Aktien als Finanzierungsinstrument
Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Arten von Aktien
III. Rechtliche Grundlagen der Aktienfinanzierung
IV. Die Entscheidung zur Aktienfinanzierung
V. Marktzugang
VI. Durchführung von Emissionen
VII. Die kontinuierliche Kurspflege
VIII. Sonderformen der Aktienfinanzierung
I. Einleitung
Die externe Eigenfinanzierung oder Zuführung von neuem haftenden Kapital ist ein Finanzierungsvorgang von besonderer Bedeutung. Für Aktiengesellschaften ist die Finanzierung durch Aktien in den §§ 182 – 221 AktG eindeutig geregelt. Das Gesetz bietet damit einen klaren Rahmen, der das Risiko für den Kapitalgeber kalkulierbar macht. Das AktG regelt sowohl die Kapitalerhöhung durch Geld – als auch durch Sacheinlage. Letztere wird hier nicht behandelt.
II. Arten von Aktien
Die Aktie ist ein typisiertes Wertpapier. Sie verbrieft folgende, für die Finanzierungsfunktion wesentlichen Rechte:
- | Residualanspruch auf Gewinn und Vermögen (in der Praxis „ Dividendenanspruch “ ), | - | Bezugsrecht bei Grundkapitalerhöhungen, | - | Informations- und Kontrollrechte (z.B. Stimmrecht bei Kapitalerhöhung). |
Nach den im Einzelnen verbrieften Rechten sind folgende Arten von Aktien zu unterscheiden:
- | Stammaktien (= Normalfall). Stammaktien weisen alle gesetzlich festgelegten Merkmale auf. | - | Vorzugsaktien sind Aktien, die bestimmte Vorrechte aufweisen, dafür auch Nachteile gegenüber Stammaktien besitzen. In der Regel bieten Vorzugsaktien Vermögensvorteile (z.B. Garantiedividende) gegenüber verminderten Mitwirkungsrechten (z.B. stimmrechtslose Vorzugsaktien der Henkel KGaA). Mehrere Gesellschaften haben in den letzten Jahren ihre Vorzugsaktien in Stammaktien umgewandelt (z.B. SAP). |
Bedeutsam für die Finanzierung ist ferner die Unterscheidung von Aktienarten nach den Eintragungserfordernissen für den Aktionär.
- | Der Regelfall ist in Deutschland noch die Inhaberaktie. Bei ihr stehen die Aktionärsrechte demjenigen zu, der die Aktie besitzt. Sie kann formlos durch Einigung und Übergabe übertragen werden. | - | Die Namensaktie war früher nur vereinzelt anzutreffen (Allianz, Münchner Rück). Bei ihr bedarf es zur Begründung der Aktionärsstellung einer Eintragung in das von der Gesellschaft geführte Aktienbuch. |
Aus verschiedenen Gründen gewinnt die Namensaktie heute zunehmend an Bedeutung. Zum einen aufgrund des Bedürfnisses, eine globale Aktie zu schaffen und diese bei grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen als „ Akquisitionswährung “ einzusetzen (z.B. Daimler Chrysler AG). In den weltweit dominierenden anglo-amerikanischen Finanzmärkten ist die Namensaktie der Regelfall. Zum anderen, um eine zielgerichteten Ansprache im Rahmen der Investor Relations zu gewährleisten. Dies setzt allerdings voraus, dass der Aktionär selbst und nicht wie in den USA die jeweilige Depotbank eingetragen ist. Gegen die Allgemeingültigkeit dieser Argumente spricht einiges. Zu hohen Kosten bei der Umstellung kommen noch zusätzliche Kosten bei der Adresspflege und beim Handel hinzu. Trotzdem wird sich die Namensaktie wohl durchsetzen. Die Führung des Aktienbuches wird zunehmend von externen Dienstleistern vorgenommen.
Einen Sonderfall stellen vinkulierte Namensaktien dar. Als Namensaktie wird auch bei ihr die Aktionärsstellung erst durch Eintragung in das Aktienbuch verwirklicht. Des weiteren ist zur Übertragung die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich.
Schließlich ist zwischen Nennwert- und Stückaktien zu unterscheiden. Im Ergebnis ist dies aber irrelevant, da beide Papiere lediglich eine Quote vom Gesamtwert des Unternehmens verbriefen. Aus Praktikabilitätsgründen verliert die Nennwertaktie immer mehr an Bedeutung. Zahlreiche Unternehmen haben bereits auf Stückaktien umgestellt. Neue Emissionen werden heutzutage nahezu ausschließlich in Stückaktien begeben.
Inhaber- und Namensaktie ist die Fungibilität gemeinsam. Die Fungibilität von Aktien erlaubt eine breite Platzierung und damit die Mobilisierung großer Kapitalmengen. Sie ist der Grund für die unverändert große Bedeutung der Aktie als Finanzierungsinstrument.
III. Rechtliche Grundlage der Aktienfinanzierung
Bei der Gründung einer Aktiengesellschaft erfolgt die Eigenkapitalausstattung i.d.R. durch Bareinlage. Gemäß § 2 AktG müssen ein oder mehrere Gesellschafter den Mindestbetrag von 50.000,-- Euro einbringen. Die Einbringung von Sacheinlagen kann im Zuge einer „ qualifizierten “ Gründung vorgenommen werden. Bei späteren Kapitalerhöhungen können Sacheinlagen im Rahmen der Vorschriften der §§ 52 und 183 AktG eingebracht werden.
Voraussetzung für jede Kapitalerhöhung ist stets ein Hauptversammlungsbeschluss mit 3/4 Mehrheit des vertretenen Grundkapitals, sofern die Satzung keine andere Mehrheit bestimmt. Zu beachten ist, dass bei Vorhandensein mehrerer Aktiengattungen (z.B. Stamm- und Vorzugsaktien) der Beschluss der Hauptversammlung noch eines Sonderbeschlusses der Aktionäre jeder Gattung bedarf, um die Gefahr der Benachteiligung einzelner Gattungen zu vermeiden. Der Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung muss folgende Angaben enthalten:
- | Höchstbetrag bzw. exakter Betrag bei Zeichnung neuer Aktien, | - | ggf. Nennbetrag, | - | Ausgabezeitpunkt und Kurs, | - | evtl. Ausschluss oder Einschränkung des Bezugsrechts. |
Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung (§§ 182 – 191 AktG) ist die Kapitalerhöhung nach Einzahlung und den entsprechenden Handelsregistereintragungen (§§ 188 I, 189 I AktG) vollzogen. Oft ist es aber notwendig, der Gesellschaft für die Aktienfinanzierung mehr Flexibilität zu verschaffen. Die Hauptversammlung kann dann genehmigtes Kapital schaffen, um welches der Vorstand innerhalb von 5 Jahren das Grundkapital erhöhen kann (§§ 202 – 206 AktG). Das genehmigte Kapital darf 50% des bestehenden Grundkapitals nicht übersteigen. Angesichts der Volatilität der Kapitalmärkte verfügt heute praktisch jede Aktiengesellschaft über genehmigtes Kapital. Das bedingte Kapital (§§ 192 ff AktG) dient im Wesentlichen eigenkapitalverbundenen Kapitalmaßnahmen wie der Begebung von Wandel- und Optionsanleihen, sowie der Gewährung von Belegschaftsaktien. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 – 220 AktG) wird hier nicht behandelt. Sie führt nicht zur Zufuhr frischen Kapitals und ist daher kein Finanzierungsvorgang im engeren Sinne.
Das Bezugsrecht aus § 186 AktG (einschl. mittelbares Bezugsrecht gem. § 186 V AktG) dient dem Schutz der rechtlichen Stellung der Aktionäre sowie vor Verwässerung des Kurses. Seine Notwendigkeit wird in der Praxis zunehmend angezweifelt. An liquiden Aktienmärkten kann der Aktionär auch durch Zukauf von Aktien seine Beteiligungsquote halten. Das Bezugsrecht erschwert Kapitalerhöhungen durch das Erfordernis einer Bezugsfrist mit Bezugsrechtshandel. Der Ausschluss des Bezugsrechts ist unter den Voraussetzungen des §§ 186 III, IV AktG möglich. Erforderlich ist danach eine sachliche Rechtfertigung, sodass ein Ausschluss nur in Ausnahmefällen wie z.B. bei Belegschaftsaktien oder einer Beschränkung auf 10% des bestehenden Kapitals und kursnaher Ausgabe möglich ist.
Die große Bedeutung der Aktie als Finanzierungsinstrument wird mit der Börsennotierung erlangt. Zwar sind heute nur 5% der deutschen Aktiengesellschaften börsennotiert, diese umfassen allerdings über 50% des Aktienkapitals. Die Zahl neu an der Börse zugelassener Unternehmen steigt nach einem beträchtlichen Rückgang in den Jahren 2001 bis 2003 (keine Börsenzulassung in 2003!) seit 2004 wieder signifikant. Mit der Einführung des Neuen Marktes und anderer Börsensegmente wird die Bedeutung des deutschen Börsenhandels weiter zunehmen. Für die Unternehmen bedeutet der Schritt an die Börse, dass dann erheblich anspruchsvollere Publizitätsvorschriften von Börsengesetz, Wertpapierhandelsgesetz, Börsenzulassungsverordnung etc. zu beachten sind, die über die Regeln von HGB und AktG deutlich hinausgehen.
IV. Die Entscheidung zur Aktienfinanzierung
Die Grundlage für jede Außenfinanzierung ist eine sachgerechte Ermittlung des Kapitalbedarfs. Der Kapitalbedarf muss auch für externe Beobachter nachvollziehbar sein. Ohne ausreichende Begründung auch nach außen wird es zunehmend schwieriger, Investoren zu mobilisieren. Die Notwendigkeit für eine Außenfinanzierung ergibt sich i.d.R. entweder aus Expansions- oder aus Sanierungsgründen. Dazu kommen branchenmäßige Besonderheiten (z.B. haftendes Kapital bei Banken).
Der zweite Schritt ist die Entscheidung zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung. Dazu sind zunächst die Kapitalkosten zu ermitteln. Es werden Modellrechnungen durchgeführt, die insbesondere die unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen berücksichtigen. In der Praxis haben sich zunehmend CAP-Modelle (Capital Asset Pricing) durchgesetzt.
Deren Anwendbarkeit ist allerdings in zweifacher Hinsicht problematisch. Zum einen können sich auf Grund der im Modell zugrunde gelegten Annahmen, die im Vergleich zur realen Welt stark abstrahierend sind, unrealistische Ergebnisse einstellen. Zum anderen sind die einzelnen Modellparameter besonders wegen des Zukunftsaspektes nicht eindeutig definierbar, sodass die Ergebnisse in hohem Maße subjektiv sind.
Insofern sind für die Frage ob Eigenkapital- oder Fremdkapitalfinanzierungen der Vorzug zu geben ist, in der Praxis auch Aspekte wie Rating, Peer-Group-Vergleiche, Marktgegebenheiten und finanzielle Flexibilität (etwa für Fusionen oder Übernahmen) von Bedeutung.
Zusätzlich sind die Emissionskosten zu berücksichtigen. Diese fallen meist zu Ungunsten einer Eigenkapitalfinanzierung aus. Die Begebung einer Schuldverschreibung verursacht Kosten in Höhe von ca. 0,5% bis 1% des Emissionserlöses. Noch günstiger erfolgt die Aufnahme eines Konsortialkredites, mit dem zumindest in Deutschland ebenfalls größere Summen darstellbar sind. Für die Übernahme junger Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit anschließender Platzierung fallen Bankprovisionen von ca. 1,5% bis 3% des ausmachenden Betrages an. Hinzu kommen Börseneinführungsprovisionen und teilweise nicht unerhebliche Sachkosten (PR-Maßnahmen, Prospekterstellung, Aktiendruck, Pflichtveröffentlichungen, etc.).
Trotz der i.d.R. höheren Kosten kann eine Eigenkapitalfinanzierung notwendig sein. Der Grund kann in der Schaffung einer optimalen Kapitalstruktur liegen oder in einer für die Geschäftsausweitung notwendigen Erhöhung haftender Mittel.
V. Der Marktzugang
Traditionell galt der deutsche Aktienmarkt im Vergleich zu angelsächsischen Märkten als unterentwickelt und daher wenig ergiebig. Im Zuge von Globalisierung, Strukturveränderungen in Deutschland, einer Reihe gesetzlicher Maßnahmen (z.B. Erleichterung des Rückkaufs eigener Aktien durch das KontraG), Änderungen im Bankenwesen, verstärktem Anlegerinteresse an der Aktie und zunehmender Kapitalnachfrage hat sich dieses grundlegend geändert. Von 1998 bis 2000 sind mehr Gesellschaften neu an der Börse eingeführt worden als in den zehn Jahren davor. Nach dem Rückgang der Jahre 2001 bis 2003 setzte 2004 wieder eine Erholung ein. 2005 rückt mit großen Schritten an die guten Jahre vor der Baisse heran (53 Börsenzulassungen). Grundsätzlich ist der deutsche Aktienmarkt heute als aufnahmefähig einzuschätzen.
Voraussetzung ist jedoch der Marktzugang. Dieser steht im Vergleich zu noch vor wenigen Jahren einer großen Anzahl von Unternehmen offen. Verantwortlich dafür ist die Einrichtung verschiedener Marktsegmente an den Börsen (z.B. Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse für Small- und Midcaps, M:access an der Bayerischen Börse in München). Damit wurden Märkte für Unternehmen in verschiedenen Risikoklassen geschaffen. Ebenso gelten unterschiedliche Börsenzulassungskriterien und Zulassungsfolgepflichten. Als wichtigste formale Kriterien können Zeitdauer des Bestehens des Unternehmens, Emissionsprospekt, Publizitätsvorschriften, Umsatzhöhe, Mindestvolumen, Anteil der frei platzierbaren Aktien genannt werden. Formale Kriterien werden allerdings von den Börsenzulassungsstellen durchaus mit Flexibilität gehandhabt.
Entscheidender für den Markzugang ist die tatsächliche Platzierbarkeit der Aktien eines Unternehmens. Diese hängt wesentlich von der Branche und der Zukunftsaussicht des betreffenden Unternehmens ab und unterliegt Stimmungen an den Aktienmärkten. Anfang 2000 ließen sich beispielsweise Internetwerte auch dann platzieren, wenn die Gesellschaft noch jung und bisher defizitär war, solange dem Anleger eine stimmige Zukunftsperspektive geboten werden konnte. Darüber hinaus kann die Wahl des richtigen Zeitpunktes für den Börsengang unter Berücksichtigung anderer anstehender Emissionen für den Platzierungserfolg entscheidend sein.
Die Begleitung eines Unternehmens an die Börse erfolgt dabei nicht mehr nur durch etablierte Kreditinstitute, sondern bei kleineren Gesellschaften auch durch spezialisierte Emissionshäuser (z.B. VEM Aktienbank AG) und Maklerfirmen (z.B. Baader Wertpapierhandelsbank AG). Die Beratung im Vorfeld der Börseneinführung, die Platzierungskraft und der angebotene Emissionspreis sind wesentliche Kriterien zur Auswahl des begleitenden Institutes. Die Bankprovisionen für eine Börsenersteinführung variieren von ca. 2% bis über 6% des zu platzierenden Betrages. Sie können im Einzelfall stark abweichen. Nicht börsenfähige Gesellschaften sind auf die Selbstemission angewiesen. Hier verliert die Aktie weitestgehend ihre spezifischen Vorteile als Finanzierungsinstrument (Fungibilität). Die Art der Eigenkapitalbeschaffung ähnelt mehr der von Nicht-Aktiengesellschaften.
VI. Die Durchführung der Emission
Sowohl bei einer Börsenersteinführung als auch bei einer Kapitalerhöhung (bei letzterer gibt es Ausnahmen) ist aufgrund der zivil- und börsengesetzlichen Regelungen ein Prospekt zu erstellen. Dieser enthält gem. §§ 13 ff. BörsenZulV Angaben über die zugelassenen Aktien, über den Emittenten und sein Kapital, über dessen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, Beteiligungsunternehmen, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane und die Geschäftstätigkeit. Ebenso sind Angaben über den jüngsten Geschäftsgang und die Geschäftsaussichten zu machen, wobei besonders auf Risikofaktoren hinzuweisen ist. Das Unternehmen sowie der den Prospekt Erstellende haften gegenüber den Anlegern für die Richtigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben.
Wurde früher der Prospekt i.d.R. von der konsortialführenden Bank in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen erstellt, wird diese Tätigkeit heute zumeist von Rechtsanwaltskanzleien wahrgenommen. Die Emission begleitende Werbekampagnen (Inserate, Fernsehspots, Telefon-Hotline) werden federführend zunehmend von auf Finanzmarketing spezialisierte Agenturen durchgeführt. Die Banken hingegen organisieren zum einen den Kontakt von Unternehmen zu Analysten und institutionellen Anlegern (Road Shows). Zum anderen platzieren sie die Aktien bei den Anlegern. Insbesondere in Deutschland kommt dabei trotz des steigenden Einflusses großer Investoren der direkten Ansprache der Kleinanleger durch die Banken weiterhin große Bedeutung zu. Die Prospekthaftung verbleibt bei den die Börsenzulassung beantragenden Instituten und den Unternehmen.
Der zeitliche Rahmen einer Börsenersteinführung erstreckt sich ab Mandatierung des emissionsbegleitenden Institutes auf ca. 4 Monate bis zur Aufnahme des Börsenhandels. Ggf. kommt es bei besonderen Nachfragen danach zur Ausübung des Greenshoes (Mehrzuteilungsoption). Die Festlegung des richtigen Emissionspreises ist dabei von besonderer Bedeutung. Ein zu hoch gewählter Preis kann die ganze Emission gefährden. Bei einem zu niedrigen Preis erhalten die Verkäufer der Aktien nicht den ihnen gebührenden Wert. Wünschenswert ist ein Emissionspreis, der anschließend eine moderate positive Kursentwicklung ermöglicht. Dies bringt dem Unternehmen für spätere Kapitalmaßnahmen einen Goodwill der Anleger. Kriterien bei der Emissionspreis-Festlegung sind u.a. Kurs-Gewinnverhältnisse vergleichbarer börsennotierter Unternehmen der gleichen oder verwandter Branchen. Die Feinabstimmung erfolgt heute meist durch das sog. Bookbuilding. Innerhalb einer vom Unternehmen vorgegebenen Bookbuilding-Preisspanne benennen Anleger dem Bookrunner Anzahl und Preis der Aktien, die sie zeichnen. Der Bookrunner ermittelt anhand der ihm vorliegenden Aufträge den endgültigen Emissionspreis und teilt die Aktien zu.
Für Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrecht wird obiges Verfahren ebenfalls angewandt. Anders ist die traditionelle Vorgehensweise bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht. Hier legen Unternehmen und Konsortialführer den Bezugspreis für die neuen Aktien fest. Ein Bankenkonsortium übernimmt die Aktien zum Bezugspreis und bietet sie den Altaktionären zum Bezug an. Für den Fall, dass diese nicht alle Aktien beziehen, verkauft das Bankenkonsortium die restlichen Aktien auf eigenes Risiko am Markt. Der Nachteil dieser Vorgehensweise aus Sicht des Unternehmens ist, dass die Bezugspreisbestimmung nicht objektiv erfolgt und sehr von der (interessengetriebenen) Einschätzung der konsortialführenden Bank abhängt.
Dieser Nachteil wird vermieden, wenn ein Bookbuilding-Verfahren auch bei Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht angewandt wird. Dies ist in 2004 in Deutschland erstmals erfolgt (z.B. HVB, Lufthansa). Dabei nennen die Konsortialbanken verbindlich die Anzahl neuer Aktien, die sie bei verschiedenen Bezugspreisen übernehmen wollen. Nach Vorliegen der Zeichnungswünsche legt das Unternehmen in Absprache mit den Konsortialführern den endgültigen Bezugspreis fest und teilt den Konsortialbanken ihre Quoten zu. Das Unternehmen nutzt so den Wettbewerb unter den Banken, um den Bezugspreis zu optimieren. Der Bezug und die eventuelle Verwertung der neuen Aktien erfolgt wie bei der traditionellen Vorgehensweise.
Das Unternehmen steht auch vor der Frage, an welchen Börsenplätzen eine Notierung der Aktie erfolgen soll. Ist diese Entscheidung nicht schon durch die Wahl eines bestimmten Börsensegmentes (z.B. Entry Standard in Frankfurt) festgelegt, wird i.d.R. eine Notierung an der Heimatbörse und meist zusätzlich noch am mit Abstand wichtigsten deutschen Börsenplatz, in Frankfurt am Main (Marktanteil am Aktienumsatz aller deutscher Börsen: ca. 90%), erfolgen. In diesem Zusammenhang ist in der Vergangenheit oft über die Unnötigkeit der deutschen Regionalbörsen und mehr noch über die durch diese Zersplittung bewirkte geringere Liquidität der Hauptbörse Frankfurt diskutiert worden. Abgesehen davon, dass durch die Einführung elektronischer Handelssysteme dieses Thema an Brisanz verliert, hat die Konkurrenzsituation der Börsen besonders für den Kleinanleger auch Vorteile (z.B. Einführung verlängerter Handelszeiten und Best-Price-Prinzipien (Referenzmarktprinzip) durch verschiedene Regionalbörsen. Möglicherweise ist auch die Einführung innovativer Marktsegmente Ausdruck der (sogar europaweiten) Konkurrenzsituation. So werden in Frankfurt mehrere ausländische Werte gehandelt. Seltener erfolgt die Erstnotiz deutscher Gesellschaften im Ausland (z.B. Benckiser in Amsterdam). Hingegen haben sich die Erwartungen deutscher Großunternehmen in einen florierenden Handel ihrer Aktie an Auslandsbörsen nicht erfüllt. So kann der Umsatz einer Aktie an der kleinsten deutschen Regionalbörse größer sein als der Umsatz dieser Aktie in Tokio oder New York. Der Grund ist, dass institutionelle Investoren Aktien bevorzugt am Markt mit der höchsten Liquidität kaufen. Das ist normalerweise der Heimatmarkt. Früher verfolgten Unternehmen mit einem Auslandslisting oft auch Imagezwecke. Allerdings gibt es wegen stark erhöhter und teurer Listinganforderungen insbesondere in den USA kaum neue Auslandsnotierungen deutscher Unternehmen. Im Gegenteil versuchen einige Firmen ein Delisting ihrer Aktie an der New York Stock Exchange zu erreichen, was aber derzeit auf rechtliche Schwierigkeiten in den USA stößt.
VII. Die kontinuierliche Kurspflege
Der Kommunikation mit Aktionären und Investoren messen börseneingeführte Unternehmen wachsende Bedeutung bei. Investor Relations zielt dabei auf den Ausbau der Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Aktionären durch eine aktive und kontinuierliche Informationspolitik. Dahinter steht der Gedanke, dass je besser die Investoren informiert sind, um so fundierter ihre Investitionsentscheidung ist und um so größer ihre Bereitschaft, sich langfristig zu engagieren.
Wohlgemerkt geht es bei Investor Relations nicht darum, dem Aktionär schöngefärbte Unternehmensentwicklungen vorzutäuschen, die dann nicht eintreten. Vielmehr soll durch eine kontinuierliche Informationspolitik die Stabilisierung des Aktienkurses gefördert werden. Somit reduziert sich das Risiko des Aktionärs und damit langfristig auch die Risikoprämie, die er verlangt. Das führt zu niedrigeren Eigenkapitalkosten.
Das Unternehmen möchte sich durch Investor Relations die Möglichkeit sichern, Eigenkapital zu günstigen Bedingungen zu beschaffen. Auch eine breite Streuung der Aktie, das Erschließen neuer Aktionärskreise und ein generell positives Image bei Investoren, die ja auch Kunden des Unternehmens sein können, sind Ziele von Investor Relations.
Der Ausbau der Investor Relations-Tätigkeiten über die letzten Jahre hat seine Ursache in einem gestiegenen Informationsbedürfnis der Anleger und erweiterten gesetzlichen Publizitätspflichten. Besonders institutionelle Investoren, deren Anteil beständig größer wird, haben dabei ein hohes Informationsbedürfnis.
Ein weiteres wichtiges Element der Kurspflege stellt die Dividendenpolitik dar. Auch wenn gerade im letzten Jahr die Rendite des Aktionärs besonders durch Kurssteigerungen bestimmt war, ist für viele, insbesondere Kleinanleger, die Dividendenrendite ein Kaufkriterium beim Aktienerwerb. Im Modell des effizienten Kapitalmarktes hingegen ist es gleichgültig, ob der Aktionär eine Dividende erhält, oder ob bei Nichtauszahlung von Gewinnen der Unternehmenswert und damit der Aktienkurs entsprechend steigt. In der Realität bestimmen häufig steuerliche Aspekte, ob eine Thesaurierung der Gewinne durch das Unternehmen oder eine Dividendenzahlung für den Aktionär vorteilhafter ist. Eine Beurteilung hängt dabei stark von der persönlichen Steuersituation des einzelnen Aktionärs ab.
Führt das Unternehmen im Zusammenhang mit einer Dividendenausschüttung eine Kapitalerhöhung durch, weil es die Finanzmittel benötigt, spricht man vom Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren. Dieses stellt in Einzelfällen eine steuerliche Optimierung dar, hat aber nach Steuergesetzesänderungen an Relevanz verloren. Unternehmen tendieren zudem dazu, durch eine stetige Dividendenpolitik zu einer Stabilisierung des Aktienkurses beizutragen und die Dividenden nicht jeweils schwankenden Gewinnen anzupassen.
VIII. Sonderformen der Aktienfinanzierung
Wandelanleihen, Optionsanleihen und Gewinnschuldverschreibungen (§ 221 AktG) können als Sonderformen der Finanzierung durch Aktien verstanden werden. Zu ihrer Begebung bedarf es einer Genehmigung der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft und eines von ihr eingeräumten bedingten Kapitals (§ 192 AktG). Der Bezugsrechtsausschluss ist mit Ausnahme der Gewinnschuldverschreibungen wiederum nur unter den Voraussetzungen des § 186 AktG möglich. Mindermeinungen zweifeln an der Notwendigkeit einer sachlichen Rechtfertigung in allen Fällen des § 221 AktG. Sicherheitshalber sollte sie jedoch eingehalten werden. Im Falle der Wandlung bzw. Optionsausübung werden aus dem bedingten Kapital zur Bedienung der Wandlungs- und Optionsansprüche neue Aktien begeben. Entsprechend erhöht sich das gezeichnete Kapital der Gesellschaft. Der Reiz dieser Anleihen ist, dass die Erwartungen über die zukünftige Entwicklung des Aktienkurses in die Konditionenfindung der Anleihe eingehen. Bei entsprechender Volatilität der Aktie führt dies zu einer niedrigen Verzinsung bis hin zur Nullkupon-Anleihe. Besonders der Markt für Wandelanleihen erlebte europaweit eine starke Blüte. Anleihen mit einem Emissionsvolumen von über 1 Mrd. Euro waren in den letzten Jahren keine Seltenheit mehr. Die Anleihe-Laufzeiten bewegten sich meist bis fünf Jahre, können aber bis zu 15 Jahre betragen. Mit einem Anstieg der Volatilität an den Aktienmärkten ist auch wieder mit einem erhöhten Emissionsvolumen für Wandelanleihen zu rechnen.
Andere eigenkapitalähnliche Instrumente sind Genussscheine (Bertelsmann AG, zahlreiche Banken). Sie sind in Deutschland außer bei Banken und Versicherungen nicht weit verbreitet. Ihre Attraktivität besteht darin, dass Genussscheinkapital wirtschaftlich Eigenkapitalcharakter hat, steuerlich aber als Fremdkapital ausgestaltet ist. Das ausstehende Genussscheinvolumen ist in den vergangenen Jahren rückläufig.
Unternehmen emittieren in jüngster Zeit verstärkt dem Genussschein verwandte Instrumente, sog. Hybride. Diese vereinen Charakteristika von Fremd- und Eigenkapital. Rating-Agenturen gewähren Hybriden eine anteilige Eigenkapitalanrechnung, die in ihrer Höhe von der Ausgestaltung des Hybrids abhängt. Kriterien für die Eigenkapitalanrechnung wurden erst kürzlich durch die Rating-Agenturen festgelegt und transparent gemacht. Dies trug wesentlich zum momentanen Erfolg der Hybride bei.
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