Unternehmensrechnung, Gestaltung und Wirkungen
Inhaltsübersicht
I. Gestaltungsgrundlagen der Unternehmensrechnung
II. Beiträge zur Gestaltung der externen Unternehmensrechnung
III. Beiträge zur Gestaltung der internen Unternehmensrechnung
IV. Schlussbemerkungen
I. Gestaltungsgrundlagen der Unternehmensrechnung
1. Rechnungstheoretische Grundlagen
Unternehmensrechnungen werfen sowohl rechnungstechnische als auch rechnungstheoretische und rechnungspolitische Fragen auf. Rechnungstechnische Fragen beziehen sich auf die Abgrenzung der Rechnungsgrößen und deren Gliederung, die Festlegung von Rechnungsregeln, die Art und Zulässigkeit von Aggregationsschritten, die Wahl von Hilfs- bzw. Ersatzgrößen usw. Rechnungstheoretische Fragen beziehen sich auf die Formulierung und Überprüfung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen für alternative Rechnungssysteme.
Die Unternehmensrechnung wirft theoretische Probleme auf zwei Ebenen auf (vgl. Kosiol, E. 1981, Sp. 1076 f.). Auf der ersten Ebene stellen sich theoretische Fragen des Rechnungssystems selbst. Wird auf dieser Ebene ein Rechnungssystem als Rechnungskalkül begriffen, sind kalkültheoretische Fragen zu beantworten. Bereits diese alternativen Kalkülformen führen, unabhängig von den jeweils abgebildeten Gegenständen, zu unterschiedlichen Wirkungen: Präzision der Abbildung, Einfachheit der Rechnung, Grad der Informationsverzerrungen sowie Handhabbarkeit durch Computer und Mitarbeiter.
Auf der zweiten Ebene der Rechnungstheorie wird ein gegebener, formaler Rechnungskalkül unterstellt und inhaltlich (semantisch) interpretiert (z.B. nach Abbildungsumfang, Abbildungszeitraum, Bewertungsregeln, Periodisierungsregeln, Ermessensspielräumen, Adressatenorientierung, Entscheidungs- und Planungszielen, Rechnungszielen, Orientierung an übergeordneten Systemen, Kombination von Ermittlungs- und Verwendungsproblemen u.a.). Auch für diese zweite rechnungstheoretische Ebene lassen sich Beziehungen zwischen Ursachen (Determinanten) und (betrieblichen sowie überbetrieblichen) Wirkungen systematisch analysieren (vgl. Beaver, W.H. 1998, S. 15 f.).
Ansätze zur Formulierung theoretischer Aussagen über Rechnungssysteme können bereits in der Axiomatisierung dieser Systeme gesehen werden. Erste Entwürfe sind von Mattessich, Ijiri, Schweitzer und Kosiol vorgelegt worden (Mattessich, R. 1964; Ijiri, Y. 1965; Schweitzer, M. 1970; Schweitzer, M. 1972; Kosiol, E. 1970). Sie kennzeichnen die Grundstruktur eines Rechnungsmodells durch die Definition zweckmäßiger Begriffe, die Formulierung von Axiomen und die Festlegung zulässiger Rechenregeln. Zu einer Formulierung genereller Hypothesen als Behauptungen über Beziehungen zwischen Determinanten und Wirkungen des Rechnungssystems mit empirischem Gestaltungsanspruch dringen diese axiomatischen Ansätze nicht vor.
2. Rechnungspolitische Grundlagen
Auf dem Weg zur optimalen Gestaltung der Unternehmensrechnung ist davon auszugehen, dass die Rechnungstheorie nicht nur eine Mess-, sondern auch eine Erklärungs- und Prognosefunktion erfüllen muss. Im Sinne einer angewandten Wissenschaft muss die Rechnungstheorie außerdem einer Entscheidung (Disposition) über die optimale Gestaltung der Rechnung (Rechnungspolitik) dienstbar gemacht werden können.
Eine effiziente und effektive Unternehmensrechnung hat Entscheidungsträger mit entscheidungsrelevanten Informationen zu versorgen. Entscheidungsträger sind entweder interne oder externe Adressaten, deren Entscheidungsprobleme auf der operativen, taktischen oder strategischen Planungsebene liegen können. Dies bedeutet, dass Untersuchungen zu einer Theorie und Politik der Unternehmensrechnung mit systematischen Analysen der Entscheidungsprozesse potenzieller Adressaten beginnen müssen. Bei einer Vielzahl potenzieller Adressaten liegt die wichtigste Wirkung des Rechnungssystems darin, für sie wahre und entscheidungsrelevante Informationen bereitstellen zu können. Als weitere Wirkungen des Rechnungssystems sind seine Wirtschaftlichkeit, Flexibilität, Schnelligkeit, Manipulierbarkeit und Handhabbarkeit zu nennen. Diese Wirkungen sind im dispositiven Mittel-Ziel-Zusammenhang als Gestaltungsziele zu interpretieren, in Bezug auf welche das Rechnungssystem optimal gestaltet bzw. Rechnungspolitik betrieben werden kann.
Beim gegenwärtigen Stand der Diskussion zur „ theoretischen Fundierung “ des Rechnungswesens liegen zwei Ansätze im Widerstreit: (1) die sog. normative Theorie (normative theory) und (2) die sog. positive Theorie (positive theory). Beide Ansätze werden zwar als „ Theorien “ des Rechnungswesens bezeichnet, bei genauerem Hinsehen erweisen sie sich jedoch als „ Politiken “ des Rechnungswesens. Während die normative Theorie von einem gegebenen Normensystem (z.B. geltendes Bilanzrecht) ausgeht und aus diesem Teilnormen, inhaltliche Präzisierungen, Einzelregelungen und transformierte Daten „ ableitet “ (vgl. Schneider, 2001, S. 850 f.), untersucht die positive Theorie die Fragen, welche Determinanten die Gestalt und die Wahl eines Rechnungslegungsverfahrens bestimmen und welche Wirkungen dieses Verfahren nach sich zieht (vgl. Abschnitt II 2 b). Der Unterschied zwischen beiden Ansätzen liegt darin, dass der normative Ansatz ein geltendes Normensystem sowie eine mit diesem System konforme Gestalt des Rechnungswesens als gegeben voraussetzt und dieses im günstigsten Falle systemverträglich weiterentwickelt. Sein Beitrag zur (optimalen) Gestaltung des Rechnungswesens ist eher bescheiden und theoretisch schwach fundiert. Ob der normative Ansatz den Anforderungen der empirischen Forschung an eine empirisch gut bestätigte Theorie des Rechnungswesens genügen kann, ist zu bezweifeln. Dagegen untersucht der positive Ansatz die Gestaltung des Normensystems selbst und dringt zur Formulierung (technologisch transformierter) Hypothesen vor, die teilweise empirische Geltung beanspruchen können (vgl. Abschnitt II 2 b).
Zu Einzelfragen des normativen Ansatzes sei auf das Stichwort „ Bilanztheorie “ verwiesen. Der positive Ansatz wird in Abschnitt II 2 b ausführlicher dargestellt und gewürdigt.
II. Beiträge zur Gestaltung der externen Unternehmensrechnung
1. An übergeordneten Systemen orientierte Gestaltungsbeiträge der externen Unternehmensrechnung a) Rechtlich orientierte Gestaltungsbeiträge
In den rechtlich orientierten Beiträgen zur Rechnungslegung wird untersucht, welche Ziele und deren Gewichtungen der Gesetzgeber implizit unterstellt ( „ Bilanztheorie im Rechtssinne “ ) und welche Bilanzgestaltung durch Rechtsauslegung als zweckmäßig oder optimal identifiziert werden kann (vgl. Rückle, D. 1993, Sp. 250 f.). Durch dieses Auslegungsverfahren werden als primäre Rechnungsziele die zahlenmäßige Dokumentation zur Sicherung von Urkundenbeständen, der Zwang der Unternehmer zur Selbstinformation über ihren Vermögensstand (um ihre Gläubiger schützen zu können), die Transformation gläubigergefährdender in gläubigerschützende Rechtsfolgen durch Einrichtung einer Ausschüttungssperrfunktion, die gesellschaftsvertragskonforme Festlegung zentraler Rechnungsgrößen usw. abgeleitet. b) Gesellschaftspolitisch orientierte Beiträge
Nach den gesellschaftspolitisch orientierten Beiträgen zur Rechnungslegung (vgl. Brockhoff, K. 1975; Eichhorn, P. 1974; Schredelseker, K. 1993) soll als Rechnungsziel neben das ökonomische Jahresergebnis ein soziales Ergebnis im Sinne eines Sozialsaldos (Differenz zwischen gesellschaftlichem Nutzen und gesellschaftlichen Kosten) der unternehmerischen Tätigkeit gestellt werden. In diesen Zusammenhang fallen auch die Beziehungen des Unternehmens zur natürlichen Umwelt und führen zur Forderung nach einer Umweltrechnungslegung im Sinne eines umfassenden Umweltschutzes. c) Wirtschaftspolitisch orientierte Beiträge
Die wirtschaftspolitisch orientierten Beiträge zur Rechnungslegung knüpfen bei der Herleitung von Rechnungszielen am gesamtwirtschaftlichen Geschehen an (vgl. Gordon, M.J. 1960; Moxter, A. 1962). Bekannt ist in dieser Gruppe von Beiträgen u.a. der Ansatz von Fritz Schmidt (Schmidt, F. 1921), der in seiner organischen Bilanztheorie die Beziehungen zwischen Rechnungslegungsinformationen und Konjunkturschwankungen untersucht. Auch Schmalenbach (Schmalenbach, E. 1927, S. 49 ff.) ließ sich von der wirtschaftspolitischen Vorstellung leiten, dass durch eine umfassende Information der Kreditgeber und Anteilseigner eine gesamtwirtschaftlich optimale Kapitalallokation bewirkt werden könne.
2. Betriebswirtschaftliche Beiträge zur Gestaltung der externen Unternehmensrechnung a) Gestaltungskomponenten der Unternehmensrechnung
Rechnungsziele und Entscheidungsziele
Den betriebswirtschaftlichen Beiträgen zufolge müssen die Rechnungsziele des externen Jahresabschlusses aus den individuellen Zielvorstellungen und Interessen derjenigen berechtigten Personen und Institutionen (Bilanzadressaten) abgeleitet werden, die für ihre Entscheidungen einen Bedarf an entscheidungsrelevanten Rechnungslegungsinformationen haben. Herkömmlich wird davon ausgegangen, dass Adressaten nur finanzielle Zielvorstellungen verfolgen und der Jahresabschluss daher der finanziellen Rechnungslegung des Unternehmens dienen soll. Zunehmend werden jedoch entscheidungsbedingt sowohl von den internen als auch von den externen Adressaten technische, soziale und ökologische Informationen nachgefragt. Diese Informationen werden zu einem Teil angabepflichtig im Jahresabschluss und zum anderen Teil freiwillig in Anhang, Lagebericht und Zwischenbericht gegeben.
Adressaten der Rechnungsdaten
In der Betriebswirtschaftslehre sind mehrere Vorstellungen dazu entwickelt worden, wer neben den internen die berechtigten externen Adressaten der Jahresabschlussinformationen sein sollen. Als ältere Vorschläge ( „ Theorien “ ) einer Adressatenfestlegung der Rechnungslegung sind zu nennen: die Proprietary Theory, die Entity Theory, die Fund Theory und die Commander Theory.
Als neuere Vorschläge über Adressaten der Rechnungslegung sind die „ Shareholder-Theorie “ und die „ Stakeholder-Theorie “ zu nennen. Während in der amerikanischen Rechnungslegung die Rechenschafts- und Informationsfunktion für Investoren und Aktionäre die Struktur und Funktion des Jahresabschlusses bestimmt, dominiert im deutschsprachigen Raum bisher die Sicherheitsfunktion im Sinne eines umfassenden Gläubigerschutzes.
Entscheidungsrelevanz der Rechnungsdaten
Neben einer Verbesserung der Adressatenorientierung werden weitere Vorschläge gemacht, wie der Wahrheitswert und die Entscheidungsrelevanz der Informationen aus dem Jahresabschluss allgemein verbessert werden können. Einige Vorschläge knüpfen an einer verbesserten Abbildung durch Zahlungsströme an. Hierher gehören den Jahresabschluss ersetzende oder ergänzende Kapitalflussrechnungen (vgl. Busse von Colbe, W. 1966) und die Veröffentlichung wichtiger Daten der Finanzplanung sowie der Investitionsplanung. Messtheoretische Vorschläge liegen im konsequenten Ausbau zu einer realisiert-pagatorischen Ermittlungsrechnung mit angehängter Überschussverwendungsrechnung (vgl. Kosiol, E. 1964, S. 18 ff.; Schweitzer, M. 1970, Sp. 83 ff. und Schweitzer, M. 1972, S. 64 ff.) und in der umfassenden Veröffentlichung der in Anspruch genommenen Bewertungs- und Manipulationsspielräume. Um verschiedenen Rechnungszielen zu dienen, wäre es nach einem anderen Vorschlag zweckmäßig, Vermögensgüter im Jahresabschluss nicht nur skalar, sondern vektoriell zu bewerten (vgl. Ijiri, Y. 1988). Von Bedeutung wäre es ebenso, Angaben über die Fehler und Fehlerintervalle, über den Charakter von Verteilungsannahmen und über die Berechtigung von Verlustantizipationen zu machen (vgl. Moxter, A. 1962, S. 607 ff.; Baetge, J. 1970, S. 84 ff.). Andere Vorschläge reichen von den verhaltensorientierten Ansätzen des Behavioral Accounting über die Analyse der Prognosefähigkeit von Ist-Daten, den Vergleich von Informationen nach geltenden Rechtsnormen (Soll) mit den tatsächlich bereitgestellten Informationen (Ist) bis zur Analyse von Kapitalmarktreaktionen auf publizierte Daten des Jahresabschlusses (vgl. Coenenberg, A.G. 2000, S. 1119 ff.). In die gleiche Richtung zielen Kurzfassungen des Jahresabschlusses, Zwischenabschlüsse, Zwischenberichte und sonstige Rechnungen (etwa Bewegungsbilanzen).
Alle Adressaten sind am Bestand und an der Weiterentwicklung des Unternehmens interessiert. Aus empirischen Untersuchungen geht hervor, dass Kennzahlen zur Liquidität, Rentabilität und Kapitalstruktur eine relativ hohe Prognosequalität haben. Für den Krisenfall steigt die Prognosequalität der Kennzahlen, je näher sie am Konkurs liegen. Eine besonders hohe Prognosequalität besitzt der erfolgswirtschaftliche Cashflow. Jahresabschlussinformationen sollen neben der Krisenprognose auch der Renditenprognose dienen.
Die Frage, ob für Investoren Daten aus deutschen oder amerikanischen Jahresabschlüssen eine höhere Entscheidungsrelevanz besitzen, lässt sich dahingehend beantworten, dass nach beiden Rechnungslegungskonzeptionen ein straffer Zusammenhang zwischen Aktienrendite und Daten aus dem Jahresabschluss nachgewiesen werden kann (vgl. Harris, T.S./Lang, M./Möller, H.P. 1995, S. 1007 ff.; Coenenberg, A.G. 2000, S. 1140). Damit ist zumindest aus Entscheidungssicht der Investoren keines der beiden Rechnungslegungskonzepte dem anderen überlegen. b) Beiträge zur Theorie und Politik der externen Unternehmensrechnung
Kapitalmarktorientierte Beiträge
Im Mittelpunkt der kapitalmarktorientierten Beiträge zur Rechnungslegung steht die Frage, welche Bedeutung die Informationen des Jahresabschlusses für Entscheidungen am Aktienmarkt besitzen. Je nachdem, in welchem Umfang Informationsarten in die Bildung von Aktienkursen einbezogen werden, wird zwischen schwacher, mittelstrenger und strenger Effizienz unterschieden. Die jeweilige Effizienz drückt aus, welche Informationen zu jedem Zeitpunkt im Aktienkurs als (vollständig) reflektiert betrachtet werden können. Von besonderem Interesse ist die Wirkung neuer Informationen auf die Aktienkurse. Die wichtigsten Forschungsergebnisse lassen sich wie folgt kennzeichnen: Bei Erhalt entscheidungsrelevanter Informationen reagieren Investoren durch Kauf- oder Verkaufentscheidungen. Diese Informationen müssen nicht notwendig aus dem Jahresabschluss fließen. Sie können auch auf Vorabberichten oder auf sonstigen Quellen beruhen. Soweit Investorenentscheidungen die Aktienkurse messbar beeinflussen, kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Entscheidungsrelevanz der vorab erhaltenen Informationen geschlossen werden. Für die betroffenen Aktiengesellschaften bedeutet dies, dass sie durch eine gezielte Publizitätspolitik Aktienkurse (und damit Aktienrenditen) beeinflussen können.
Managementorientierte Beiträge (Positive Accounting Theory)
Seit über 20 Jahren wird hauptsächlich in der englischsprachigen Literatur unter der Bezeichnung „ Positive Accounting Theory “ ein Ansatz diskutiert, mit dem eine Antwort auf die Fragen gesucht wird, welche Determinanten die Gestalt und die Wahl eines Rechnungslegungsverfahrens bestimmen und welche Wirkungen ein Rechnungslegungsverfahren nach sich zieht. Dieser Ansatz ist durch zwei Aspekte gekennzeichnet: zum einen wird untersucht, welche Determinanten Manager dazu bewegen, ein bestimmtes Rechnungslegungsverfahren zu wählen; zum anderen wird die spiegelbildliche Frage aufgeworfen, welche Determinanten eine externe Institution mit der Kompetenz zur Vorgabe verpflichtender Rechnungslegungsgrundsätze für Unternehmen (in den USA: Financial Accounting Standards Board [FASB] und Securities and Exchange Commission [SEC] ) dazu führen, ein bestimmtes Rechnungslegungsverfahren zu konzipieren und in der Gestalt von Rechnungslegungsgrundsätzen normierend festzulegen. Den Anstoß zur Diskussion beider Probleme gaben R. Watts und J. Zimmerman (Watts, R.L./Zimmerman, J.L. 1978, S. 112 ff.). In der Zwischenzeit sind zahlreiche empirische Forschungsbeiträge zu diesem Problemkreis geleistet worden (vgl. zum Überblick Haller, A. 1994, S. 597 ff.). Die Kernaussagen der Positive Accounting Theory lassen sich wie folgt präzisieren (vgl. Watts, R.L./Zimmerman, J.L. 1990, S. 131 ff.; Haller, A. 1994, S. 599 ff., Scott, W.R 1997, S. 219 ff.):
- | Anknüpfungspunkt für die Hypothesenbildung ist auf Unternehmensebene der „ Accounting Policy Process “ , womit der Entscheidungsprozess des Managements über alternative Rechnungslegungsverfahren gemeint ist. Im Einzelnen wird untersucht, welche Bestimmungsgrößen diese Entscheidung determinieren. | - | Manager mit Entscheidungskompetenz über das von ihnen anzuwendende Rechnungslegungsverfahren folgen der Zielvorstellung, ihren persönlichen Nutzen (Wohlstand; own welfare) zu maximieren. | - | Zur Herleitung ihrer Hypothesen bedienen sich Watts/Zimmerman der „ Vertragstheorie “ bzw. „ Agency-Theory “ . Unter vertragstheoretischem Aspekt wird das Management (Agents) veranlasst, in der externen Rechnungslegung wahre (verlässliche) Informationen bereitzustellen und diese durch autorisierte Personen (z.B. Wirtschaftsprüfer) attestieren zu lassen. Diese Maßnahme dient der Interessenwahrung der Eigenkapitalgeber (Principals). Mit Anreizmechanismen wird bezweckt, die Manager zu einer Geschäftsführung zu bewegen, die den Gesamtwert des Unternehmens steigert. Die Fremdkapitalgeber versuchen, Sanktionsvereinbarungen mit dem Management zu treffen, um mögliche Transaktionskosten niedrig zu halten. | - | Die Gestaltung des Vertrages zwischen Managern und Eigenkapitalgebern führt zu der sog. „ bonus plan hypothesis “ , die besagt, dass mit steigendem Ergebnisbonus des Managements eine gewinnsteigernde Bilanzpolitik durch dieses betrieben wird. Andererseits führt die vertragliche Vereinbarung zwischen Managern und Fremdkapitalgebern zur sog. „ debt/equity hypothesis “ : Mit steigendem Verschuldungsgrad erfolgt ein höherer Gewinnausweis. | - | Die Entscheidungen über Rechnungslegungsverfahren auf der Ebene der externen Institutionen haben wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Charakter. Es liegt im besonderen Interesse der Manager, diesen Entscheidungsprozess so zu beeinflussen, dass sie letztlich ihr persönliches Nutzenziel bestmöglich realisieren können. Daher werden sie sowohl die „ bonus plan hypothesis “ als auch die „ debt/equity hypothesis “ als Grundlage ihrer Beeinflussung des Normensetzungsprozesses heranziehen. | - | Außerdem wird eine sog. „ size hypothesis “ formuliert, die besagt, dass mit zunehmender Unternehmensgröße die politischen Kosten steigen. Größere Unternehmen können den Entscheidungsprozess der Rechnungslegungsinstitutionen nachhaltiger beeinflussen als kleinere. Die „ size hypothesis “ gibt auch eine Erklärung dafür, warum größere Unternehmen zu einer ergebnisschmälernden Bilanzpolitik neigen. |
Watts/Zimmerman arbeiten mit einer technologischen Transformation ihrer Hypothesen (vgl. Watts, R.L./Zimmerman, J.L. 1986, S. 2). Die Positive Accounting Theory ist daher eine vereinfachte „ Theorie der Bilanzpolitik “ . Sie leistet jedoch keine Formulierung eines vollständigen Entscheidungsmodells zur Bestimmung der optimalen Bilanzpolitik.
Ein weiteres Problem der Positive Accounting Theory liegt in der fehlenden Allgemeingültigkeit ihrer Hypothesen. Chambers stellt z.B. fest, dass Watts/Zimmerman die „ Agents “ als Agenten aller Bilanzadressaten definieren müssten (vgl. Chambers, R. 1993, S. 13 ff.). Es kommt hinzu, dass die Zielvorstellung der Manager nach Maximierung ihres eigenen Nutzens eine präskriptive Aussage darstellt, die sich einer empirischen Überprüfung entzieht.
Außerdem ist es weder ethisch noch gesellschaftspolitisch vertretbar, dass Unternehmen allgemein als Institutionen begriffen werden, deren Hauptziel in der individuellen Nutzenmaximierung von Managern besteht. Entlohnungsaspekte der Mitarbeiter, Mitbestimmungsinteressen und -rechte der Belegschaft sowie sozialpolitische Fürsorgepflichten der Unternehmen werden im Konzept der Positive Accounting Theory völlig vernachlässigt. Ein satisfizierendes Verhalten der Manager in Bezug auf ihren Nutzen und ihr Einkommen sowie altruistische Denkformen kommen in den Grundaussagen dieser „ Theorie “ auch nicht vor.
Abgesehen davon, dass in der Positive Accounting Theory Einzelmaßnahmen der Bilanzpolitik nur sehr grob berücksichtigt werden und damit die Gestaltungsempfehlungen für die Rechnungslegung relativ vage sind, stellen alle drei Hypothesen triviale Aussagen dar, von welchen die „ bonus plan hypothesis “ empirisch nicht (vgl. Bowen, R./Noreen, E./Lacey, J. 1981, S. 151 ff.; Hunt, H. 1985, S. 448 ff.) und die „ debt/equity hypothesis “ sowie die „ size hypothesis “ als „ signifikant bestätigt “ angesehen werden (vgl. Watts, R.L. 1992, S. 257 ff.; Hunt, H. 1985, S. 448 ff.; Malmquist, D. 1990, S. 173 ff.).
Eine schwache Erklärungskraft besitzen die Hypothesen der Positive Accounting Theory für den beobachteten Sachverhalt, dass in unterschiedlichen Ländern bzw. Wirtschaftsblöcken unterschiedliche Rechnungslegungsmethoden und Rechnungslegungsgrundsätze zur Anwendung gelangen (vgl. Inoue, T./Thomas, W.B 1996, S. 1 ff.). Für die große Zahl der Non-Profit-Unternehmen des öffentlichen, karitativen und sozialen Bereichs müssen zur Bewertung und Gestaltung ihrer Rechnungslegungsverfahren mit großer Wahrscheinlichkeit andere Entscheidungsmodelle und damit andere Hypothesen formuliert werden als die der Positive Accounting Theory.
III. Beiträge zur Gestaltung der internen Unternehmensrechnung
1. Trennung von externer und interner Unternehmensrechnung
Traditionell existiert seit ca. 100 Jahren in zahlreichen Ländern neben der externen Erfolgsrechnung (Bilanzrechnung einschl. GuV-Rechnung) eine interne Erfolgsrechnung (Kosten- und Erlösrechnung). Gegenwärtig ist in Deutschland eine Rückbesinnung auf die gemeinsamen Wurzeln beider Erfolgsrechnungen festzustellen. Die neuerdings aufgeworfenen Fragen gehen bis zu einer vollständigen Integration beider Rechnungen. Die Spannweite der Beiträge zur Neugestaltung reicht von der Orientierung am Agency-Konzept über eine investitionstheoretische Fundierung, eine Planerfolgsorientierung bis zur Orientierung an strategisch-taktischen Planungsstrukturen.
2. Agency-orientierte Beiträge
Die Kosten- und Erlösrechnung verfolgt die Rechnungsziele der Abbildung und Dokumentation, Planung, Steuerung sowie Verhaltenssteuerung (vgl. Schweitzer, M./Küpper, H.-U. 1998, S. 38 ff.). Die Verhaltenssteuerung der Mitarbeiter weckt das besondere Interesse der Agency-orientierten Beiträge. Der Grund dafür liegt darin, dass zwischen einzelnen Entscheidungsträgern Interessen- und Zielkonflikte sowie asymmetrische Informationsverteilungen möglich sind (vgl. Beaver, W.H. 1998, S. 28 ff.; Ewert, R./Wagenhofer, A. 2000, S. 415 ff.). In der Herleitung (approximierter) Opportunitätskosten zur Bewertung von Entscheidungsalternativen liegt eine wichtige Aufgabe der Kostenrechnung. Außerdem ist es für das Treffen operativer Entscheidungen von Bedeutung, den Produktionsprozess präzise und detailliert abzubilden. Da eine externe Erfolgsrechnung weder in der Lage ist, eine detaillierte Beschreibung des Produktionsprozesses zu liefern, noch ziel- und situationsabhängige Opportunitätskosten bereitzustellen, ist eine Kostenrechnung neben einer GuV-Rechnung zur Erfüllung von Planungs- und Kontrollaufgaben unverzichtbar.
Nach einem Abwägen der Argumente, die für eine selbstständige Kostenrechnung sprechen (Erfolgs-, Risiko- oder Bewertungsverbund, Verbunde zwischen einzelnen Bereichen und Interdependenzbeziehungen), und Argumenten, die gegen eine selbstständige Kostenrechnung sprechen (Kostenersparnisse, Anwendbarkeit des Residualgewinn-Konzepts), gelangt z.B. Pfaff (Pfaff, D. 1994, S. 1077 ff.) zu der Empfehlung, eine (weiterentwickelte) Kostenrechnung als interne Erfolgsrechnung neben der externen GuV-Rechnung beizubehalten. Als zusätzliche Begründung für diese Empfehlung wird eine Analyse möglicher Wirkungen von Verbundeffekten durchgeführt, die im Einzelnen kostenrechnerische Probleme der Fix- und Gemeinkostenzuordnung erkennen lässt. Eine Zurechnung der „ Verbundkosten “ erweist sich als ein probates Mittel für eine zielführende Verhaltenssteuerung. Auch (flexible) Verrechnungspreise für zwischenbetriebliche Leistungen und zielabhängige Transferpreise können nur von einer ausgebauten Kostenrechnung bereitgestellt werden.
3. Investitionstheoretisch orientierte Beiträge
Ein investitionstheoretisch orientierter Beitrag (vgl. Küpper, H.-U. 1985, S. 26 ff.; Küpper, H.-U. 1990, S. 253 ff.; Küpper, H.-U. 1995, S. 19 ff.) zur Neugestaltung der Kosten- und Erlösrechnung geht bei der Abbildung des Unternehmensprozesses von langfristigen, geschätzten Zahlungen aus. Vom Ansatz her ist dieser Beitrag entscheidungsorientiert. Grundlegend ist strategisch die Orientierung an einer übergeordneten Zielfunktion, beispielsweise am Marktwert des Eigenkapitals. Die Berechnung des Marktwerts des Eigenkapitals dient nicht der Prognose eines künftigen Börsenkurses am Kapitalmarkt, sondern einer Ausrichtung der Rechnung an einem strategischen Erfolgspotenzial. Ansatzpunkte für die Entwicklung einer derartigen Kosten- und Erlösrechnung sind daher umfassende Analysen der Interessen und Ziele bzw. der Entscheidungsprozesse der Eigenkapitalgeber und die Entwicklung interner Schätz- bzw. Prognoseverfahren für die erforderlichen Zahlungsreihen.
Für die Prognose eines Marktwerts des Eigenkapitals auf strategischer Ebene wird der Netto-Cashflow verwendet (vgl. Küpper, H.-U. 1998, S. 522 ff.;). Auf der taktischen Planungsebene wird ein dazu konformer kapitaltheoretischer Erfolg festgelegt. Operativ bedeutet dieses Vorgehen die Entwicklung einer Kosten- und Erlösrechnung mit einer marktwertorientierten Adjustierung der verwendeten Zahlungen. Diese kann formal über das Lücke-Theorem (zur kritischen Würdigung dieses Ansatzes vgl. Koch, H. 1999, S. 202) oder sachlich über den investitionstheoretischen Kostenrechnungsansatz erfolgen. Bei der sachlichen Adjustierung handelt es sich um eine explizite Anknüpfung an Zahlungen und eine Orientierung der Kostenrechnung an einer mehrperiodigen Zielgröße. Komplizierte Periodisierungen von Güterverbräuchen langfristig gebundener Potenziale werden auf diese Weise vermieden. Außerdem wird den Entscheidungsträgern rechnerisch eine fortlaufende Orientierung am übergeordneten Marktwertziel ermöglicht. Bei dieser planungshierarchisch orientierten Struktur der gesamten Kosten- und Erlösrechnung tritt das Rechnungsziel der Verhaltenssteuerung in den Hintergrund. Der Preis für diese planungshierarchische Orientierung ist jedoch eine erhebliche Zunahme der Kompliziertheit der Rechnung (vgl. Schildbach, T. 1995, S. 6).
Die operative Kosten- und Erlösrechnung ist nach dem investitionstheoretischen Ansatz als eine unter den Bedingungen der kurzfristigen einperiodigen Planung vereinfachte Investitionsrechnung zu betrachten. Sie ist kein anwendbares Rechnungssystem, sondern ein theoretischer Gestaltungsrahmen, in welchem praktikable Verfahren der Kosten- und Erlösrechnung experimentell analysiert und konzeptionell entwickelt werden können (vgl. Schweitzer, /Küpper, 2003, S. 263 ff.; Schweitzer, 2005, S. 110 und S. 134). Der investitionstheoretische Ansatz der Kostenrechnung deckt auf, welche Größen bei der Gestaltung eines praktischen Kostenrechnungssystems zu beachten sind. Zu diesen Größen zählen u.a. die explizite Beschreibung eines übergeordneten strategisch/taktischen Bezugssystems, die entscheidungs- und realtheoretische Fundierung der Rechnung, umfassende Kenntnisse über die Determinanten des gewählten mehrperiodigen Zielsystems und die Bestimmung empirisch bestätigter Hypothesen (insbes. Kapitalwertfunktionen) zur Lösung konkreter Entscheidungsprobleme.
Auch Kloock (Kloock, J. 1995, S. 51 ff.) empfiehlt eine investitionstheoretische Fundierung der Kosten- und Erlösrechnung mit Bezug auf die taktische Planungsebene, jedoch unter formaler Anknüpfung an das Lücke-Theorem. Er zeigt, dass Einzelrechnungen auf der Basis von Teilkosten die geeigneten Informationsgeneratoren sind, welche bei investitionstheoretischer Orientierung, bei Kapitalwertmaximierung und bei einer gemischten Eigen-/Fremdfinanzierung entscheidungsrelevante Informationen für operative Entscheidungsprobleme liefern. In diesen Rechnungen können auch kalkulatorische Wagnisse, kalkulatorische Zinsen und kalkulatorische Abschreibungen Verwendung finden. Während es bei Kloock offensichtlich ist, dass auf operativer Planungsebene eine interne Erfolgsrechnung (Kosten- und Erlösrechnung) neben der externen Erfolgsrechnung unverzichtbar ist, sieht Küpper in einer Integration beider Erfolgsrechnungen eine Reihe von Vorteilen, wobei offen bleibt, in welchem Umfang auch die externe Erfolgsrechnung mit ihrer rechtlichen Normierung an das Konzept einer strategischen Erfolgspotenzialrechnung angeglichen werden kann. Trotz der festgestellten Unterschiede in ihren Rechnungskonzepten wollen beide Autoren zumindest für die operative Ausprägung der Rechnung den Term „ Kostenrechnung “ beibehalten.
IV. Schlussbemerkungen
Da die meisten Unternehmen keine Teilnehmer am Kapitalmarkt sind, darf sich ein Modell zur Gestaltung der Unternehmensrechnung nicht nur an kapitalmarktbezogenen Zielvorstellungen orientieren, sondern es muss auch für Zielvorstellungen formuliert werden können, die von den jeweils betrachteten Unternehmen frei gewählt werden (vgl. Schweitzer, M./Ziolkowski, U. 1999, S. 116 ff.). Außerdem muss die Unternehmensrechnung in ihrer Struktur sowohl planungshierarchisch (operativ, taktisch, strategisch) als auch leitungshierarchisch (nach Leitungsebenen) (vgl. Schweitzer, M. 2001, S. 172 ff.) differenziert werden. Soweit übergeordnete wirtschafts- und gesellschaftspolitische Anforderungen an das Unternehmen gestellt werden, müssen auch diese bei der Gestaltung des Rechenwerks berücksichtigt werden. Um eine bestimmte Gestaltungsalternative der Unternehmensrechnung als optimal klassifizieren zu können, muss insbesondere bei konfliktären Anforderungen und Zielvorstellungen der Adressaten ein Gestaltungskompromiss auf möglichst hohem Anspruchsniveau der Zielvorstellungen gefunden werden. Diese Gestaltungsalternative wird letztlich die Fragen beantworten, inwieweit eine Trennung zwischen interner und externer Rechnung zweckmäßig ist und welche Beziehungen zwischen beiden Rechnungen beachtet werden müssen oder ob eine Integration beider Rechnungen zu einem geschlossenen Rechnungssystem die optimale Problemlösung darstellt.
Die rechnungspolitische Frage nach der optimalen Gestaltung eines praktischen Rechnungssystems lässt sich wissenschaftlich begründet nur mittels eines umfassenden instrumentalen Aussagensystems (Gestaltungsmodells) beantworten. Als Grundlage der Formulierung dieses Gestaltungsmodells ist ein theoretisch fundiertes Aussagensystem (Theorie) des Rechnungswesens unverzichtbar (vgl. Möller, /Hüfner, 2002, Sp. 356 ff.). Ein Rechnungssystem ist als theoretisch fundiert zu betrachten, (a) wenn der formale Rechnungsapparat (Rechnungskalkül) widerspruchsfrei (logisch determiniert) ist, (b) wenn die Rechnungsinformationen aufgrund empirisch gut bestätigter Verbrauchs-, Kosten-, Erlös- oder Kapitalwerthypothesen verlässlich (realtheoretisch determiniert) sind und (c) wenn die hergeleiteten Rechnungsinformationen auf ein übergeordnetes Bezugssystem (z.B. auf das Planungs- und Steuerungssystem) ausgerichtet (entscheidungstheoretisch determiniert) sind (vgl. Schweitzer, 2005, S. 104 ff, und 128 ff.).
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