer nicht so gut geschützt, dass sie hinreichend sicher wüssten, welche Zahlungsströme sie in Zukunft zu erwarten haben: Sie erhalten das Residualeinkommen nach Befriedigung vertraglich abgesicherter und öffentlich-rechtlich durchgesetzter Interessen. Damit tragen diejenigen, die die Entscheidungen im Unternehmen zu treffen oder zu verantworten haben, deren Folgen (vgl. a. Drukarczyk, Jochen 1999, S. 41) und haben ein deutlich höheres Risiko bezüglich ihrer Einkommensquelle als die anderen Gruppen.
Zwar bestimmt die Zielsetzung des Shareholder Value die Unternehmenspolitik direkt. Das ist aber insoweit kein Monismus, als sich die Ziele anderer Anspruchsgruppen in Verträgen spiegeln, deren Einhaltung für die Unternehmungsleitung Nebenbedingungen erzeugt. Diese sind versteckte Ziele, die indirekt erfasst werden. Freilich resultieren aus unvollständigen Verträgen einige Probleme (vgl. Drukarczyk, Jochen 1999, S. 47 – 51).
Nicht bewältigt ist hingegen mit der Ausrichtung am Shareholder Value die Beziehung zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Zielen und der mögliche Interessenkonflikt innerhalb der Gruppe der Eigentümer. Während uns für den ersten Konflikt operationale Handlungsanweisungen fehlen und wir allenfalls mit Mitteln der Nutzwertanalyse den (potenziellen) Konflikt verdeutlichen können, ist die Bewältigung des zweiten Konflikts eine Frage der Informationsversorgung der Marktteilnehmer und der Vollkommenheit und Vollständigkeit von Kapitalmärkten.
Die Diskussion der wertorientierten Unternehmensführung geht im Folgenden von dem Ziel der Shareholder Value-Maximierung aus.

II. Finanzielle Operationalisierung des Shareholder Value


Es ist plausibel anzunehmen, dass Eigentümer einen Konsumstrom mit bestimmten Eigenschaften im Hinblick auf zeitliche Struktur, Breite und Unsicherheit wünschen (vgl. Moxter, Adolf 1966, S. 38). Basis für den Konsumstrom ist ein Einkommen, das gegebenenfalls zeitlich transformiert wird.
Eine Unternehmungsleitung kann die individuellen Präferenzen für die Einkommen- und Konsumströme seiner Eigentümer nicht bündeln und danach handeln. Weder kennt die Unternehmensleitung die Präferenzen der Eigentümer hinreichend genau noch gibt es allgemein akzeptierte Regeln, nach denen Konflikte zwischen einzelnen Eigentümern bewältigt werden können. Das Problem wird entschärft, wenn Marktwerte existieren, deren Maximierung allen Eigentümern einen Nutzen stiftet, und die Marktwerte von der Unternehmensleitung beeinflusst werden können.
Die Literatur hat gezeigt, dass bei symmetrischer Information, vollständigen und vollkommenen Kapitalmärkten die Nutzenmaximierung des Individuums und die Maximierung des Marktwerts des Eigenkapitals, das ist der Shareholder Value, übereinstimmen (vgl. Laux, Helmut 2003, S. 277 – 309). Zwar liegen diese Bedingungen in der Realität nicht vor. Möglicherweise sind aber die daraus resultierenden Abweichungen vom Optimum für die Konsumenten vernachlässigbar (vgl. Drukarczyk, Jochen 1999, S. 46; kritischer Schmidt, Reinhard H./Maßmann, Jens 1999, S. 145 – 146).
Der Marktwert des Eigenkapitals ist aus einem Gleichgewichtsmodell zu entwickeln. Gleichgewichte liegen in praxi nicht vor. Aus individueller, z.B. managementbezogener Sicht ergibt sich der Marktwert aus der Diskontierung der Zahlungsströme, die den Eigentümern erwartungsgemäß aufgrund des Unternehmenseigentums zufließen. Welche Zahlungsströme wie diskontiert werden, ist eine eher technische Frage: Man unterscheidet zur Marktwertermittlung die Ertragswert- von der Discounted Cash Flow-Methode und bei Letzterer den Netto- und den Bruttoansatz (vgl. z.B. Ballwieser, Wolfgang 1998; Hachmeister, Dirk 2000, S. 91 – 101; Schultze, Wolfgang 2003, S. 89). Alle Ansätze haben Unterstellungen bezüglich der Finanzierung und der Bestimmung von Risikoprämien und führen nur unter bestimmten Bedingungen zu demselben Marktwert des Eigenkapitals (vgl. Ballwieser, Wolfgang 2002c).

-

Der Marktwert des Eigenkapitals ist nur zufällig mit der Marktkapitalisierung identisch. Die ihr zugrunde liegenden Kurse können aus nicht-rationalem Verhalten von Kapitalmarktteilnehmern resultieren, berücksichtigen nur bestimmte Informationen, beziehen sich auf einzelne Aktien und vernachlässigen einen Ertrags- (2 + 2 = 5) und Risikoverbund (2 + 2 = 3) eines Pakets von Aktien.


III. Treiber des Shareholder Value


Der Marktwert des Eigenkapitals wächst mit steigenden zukünftigen Zahlungen an die Eigentümer und sinkenden Diskontierungssätzen. Die künftigen Zahlungen resultieren aus der Geschäftspolitik der Unternehmensleitung. Zwar ergeben sich Zahlungen auch aus Veräußerungen von Wertpapieren, aber hinter den erwarteten Veräußerungserlösen stehen bei rational handelnden Anlegern erneut die durch die Unternehmensleitung und deren Geschäftspolitik beeinflussten, erwarteten Zahlungen. Die Diskontierungssätze enthalten mindestens einen Basiszins, einen Risikozuschlag und Steuersätze, ggf. auch einen Wachstumsabschlag.
Die Literatur zeigt meist in Schaubildern, wie die Werttreiber systematisch zusammenhängen und auf den Wert einwirken (vgl. z.B. Rappaport, Alfred 1998, S. 60 u. 172; Schultze, Wolfgang 2003, S. 238 u. 239; Hebertinger, Martin 2002, S. 186; weiterhin Hachmeister, Dirk 2000, S. 52). Neben diesen eher technischen Darstellungen gibt es inhaltlich den Versuch, Erfolgsfaktoren zu untersuchen, d.h. solche Faktoren zu identifizieren, die bei Produktion, Absatz, Finanzierung und weiteren Geschäftspolitiken systematisch zu Vorteilen gegenüber der Konkurrenz führen (vgl. zu einem Überblick Schmidt, Johannes G. 1997, S. 71 – 103). Einfache Rezepte für dauerhaften Erfolg sind aber in einer offenen und dynamischen Wettbewerbswirtschaft nicht zu erwarten. Empirisch zeigt sich, dass zu bestimmter Zeit hoch gepriesene Unternehmen schon kurz danach als Problemunternehmen identifiziert werden.

IV. Indikatoren für Wertschaffung im Rechnungswesen


1. Externes Rechnungswesen


Unternehmungen verwenden bis heute überwiegend Daten des externen Rechnungswesens zu ihrer Außendarstellung. Das Management eines Unternehmens hat handels-, steuer- oder kapitalmarktrechtliche Rechnungslegungspflichten zu erfüllen und nutzt Jahres- und Konzernabschlüsse zur Kommunikation mit (potenziellen) Kreditgebern, Eigentümern, Finanzanalysten, Ratingagenturen und der breiten Öffentlichkeit.
Kommuniziert werden keine Marktwerte des Eigenkapitals, die Unternehmensbewertungen voraussetzen, sondern, neben Börsenkursen und deren Entwicklung, Rechnungslegungsdaten. Das ist insofern kritisch, als die Rechnungslegungsdaten zu den Marktwerten des Eigenkapitals nur in loser Beziehung stehen: Weder ist der in einer Gewinn- und Verlustrechnung berechnete Erfolg ein zuverlässiger Indikator für die künftig von den Eigentümern zu erwartenden Zahlungsströme aus dem Unternehmenseigentum noch entspricht das buchmäßige Eigenkapital dem Marktwert des Eigenkapitals.
Um Wertschaffung zu zeigen, haben insb. DAX-Unternehmen in jüngeren Jahren sog. Über- oder Residualgewinne ausgewiesen. Prominentes Beispiel eines Residualgewinns ist der Economic Value Added (EVA) (grundlegend Stewart, George B. 1991, S. 136 – 138; ferner Böcking, Hans-Joachim/Nowak, Karsten 1999, zu weiteren Konzepten vgl. Pfaff, Dieter/Bärtl, Oliver 1999, S. 93 – 96; Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred 2000, S. 21 – 33; Ballwieser, Wolfgang 2002b, Sp. 1750 – 1752; Coenenberg, Adolf G./Mattner, Gerhard R./Schultze, Wolfgang 2003, S. 10 – 18), der sich alternativ berechnen lässt als:
EVA (brutto) = GK×(Rendite auf GK – Kostensatz des GK)
EVA (netto) = EK×(Rendite auf EK – Kostensatz des EK)
mit
EK = Eigenkapital
GK = Gesamtkapital.
Der Reiz dieser Konzepte liegt in Folgendem:

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Die Gewinne dienen der jährlichen Erfolgsmessung und lassen sich berechnen, ohne explizit Vermögensänderungen betrachten zu müssen.

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Der Marktwert des Eigenkapitals durch Diskontierung zukünftiger Zahlungsströme für die Eigentümer ist identisch mit der Summe aus dem Buchwert des Eigenkapitals im Bewertungszeitpunkt und der Summe der diskontierten erwarteten EVA (vgl. z.B. Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred 2000, S. 10 – 15).

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Das Eigen- und das Gesamtkapital lassen sich aus Bilanzen, deren Posten und Werte u.U. modifiziert werden, ableiten. Entsprechend lassen sich durch Verwendung von Daten der GuV und der Bilanz die Renditen auf das Eigenkapital EK oder das Gesamtkapital GK berechnen (vgl. zu einem Vorschlag z.B. Richter, Frank 1999, S. 261).

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Die Konzepte erfassen Kapitalkosten und weisen Gewinn erst nach deren Deckung aus. Sie berücksichtigen Opportunitätskosten.


Diesen Vorteilen stehen folgende Nachteile gegenüber:

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Die Identität einer Diskontierung von Cash Flows an die Eigentümer und von EVA verlangt, dass alle Wertänderungen von Aktiva und Schulden in der GuV zu erfassen sind (Kongruenzprinzip). Das ist in vielen Rechtsordnungen nicht erfüllt (in Deutschland gehen Fremdwährungsumrechnungen z.T. an der GuV vorbei).

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Positive oder negative EVA einer Periode bedeuten nicht positive oder negative Kapitalwerte aus dem gesamten Projekt, das sich über mehrere Perioden erstreckt (vgl. z.B. Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred 2000, S. 15 – 17; Hebertinger, Martin 2002, S. 139).

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Der EVA wird durch die (buchmäßige) Ermittlung von EK oder GK determiniert. Weichen die Ermittlungen zwischen verschiedenen Unternehmen voneinander ab, sind die EVA zwischen diesen Unternehmen nicht vergleichbar.

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Die Kosten des Eigenkapitals und die Kosten des Gesamtkapitals müssen aus Marktwertberechnungen stammen und ändern sich üblicherweise im Zeitablauf. Aus Gründen der Vereinfachung und der Vergleichbarkeit nimmt man oft Buchwerte und hält die Kosten über mehrere Perioden fest. Das erleichtert den Vergleich über die Zeit, zerschneidet aber die Verbindung des Konzepts mit der Unternehmensbewertung, d.h. der Ermittlung des Marktwertes der Unternehmung.


2. Internes Rechnungswesen


Unternehmen verfügen im internen Rechnungswesen in der Regel über Deckungsbeitrags-, Stück- oder Segmenterfolgsrechnungen, die zur wertorientierten Steuerung herangezogen werden können. Es gelingt aber nur bedingt, die extern kommunizierten Rechnungen mit diesen zu vereinbaren. Gründe hierfür liegen in der intern meist vernachlässigten Aufteilung von Gemeinkosten und Verbunderträgen, in der Berücksichtigung von Opportunitätskosten, in der unterschiedlichen Berechnung von Abschreibungen oder in der unterschiedlichen Bewertung von Beständen. Das verlangt Überleitungsrechnungen zwischen externem und internem Rechnungswesen und erschwert die Kommunikation über den Erfolg wertorientierter Unternehmensführung.
Auch ist die Verwendung von EVA nur für bestimmte Aggregationsebenen im Konzern oder im konzernfreien Unternehmen sinnvoll (vgl. z.B. Schmidt, Reinhard H./Maßmann, Jens 1999, S. 136 – 138).

V. Implementierung einer wertorientierten Unternehmensführung


Wertorientierte Unternehmensführung ist nicht allein dadurch zu implementieren, dass den Mitarbeitern der Unternehmung der Zusammenhang von strategischen, operativen und finanzwirtschaftlichen Größen vermittelt wird. Weiterhin sind Anreize für die Mitarbeiter zu schaffen, wertorientiert zu handeln. Eine Studie hat u.a. als Erfolgsfaktoren der Einführung einer wertorientierten Unternehmensführung festgestellt (vgl. Haspeslagh, Philippe/Noda, Tomo/Boulos, Fares 2001, S. 70 f.): Explizites Commitment zur Wertorientierung, intensives Training, starke Anreize für Manager, Investition in aussagekräftiges Informationssystem, Einfachheit der technischen Aspekte. Streng genommen sind das Selbstverständlichkeiten.

VI. Praktische Verbreitung wertorientierter Unternehmensführung


Wertorientierte Unternehmensführung ist bei börsennotierten Unternehmen weit verbreitet. So hat die KPMG im Jahr 2000 und im Jahr 2003 jeweils 56 und 38 der DAX 100-Unternehmen nach einer Verwendung von Shareholder Value-Konzepten befragt. Nach diesen Studien haben 86% (2000) bzw. 91% (2003) der befragten Unternehmen eine Shareholder Value-Spitzenkennzahl eingeführt (KPMG Consulting, 2000, S. 13; Ballwieser, Wolfgang/Wesner, Peter/KPMG, 2003, S. 15). Jedoch hat sich kein einheitlicher Standard zur Messung der Performance herausgebildet (vgl. KPMG Consulting, 2000, S. 8 u. 13; Ballwieser, Wolfgang/Wesner, Peter/KPMG, 2003, S. 13 u. 15) und es fehlt eine systematische Verknüpfung der Steuerungskennzahlen mit den finanziellen Anreizsystemen für Manager (vgl. KPMG Consulting, 2000, S. 33; Ballwieser, Wolfgang/Wesner, Peter/KPMG, 2003, S. 37).
Nach Ruhwedel/Schultze berichteten im Jahr 2000 27 der DAX 100-Unternehmen über ein wertorientiertes Steuerungskonzept in ihrem Geschäftsbericht, wobei die DAX 30-Unternehmen mit 17 in der deutlichen Mehrzahl sind (vgl. Ruhwedel, Franca/Schultze, Wolfgang 2002, S. 620 f.). Auch hier ist eine Vielzahl von verwendeten Konzepten erkennbar.

VII. Vorteile einer wertorientierten Unternehmensführung


Es erscheint evident, dass die Einführung einer wertorientierten Unternehmensführung den Marktwert des Eigenkapitals erhöht. Der empirische Nachweis fällt aber nicht leicht, weil

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es verschieden vorteilhafte und unterschiedlich gelebte Konzepte wertorientierter Unternehmensführung gibt,

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sich mit der Einführung einer wertorientierten Unternehmensführung die Entwicklung, die sich ohne sie ergeben hätte, nicht mehr verfolgen lässt,

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Vergleiche mit Unternehmen, die keine wertorientierte Unternehmensführung eingeführt haben, begrenzte Aussagekraft haben,

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Marktwerte des Eigenkapitals nicht beobachtbar und stattdessen herangezogene Marktkapitalisierungen in ihrer Aussagekraft eingeschränkt sind und

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sich der Effekt der Einführung wertorientierter Unternehmensführung im Bündel der Einflussfaktoren auf den Erfolg nur schwer isolieren lässt.


Dennoch berichtet die Literatur über zahlreiche Korrelationen von EVA oder EVA-Änderungen mit dem Market Value Added (definiert als Börsenkapitalisierung plus Fremdkapital minus Gesamtkapital zu Buchwerten), dem Verhältnis von Marktwert zu Buchwert des gesamten Kapitals, Aktienrenditen und Aktienüberrenditen (vgl. Ballwieser, Wolfgang 2002a, S. 82 – 84 mit weiteren Angaben). Üblicherweise wird das Bestimmtheitsmaß für die Güte der Korrelation herangezogen, und EVA oder dessen Änderungen werden gegen andere Erfolgsgrößen abgewogen. Es zeigen sich sehr unterschiedliche Ergebnisse, die zudem meist nicht auf europäischen oder deutschen Daten basieren (vgl. Ballwieser, Wolfgang 2002a, S. 85 f. mit weiteren Angaben).

VIII. Kritik an einer wertorientierten Unternehmensführung


Wertorientierte Unternehmensführung wird insbesondere als zu einseitig, zu engstirnig, nur kurzfristig orientiert und inkonsistent umgesetzt angegriffen. Der Vorwurf der Einseitigkeit basiert auf dem Interessenmonismus der Shareholder Value-Orientierung. Weshalb kein Interessenmonismus vorliegt, wurde bereits in Abschnitt I diskutiert. Der Vorwurf der Engstirnigkeit greift die Orientierung an nur finanziellen Zielgrößen an. Das Unternehmerdasein schafft mehr an Bedürfnisbefriedigung als allein aus Zahlungen. Das Problem besteht in der Erfassung und Abwägung der nicht-finanziellen gegenüber den finanziellen Komponenten. Die Kurzfristorientierung ist insbesondere mit der Beobachtung des Verhaltens amerikanischer Manager verbunden (vgl. insb. Kennedy, Allan A. 2000, S. 49 – 66 und 165 – 170). Deren Versuch, quartalsweise Aktienkurse positiv zu beeinflussen und dafür Minderungen künftiger Ausschüttungen an Eigentümer in Kauf zu nehmen, ist kritisch zu sehen. Der wertorientierten Unternehmensführung ist diese Kurzfristorientierung aber nicht eigen, ganz im Gegenteil sind kurzfristig den Kurs treibende Maßnahmen, wie das Unterlassen von Forschungsausgaben, die spätere Ausschüttungen übermäßig belasten, nicht Marktwert maximierend. Der Vorwurf inkonsistenter Umsetzung resultiert aus Beobachtungen, wonach die Planungs- und Kontrollzyklen nicht aufeinander abgestimmt sind oder die Berichtskennzahl für die Anteilseigner mit dem Entlohnungssystem des Managements nicht verbunden wird. Auch dieser Nachteil ist nicht dem Konzept selbst anzulasten.
Literatur:
Ballwieser, Wolfgang : Wertorientierung und Betriebswirtschaftslehre: Von Schmalenbach bis heute, in: Wertorientierte UnternehmensführungStrategien, Strukturen und Controlling, hrsg. v. Macharzina, Klaus/Neubürger, Heinz-Joachim, Stuttgart 2002a, S. 69 – 98
Ballwieser, Wolfgang : Shareholder Value, in: Handwörterbuch Unternehmensrechnung und Controlling, hrsg. v. Küpper, Hans-Ulrich/Wagenhofer, Alfred, 4. A., Stuttgart 2002b, Sp. 1746 – 1754
Ballwieser, Wolfgang : Verbindungen von Ertragswert- und Discounted-Cashflow-Verfahren, in: Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, hrsg. v. Peemöller, Volker H., 2. A., Berlin 2002c, S. 361 – 373
Ballwieser, Wolfgang : Unternehmensbewertung mit Discounted Cashflow-Verfahren, in: WPg, Jg. 51, 1998, S. 81 – 91
Ballwieser, Wolfgang/Wesner, Peter/KPMG, : Value Based Management. Frankfurt am Main 2003
Böcking, Hans-Joachim/Nowak, Karsten : Das Konzept des Economic Value Added, in: Finanz Betrieb, Jg. 1, 1999, S. 281 – 288
Coenenberg, Adolf G./Mattner, Gerhard R./Schultze, Wolfgang : Wertorientierte Steuerung: Anforderungen, Konzepte, Anwendungsprobleme, in: Finanzwirtschaft, Kapitalmarkt und Banken, Festschrift für Manfred Steiner, hrsg. v. Rathgeber, Andreas/Tebroke, Hermann-Josef/Wallmeier, Martin, Stuttgart 2003, S. 1 – 24
Dirrigl, Hans : Wertorientierung und Konvergenz im Rechnungswesen, in: BFuP, Jg. 50, 1998, S. 540 – 579
Drukarczyk, Jochen : Shareholder Value, in: Fachbereich Betriebswirtschaftslehre der European Business School, Akademische Feier am 13. April 1999 aus Anlass der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Dr. Jochen Drukarczyk und Ulrich Hartmann, hrsg. v. Küster, Georg H., Oestrich Winkel 1999, S. 35 – 69
Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred : Rechnungslegung und Kennzahlen für das wertorientierte Management, in: Wertorientiertes Management, hrsg. v. Wagenhofer, Alfred/Hrebicek, Gerhard, Stuttgart 2000, S. 3 – 64
Hachmeister, Dirk : Der Discounted Cash Flow als Maß der Unternehmenswertsteigerung, 4. A., Frankfurt am Main 2000
Haspeslagh, Philippe/Noda, Tomo/Boulos, Fares : Managing for Value: It\'s Not Just About the Numbers, in: HBR, Jg. 79, H. 7 – 8/2001, S. 65 – 73
Hebertinger, Martin : Wertsteigerungsmaße – Eine kritische Analyse, Frankfurt am Main 2002
Henselmann, Klaus : Economic Value Added – Königsweg zur Integration des Rechnungswesens?, in: Zeitschrift für Planung, Jg. 12, 2001, S. 159 – 186
Janisch, Monika : Das strategische Anspruchsgruppenmanagement – Vom Shareholder Value zum Stakeholder Value, Bern et al. 1993
Kennedy, Allan A. : The End of Shareholder Value, Cambridge, MA 2000
KPMG Consulting, : Shareholder Value Konzepte. Eine Untersuchung der DAX 100 Unternehmen, Frankfurt am Main 2000
Laux, Helmut : Wertorientierte Unternehmensführung und Kapitalmarkt. Fundierung von Unternehmenszielen und Anreize für ihre Umsetzung, Berlin et al. 2003
Moxter, Adolf : Die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung und der Stand der Bilanztheorie, in: ZfbF, Jg. 18, 1966, S. 28 – 59
Pfaff, Dieter/Bärtl, Oliver : Wertorientierte Unternehmenssteuerung – Ein kritischer Vergleich ausgewähler Konzepte, in: Rechnungswesen und Kapitalmarkt, ZfbF-Sonderheft 41, hrsg. v. Gebhardt, Günther/Pellens, Bernhard, Düsseldorf et al. 1999, S. 85 – 115
Rappaport, Alfred : Creating Shareholder Value, 2. A., New York 1998
Richter, Frank : Konzeption eines marktwertorientierten Steuerungs- und Monitoringsystems, 2. A., Frankfurt am Main 1999
Richter, Frank/Honold, Dirk : Das Schöne, das Unattraktive und das Häßliche an EVA & Co, in: Finanz Betrieb, Jg. 2, 2000, S. 265 – 274
Ruhwedel, Franca/Schultze, Wolfgang : Value Reporting: Theoretische Konzeption und Umsetzung bei den DAX 100-Unternehmen, in: ZfbF, Jg. 54, 2002, S. 602 – 632
Schmidt, Johannes G. : Unternehmensbewertung mit Hilfe strategischer Erfolgsfaktoren, Frankfurt am Main et al. 1997
Schmidt, Reinhard H./Maßmann, Jens : Drei Mißverständnisse zum Thema „ Shareholder Value “ , in: Unternehmensethik und die Transformation des Wettbewerbs, Festschrift für Horst Steinmann, hrsg. v. Kumar, Brij Nino/Osterloh, Margit/Schreyögg, Georg, Stuttgart 1999, S. 125 – 157
Schultze, Wolfgang : Methoden der Unternehmensbewertung: Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Perspektiven, 2. A., Düsseldorf 2003
Stewart, George B. : III: The Quest for Value, New York 1991

 

 


 

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