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Schulden (Rechnungslegung)


Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Einzelabschluss
III. Konzernabschluss
IV. Prüfung der Schulden
V. Einzelfragen zu Verbindlichkeiten

I. Einleitung


Schulden i.S.d. Bilanzrechts sind als Oberbegriff für Verbindlichkeiten, für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten oder drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu verstehen. Verbindlichkeiten gehören zum Fremdkapital des Unternehmens und dienen der kurz- oder langfristigen Finanzierung von Vermögensgegenständen.
Aufwandsrückstellungen i.S.d. § 249 II HGB und Sonderposten mit Rücklageanteil gehören nicht zu den Schulden im handelsrechtlichen Sinne. Auch Eventualverbindlichkeiten i.S.v. § 251 HGB sind von den Schulden abzugrenzen.

II. Einzelabschluss


1. Handelsbilanz

a) Bilanzierung dem Grunde nach


Nach § 246 I HGB hat der JA sämtliche Schulden zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Vollständigkeitsgrundsatz).
Die abstrakte Passivierungsfähigkeit nach GoB bestimmt sich nach dem Passivierungsgrundsatz ( vgl. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. 2005). Nach diesem Definitionsgrundsatz müssen Schulden die folgenden Merkmale kumulativ erfüllen:

-

es muss eine Verpflichtung des bilanzierenden Unternehmens vorliegen,

-

die Verpflichtung muss bilanziell greifbar sein,

-

mit der Verpflichtung muss eine wirtschaftliche Belastung für das bilanzierende Unternehmen verbunden sein und

-

diese Belastung muss quantifizierbar sein.


Der Passivierungsgrundsatz erfasst Außen- und Innenverpflichtungen (str.).
Die konkrete Passivierungsfähigkeit bestimmt dann, ob eine abstrakt passivierungsfähige Schuld aufgrund abweichender konkreter handelsrechtlicher Vorschriften nicht angesetzt werden darf (z.B. eine Verpflichtung im Rahmen eines – ausgewogenen – schwebenden Geschäfts) oder nicht angesetzt werden muss (z.B. Aufwandsrückstellungen nach § 249 I Satz 3 und II HGB) oder ob ein abstrakt nicht passivierungsfähiger Sachverhalt, also eine Nicht-Schuld, aufgrund abweichender rechtlicher Passivierungsvorschriften doch passiviert werden darf (z.B. Sonderposten mit Rücklageanteil nach §§ 254, 279 II, 281 HGB).
Das HGB enthält für Rückstellungen in § 249 HGB ausdrückliche Bestimmungen zum Ansatz von Verbindlichkeits-, Drohverlust- und Aufwandsrückstellungen. Nach § 249 III Satz 1 HGB dürfen für andere als in § 249 I und II HGB bezeichnete Zwecke Rückstellungen nicht gebildet werden (Passivierungsverbot). Im JA von Einzelkaufleuten dürfen nur betriebliche Schulden, im JA von Personenhandelsgesellschaften dürfen nur Gesamthandsverbindlichkeiten ausgewiesen werden (IDW, RS HFA 7.21); private Schulden dürfen nicht berücksichtigt werden (vgl. § 264c III HGB, § 5 IV PublG).
Für Verbindlichkeiten entfällt eine Passivierung, wenn sie erloschen sind (§ 362 BGB). Rückstellungen dürfen nur aufgelöst werden, soweit der Grund hierfür entfallen ist (§ 249 III Satz 2 HGB).

b) Bilanzierung der Höhe nach

(1) Bewertungsgrundsätze


Bei der Bewertung der im JA ausgewiesenen Schulden sind die allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 252 I HGB, insbes. das Vorsichtsprinzip (Nr. 4), zu beachten, von denen nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden darf (§ 252 II HGB).

(2) Bewertungsmaßstab


Bewertungsmaßstab für Schulden ist nach § 253 I Satz 2 HGB grundsätzlich der Rückzahlungsbetrag (= Erfüllungsbetrag). Dies ist bei Geldleistungsverpflichtungen der Nennwert und bei Sach- oder Dienstleistungsverpflichtungen der Geldwert der Aufwendungen, die zur Bewirkung der geschuldeten Leistung erforderlich sind. Die Bewertung von Rückstellungen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung repräsentiert keinen Bewertungsmaßstab, sondern einen allgemeinen Schätzungsrahmen; Rückstellungen sind – wie gewisse Schulden auch – mit dem Erfüllungsbetrag zu bewerten. Bewertungsmaßstab für Rentenverpflichtungen, für die eine Gegenleistung nicht mehr zu erwarten ist, ist der Barwert.

(3) Zugangsbewertung


Die Zugangsbewertung von Schulden erfolgt mit den Anschaffungskosten, die dem Rückzahlungsbetrag (= Erfüllungsbetrag) entsprechen.
Sachleistungsverpflichtungen sind mit den Vollkosten zu bewerten (str.). Fremdwährungsverbindlichkeiten sind mit dem Briefkurs im Entstehungszeitpunkt, Wechselverbindlichkeiten sind mit der Wechselsumme anzusetzen.
Nach § 253 I Satz 2 HGB dürfen Rückstellungen nur abgezinst werden, soweit die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten (offen oder verdeckt) einen Zinsanteil enthalten (z.B. gestundete Kaufpreisverbindlichkeiten). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass vom Kaufmann zu zahlende Zinsen, die auf die Zeit zwischen dem Bilanzstichtag und dem Erfüllungszeitpunkt der Schuld entfallen, nach den allgemeinen Grundsätzen der Abbildung schwebender Geschäfte bilanziell nicht zu erfassen und daher aus dem Erfüllungsbetrag auszuscheiden sind. Enthält die der Rückstellung zugrunde liegende Verbindlichkeit keinen Zinsanteil, besteht handelsrechtlich ein Abzinsungsverbot. Sachleistungsverpflichtungen dürfen (handelsrechtlich) nicht abgezinst werden.

(4) Folgebewertung


Der Wertansatz von Schulden ist nach dem Höchstwertprinzip (§ 252 I Nr. 4 HGB) zu erhöhen, wenn nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag der Erfüllungsbetrag gestiegen ist (z.B. bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, soweit keine geschlossene Position vorliegt). Umstritten ist, ob für Schulden das Wertaufholungsgebot nach § 280 I HGB analog gilt (ADS, 1995). Bejahendenfalls dürfen die Anschaffungskosten der Schulden nicht unterschritten werden. Nach inzwischen h.M. ist eine Bewertung von kurzfristigen (= bis zu einem Jahr) Fremdwährungsverbindlichkeiten mit dem Stichtagskurs mit dem Realisationsprinzip vereinbar (ADS, 1995).
Rückstellungen sind an jedem Bilanzstichtag nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zu bewerten.

(5) Ausnahmen vom Grundsatz der Einzelbewertung


Grundsätzlich ist bei der Bewertung von Schulden der Grundsatz der Einzelbewertung zu beachten (§ 252 I Nr. 3 HGB). Ausnahmen zum Grundsatz der Einzelbewertung bilden:

-

die Zusammenfassung gleichartiger und annähernd gleichwertiger Schulden zu einer Gruppe, die mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden können (§ 256 Satz 2 i.V.m. § 240 IV HGB),

-

die Bildung pauschaler Rückstellungen, z.B. für Garantien (st. Rspr. des BFH, die im Einklang mit der 4. EG-Richtlinie steht, so EuGH U v. 14.09.1999). Die Bildung von Pauschalrückstellungen setzt voraus, dass aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit oder der branchenmäßigen Erfahrung und der individuellen Gestaltung des Betriebs die Wahrscheinlichkeit besteht, (Garantie-) Leistungen erbringen zu müssen,

-

die Bildung von Bewertungseinheiten, z.B. für Fremdwährungsverbindlichkeiten, denen währungs-, betrags- und fristenidentische Forderungen gegenüberstehen (= geschlossene Position).

c) Ausweis


Nach § 247 I HGB hat der Kaufmann seine Schulden in der Bilanz gesondert auszuweisen.
Für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, soweit es sich nicht um solche i.S.v. § 264a HGB handelt, bedeutet dies, dass es eines gesonderten Ausweises der beiden Posten Rückstellungen und Verbindlichkeiten bedarf. In Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens und der Bedeutung der jeweiligen Posten kann indes eine weitere Aufgliederung geboten sein. Dies gilt beispielsweise für Pensionsrückstellungen, Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sowie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Verbindlichkeiten, die gegenüber Gesellschaftern bestehen, sind entweder als solche gesondert auszuweisen oder durch Vermerk kenntlich zu machen (IDW, 2002).
Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i.S.v. § 264a HGB haben für die Gliederung ihrer Schulden das Bilanzgliederungsschema des § 266 III HGB zu beachten. Danach sind für Rückstellungen drei Posten zu bilden:
Rückstellungen

1.

Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen;

2.

Steuerrückstellungen;

3.

sonstige Rückstellungen.


Der Ausweis der Verbindlichkeiten stellt sich wie folgt dar:
Verbindlichkeiten

1.

Anleihen,
davon konvertibel;

2.

Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten;

3.

erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen;

4.

Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen;

5.

Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel;

6.

Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen;

7.

Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht;

8.

sonstige Verbindlichkeiten
davon aus Steuern,
davon im Rahmen der sozialen Sicherheit.


Die nach § 274 I HGB zu bildende Rückstellung für latente Steuern ist entweder in der Bilanz oder im Anhang gesondert anzugeben.
Kleine Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i.S.v. § 264a HGB brauchen nach § 266 I Satz 3 HGB in einer verkürzten Bilanz nur die Posten Rückstellungen und Verbindlichkeiten ohne weitere Aufgliederung auszuweisen. Soweit es sich jedoch dabei um Verbindlichkeiten gegenüber GmbH-Gesellschaftern handelt, sind diese gem. § 42 III GmbHG als solche auszuweisen oder im Anhang anzugeben.
Erleichterungen für mittelgroße Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i.S.v. § 264a HGB sind nicht vorgesehen.
Zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Finanzlage der Gesellschaft ist gem. § 268 V Satz 1 HGB der Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr bei jedem gesondert ausgewiesenen Posten zu vermerken. Restlaufzeit ist die Zeit vom Bilanzstichtag bis zu dem Zeitpunkt der Erfüllung der Verbindlichkeit.
Der Restlaufzeitenvermerk wird durch die Angaben im Anhang zu den Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren ergänzt. Die Restlaufzeitenvermerke bis zu einem Jahr und von mehr als fünf Jahren können in einem Verbindlichkeitenspiegel zusammengefasst werden, der entweder in der Bilanz oder im Anhang ausgewiesen werden und folgenden Aufbau haben kann:
Rückstellungen

1.

Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen;

2.

Steuerrückstellungen;

3.

sonstige Rückstellungen.


Für die erhaltenen Anzahlungen auf Bestellungen besteht nach § 268 V Satz 2 HGB das Wahlrecht, diese von dem Posten „ Vorräte “ offen abzusetzen.
Nach § 265 II HGB ist zu jedem Posten der entsprechende Betrag des vorhergehenden Geschäftsjahrs anzugeben (Vorjahreszahlen).
Gem. § 265 III HGB ist bei einer Schuld, die unter mehrere Posten fällt, die Mitzugehörigkeit zu anderen Posten zu vermerken oder im Anhang anzugeben, wenn dies zur Aufstellung eines klaren und übersichtlichen JA erforderlich ist. Überschneidungen ergeben sich z.B. bei Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen sowie Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht.

d) Angaben im Anhang


Im Anhang sind zu den Schulden insbes. folgende Angaben zu machen: Neben den allgemeinen (Pflicht-) Angaben zu den angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und der Darstellung des Einflusses auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bei Abweichungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (§ 284 II Nr. 1 und 3 HGB)

-

sind die „ sonstigen Rückstellungen “ zu erläutern, soweit sie in der Bilanz nicht gesondert aufgegliedert werden und einen nicht unerheblichen Umfang aufweisen (§ 285 Nr. 12 HGB),

-

sind zu den in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten anzugeben:

 

1.

der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren (§ 285 Nr. 1a HGB),

2.

der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten, die durch Pfandrechte oder ähnliche Rechte gesichert sind, unter Angabe von Art und Form der Sicherheiten (§ 285 Nr. 1b HGB),

3.

die Aufgliederung der in 1) und 2) verlangten Angaben für jeden Posten der Verbindlichkeiten nach dem vorgeschriebenen Gliederungsschema, sofern sich diese Angaben nicht aus der Bilanz ergeben (285 Nr. 2 HGB).


Der Restlaufzeitenvermerk aus der Bilanz (Verbindlichkeiten bis zu einem Jahr) und die im Anhang anzugebenden Verbindlichkeiten von mehr als fünf Jahren können in einem Verbindlichkeitenspiegel zusammengefasst werden, der entweder in der Bilanz oder im Anhang ausgewiesen werden kann (vgl. II.1.c).
Die nach § 274 I HGB zu bildende Rückstellung für latente Steuern ist – soweit sie nicht in der Bilanz gesondert angegeben wurde – im Anhang zu vermerken.
Kleine Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i.S.v. § 264a HGB brauchen die Aufgliederung nach § 285 Nr. 2 HGB nicht vorzunehmen. Erleichterungen für mittelgroße Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i.S.v. § 264a HGB bestehen nicht.
Gem. § 268 V HGB sind die in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten, die erst nach dem Abschlussstichtag entstehen, im Anhang zu erläutern, sofern es sich um Beträge handelt, die einen größeren Umfang haben. Es handelt sich hierbei um antizipative Passiva, die rechtlich erst nach dem Bilanzstichtag entstehen. Die rechtliche Entstehung nach dem Bilanzstichtag stellt indes einen Ausnahmefall dar. Die üblichen antizipativen Passiva, die Aufwand des abgelaufenen Geschäftsjahrs sind und erst später zu Ausgaben führen, sind bereits am Bilanzstichtag rechtlich entstanden und werden nur später fällig (z.B. Mieten für das abgelaufene Geschäftsjahr).

2. Steuerbilanz


Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz (§ 5 I Satz 1 EStG) sind die in der Handelsbilanz passivierten Schulden auch in der Steuerbilanz anzusetzen, es sei denn, dass dem ausdrückliche steuerrechtliche Normen entgegenstehen. Als besonders bedeutsame Beispiele für Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes sind v.a. hinsichtlich der Bilanzierung dem Grunde nach das Passivierungsverbot für Drohverlustrückstellungen (§ 5 IVa EStG) und hinsichtlich der Bilanzierung der Höhe nach die mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 in § 6 I Nr. 3 und Nr. 3a EStG sanktionierten Grundsätze zur Bewertung von Schulden zu nennen.
Nach § 6 I Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten grundsätzlich mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen; ist der Teilwert der Verbindlichkeit aufgrund einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung (BMF-Schreiben, vom 25.02.2000) höher, so kann dieser angesetzt werden. Zu beachten ist das strikte Wertaufholungsgebot für Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz: So ist eine Verbindlichkeit wieder bis auf ihre ursprünglichen Anschaffungskosten abzuwerten, wenn ihr Wert (aus irgend einem Grunde) wieder fällt. Verbindlichkeiten sind mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen. Ausgenommen sind Verbindlichkeiten, deren (Rest-)Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt, die verzinslich sind (BMF-Schreiben, vom 23.08.1999 und BMF-Schreiben, vom 26.05.2005) oder die auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen (§ 6 I Nr. 3 EStG).
Für Rückstellungen hat der Gesetzgeber in § 6 I Nr. 3a EStG eigenständige Bewertungsgrundsätze bestimmt, die indes nicht abschließend sind. Dem Ziel, eine realitätsnähere Bewertung von Rückstellungen zu erreichen, sollen dienen:

-

die Berücksichtigung von Erfahrungen aus der Vergangenheit aus der Abwicklung von Rückstellungen,

-

die Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen mit den Einzelkosten und angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten,

-

die rückstellungsmindernde Berücksichtigung von künftigen Vorteilen, die mit der Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich verbunden sein werden,

-

die zeitanteilige (ratierliche) Ansammlung von Rückstellungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, sowie

-

die (grundsätzliche) Abzinsung von Geld- und Sachleistungsverpflichtungen unabhängig davon, ob die der Rückstellung zugrunde liegende Verbindlichkeit einen Zinsanteil enthält.


III. Konzernabschluss


Für den Ausweis, die Bilanzierung und Bewertung der Schulden im Konzernabschluss gelten grundsätzlich die für den Einzelabschluss relevanten Normen, soweit seine Eigenart keine Abweichung bedingt oder in Sondervorschriften nichts anderes bestimmt ist (§ 298 I HGB).
Eine Sondervorschrift für Schulden im Konzernabschluss bildet § 303 HGB, nach der innerkonzernliche Schuldverhältnisse grundsätzlich zu eliminieren sind (Ausnahme: § 303 II HGB). Die kasuistisch enumerative Aufzählung der Objekte der Schuldenkonsolidierung in § 303 I HGB ist nicht abschließend. Zu eliminieren sind alle Posten innerhalb und unter der Bilanz sowie im Anhang, die Forderungs- oder Verbindlichkeitscharakter haben. Die Schuldenkonsolidierung erfasst Unternehmen, die in den Konzernabschluss aufgrund der Voll- oder Quotenkonsolidierung (§§ 303, 310 II HGB) einbezogen werden; sie gilt nicht für die Equity-Methode (§ 312 HGB).
Drittschuldverhältnisse dürfen eliminiert werden, falls die zivilrechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 387 BGB) erfüllt sind.

IV. Prüfung der Schulden


Grundsätzlich sind für die Prüfung der Schulden die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung zu beachten. Dabei ist im Rahmen der Prüfung des internen Kontrollsystems (IKS) zunächst festzustellen, ob die organisatorischen Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit eines ordnungsgemäßen internen Kontrollsystems vorhanden sind. Für die Prüfung des IKS für Schulden sind Fragenkataloge und Checklisten entwickelt worden (IDW, 2006; Pfleger, 1997).
Im Rahmen einzelfallorientierter Prüfungshandlungen ist bei der Prüfung der Schulden grundsätzlich zwischen der Bestands-, der Bewertungs- und der Ausweisprüfung zu unterscheiden (Buchner, 1996). Während sich die Bestandsprüfung der Frage widmet, inwieweit der Ansatz der Schulden zulässig und vollständig ist, wird im Rahmen der Bewertungsprüfung die Übereinstimmung des Wertansatzes mit den gesetzlichen Vorschriften verifiziert. Die Prüfung des Ausweises der Schulden erstreckt sich auf den Ausweis in der Bilanz und der GuV sowie auf die (Vollständigkeit der) Anhangangaben.
Der Fokus der Prüfung im Bereich der Rückstellungen liegt insbes. in der Feststellung, ob für passivierungspflichtige ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste auch tatsächlich Rückstellungen gebildet worden sind und ob die gebildeten Rückstellungen zutreffend dotiert sind. Zu Beginn der Prüfung muss sich der Prüfer einen Überblick über die buchmäßige Behandlung der bisher gebildeten Rückstellungen verschaffen (Kontenentwicklung). Darauf aufbauend ist zu prüfen,

-

ob der Rückstellungsgrund unverändert fortbesteht oder

-

weggefallen ist, sodass die Rückstellung aufgelöst werden muss, oder

-

ob inzwischen neue Erkenntnisse oder Ereignisse eingetreten sind, die die ursprünglich gebildete Rückstellung als zu niedrig erscheinen lassen, sodass eine höhere Dotierung notwendig ist.


Hinsichtlich des Ausweises muss sich der Prüfer davon überzeugen, dass neben der im gesetzlichen Gliederungsschema vorgesehenen Untergliederung die gesonderten Angabe- bzw. Erläuterungspflichten der §§ 274 I Satz 1, 285 Nr. 12 HGB beachtet wurden.
Im Bereich der Verbindlichkeiten ergeben sich Besonderheiten der Prüfung unmittelbar aus dem jeweiligen Verbindlichkeitsposten, der zu prüfen ist. So sind z.B. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten hinsichtlich ihrer Bestandsprüfung anhand von Tagesauszügen und Saldenbestätigungen zu verifizieren und mit den Konten abzustimmen. Bei Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen erfolgt der Nachweis durch eine Saldenliste. Soweit wie möglich, sollte der Prüfer für die am Bilanzstichtag ausgewiesenen Salden Bestätigungen einholen, um eine Abstimmung mit den Salden auf den Kontokorrentkonten und der Saldenliste vornehmen zu können. Auch bei den sonstigen Verbindlichkeiten bleibt es bei der gleichen Prüfungstechnik, d.h. die Salden der Kontokorrentkonten sind mit eventuell vorhandenen Saldenbestätigungen sowie mit dem Hauptbuchkonto abzustimmen. Die Bewertungsprüfung hat darauf abzustellen, ob die Verbindlichkeiten mit dem Rückzahlungsbetrag und Rentenverpflichtungen, für die eine Gegenleistung nicht mehr zu erwarten ist, mit dem Barwert angesetzt wurden. Bei der Ausweisprüfung ist darauf zu achten, dass in der Bilanz der Ausweis der Verbindlichkeiten entsprechend § 266 III C. HGB im Einklang steht (zu zulässigen Abweichungen siehe § 265 HGB). Die Prüfung der Vollständigkeit der Anhangsangaben erfolgt in der Prüfungspraxis mittels Checklisten.

V. Einzelfragen zu Verbindlichkeiten


1. Verjährte Verbindlichkeiten


Die Verjährung führt nicht zum Erlöschen der Verbindlichkeit (§ 214 BGB), sondern begründet lediglich eine dauernde Einrede, also ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners. Verjährte Verbindlichkeiten sind auszubuchen, wenn die Einrede erhoben wurde und der Kaufmann die Zahlung auch in Zukunft verweigern will. Wurde die Einrede noch nicht erhoben, muss die Verbindlichkeit passiviert bleiben, wenn sich der Kaufmann der Leistungsverpflichtung aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann (= faktischer Leistungszwang) und mit der Inanspruchnahme rechnen muss.

2. Bedingte Verbindlichkeiten


Aufschiebend bedingte Verbindlichkeiten (§ 158 I BGB) sind erst mit dem Bedingungseintritt als Verbindlichkeiten zu passivieren. Vor Bedingungseintritt ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn die künftigen Ausgaben wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht sind und der Eintritt der Bedingung hinreichend wahrscheinlich ist.
Auflösend bedingte Verbindlichkeiten (§ 158 II BGB) erlöschen mit dem Eintritt der Bedingung. Umstritten ist, ob auflösend bedingte Verbindlichkeiten bis zum Eintritt der Bedingung als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (Ellrott, /Förschle, et al.2006) oder als Verbindlichkeit (ADS, 1995) zu passivieren sind.

3. Gewinnabhängige Verbindlichkeiten


Gewinnabhängige Verbindlichkeiten sind vor Erzielung des Gewinns, aus dem sie zu bedienen sind, grundsätzlich nicht zu passivieren, da derartige Verpflichtungen nicht das Stichtagsvermögen, sondern künftiges Vermögen belasten und deshalb noch keine wirtschaftliche Last repräsentieren (für das Steuerrecht § 5 IIa EStG).

4. Kapitalersetzende Darlehen


Kapitalersetzende Darlehen i.S.d. §§ 32a, b GmbHG (sinngemäß für die Personenhandelsgesellschaften & Co., §§ 129a, 172a HGB) oder i.S.d. Rechtsprechung des BGH zu den §§ 30, 31 GmbHG sind als Verbindlichkeiten in Handels- und Steuerbilanz zu passivieren (Ellrott, /Förschle, et al.2006 m.w.N.); sie sind auch im Überschuldungsstatus als Passivposten anzusetzen (§ 39 II, V Nr. 5 InsO).

5. Verbindlichkeiten mit Rangrücktritt


Vereinbaren Gläubiger und Schuldner – zwecks Beseitigung oder Abwendung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung – einen qualifizierten Rangrücktritt, so ist die Verbindlichkeit in Handels- und Steuerbilanz weiterhin zu passivieren, da die Rangrücktrittsvereinbarung nicht den Bestand der Verbindlichkeit berührt, sondern lediglich zu einer veränderten Rangordnung bei den Verbindlichkeiten führt (so HFA 2005; BFH-Urteil v. 10.11.2005). In der Überschuldungsbilanz ist die Verbindlichkeit dagegen nicht mehr zu passivieren (BGH Urteil v. 08.01.2001).

6. Genussrechtskapital


Genussrechtskapital ist als Eigenkapital zu qualifizieren, wenn folgende Merkmale kumulativ erfüllt sind (IDW, 1994a):

-

Ein Rückzahlungsanspruch des Genussrechtsinhabers kann im Insolvenz- oder Liquidationsfall erst nach Befriedigung aller anderen Gläubiger geltend gemacht werden,

-

die Vergütung für die Kapitalüberlassung ist erfolgsabhängig, d.h. sie muss unter der Bedingung stehen, dass sie nur aus Eigenkapitalbestandteilen geleistet werden darf, die nicht besonders gegen Ausschüttungen geschützt sind,

-

das Genussrechtskapital muss am Verlust bis zur vollen Höhe teilnehmen und

-

das Genussrechtskapital wird für einen längeren Zeitraum überlassen, während dessen die Rückzahlung für beide Seiten ausgeschlossen ist.


Ist eine der vorbezeichneten Merkmale nicht erfüllt, so ist das Genussrechtskapital als Verbindlichkeit zu qualifizieren.

VI. Schulden nach International Financial Reporting Standards


1. Definitionen und Ansatzkriterien


Unter dem Oberbegriff Schulden verstehen die International Financial Reporting Standards (IFRS) sowohl Verbindlichkeiten und Rückstellungen als auch Sachverhalte, die nach deutschem Bilanzrecht passive Rechungsabgrenzungsposten darstellen würden (Baetge, J./Kirsch, J./Thiele, S. 2005, S. 183). Anders als im HGB, in dem Ansatz, Bewertung und Ausweis von Schulden allgemein geregelt sind (§§ 249, 253, 266 HGB), finden sich in den IFRS zahlreiche Standards, die dezidiert und sachverhaltsbezogen die Bilanzierung von Schulden adressieren (z.B. IAS 12 Ertragssteuern, IAS 19 Leistungen an Arbeitnehmer, IAS 37 Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen; IAS 39 Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung). Diese Einzelregelungen basieren auf der allgemeinen Definition von Schulden in F.49 sowie den Ansatz- und Bewertungsvorschriften in F.82ff, F.99ff (ADS 2003, S. 63ff).
Nach F.49 ist eine Schuld eine gegenwärtige, aufgrund eines vergangenen Ereignisses eingetretene Verpflichtung gegenüber einem Dritten ( „ another party “ wird in F.47 nicht explizit erwähnt, wohl aber beispielsweise in IAS 37), deren Erfüllung wahrscheinlich zu einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen führen wird. Nur wenn diese Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, darf eine Verbindlichkeit oder Rückstellung passiviert werden. Ob tatsächlich ein Bilanzansatz erfolgt, hängt zusätzlich davon ab, ob die beiden folgenden Ansatzkriterien erfüllt sind: So muss erstens der zukünftige Ressourcenabfluss wahrscheinlich ( „ more likely than not “ , d.h. Eintrittswahrscheinlichkeit größer als 50%) und zweitens in seiner Höhe verlässlich bestimmbar sein (F.83, F.86, F.91). Sind diese Ansatzkriterien nicht erfüllt, kann unter Umständen eine Anhangangabe zu Eventualverbindlichkeiten ( „ contingent liabilities “ ) oder aber eine Erläuterung in ergänzenden Unterlagen erforderlich sein (F.87). Zu beachten ist indes, dass die Regelungen des Frameworks zu den Schulden den sachverhaltsspezifischen Regelungen einzelner Standards, z.B. IAS 37 in Bezug auf Rückstellungen, untergeordnet sind.

2. Verbindlichkeiten im engeren Sinne

a) Finanzielle Verbindlichkeiten


Die IFRS behandeln Verbindlichkeiten aus Finanzinstrumenten in gesonderten Standards (insbesondere IAS 32 und IAS 39). Eine finanzielle Verbindlichkeit im Sinne des IAS 32 liegt vor, wenn ihre Erfüllung mit Zahlungsmitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten bzw. mit bestimmten Eigenkapitalinstrumenten erfolgen kann (Kuhn, S./Scharpf, P. 2005, S. 59 f.).
Die Erstbewertung finanzieller Verbindlichkeiten erfolgt zu Anschaffungskosten, die regelmäßig mit dem beizulegenden Zeitwert der Gegenleistung (Transaktionspreise) übereinstimmen (Baetge, J./Kirsch, J./Thiele, S. 2005, S. 270). Im Zuge der Folgebewertung sind finanzielle Verbindlichkeiten in der Regel zu fortgeführten Anschaffungskosten anzusetzen, wobei eventuell anfallende Anschaffungsnebenkosten sowie (Dis-)Agien unter Anwendung der Effektivzinsmethode über die Laufzeit verteilt werden. Dies bedeutet, dass der bilanzielle Wert der Verbindlichkeit in jeder Periode erfolgswirksam um die Effektivverzinsung zu korrigieren ist.
Eine Ausnahme von der Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten besteht zum einen für finanzielle Verbindlichkeiten, die im Rahmen der so genannten Fair Value Option als „ at fair value through profit or loss “ designiert wurden. Diese sind sowohl bei der Erst- als auch im Rahmen der Folgebewertung mit ihrem Fair Value anzusetzen, wobei Wertänderungen erfolgswirksam zu erfassen sind. Zum anderen sind finanzielle Verbindlichkeiten von der Folgebewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten ausgenommen, die dadurch entstehen, dass die Übertragung eines finanziellen Vermögenswertes die Ausbuchungskriterien nicht erfüllt (Kuhn, S./Scharpf, P. 2005, S. 202). Als Fair Value sind – sofern vorhanden – Marktpreise anzusetzen. Liegen diese nicht vor, sind anerkannte Bewertungsmethoden wie etwa die Fair Values vergleichbarer Instrumente, Discounted Cash Flows oder aber Optionsbewertungsmodelle zu verwenden (IAS 39.AG69ff).

b) Rückstellungen


Rückstellungen fallen, soweit sie nicht von einem gesonderten Standard erfasst werden, wie etwa Pensionsrückstellungen (IAS 19) und Steuerrückstellungen (IAS 12), unter den Anwendungsbereich von IAS 37. Die Definition von Rückstellungen in IAS 37.14 entspricht der generellen Schuldendefinition aus F.49. Sie muss zwingend erfüllt sein, um eine (Dritt-)Verpflichtung als Rückstellung zu passivieren. Nach IAS 37.7 sind unter Rückstellungen solche Schulden zu verstehen, die hinsichtlich ihrer Höhe und/oder Fälligkeit unsicher sind. Die Verpflichtung kann sowohl rechtlicher als auch faktischer Natur sein, sich also zum Beispiel auch aus der betrieblichen Praxis des bilanzierenden Unternehmens oder öffentlichen Ankündigungen ergeben. Ein zwingend zu erfüllendes Ansatzkriterium ist, dass das bilanzierende Unternehmen keine realistische Möglichkeit hat, sich der Verpflichtung zu entziehen (v. Keitz, J. von/Dörner, D./Wollmert, P/Oser, P. 2002, S. 456).
Bewertungsmaßstab für Rückstellungen ist der Betrag, der nach bestmöglicher Schätzung ( „ best estimate “ ) zur Erfüllung der Verpflichtung zum Bilanzstichtag oder zur Übertragung auf einen Dritten erforderlich ist (IAS 37.36f). Rückstellungen sind mit dem Barwert anzusetzen, falls ein wesentlicher Zinseffekt besteht; in den Folgeperioden ist der Barwert entsprechend erfolgswirksam aufzuzinsen. Die Rückstellungen sind zu jedem Bilanzstichtag dem Grunde und der Höhe nach auf ihre Angemessenheit zu überprüfen (Ballwieser, W. 2005, S. 611).
Rückstellungen sind in ihrem Entstehungszeitpunkt stets mit dem vollen, gegebenenfalls abgezinsten, Erfüllungsbetrag zu passivieren. Eine ratierliche Ansammlung von Rückstellungen für Verpflichtungen, die bereits entstanden sind, ist – im Gegensatz zum HGB – nach IFRS grundsätzlich nicht zulässig, bspw. im Falle der Entsorgungsverpflichtung für ein Kernkraftwerk. Faktisch wird der Jahresüberschuss i.d.R. indes nicht beeinflusst, da der Betrag, mit dem die Rückstellung passiviert wird, zugleich – soweit vorhanden – die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines korrespondierenden Vermögenswerts erhöht. Die Aufwandsverrechnung erfolgt in diesen Fällen über die höheren Abschreibungen des Vermögenswerts über dessen Nutzungsdauer.
Im Gegensatz zum deutschen Handelsrecht fallen Innenverpflichtungen nicht unter den Rückstellungsbegriff und sind somit nicht passivierungsfähig. Dies trifft vor allem auf Aufwandsrückstellungen zu. Grundsätzlich dürfen für solche Verpflichtungen, die von künftigen Entscheidungen des Unternehmens abhängen und somit von ihm beeinflussbar sind, keine Rückstellungen gebildet werden (Baetge, J./Kirsch, J./Thiele, S. 2005, S. 457).
Rückstellungen im Sinne des IAS 37 sind beispielsweise für folgende Sachverhalte zu bilden:

-

vertragliche Verpflichtungen aus belastenden Verträgen, sofern die zur Erfüllung der Verpflichtung unvermeidlichen Kosten den erwarteten wirtschaftlichen Nutzen übersteigen,

-

Restrukturierungsmaßnahmen, sofern bestimmte Kriterien ihre Konkretisierung betreffend erfüllt sind (vgl. IAS 37.72),

-

Prozessrisiken,

-

Umweltschutzmaßnahmen,

-

Gewährleistungen (Baetge, J./Kirsch, J./Thiele, S. 2005, S. 461; Ballwieser, W. 2005, S. 461).


Es ist zu beachten, dass die Vorschriften zu Rückstellungen nach IFRS keine Wahlrechte einräumen, sondern grundsätzlich entweder eine Passivierungspflicht oder ein -verbot gilt, abhängig davon, ob die konkreten Ansatzkriterien erfüllt sind oder nicht (vgl. Hayn, S./Waldersee, G. 2004, S. 177f).

c) Eventualschulden


Die Behandlung von Eventualschulden ist ebenfalls in IAS 37 geregelt. Darunter fallen mögliche Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, die aus vergangenen Ereignissen resultieren, deren Existenz aber noch vom (Nicht-)Eintritt zukünftiger Ereignisse abhängt, sowie solche, die das Kriterium der Wahrscheinlichkeit ( „ more likely than not “ ) und/oder der zuverlässigen betragsmäßigen Schätzbarkeit nicht erfüllen und somit nicht als Rückstellung oder Verbindlichkeit i.e.S. passiviert werden dürfen (IAS 37.10). Anstelle dessen sind im Anhang Angaben über die geschätzten finanziellen Auswirkungen, die auf den Betrag oder die Fälligkeit bezogenen Unsicherheiten sowie über die Möglichkeit einer Erstattung der Eventualschuld zu machen, sofern der Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen nicht unwahrscheinlich ( „ remote “ ) ist (Ballwieser, W. 2005, S. 618ff; IAS 37.27). Dagegen sind Eventualschulden, die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses übernommen werden, im Zuge der Kaufpreisallokation (purchase price allocation) mit dem Fair Value zu passivieren, sofern dieser verlässlich ermittelt werden kann (IFRS 3.37).

3. Ausweis


Eine verpflichtend anzuwendende Gliederung der Bilanz schreiben die IFRS nicht vor. IAS 1.68 enthält lediglich eine Mindestauflistung von in der Bilanz auszuweisenden Posten, die um zusätzliche Posten zu erweitern ist, sofern dadurch relevante Informationen bereitgestellt werden. Grundsätzlich sind Schulden ebenso wie Vermögenswerte gemäß IAS 1.51 nach ihrer Fristigkeit in kurzfristige und langfristige zu unterscheiden und als solche getrennt in der Bilanz auszuweisen. Eine Gliederung nach der Liquidität ist nur dann zulässig, wenn dadurch verlässlichere und relevantere Informationen bereitgestellt werden. Unabhängig von der angewandten Bilanzgliederung sind die Beträge, die nach mehr als 12 Monaten fällig sind, gesondert auszuweisen, falls unter einem Posten kurz- und langfristige Beträge zusammengefasst werden (IAS 1.52). Schließlich sind einige Sachverhalte, die nach handelsrechtlichem Verständnis unter den Rückstellungen subsumiert werden, wie Urlaubs- oder Gleitzeitrückstellungen, nach IFRS als abgegrenzte Schulden unter den Verbindlichkeiten auszuweisen. Ebenso kennen die IFRS nicht den gesonderten Ausweis von Rechnungsabgrenzungsposten im Sinne des HGB. Entsprechende Sachverhalte sind nach IFRS unter den Verbindlichkeiten auszuweisen.
Daneben sehen die relevanten Standards bilanzpostenbezogene Anhangangaben vor, z.B. für Pensionsrückstellungen (IAS 19).

4. Wesentliche Unterschiede in der Schuldenbilanzierung zwischen HGB und IFRS


Grundsätzlich sind nach IFRS nur Außenverpflichtungen zu passivieren. Im Gegensatz hierzu ermöglicht das deutsche Handelsrecht den Ansatz von Innenverpflichtungen, insbesondere in Form von Instandhaltungs- und Aufwandsrückstellungen (§ 249 HGB).
Während der Ansatz von Rückstellungen zu Barwerten im deutschen Handelsrecht in der Regel nicht zulässig ist, müssen nach IFRS wesentliche Zinseffekte bei der Bewertung berücksichtigt werden.
Abweichungen zwischen HGB und IFRS resultieren weiterhin aus der unterschiedlichen Bedeutung des Vorsichtsprinzips, der anderen Lesart des Stichtagsprinzips bezüglich der Berücksichtigung von zukünftigen Preis- und Kostenverhältnissen oder dem unterschiedlichen Passivierungszeitpunkt, bspw. im Falle der Entsorgungsverpflichtung für ein Kernkraftwerk.
Schließlich ergeben sich aus in einzelnen Standards geregelten Sachverhalten, bspw. bezüglich Pensionsrückstellungen, latenten Steuerschulden, finanziellen Verbindlichkeiten etc. zahlreiche Unterschiede zwischen HGB und IFRS.
Literatur:
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Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. : Bilanzen, 8. A., Düsseldorf 2005
Ballwieser, W. : WILEY-Kommentar zur internationalen Rechnungslegung nach IAS/IFRS, Braunschweig 2004
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BFH, : Urteil v. 24.03.1999, in: DB 1999, S. 1783 – 1784
BFH, : Urteil v. 10.11.2005, in: DB 2006, 308 – 312
BGH, : Urteil v. 09.02.1987, in: DB 1987, S. 979 – 985
BGH, : Urteil v. 08.01.2001, in: ZIP 2001, 235 – 242
BMF, : Schreiben vom 23.08.1999, in: DB 1999, S. 1730
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Buchner, R. : Rechnungslegung und Prüfung der Kapitalgesellschaft, 3. A., Stuttgart 1996
Ellrott, H./Förschle, G. : § 247 HGB, in: Beck\'scher Bilanz-Kommentar, hrsg. v. Ellrott, H./Förschle, G./Hoyos, M. et al., 6. A., München 2006
EuGH, : Urteil v. 14.09.1999, in: DB 1999, S. 2035 – 2037
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Pfleger, G. : Arbeitshandbuch für die Jahresabschlussprüfung, 3. A., Freiburg i. Br. 1997
WP-Handbuch 2006, : , Bd. I, 13. A., Düsseldorf 2006

 

 


 

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