A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Fundamentalanalyse


Inhaltsübersicht
I. Begriffliche Abgrenzung
II. Bedeutung fundamentaler Daten für Kapitalanlageentscheidungen
III. Methoden der Fundamentalanalyse
IV. Empirische Befunde zur Fundamentalanalyse
V. Ausblick

I. Begriffliche Abgrenzung


Unter Fundamentalanalyse versteht man eine Form der Wertpapieranalyse, mit deren Hilfe versucht wird, den inneren Wert von Wertpapieren unter Verwendung allgemein verfügbarer gesamtwirtschaftlicher, branchen- sowie unternehmensbezogener Daten abzuschätzen.
Für die Fundamentalanalyse werden im Gegensatz zur Unternehmensbewertung nur allgemein zugängliche Informationen verwendet, im Rahmen der Fundamentalanalyse findet also eine externe Unternehmensbewertung statt. Die Bewertung basiert dabei auf deduktiv abgeleiteten Bewertungsmodellen oder auf Zusammenhängen, die mit Hilfe statistischer Methoden oder anderer Verfahrensweisen induktiv gewonnen werden. Die Fundamentalanalyse wird oft zusammen mit der technischen Aktienanalyse betrieben, die sich auf die Auswertung von Kurs- und Umsatzdaten an der Börse beschränkt.

II. Bedeutung fundamentaler Daten für Kapitalanlageentscheidungen


Investoren fällen Urteile über den Wert von Kapitalanlagen primär aufgrund der erwarteten Einzahlungen, die auf die Auszahlung beim Erwerb eines Finanztitels folgen werden. Das dabei verfolgte Ertragswertkonzept bildet die Basis der Fundamentalanalyse. Der innere Wert (Intrinsic Value) eines Finanztitels wird dessen Börsenkurs gegenübergestellt, woraus sich eine Unter- oder Überbewertung aus Sicht des Bewertenden ergeben und zu entsprechenden Empfehlungen und/oder Handlungen am Kapitalmarkt führen kann.
Änderungen in den Erwartungen über die Einflussgrößen (Informationen), die den Zahlungsstrom des Investors bestimmen, ziehen entsprechende Bewertungskorrekturen nach sich. Nach Fama (Fama, E. F. 1970) unterscheidet man in der Literatur in diesem Zusammenhang drei Formen der Informationseffizienz des Kapitalmarktes:
– Schwache Informationseffizienz liegt vor, wenn der Marktpreis eines Finanztitels alle Informationen widerspiegelt, die aus vergangenen Kursentwicklungen extrahiert werden können.
– Halbstrenge Informationseffizienz ist gegeben, wenn die Marktpreise alle öffentlich verfügbaren Informationen enthalten.
– Strenge Informationseffizienz existiert, wenn alle überhaupt verfügbaren Informationen in den Marktpreisen reflektiert sind.
Wer Fundamentalanalysen vornimmt, geht also von der Annahme aus, dass der Kapitalmarkt nicht halbstreng informationseffizient ist, sonst würde er ein Stock Picking ja nicht versuchen. Zur Frage der Informationseffizienz des Kapitalmarktes liegen inzwischen auch für Deutschland empirische Befunde vor, nach denen insgesamt von einer halbstrengen Informationseffizienz ausgegangen werden kann (Schmidt, R./May, A. 1993; May, A. 1994). Dennoch kommt es bei einzelnen Titeln und in einzelnen Phasen immer wieder zu Ineffizienzen; hier liegt dann die Rechtfertigung einer Fundamentalanalyse, deren Kosten allerdings auch zu beachten sind (Lewellen, W. G./Lease, R. C./Schlarbaum, G. G. 1979).
In der Literatur (Schmidt, R. H. 1976) wird auch eingewendet, der Anleger unterliege einer Illusion, wenn er an die eigene bessere Auswertungsmöglichkeit von Informationen im Vergleich zum Markt glaube. Der Stellenwert der Fundamentalanalyse für die Kapitalanlage bleibt zwar insofern aus theoretischer Sicht umstritten. Fundamentalanalyse kann aber auch durch Informationsaufbereitung, Interpretation und Prognose zu für den Markt neuen Informationen führen. So weitet sich das Investmentresearch, das in der Praxis professionell von den Finanzanalysten betrieben wird, nicht nur vom Umfang, sondern auch von der Methodik her immer mehr aus.

III. Methoden der Fundamentalanalyse


Im Rahmen eines dreistufigen Top-Down-Ansatzes geht man bei der Fundamentalanalyse von der Gesamtwirtschaft aus, berücksichtigt darauf aufbauend Branchenbesonderheiten und analysiert schließlich das einzelne Wertpapier. Die Einzelanalysen sind dabei auch für die auf ein Wertpapier bezogenen Derivate relevant; z.B. muss ein Spekulant in Optionsscheinen nicht nur bedingte Ansprüche, sondern auch das Basisobjekt Aktie als Underlying bewerten. Einzelanalysen genügen aber wegen der von Markowitz (Markowitz, H. M. 1959) methodisch begründeten und empirisch bestehenden Korrelation von Wertpapierrenditen nicht, vielmehr ist die Einzelanalyse mit der Portefeuilleanalyse zu verbinden.
In der Researchpraxis verfolgt man neuerdings auch einen Bottom-Up-Ansatz, indem aus Einzelbewertungen abgeleitete Kursziele unter Verwendung von Gewichten zu Branchenbewertungen und -prognosen verdichtet werden.

1. Analyse und Prognose der wirtschaftlichen Gesamt- und Branchenentwicklung


Bei der gesamtwirtschaftlichen Analyse geht es einerseits um Einzelanalysen, vor allem von Konjunkturindikatoren, andererseits um Analysen auf Basis ökonometrischer Gesamtmodelle. Die Praxis hat für die Beziehung zwischen konjunktureller Entwicklung und Börsenkursentwicklung besonders anschauliche Darstellungen gefunden (Börsentrendbarometer). Eine Schlüsselrolle nimmt die Analyse und Prognose der Zinsentwicklung ein, weil der Kapitalmarktzins direkt in die Kapitalkosten eines Aktienbewertungsmodells eingeht.
Zweck der Branchenanalyse ist die Feststellung branchenspezifischer Abweichungen von der Entwicklung der Gesamtwirtschaft. Auch wird bestimmten Branchenindikatoren besondere Bedeutung zugemessen, wie z.B. dem Auftragseingangsindex im Maschinenbau. Branchenanalysen gewinnen unter dem Blickwinkel einer nicht an Einzelwerten, sondern an Branchen orientierten Portefeuillezusammenstellung weiter an Bedeutung. Als Ergebnis empfehlen Finanzanalysten dann in Bezug auf einzelne Branchen eine Über- oder Untergewichtung im Vergleich mit den Gewichten in einem Börsenindex.

2. Fundamentale Aktienanalyse

a) Direkte Aktienbewertung


Bei der direkten Aktienbewertung wird der innere Wert einer Aktie im Wege externer Unternehmensbewertung direkt aus der Diskontierung der zukünftigen Ausschüttungen bestimmt. Die Diskontierung zukünftiger Dividenden hat bei der fundamentalen Aktienbewertung schon seit Jahrzehnten Tradition. Im einfachsten Fall wird eine unendlich lange fließende konstante Dividende D angenommen, die mit den Eigenkapitalkosten k diskontiert wird. k wird als Bruchteil gemessen (k=p/100, wenn p der entsprechende Prozentsatz ist). Durch Anwendung der Summenformel für die unendliche geometrische Reihe ergibt sich dann der geschätzte Kurswert K(0):
Fundamentalanalyse
Brauchbarer als (1) ist schon ein Modell mit konstantem Dividendenwachstum. In diesem Modell, das in den Lehrbüchern das Standardmodell bildet, lässt man die Dividende des ersten Jahres D(1) jährlich um den Faktor (1+g) wachsen, wobei g die Wachstumsrate darstellt. Wiederum ergibt sich aus der Summenformel für eine unendliche geometrische Reihe:
Fundamentalanalyse
Die Formel (2) kann auch verfeinert werden, indem Phasen eines unterschiedlichen Dividendenwachstums unterschieden werden (Mehrphasenmodelle). Auf dieser Basis werden in der Praxis des Aktienresearch Bandbreiten für den angemessenen Aktienkurs abgeleitet. Anhand des Modells kann man auch erklären, warum der Aktionär nicht unbedingt nach Dividende streben muss und warum eine Orientierung an der Dividendenrendite, d.h. an D(1)/K(0), verfehlt ist. Bezeichnet man den Gewinn des ersten Jahres mit G(1), die Eigenkapitalrendite des Unternehmens mit r und die Einbehaltungsrate des Gewinns mit b, dann gilt:
Fundamentalanalyse
Die Wachstumsrate des Gewinns ist also das Produkt aus Eigenkapitalrendite und Einbehaltungsrate. Ersetzt man D(1) durch (1-b) · G(1), dann kann (2) unter Beachtung von (3) auch wie folgt geschrieben werden:
Fundamentalanalyse
Der Kurswert nach (4) kann bei einer hohen Einbehaltungsrate – also bei einer geringen Ausschüttungsquote – durchaus hoch werden. Der Kurswert hängt allerdings davon ab, zu welcher Eigenkapitalrendite sich der thesaurierte Gewinn verzinst, eben davon, inwieweit durch die Thesaurierung „ Wert “ geschaffen werden kann.
Zur Veranschaulichung des Wert steigernden Effekts wachsender Gewinne spalten Brealey/Myers (Brealey, /Myers, 2000) den Kurswert eines Unternehmens auf, indem sie zunächst von einem Ertragswert (Barwert) mit einem Nullwachstum der Gewinne ausgehen und einen Term addieren, der den Ertragswert der Wachstumsmöglichkeiten (PVGO als „ Present Value of Growth Opportunities “ ) angibt:
Fundamentalanalyse
In (5) ist K(0) der gemäß (2) bzw. (4) ermittelte Kurswert, die Differenzgröße PVGO zeigt also nur, wie der innere Wert der Aktiengesellschaft von dem Wert einer unendlich lange fließenden Rente G(1) abweicht. PVGO kann in Relation zu K(0) gesetzt werden, was zu einer Aussage führt, wie stark der Wachstumsanteil an dem Kurswert K(0) ist.
Das Dividendendiskontierungsmodell kann mathematisch so umgeformt werden, dass es den Buchwert des Eigenkapitals EK(t) und den Residualgewinn r--k enthält (Philips, T. K. 1999):
Fundamentalanalyse
Damit wird die Brücke zu einer Form der Performancemessung hergestellt, die neuerdings auf die Differenz zwischen Eigenkapitalrendite und Eigenkapitalkosten abstellt (Schmidt, R. 1999).
Aus (6) erhält man nach einigen Umformungen oder bei Division von (4) durch EK(0) einen Ausdruck für das in der Praxis verwendete Kurs-Buchwert-Verhältnis (Market to book):
Fundamentalanalyse
Ein alternativer Ansatz der direkten Aktienbewertung liegt in dem Shareholder Value-Konzept, wonach freie betriebliche Cash Flows abzuzinsen sind und von dem so erhaltenen Marktwert des Unternehmens der Marktwert des Fremdkapitals abgezogen wird, um zu dem Marktwert des Eigenkapitals, also dem fiktiven Börsenkurswert, zu kommen (Rappaport, A. 1986). Das Dividendendiskontierungsmodell und das Shareholder Value-Konzept führen zu grundsätzlich gleichen Ergebnissen, wenn beide Ansätze auf der gleichen Unternehmensprognose aufbauen (Schmidt, R. 1993).

b) Indirekte Aktienbewertung


Bei der indirekten Aktienbewertung wird der Aktienkurs in zwei Bestandteile aufgespalten: in das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) – auch Price Earnings Ratio (PER) genannt – und den Gewinn. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist eine Größe, die sich aus dem festgestellten Börsenkurs unter Bezugnahme auf den Gewinn des nächsten Jahres ergibt:
Fundamentalanalyse
Stellt man nun (8) für das Kurs-Gewinn-Verhältnis um, indem man an die Stelle des realisierten einen zu schätzenden Kurswert setzt und die Formel nach dem geschätzten Kurswert auflöst, dann erhält man:
Fundamentalanalyse
In dieser Form sagt (9) nur aus, dass der Markt die Aktie mit dem KGV-fachen des Gewinns des nächsten Jahres bewertet. Dabei stellt G(1) natürlich einen Prognosewert dar.
Auf der rechten Seite von (9) ist in KGV gemäß (8) die Größe K(0) enthalten. Setzt man an die Stelle dieser Größe nun den Wert aus (4) ein, dann kürzt sich die Gewinngröße G(1) weg und man erhält genau wieder die Ausgangsformel (4). Aus (4) erkennt man aber, dass sich der Faktor, mit dem der Gewinn des nächsten Jahres multipliziert wird, nämlich das Kurs-Gewinn-Verhältnis, eindeutig aus fundamentalen Daten ableiten lässt. Die Formel zeigt also, über welche Größen man eine Aussage machen muss, um die Höhe eines bestimmten Kurs-Gewinn-Verhältnisses erklären zu können.
In der Praxis wird auch versucht, das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit Hilfe einer multiplen Regressionsanalyse zu erklären, wobei Bilanzkennzahlen als unabhängige Variablen für die Schätzung herangezogen werden (Mehrkomponentenmodelle für das KGV). Auch wird statt des KGV ein Kurs-Cash-Flow-Verhältnis berechnet und dann mit dem Cash Flow multipliziert, um einen Kurswert zu schätzen.
Bei Aktiengesellschaften mit hohen stillen Reserven – insbesondere bei Immobilienbesitz – führt die Aktienbewertung nach der Ertragskraft nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Hier sind ergänzende Rechnungen anzustellen, die den Liquidationswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens abschätzen helfen.

c) Ertragskraft: Schätzung und Prognose


Damit man mit den Modellen der direkten und indirekten Aktienbewertung zu empirisch gehaltvollen Wertaussagen kommen kann, muss die zukünftige Ertragskraft einer Aktiengesellschaft durch eine Prognose ermittelt werden.
Die herkömmliche Literatur ging bisher recht einseitig von dem Gewinn aus, um die Ertragskraft eines Börsenunternehmens zu messen. Als weitere Größe wird in der Praxis der Wertpapieranalyse der Cash Flow herangezogen. Der Cash Flow wird dabei zunächst nur als Indikator der Ertragskraft verwendet, darüber hinaus wird er aber auch in der Form des freien betrieblichen Cash Flow für die Bewertung nach dem Shareholder Value-Konzept benötigt.
Veröffentlichte Gewinngrößen, die aus einer Bilanzierung nach dem deutschen HGB stammen, sind für Zwecke einer Beurteilung der Ertragskraft und der fundamentalen Aktienbewertung in der Regel zu korrigieren (Busse v. Colbe, et al. 2000), um die Ergebnisentwicklung eines Unternehmens im Zeitablauf richtig wiederzugeben, eine zuverlässige Ausgangsbasis für die Ergebnisprognose zu haben und Ergebnisvergleiche zwischen verschiedenen Unternehmen zu ermöglichen. Gewinnschätzungen dieser Art betreffen also zunächst das Ergebnis der Vergangenheit, selbst wenn in der Praxis der Begriff „ Schätzung “ auch für Gewinnprognosen verwendet wird.
Die Konvention zur Ermittlung des Ergebnisses nach DVFA/SG geht auf eine mehrfach geänderte Konvention der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung aus dem Jahr 1968 zurück. Daneben wurde 1988 vom Arbeitskreis „ Externe Unternehmensrechnung “ der Schmalenbach-Gesellschaft, eine eigene Empfehlung zur Ermittlung des Ergebnisses je Aktie publiziert. Beide Konventionen wurden dann 1990 miteinander abgestimmt und zu einer einzigen Konvention von DVFA/SG vereinigt (Busse v. Colbe, et al. 2000).
Die Schätzung des Ergebnisses nach DVFA/SG wird anhand eines Arbeitsschemas vorgenommen, das zunächst nur für Industrie-, Handels- und Verkehrsaktiengesellschaften entwickelt wurde, für Banken sowie Versicherungen wurden später eigene Arbeitsschemata aufgestellt. Den Ausgangspunkt bildet der Jahresüberschuss des Konzernabschlusses, der um Sondereinflüsse bereinigt wird: außerordentliche, ungewöhnliche sowie dispositionsbedingte Aufwendungen und Erträge. Die Korrekturen sind zunächst vor Steuern vorzunehmen und dann unter Berücksichtigung der Steuerbelastung in Werte nach Steuern umzurechnen. Aus der geschätzten Gewinngröße ist sodann ein Gewinn je Aktie (nach Steuern) abzuleiten, indem zunächst Ergebnisanteile Dritter herausgerechnet werden und der verbleibende Gewinnwert durch die Anzahl der Aktien geteilt wird.
Das Arbeitsschema zur Ermittlung der Cash Earnings gemäß DVFA/SG basiert auf der indirekten Methode. Die Besonderheit der Vorgehensweise liegt darin, dass Bereinigungen des Jahresüberschusses nur insoweit erfolgen, wenn sie „ von wesentlicher Bedeutung sind und zeitliche Verwerfungen “ existieren.
Bei Kapitalerhöhungen ist eine Rückwärtsbereinigung früherer Gewinne je Aktie durch Multiplikation mit einem oder mehreren Adjustierungsfaktoren vorzunehmen. So werden die Werte unterschiedlicher Jahre vergleichbar und es kann eine korrekte Wachstumsrate der vergangenen Gewinne ermittelt werden.
Wenn Wandel- und Optionsanleihen oder Optionsrechte anderer Art begeben worden sind, existiert ein bedingtes gezeichnetes Kapital, das die Kapitalbasis für den Gewinn je Aktie durchaus stärker verändern kann. Deshalb ist das bisher berechnete unverwässerte Ergebnis je Aktie (Undiluted earnings per share) dann in ein voll verwässertes Ergebnis je Aktie zu transformieren (Fully diluted earnings per share).
Prognosen der Ertragskraftgrößen werden in der Praxis für das laufende Geschäftsjahr sowie für mindestens zwei weitere Jahre aufgestellt. Dabei leitet man die Prognose immer häufiger aus den Ergebnissen einer computergestützten Unternehmensmodellierung ab. Dies hat neben der größeren Flexibilität auch den Vorteil, dass Gewinn- bzw. Dividendengrößen einerseits und Cash-Flow-Größen andererseits aus demselben Unternehmensmodell stammen und damit in den Prognoseprämissen übereinstimmen.
Gewinnschätzungen werden aufgrund von Bilanzpressekonferenzen, Zwischenberichten, Analystengesprächen und sonstigen Nachrichten im Laufe eines Jahres durchaus mehrfach revidiert (Gewinnrevisionen). Man ist oft auch von der Gewinnentwicklung überrascht (Earnings Surprise), entsprechend reagieren die Kurse mehr oder weniger stark (Werner, M. 1999). In der Praxis publiziert man inzwischen aktualisierte Listen mit den größten positiven oder negativen Gewinnüberraschungen. Einen Einblick in die statistische Verteilung erwarteter Gewinne können Finanzanalysten durch die Teilnahme an einem zentralen Informationssystem über Gewinnschätzungen in London (IBES) erhalten.

d) Risikoanalyse von Aktien


In der herkömmlichen Literatur zur Wertpapieranalyse sucht man vergeblich nach Kennzahlen zum Risiko, obwohl die Aktie ein Risikopapier darstellt. Templin definiert solche fundamentalen Risikomaße und prüft deren empirische Korrelation (Templin, 1998). In der Praxis wird neuerdings versucht, eine Vielzahl von Risikofaktoren subjektiv zu bewerten und im Rahmen eines Scoring zu einem Gesamtmaß für das Risiko zusammenzufassen.
Durch Anwendung des CAPM (Capital Asset Pricing Model von Sharpe, ) kann der für die Aktienbewertung anzuwendende Risikozuschlag im Diskontierungszinsfuß k bestimmt werden: Der risikolose Zinssatz wird um die mit dem Betafaktor multiplizierte Marktrisikoprämie erhöht. Fundamentale Daten können auch dazu dienen, schwankende Betafaktoren zu erklären (Bauer, C. 1992).

e) Besonderheiten bei Wachstumsunternehmen


Wegen der Prognoseproblematik sind die herkömmlichen Diskontierungsmodelle für junge, stark wachsende Unternehmen, die sich noch in der Verlustphase befinden und erst nach einigen Jahren Gewinne erwarten lassen, schlecht geeignet. Deshalb versucht man eine Bewertung durch Vergleich verschiedener Unternehmen, sog. Comparables, zu rechtfertigen, indem Hilfsgrößen herangezogen werden, wie z.B. Börsenkurswert/Buchwert des Eigenkapitals, Börsenkurswert/Umsatzerlöse des Unternehmens Börsenkurswert/Kundenzahl des Unternehmens, oder Börsenkurswert/Beschäftigte. Auch versucht man neuerdings, den Realoptionsansatz (vgl. dazu Trigeorgis, 1999) für die Bewertung junger Unternehmen nutzbar zu machen.
Abzulehnen ist in diesem Zusammenhang eine Kennzahl Price Earnings Growth Ratio, bei der das Kurs-Gewinn-Verhältnis durch die Gewinnwachstumsrate dividiert wird. Diese in der Praxis oft verwendete Kennzahl ist für eine Bewertung analytisch nicht zu rechtfertigen.

f) Ratings und Rankings von Aktien


Um erste Anhaltspunkte für die Qualität einer Aktie zu erhalten, wird vor allem in der Praxis versucht, Anlagequalität in Form eines Rating abzubilden. Unter einem Rating versteht man ein über eine Notenskala ausgedrücktes Bewertungsurteil. Ein Rating kann induktiv aufgrund menschlicher Urteile oder analytisch aufgrund eines mehrdimensionalen, quantitativen Bewertungsmodells zustande kommen. Ist die Skala des Bewertungsmodells metrisch, dann kann das Qualitätsmaß in Form eines Ranking dargestellt werden. Ein Ranking kann man andererseits immer durch Klassenbildung zu einem Rating verdichten.
In der Praxis gibt es insbesondere in den USA schon seit langem nicht nur Bond-Ratings, sondern auch Aktien-Ratings, deren Zustandekommen allerdings nicht extern überprüft werden kann. So ging man dazu über, Rankings bzw. Ratings auf Basis eines Scoring-Modells aus Bilanzkennzahlen (insbes. Schmidt, R. 1990) zu erstellen – z.B. betreffend Rendite, Sicherheit und Wachstum (RSW-System, vgl. Abb. 1). Mit Hilfe eines Programms können auch neu hinzukommende Gesellschaften in ihrer relativen Position zu den Unternehmen der Basisstichprobe bewertet werden.


Abb. 1: Berechnung von Teil-Scores und Gesamt-Score
Neue Ansätze verwenden Performancemaße aus dem angelsächsischen Raum (Röttger, B. 1994) oder basieren auf einer Analyse mit Hilfe künstlicher neuronaler Netze (Rehkugler, /Poddig, 1993). Hier ist allerdings zu bedenken, dass ein Aktien-Rating zweckorientiert nicht auf solchen Kennzahlenkombinationen beruhen sollte, die in Insolvenzuntersuchungen ermittelt wurden: Aktien-Rating ist nicht gleich Bond-Rating.

g) Auswahlverfahren für kaufwürdige oder zu verkaufende Aktien


Auf Basis fundamentalanalytischer Informationen wird auch versucht, Auswahlregeln für kaufwürdige oder – im Falle von Leerverkaufsmöglichkeiten – für zu verkaufende Aktien aufzustellen. Diese Idee ist schon von Clarkson (Clarkson, G. 1962) in Form eines mehrstufigen Regelwerks verwirklicht worden. Das Regelwerk bezieht sich dabei auf die Verknüpfung von Unternehmenskennzahlen, wobei Filtertechniken Anwendung finden.

3. Änderung und Erweiterung der Analyseobjekte


Das Ertragswertkonzept gilt auch für die fundamentale Analyse von Anleihen und wird in der Literatur entsprechend vertieft behandelt (Uhlir, H./Steiner, P. 1994). Hier spielen Risiken eine besondere Rolle; neben dem Bonitätsrisiko (Bond-Rating) sind das Zinsänderungsrisiko und bei Titeln in fremder Währung – wie bei Aktien – das Wechselkurs- und das Länderrisiko zu beachten.
Auf Basis einer Zusammenfassung von fundamentalen Einzelanalysen kommt man zu einer portefeuilleorientierten Fundamentalanalyse. Dabei treten zwei besondere Probleme auf: die Ermittlung der Korrelation von Kennzahlen sowie die Gewichtung der Wertpapiere im Portefeuille. Hier zeigen sich die Grenzen einer alleinigen Analyse fundamentaler Daten, weil zusätzlich Börsendaten in die Analyse eingehen.

IV. Empirische Befunde zur Fundamentalanalyse


Empirische Befunde betreffen zunächst die Vorgehensweise und den Stellenwert der Fundamentalanalyse in der Praxis (vor allem Göcken, U. 1990; Ludwig, B. 1993). Dass die Fundamentalanalyse weit wichtiger als die technische Analyse ist, belegen vor allem großzahlige Umfragen aus den USA (Carter, R./Van Auken, H. E. 1990) und aus Großbritannien (Arnold, J./Moizer, P. 1984).
Auch gibt es eine Fülle von Befunden zur Relevanz fundamentaler Daten für die Börsenbewertung, vor allem im Hinblick darauf, wann und wie schnell fundamentale Kennzahlen verarbeitet werden. Auch ist die Nützlichkeit fundamentaler Daten für die Prognose von Aktienkursen nachgewiesen worden (Abarbanell, J.S./Bushee, B.J. 1997). Andererseits entfernen sich die Aktienkurse zeitweilig stärker von fundamental geschätzten Werten (Poterba, J. M./Summers, L. H. 1988), was neuerdings die Akzeptanz der Fundamentalanalyse zugunsten behavioristischer Ansätze (Behavioural Finance, Börsenpsychologie) beeinträchtigt.

V. Ausblick


Wegen der enormen Fülle und Komplexität von Fundamentaldaten wurden Privatanleger bisher durch entsprechende Softwareangebote zu stark in die technische Analyse gedrängt. Die Fundamentalanalyse wird jetzt aber durch die stark steigende Bedeutung der Finanzanalysten beflügelt, auch wächst gut aufbereitetes Informationsangebot von Fundamentaldaten im Internet rapide und es steht immer mehr benutzerfreundliche Software zur Verfügung.
Seit langem schon gibt es Computerprogramme, mit deren Hilfe auch der Kleinanleger den inneren Wert einer Aktie bestimmen kann. Zukunft haben Programme, die dem Anleger verschiedene Bewertungsmodelle zur Auswahl stellen, einschließlich der Möglichkeit eigener Ratings, Rankings oder von Auswahlverfahren für kaufwürdige Aktien bis hin zur Portfolio Selection. So weitet sich die elektronische Unterstützung der Fundamentalanalyse stark aus, auch auf Basis einer Inhaltsanalyse von Texten bis hin zum Einsatz der Künstlichen Intelligenz bei der Generierung gehaltvoller Verbalberichte über Kennzahlen aus publizierten Unternehmensdaten (Schmidt, R. 1999). Ein weiterer Anwendungsschub ist zu erwarten, wenn auch die Börsenunternehmen selbst den Aktionären im Rahmen von Investor Relations interaktive Programme und Daten im Internet zur Verfügung stellen.
Literatur:
Abarbanell, J.S./Bushee, B.J. : Fundamental Analysis, Future Earnings, and Stock Prices, in: Journal of Accounting Research 1997, S. 1 – 24
Arnold, J./Moizer, P. : A Survey of the Methods Used by UK Investment Analysts to Appraise Investments in Ordinary Shares, in: Acounting & Business Research 1984, S. 195 – 207
Baden, K. : Vergleichende Unternehmensbeurteilungen und Aktienkurse, Kiel 1992
Bauer, C. : Das Risiko von Aktienanlagen, Köln 1992
Baun, S. : Neuronale Netze in der Aktienkursprognose, in: Rehkugler, H./Zimmermann, H.G. (Hrsg.): Neuronale Netze in der Ökonomie, München 1994, S. 131 – 207
Brealey, R. A./Myers, S. C. : Principles of Corporate Finance, 6. A., New York et al. 1999
Byramji, H. : Databases Boost Fundamental Analysis, in: Wall Street Computer Review 1988, Nr. 2, S. 46 – 60
Brief, R.P. : Using Accounting Data in Present Value Models, in: Journal of Financial Statement Analysis 1996 (Summer), S. 21 – 29
Büschgen, H.E. : Wertpapieranalyse, Stuttgart 1966
Busse v. Colbe, W./Becker, W./Berndt, H. : Ergebnis je Aktie nach DVFA/SG – DVFA/SG Earnings per Share, 3. A., Stuttgart 2000
Carter, R./Van Auken, H. E. : Security Analysis and Portfolio Management: A Survey and Analysis, in: JoPM 1990 (Spring), S. 81 – 85
Chan, L. K. C./Hamao, Y./Lakonishok, J. : Fundamentals and Stock Returns in Japan, in: Journal of Finance 1991, S. 1739 – 1764
Clarkson, G. : Portfolio Selection: A Simulation of Trust Investment, Englewood Cliffs 1962
Cohen, J. B./Zinbarg, E. D./Zeikel, A. : Investment Analysis and Portfolio Management, 5. A., Homewood 1987
Cottle, S./Murray, R. F./Block, F. E. : Graham und Dodd\'s Security Analysis – Wertpapieranalyse, Darmstadt 1992
Fama, E. F. : Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, in: Journal of Finance 1970, S. 383 – 417
Fogler, H. R. : Common Stock Management in the 1990s, in: JoPM 1990, Winter, S. 26 – 35
Göcken, U. : Fundamentalanalyse: Die Praxis deutscher Kreditinstitute, Bergisch-Gladbach et al. 1990
Harris, T. S./Lang, /Möller, H. P. : Zur Relevanz der Jahresabschlußgrößen Erfolg und Eigenkapital für die Aktienbewertung in Deutschland und den USA, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1995, S. 996 – 1028
Hirschey, M./Spencer, R. S. : Size Effects in the Market Valuation of Fundamental Factors, in: FAJ 1992, Nr. 2, S. 91 – 95
Lee, C. J. : Fundamental Analysis and the Stock Market, in: Journal of Business Finance & Accounting 1987, S. 131 – 141
Lewellen, W. G./Lease, R. C./Schlarbaum, G. G. : The Personal Investments of Professional Managers, in: FM 1979, Nr. 4, S. 28 – 36
Loistl, O. : Computergestütztes Wertpapiermanagement, 5. A., München et al. 1996
Ludwig, B. : Das Aktien- und Rentenresearch von 20 deutschen Banken im Vergleich, in: Manuskripte aus den Instituten für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel Nr. 310, 1993
Manager Magazin Electronic Service, : Unternehmens- und Aktienanalyse Deutschland 1993, Hamburg 1993
Markowitz, H. M. : Portfolio Selection, New York 1959
May, A. : Pressemeldungen und Aktienindizes, Kiel 1994
Penman, S.H. : Return to Fundamentals, in: Journal of Accounting, Auditing & Finance 1992, S. 465 – 483
Poterba, J. M./Summers, L. H. : Mean Reversion in Stock Prices: Evidence and Implications, in: Journal of Financial Econimics 1988, S. 27 – 59
Perridon, L./Steiner, M. : Finanzwirtschaft der Unternehmung, 10. A., München 1999
Peters, M. : Aktienkurs und Unternehmenserfolg – Eine empirische Analyse für die größten deutschen, britischen und französischen Aktiengesellschaften, Kiel 1999
Philips, T. K. : Why Do Valuation Ratios Forecast Long-Run Equity Returns?, in: JoPM 1999 (Spring), S. 39 – 44
Poterba, J. M./Summers, L. H. : Mean Reversion in Stock Prices: Evidence and Implications, in: Journal of Financial Economics 1988, S. 27 – 59
Radding, A. : Electronic Database Ease Fundamental, in: Wall Street Computer Review 1990, Nr. 1, S. 45 – 55
Rappaport, A. : Creating Shareholder Value, New York et al. 1986
Rehkugler, H./Poddig, T. : Bilanzanalyse, 4. A., München 1998
Reilly, F. K./Brown, K. C. : Investment Analysis and Portfolio Management, 5. A., Fort Worth et al. 1997
Röttger, B. : Das Konzept des Added Value als Maßstab für finanzielle Performance, Kiel 1994
Sapusek, A. : Informationseffizienz auf Kapitalmärkten, Wiesbaden 1998
Schlembach, H. : Die Bewertung von Aktien, 3. A., München 1973
Schmidt, R. : Rating börsennotierter Unternehmen, in: Gerke, W. (Hrsg.): Anleger an die Börse, Berlin et al. 1990, S. 55 – 88
Schmidt, R. : Das Shareholder Value-Konzept, in: Fritsch, U./Liener, G./Schmidt, R.: (Hrsg.): Die deutsche Aktie, Stuttgart 1993, S. 277 – 296
Schmidt, R. : Wissensbasiertes Finanzmanagement, in: Berndt, R. et al. (Hrsg.): Management Strategien 2000, Berlin et al. 1999, S. 255 – 267
Schmidt, R. : manager magazin 500 – Unternehmenstest Europa 2000, CD-Rom, Hamburg 2000
Schmidt, R./May, A. : Erklärung von Aktienindizes durch Pressemeldungen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 1993, S. 61 – 88
Schmidt, R. H. : Aktienkursprognose, Wiesbaden 1976
Steiner, M./Bruns, C. : Wertpapiermanagement, 7. A., Stuttgart 2000
Templin, H.-U. : Unternehmensrisiko und Bilanzkennzahlen, Wiesbaden 1998
Trigeorgis, L. : Real Options, 4. A., Cambridge/Mass. und London 1999
Uhlir, H./Steiner, P. : Wertpapieranalyse, 3. A., Heidelberg 1994
Werner, M. : Unerwartete Gewinn- und Dividenteninformationen am deutschen Aktienmarkt, Kiel 1999
Winzer, A. : Wie Aktien-Analysten Aktien bewerten – Methoden der Aktienbewertung, Diss. Saarbrücken 1968

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
fundamental-psychologisches Gesetz
 
Fundamentaltheorem