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Unfertige und fertige Erzeugnisse (Rechnungslegung)


Inhaltsübersicht
I. Nachweisprüfung
II. Bewertungsprüfung
III. Ausweisprüfung
IV. Prüfungstechnische Besonderheiten der Prüfung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse
V. Berücksichtigung des Zusammenhanges mit Lagebericht, Anhang und Gewinn- und Verlustrechnung

I. Nachweisprüfung


Für den Nachweis der unfertigen und fertigen Erzeugnisse der Einzelfertigung wird i. d. R. das Verfahren der Stichtagsaufnahme infrage kommen. Für fertige Erzeugnisse der Mehrfachfertigung (Massen-, Sorten- oder Serienfertigung) und für Ersatzteile wird vielfach das Verfahren der permanenten Inventur, gegebenenfalls auch kombiniert mit dem Verfahren der Stichprobeninventur oder der Bestandsaufnahme bei automatisch gesteuerten Lagersystemen, angewandt. Die Nachweisprüfung beginnt mit der Inventurprüfung, auf die Prüfungserfordernisse betreffend das Stichprobenverfahren (Stichprobenprüfung mit bewusster Auswahl; Stichprobenprüfung mit Zufallsauswahl) für die Vorratsinventur zum Jahresabschluss (IDW, 1981; IDW, 1990) und die körperliche Bestandsaufnahme bei automatisch gesteuerten Lagersystemen (IDW, 1990) wird verwiesen.

1. Anforderungen an Nachweis und Prüfung der Inventur


Vor der Bestandsaufnahme muss bereits die Methode der späteren Bewertung bestimmt sein. Entsprechend der Zusammensetzung der direkt zurechenbaren Kostenbestandteile

-

Fertigungsmaterial,

-

Fertigungslöhne,

-

Sondereinzelkosten der Fertigung,

-

ggf. auch Entwicklungs-, Versuchs- und Konstruktionskosten


für die anschließende Bewertung muss schon in den Daten der Inventur das Mengengerüst der infrage kommenden Kostenbestandteile prüfbar nachgewiesen werden.

a) Anforderungen an Nachweis und Prüfung des Mengengerüsts bei Mehrfachfertigung


Die Inventur derartiger Erzeugnisse kann umfassen

-

in Bearbeitung befindliche Einzelteile und aus Einzelteilen zusammengesetzte Teile und/oder

-

in der Montage befindliche bzw. fertige Baugruppen und Erzeugnisse (zur Nachweisprüfung dieser Gruppe s. u. I.1.b.).


Der mengenmäßige Nachweis des Materials wird im Falle der einfachen Fertigung durch die bei der Inventur vorgenommene verbale Beschreibung des Gegenstandes oder bei komplexen und mehrstufigen Fertigungsprozessen besser noch durch die in der Inventur aufgenommenen Teilenummern erbracht.
Die Prüfung hat sich darauf zu beziehen, ob die Daten in dem später aufgrund der Inventur erstellten Inventar hinsichtlich der mengenmäßigen Angaben (Kilogramm, Meter, Liter, etc.) und der Materialart mit routinemäßig erstellten Aufzeichnungen der Fertigung oder im Falle von zusammengesetzten Erzeugnissen mit der Stückliste übereinstimmen.
Der mengenmäßige Nachweis der angefallenen Fertigungslöhne erfolgt durch die Anzahl der bis zum Inventurstichtag durchgeführten Arbeitsvorgänge. Die Bestimmung der Anzahl der Arbeitsgänge kann sich im Fall einfacher, bei der Inventur erkennbarer Bearbeitungsvorgänge aus der verbalen Beschreibung des Teils und der erkennbar durchgeführten Arbeiten (z. B. Sägen, Biegen, Schneiden, Glühen) oder bei komplizierten und mehrstufigen Bearbeitungsvorgängen besser durch eine dem jeweilig bereits erfolgten Arbeitsgang entsprechend festgelegten Teilenummer oder durch die Angabe des Kostenplatzes, an dem sich das Teil bei der Inventuraufnahme befindet, ergeben. Die Prüfung des Mengengerüstes der angefallenen Bearbeitungszeiten besteht darin, die in der Inventur gemachten Angaben anhand von Arbeitsplänen zu überprüfen und sollte im Einzelfall durch die Einbeziehung von Protokollen über Zeitaufnahmen oder durch die Beobachtung von Bearbeitungszeiten in neuer Rechnung ergänzt werden.

b) Anforderungen an Nachweis und Prüfung des Mengengerüstes bei Einzelfertigung


Der mengenmäßige Nachweis des bis zum Inventurstichtag angefallenen Materials und der bis dahin entstandenen Fertigungslöhne kann bei den i. d. R. komplexen Erzeugnissen der Einzelfertigung nicht mehr durch eine körperliche Aufnahme im Einzelnen erfolgen (das z. B. in der Endmontage befindliche Bearbeitungszentrum kann nicht zum Zwecke der körperlichen Feststellung der eingebauten Teile „ zerlegt “ werden). Hier wird der mengenmäßige Nachweis des Bestandes an Fertigungsmaterial (zugekaufte Teile und eingesetzte Serienteile der eigenen Fertigung) durch die „ bis dahin “ erfüllte Stückliste erbracht. Der mengenmäßige Nachweis der für diesen Auftrag angefallenen Fertigungsstunden erfolgt durch den Fertigungsplan in Verbindung mit den Angaben der Arbeitsvorbereitung zum Aufnahmestichtag.

c) Anforderungen an Nachweis und Prüfung in Sonderfällen der Einzelfertigung


Bei den Sonderfällen (z. B. Bau-, Dienstleistungen, Anlagenbau) der Einzelfertigung ist in aller Regel eine körperliche Aufnahme der verbrauchten Materialien und der erbrachten Leistung aufgrund der Komplexität des unfertigen Erzeugnisses nicht möglich. Der Nachweis erfolgt dann buchmäßig. Besondere Bedeutung kommt dabei der Schätzung des Fertigungsgrades zu. Dazu sind die Ergebnisse des Projekt-Controllings sowie das Risiko-Management-System des Unternehmens einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

2. Prüfung des Nachweises von Sondereinzelkosten


Der Nachweis von Sondereinzelkosten der Fertigung oder der Entwicklung und Konstruktion erfolgt wie der Nachweis über Fertigungslöhne durch Fertigungspläne, Nachweise der Arbeitsvorbereitung oder im Falle von Entwicklungs- und Konstruktionskosten durch auftragsbezogene Stundennachweise der entsprechenden Abteilung.

II. Bewertungsprüfung


Die anzuwendende Prüfungstechnik hängt regelmäßig von der Art des Kalkulationsverfahrens ab, mit welchem die Herstellungskosten bestimmt werden.
Die Bewertungsprüfung erfolgt in vier Abschnitten:

1.

Prüfung der Einzelkosten
(a) Materialkosten
(b) Fertigungslöhne

2.

Prüfung der Sondereinzelkosten

3.

Prüfung der Gemeinkosten

4.

Prüfung der „ verlustfreien “ Bewertung.


Zu jedem dieser Komplexe der Bewertung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse sollten, sofern der Bestand wesentlich ist, von dem bilanzierenden Unternehmen Bewertungsrichtlinien erstellt worden sein.
Der erste Prüfungsschritt besteht in einer kritischen Durchsicht der Bewertungsrichtlinien mit dem Ziel festzustellen, ob

-

die Richtlinien dem Stand des internen Rechnungswesens angemessen sind und

-

die nach diesen Richtlinien zu erarbeitenden Bewertungsansätze mit den Anforderungen des normativen Rahmens (HGB und/oder Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung; International Financial Reporting Standards (IFRS); US-GAAP; etc.) übereinstimmen.


Spätestens dabei gilt es zu beurteilen, ob das interne Rechnungswesen der Charakteristik und der Komplexität der jeweiligen Produktion angemessen ist.
Der zweite Prüfungsschritt umfasst eine stichprobenweise Überprüfung der tatsächlichen Vorgehensweise bei der Bewertung aufgrund etwaiger, die Bewertungsrichtlinien ergänzender Arbeitsanweisungen und durch Befragung von Sachbearbeitern. Damit soll festgestellt werden, ob die von der Unternehmensleitung herausgegebenen Bewertungsrichtlinien im Grundsatz angewendet und eingehalten worden sind.
Der dritte Prüfungsschritt betrifft die Prüfung der Wertansätze im Einzelnen auf formelle und materielle Richtigkeit unter Berücksichtigung des Risikoprofils und erfolgt in Stichproben (Stichprobenprüfung mit bewusster Auswahl; Stichprobenprüfung mit Zufallsauswahl).

1. Prüfung der Einzelkosten


Der Gegenstand der Prüfung ist von dem zugrunde gelegten Kalkulationsverfahren abhängig. Im Falle der Divisionskalkulation ist der Einsatz von Einzelkosten in der Referenzperiode und im Falle der Zuschlagskalkulation der Einsatz von Einzelkosten für die Herstellung einer Mengeneinheit zu prüfen.

a) Material-Einzelkosten


Hierzu wird auf die Ausführungen zur Bewertungsprüfung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe verwiesen. Ergänzend dazu sind ggf. Material-Mehrverbrauch (z. B. erfordert die Erzeugung von 1000 kg Profilstahl den Einsatz von mehr als 1000 kg Knüppel) und Reststoffgutschriften (z. B. für Produktionsschrott) zu prüfen, zweckmäßig anhand von Ausbringungskennzahlen aus einem längeren Zeitraum.
Als Prüfungsunterlagen sollten bewertete Materialentnahmescheine, Stücklisten und ggf. Vor- und Nachkalkulation des Materialverbrauchs herangezogen werden.

b) Lohn-Einzelkosten


Die Prüfung der Bewertung der Lohn-Einzelkosten gem. Fertigungsplan bezieht sich im Falle der Zuschlagskalkulation und der Vergütung nach Zeitlohn einerseits auf die mit den Unterlagen der Lohnabrechnung abzustimmende rechnerische Ermittlung des durchschnittlichen Lohnsatzes und andererseits auf die Abgrenzung zu den Fertigungsgemeinkosten. Enthält die Vergütung der Fertigungslöhne (teilweise) variable Elemente (z. B. bei Akkordsystemen, Leistungsanreizen etc.), erstreckt sich die Prüfung auch auf die Berechnung des durchschnittlichen Stundensatzes, zweckmäßigerweise gestützt auf Kennzahlen der Lohnabrechnung aus mehreren Monaten vor dem Bewertungsstichtag. Auf eine periodengerechte Erfassung ist zu achten.

2. Prüfung der Sondereinzelkosten


Sondereinzelkosten der Fertigung können sowohl Einzelkosten als auch Kostenstellenkosten sein. Hinsichtlich der Einzelkosten (Löhne, Material) und deren Bewertung gelten die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt sinngemäß. Bezüglich Sondereinzelkosten als Kostenstellenkosten wird auf den Abschnitt „ Prüfung der Gemeinkosten “ verwiesen (s. u. II.3.).

3. Prüfung der Gemeinkosten


Der Ansatz von Gemeinkosten in der Bewertung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse setzt nicht notwendigerweise voraus, dass das bilanzierende Unternehmen auch über die Kostenstellenrechnung mit BAB verfügt; die Bewertungsansätze können auch aus der Vorkalkulation, aus analytischen Einzeluntersuchungen oder u. U. aus retrograder Bewertung gewonnen worden sein.

a) Prüfung bei Vorliegen einer Kostenstellenrechnung mit BAB


Die Prüfung hat, ausgehend von den Produktionsabläufen des Unternehmens, mit einer kritischen Würdigung des Verfahrens der Betriebsabrechnung einschließlich der Beurteilung der Angemessenheit von Umlagen und deren Schlüsselung zu beginnen. In diesem Zusammenhang sind jährlich wiederkehrend in Stichproben auch Teile des BAB eingehend darauf zu prüfen, ob die Kostenzurechnung zu einzelnen Kostenstellen dem Verursachungsprinzip entspricht. In der Regel wird – insbes. bei einem zeitlich nahe am Bilanzstichtag liegenden Datum der Bilanzaufstellung – für die Bewertung der Gemeinkosten nicht ein das gesamte Geschäftsjahr (einschließlich der Jahresabschlussbuchungen so genannter 13. BAB) umfassender BAB zugrunde gelegt, sondern vielfach eine kürzere (z. B. zehn Monate umfassende) Abrechnungsperiode. Für die Prüfung der Gemeinkosten stellt sich dann zusätzlich das Problem, die innerjährlich vorgenommenen Verrechnungen zu prüfen und zu beurteilen, ob die Ergebnisse auf den Bilanzierungsstichtag übertragen werden können.
Ein weiterer Prüfungsschritt besteht darin, festzustellen, ob alle diejenigen Kostenarten, die handelsrechtlich nicht aktivierbar sind (z. B. kalkulatorische Kosten und Kostenüberdeckungen aus innerbetrieblicher Leistungsverrechnung von Hilfskostenstellen auf Fertigungskostenstellen), eliminiert worden sind. Die Prüfung kann sich auf eine überschlägige statistische Rechnung – Relation der auszusondernden Kosten zu dem Gesamtbetrag der verrechneten Gemeinkosten – beschränken.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich die Prüfung der Gemeinkosten nicht darauf erstrecken kann, die darin verrechneten Kosten im Einzelnen zu prüfen. Primär sollte festgestellt werden, ob das angewandte System des BAB zu einem vernünftigen betriebswirtschaftlichen Ergebnis führt, welches wesentliche Bewertungsfehler ausschließt.

b) Prüfung ohne Vorliegen eines BAB


In diesem Fall kann die Angemessenheit kalkulatorisch verrechneter Gemeinkosten – abgesehen von der kritischen Durchsicht der Kalkulationsunterlagen  – nur durch die so genannte retrograde Methode überprüft werden.

4. Ergänzende Prüfung nach IFRS/US-GAAP


Grundsätzlich können die handelsrechtlichen Herstellungskosten in Übereinstimmung mit International Financial Reporting Standards (IFRS) oder US-GAAP aktiviert werden; u. U. schließen sich allerdings die nach IAS und US-GAAP aktivierungspflichtigen Herstellungskosten aus.

5. Prüfung der „ verlustfreien “ Bewertung


Es handelt sich dabei um die Prüfung, ob die im Jahresabschluss bilanzierten unfertigen und fertigen Erzeugnisse in der Folgezeit ohne Realisierung eines Verlustes verwertet werden können. Der so definierte Niederstwert zum Bilanzstichtag ergibt sich aus dem zu erwartenden Nettoerlös abzüglich aller noch anfallenden Vertriebs-, Lager-, Versand- und Finanzierungskosten sowie (bei unfertigen Erzeugnissen) noch anfallenden Herstellungskosten.
Der Aspekt der Wesentlichkeit ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Die zu erwartenden Nettoerlöse können ausgehend von am Bilanzstichtag bereits vorliegenden Aufträgen oder aufgrund der tatsächlich erzielten Erlöse für einzelne Erzeugnisse oder Erzeugnisgruppen in neuer Rechnung geprüft werden. Die Prüfung der Vertriebs-, Lager- und Versandkosten kann durch Abstimmung mit der geprüften Kostenrechnung des abgelaufenen Geschäftsjahres erfolgen. Der Ansatz von noch zu erwartenden Herstellungskosten (in diesem Fall volle Herstellungskosten ohne Aussonderung von nicht aktivierungspflichtigen bzw. -fähigen Kostenbestandteilen) kommt i. d. R. nur für unfertige Erzeugnisse der Einzelfertigung infrage und kann aus dem Vergleich der Ist-Kosten zum Bewertungsstichtag mit den Gesamtkosten lt. Vorkalkulation geprüft werden; ggf. bietet auch der Fertigstellungsgrad vom Aufnahmestichtag einen Anhaltspunkt. Bei unfertigen Erzeugnissen der Mehrfachfertigung können die noch anfallenden Herstellungskosten nicht direkt erfasst und geprüft werden. Hier beschränkt sich die Prüfung des Prinzips der verlustfreien Bewertung auf die Feststellung des entsprechenden prozentualen Abschlages von den Herstellungskosten vergleichbarer fertiger Erzeugnisse.

6. Niederstwerttest nach IFRS und US-GAAP


IAS 2.9 fordert den Niederstwerttest entsprechend dem Grundsatz lower of cost or net realizable value (realisierbarer Nettoverkaufswert), wobei dieser Nettoverkaufswert definiert wird als „ estimated selling price in the ordinary course of business less the estimated costs of completion and the estimated costs necessary to make the sale “ (IAS 2.6). Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen „ verlustfreien “ Bewertung sollte somit regelmäßig möglich sein.
Die US-GAAP fordern demgegenüber lower of cost or market, wobei market für current replacement costs, whether by purchase or by reproduction steht und sich im Korridor des net realizable value less an allowance for normal profit als Minimum und dem net realizable value als Maximum bewegen kann (ARB 43, ch. 4.8).
US-GAAP verbieten eine spätere Wertaufholung, die unter IFRS bis höchstens zu den ursprünglichen Kosten vorgenommen werden muss.

III. Ausweisprüfung


Die Ausweisprüfung erstreckt sich erstens darauf, ob die Zuordnung der einzelnen Bestände zu den Positionen des Vorratsvermögens gem. dem vorgesehenen Gliederungsschema zutreffend ist. Wesentliche Unterschiede in der Abgrenzung zwischen HGB, IFRS und US-GAAP lassen sich nicht erkennen. Die Abgrenzung zwischen Rohstoffen und unfertigen Erzeugnissen ist im Hinblick auf die Aktivierung von Materialgemeinkosten im Rahmen der Herstellungskosten der unfertigen Erzeugnisse von Bedeutung. Sobald Verbrauchsgüter in den Produktionsprozess eingehen, sind sie unter unfertigen Erzeugnissen auszuweisen. In der Regel sollen daher in den Ausweis der unfertigen Erzeugnisse nur solche Gegenstände einbezogen werden, für die bis zum Zeitpunkt der Aufnahme auch bereits Fertigungslöhne angefallen sind. Ausnahmen können beispielsweise für eindeutig der Endmontage zugeordnete Teile (z. B. elektronische Bauteile) oder für an Montagebändern bereitliegende Teile geringen Wertes (z. B. Schrauben, Muttern, Kleinteile) gelten. Einen Sonderfall bietet die Einzelfertigung. Hier werden i. d. R. die für einen Auftrag speziell beschafften Gegenstände auch dann, wenn im Unternehmen selbst noch keine Bearbeitung oder Montage erfolgt ist, in dem Ausweis der unfertigen Erzeugnisse erfasst.
Fertige Erzeugnisse liegen erst dann vor, wenn Versandbereitschaft besteht. Die zur Prüfung der Versandbereitschaft erforderlichen Informationen ergeben sich aus den Inventuraufzeichnungen oder hilfsweise aus der Abwicklung in der Folgeperiode. Die Ausweisprüfung hat ferner die Abgrenzung zwischen fertigen Erzeugnissen und Forderungen zum Gegenstand, d. h. die Feststellung, dass Erzeugnisse nicht doppelt – als Vorräte und Forderungen – erfasst werden und dass in Kommissions- oder Konsignationslägern befindliche Erzeugnisse noch als Vorräte und nicht als Forderungen ausgewiesen werden.

IV. Prüfungstechnische Besonderheiten der Prüfung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse


Eine Besonderheit der Prüfung ergibt sich, wenn Handelswaren und/oder fertige Erzeugnisse in der Bilanz nicht ausgehend von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, sondern ausgehend von Verkaufspreisen bewertet worden sind. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob die so ermittelten Wertansätze den normalerweise anzusetzenden Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten entsprechen. Die Prüfung kann nur retrograd über die Gewinn- und Verlustrechnung unter Einbeziehung eines im Normalfall zu erwartenden Gewinns erfolgen. Besonderer Beachtung bedarf die Untersuchung der Verwertungsmöglichkeit von Beständen, insbes. mit hoher Lagerreichweite (Prüfung, ob die Bewertungsabschläge ausreichend sind, künftige Lager- und Finanzierungskosten abzudecken), aus weiter zurückliegenden Herstelljahren (Prüfung, ob etwa Baugruppen und Komponenten in dem laufenden Produktionsprogramm noch zum Einsatz kommen oder ob nurmehr eine Verwendung als Ersatzteile infrage kommt). Für die Zielsetzung der internen Kontrolle ist die wirtschaftliche Bestandsführung zur Vermeidung von unnötigen Mittelbindungen im Vorratsvermögen zusätzlicher Prüfungsgegenstand.

V. Berücksichtigung des Zusammenhanges mit Lagebericht, Anhang und Gewinn- und Verlustrechnung


1. Lagebericht


Die im Lagebericht nach § 289 HGB geforderten Darstellungen dienen der Ergänzung der aus dem Jahresabschluss ableitbaren Erkenntnisse über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft, insbes. sofern zukunftsorientierte Sachverhalte berücksichtigt werden. Die erforderlichen Hinweise auf die Risiken der künftigen Entwicklung stehen in engem Zusammenhang mit der Frage des Fortbestands des Unternehmens (going concern) und den danach im Jahresabschluss zu treffenden Ansatz- und Bewertungsentscheidungen. Die Bewertungsprüfung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse setzt daher die Kenntnis der u. U. bewertungsrelevanten Informationen aus dem Lagebericht bereits während der Prüfung des Jahresabschlusses voraus.
Daneben sollte der über den Jahresabschluss hinausgehenden Informationsfunktion des Lageberichts ebenfalls bereits in der Prüfung Rechnung getragen werden. Insbesondere für die Darstellung des Geschäftsverlaufs (etwa zu den Stichworten: Branchensituation, Umsatz- und Auftragsentwicklung, Produktion, Beschaffung, Forschung und Entwicklung) können wesentliche Informationen in diesem Prüffeld mitgeprüft werden.

2. Anhang


In Bezug auf die Prüfung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse muss geprüft werden, ob

-

die Bewertungsmethoden zutreffend wiedergegeben und etwaige Abweichungen von der vorjährigen Handhabung mit ihren Auswirkungen angegeben und begründet sind,

-

etwaige Beschaffungen in fremder Währung entsprechend den Anhangangaben umgerechnet worden sind,

-

die etwaige Einbeziehung von Zinsen für Fremdkapital in die Herstellungskosten angegeben ist,

-

die Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren zu wesentlichen Unterschieden zum Ansatz des letzten vor dem Abschlussstichtag bekannten Börsenkurses oder Marktpreises führt.


Bei der Prüfung ist auf wesentliche Pfandbestellungen an und Sicherungsübereignungen von unfertigen und fertigen Erzeugnissen zu achten. Ferner sind wesentliche finanzielle Verpflichtungen aus abgeschlossenen Verträgen (z. B. aus langfristigen Lieferkontrakten für Bauteile) mit ihrem Wert am Bilanzstichtag anzugeben.
Auf die nach IFRS bzw. US-GAAP zusätzlich notwendigen Angaben wie z. B.

-

Buchwert der zum realisierbaren Nettoverkaufswert angesetzten Vorräte oder

-

Angabe des Unterschiedsbetrags bei Anwendung des LIFO-Verfahrens


wird hingewiesen.

3. Gewinn- und Verlustrechnung


Bei einer nach dem Gesamtkostenverfahren aufgestellten Gewinn- und Verlustrechnung geht der Unterschied zwischen dem Ausweis der unfertigen und fertigen Erzeugnisse am Bilanzstichtag und am vorhergehenden Bilanzstichtag als Bestandsveränderung in die Rechnung ein. Bei einer Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren entsteht u. U. das Problem der Prüfung der Abgrenzung zwischen dem Inhalt der Herstellungskosten für die Bewertung der fertigen und unfertigen Erzeugnisse – unter Anwendung der bestehenden Bewertungswahlrechte gem. § 255 II HGB als Teilkosten definiert – und dem Inhalt der Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen – definiert als Vollkosten. Um die Gewinn- und Verlustrechnung nach internationalen Standards (IFRS, US-GAAP) darzustellen – einem wesentlichen Ziel des Wahlrechts im § 275 HGB – , muss zwingend die Vollkostenrechnung zur Ermittlung der Herstellungskosten angesetzt werden, unabhängig davon, wie Bewertungswahlrechte in der Bilanz ausgeübt werden.
Literatur:
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