A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Lohntheorien


Inhaltsübersicht
I. Einführung
II. Lohnbildung auf Auktionsmärkten
III. Effizienzlohntheorien, Insider-Outsider-Theorien, Kontrakttheorien
IV. Tariflöhne und kollektive Lohnbildung
V. Lohnrigiditäten
VI. Reallöhne und technischer Fortschritt
VII. Lohnstruktur und -differenziale
VIII. Hinweise zur Geschichte von Lohntheorien

I. Einführung


Lohntheorien als Teil der Volkswirtschaftslehre versuchen, die Zusammensetzung, Höhe und Struktur von Löhnen sowie deren Entwicklung im Zeitablauf zu erklären. Da der Lohn Entgelt für Arbeitsleistungen darstellt, beziehen sich Lohntheorien in der Regel auf abhängige Beschäftigte, wobei Interdependenzen zu den Einkommen von Selbstständigen bestehen. Aufgrund der Bedeutung der Löhne für Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und die individuelle und gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt wurden Lohntheorien oder Elemente davon bereits von den Klassikern der Volkswirtschaftslehre entwickelt und seither wesentlich erweitert.
Lohntheorien greifen methodisch in der Regel auf das Instrumentarium der Mikroökonomie zurück. Üblicherweise gehören dazu die zwei Methoden: individuelle Gewinn- oder Nutzenmaximierung unter Nebenbedingungen (darunter Regeln, Institutionen, Normen oder auch die Wohlfahrt anderer) und die Analyse von Gleichgewichtszuständen, die aus der Interaktion der wirtschaftlichen Handlungen der einzelnen Akteure zustande kommen. Die aus der Optimierung resultierenden Verhaltensfunktionen von Arbeitsanbietern und Arbeitsnachfragern und ihr Zusammenspiel stellen den Kern von mikroökonomischen Lohntheorien dar. Die Existenz von Arbeitsmarktinstitutionen, darunter in Deutschland die Tarifautonomie, verdeutlicht die Interdependenz von marktmäßigen Gesetzmäßigkeiten und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Lohnbestimmung. Das Entstehen und die politische Rationalität von Arbeitsmarktinstitutionen wird üblicherweise im Rahmen der ökonomischen Theorie der Demokratie untersucht und kann hier nicht gewürdigt werden.
Eine einheitliche volkswirtschaftliche Lohntheorie, die sämtliche Aspekte der Lohnbildung berücksichtigt, ist nicht in Sicht. Angesichts des Umfangs der Literatur bleibt auch ein Übersichtsartikel mit kritischer Würdigung notwendigerweise unvollkommen und selektiv. Dieser Beitrag beginnt in Abschnitt 2 mit der Lohnbildung auf Auktionsmärkten, die vielfach als Vergleichsrahmen für andere Lohnbildungsmechanismen herangezogen wird. Effizienzlohntheorien, Insider-Outsider-Theorien und Vertragstheorien folgen in Abschnitt 3, kollektive Lohnverhandlungstheorien in Abschnitt 4. Abschnitt 5 diskutiert den Beitrag unterschiedlicher Lohntheorien zur Erklärung von Lohnrigiditäten. Der Zusammenhang zwischen Reallohnentwicklung und technischem Fortschritt wird in Abschnitt 6 behandelt, Lohnstrukturtheorien in Abschnitt 7. Der letzte Abschnitt gibt Hinweise auf die historische Entwicklung von Lohntheorien. Weiterführende Informationen zum Stand der theoretischen und empirischen Literatur bieten neben Lehrbüchern der Arbeitsmarktökonomik (Franz,  2003) die deutschsprachigen Sammelbände Franz (Franz,  1999), Gerlach und Schettkat (Gerlach, /Schettkat,  1995) und Sadowski und Schneider (Sadowski, /Schneider,  1997) sowie Band 3 des englischsprachigen Handbuchs der Arbeitsökonomik, Ashenfelter und Card (Ashenfelter, /Card,  1999), dessen frühere Bände 1 und 2 lesenswert bleiben. Zum Verständnis der historischen Entwicklung von Lohntheorien wird ferner auf Blaug (Blaug,  1985) und den Artikel „ Lohntheorien “ von B. Külp, B. in der 2. Auflage des Handwörterbuchs des Personalwesens (HWP) (Gaugler, /Weber,  1991) verwiesen.

II. Lohnbildung auf Auktionsmärkten


Angesichts zahlreicher Einflüsse auf die Lohnbildung ist ein gedanklicher Analyserahmen notwendig. Als Ausgangspunkt der theoretischen Analyse dient ein Modell in Form eines Gedankenexperiments, welches die Lohnhöhe und -struktur bestimmt, die sich allein auf Grund der Gesetze von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ergeben würden ( „ Auktionsmarkt “ ). Realistischerweise erfolgen dann in einem zweiten Schritt Modifikationen dieses hypothetischen Modells, beispielsweise in Form institutioneller Regelungen.
Das mikroökonomische Modell der Lohnbildung auf einem Auktionsmarkt besteht aus der Darstellung einer Arbeitsangebots- und Arbeitsnachfrageentscheidung, die unter der Annahme rationalen Verhaltens und vollständiger Information für Arbeitnehmer und Arbeitgeber individuell hergeleitet werden kann. Durch Aggregation der individuellen Entscheidungen erhält man die auf dem Arbeitsmarkt wirksam werdenden Arbeitsangebots- und Nachfragefunktionen. Diese Funktionen geben die gewünschte angebotene bzw. nachgefragte Menge an Arbeit in Abhängigkeit u.a. vom Lohnsatz an. Alle Marktteilnehmer betrachten den Lohn als Entgelt für Arbeitsleistungen als marktgegebene, exogen bestimmte Größe.
Gleichgewicht auf einem Arbeitsmarkt ist dann gegeben, wenn der Lohn einen Wert erreicht hat, bei dem die mengenmäßige Nachfrage nach Arbeit gleich dem gewünschten Angebot seitens der Arbeitskräfte ist. Falls der Lohnsatz völlig variabel ist, spricht man auch von vollständiger Lohnflexibilität und von einem „ walrasianischen “ Gleichgewichtslohn (L. Walras, L.). Der gleichgewichtige Lohn ist bei Abwesenheit von Markteintrittsbarierren aufgrund des „ Gesetzes von Angebot und Nachfrage “ für alle Arbeitnehmer und Unternehmen in dem betreffenden Markt gleich. Für unterschiedliche Arten von Tätigkeiten und heterogene Arbeitskräfte wird es eine Vielzahl von Arbeitsmärkten geben, die über die Produktionstechnologie, Löhne, Zinsen und Preise miteinander verbunden sind.
Die „ markträumenden “ Löhne entsprechen nachfrageseitig dem „ Wertgrenzprodukt der Arbeit “ und angebotsseitig dem „ Grenzleid “ der Arbeit. Die Höhe des Wertgrenzproduktes der Arbeit hängt von den Preisen auf Gütermärkten und den anderen Faktormärkten sowie von der Produktionstechnologie ab, die den Grad der technologischen Komplementarität der Produktionsfaktoren, darunter neben Arbeit Kapital, bestimmt. Man kann zeigen, dass die Beschäftigung auch unter Berücksichtigung aller Rückwirkungen im allgemeinen Gleichgewicht bei flexiblen Preisen negativ von der Höhe des Lohnes abhängig ist, wenn das (physische) Grenzprodukt der Arbeit mit zunehmendem Arbeitseinsatz sinkt ( „ Gesetz des abnehmenden Grenzertrages “ ).
Angebotsseitig entspricht der Lohn dem Verhältnis zwischen dem Zusatznutzen der Güter, die man mit Hilfe des Lohnes erwerben kann und dem Grenznutzen von Freizeit. Das individuelle Arbeitsangebot muss nicht notwendigerweise mit dem Lohn ansteigen. Ausgeprägte Freizeitpräferenzen können bei steigenden Löhnen zu einem Rückgang der angebotenen Arbeitsmenge führen. Nach unten wird der Lohn durch den so genannten Anspruchs- oder Reservationslohn beschränkt. Würde der Lohn unter diesen Wert sinken, dann würden Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung anbieten. Der Reservationslohn wird u.a. bestimmt von den Präferenzen für Freizeit, vom Sach- und Finanzvermögen und der Höhe (staatlicher oder sonstiger privater) Transferleistungen im Falle einer Nichtbeschäftigung. Bei flexiblen Löhnen hängt die Höhe des gleichgewichtigen Lohnsatzes auf einem Arbeitsmarkt vom Geschehen auf den übrigen Arbeitsmärkten, Faktormärkten und Gütermärkten ab. Dies wird im Rahmen allgemeiner Gleichgewichtsmodelle analysiert, aus denen sich die individuelle und gesamtwirtschaftliche Verteilung der Produktionsergebnisse auf die Faktoren, darunter Arbeit und Kapital, ableiten lässt.
Lohnsteuern und Sozialabgaben haben zur Folge, dass der Lohn, den ein Unternehmen für die Arbeitsleistung zahlt, sich von dem Lohn unterscheidet, den ein Arbeitnehmer erhält. Zu den Arbeitskosten zählt der Bruttolohn, den die Arbeitnehmer erhalten, sowie die Lohnzusatzkosten, die zusätzlich beim Arbeitgeber anfallen, darunter die gesetzlich fixierten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Der Nettolohn der Arbeitnehmer ergibt sich, wenn man vom Bruttolohn die gesetzlich fixierten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und die Lohnsteuer abzieht. Die Arbeitsnachfrage der Unternehmen orientiert sich an den realen Arbeitskosten, das Arbeitsangebot der Arbeitnehmer am realen Nettolohn. Das Verhältnis von Arbeitskosten der Unternehmen und Nettolöhnen der Arbeitnehmer wird in realer Betrachtung als Lohnschere bezeichnet. Unter den üblichen Annahmen an die Arbeitsangebots- und -nachfragefunktion wird mit einer Zunahme der Lohnschere auch die gleichgewichtige Beschäftigung zurückgehen. Die Lohnschere hat sich in Deutschland bis heute von einem Wert von 1,5 im Jahre 1960 auf ca. 2 erhöht. Dieser Anstieg gilt als eine Ursache für die vielfach beklagte mangelnde Beschäftigungsdynamik in Deutschland.

III. Effizienzlohntheorien, Insider-Outsider-Theorien, Kontrakttheorien


Die Theorie der Lohnbestimmung auf Auktionsmärkten ist insofern unvollständig, als die Frage, wie der Gleichgewichtslohn durch das Handeln der Akteure zustande kommt, unbeantwortet bleibt. Selbst wenn es eine Börse für Arbeitsleistungen gäbe, wären weitere Besonderheiten der Lohnbildung zu beachten. So findet in aller Regel kein simultaner Austausch von Leistung und Lohn statt, in dem die Beziehung zwischen den Handelnden nach Abschluss der Transaktion wieder beendet ist, wie auf Aktien- oder Devisenmärkten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber investieren in ihr Arbeitsverhältnis, beispielsweise in Form von unternehmensspezifischem Humankapital. Für Arbeitsmärkte sind eine Reihe von alternativen Mechanismen diskutiert worden, die die Lohnbildung explizit erklären, darunter Effizienzlöhne, Insider-Outsider-Verhalten sowie Lohnverhandlungen. Analog zur Preistheorie können zudem unterschiedliche Marktformen wie beispielsweise das Nachfragemonopol, oder die monopolistische Konkurrenz zur Erklärung der Lohnhöhe herangezogen werden. Falls ein Unternehmen alleiniger Nachfrager nach Arbeit ist, wird im Optimum die nachgefragte Menge an Arbeit niedriger als im Konkurrenzfall sein, und der Lohn liegt unterhalb des Wertgrenzproduktes der Arbeit. Nachfragemonopole sind in dicht besiedelten Industrieregionen wohl eher die Ausnahme.
In Effizienzlohntheorien wird im Vergleich zum Wettbewerbsmodell die Annahme aufgegeben, dass die individuelle Leistung unabhängig von der Höhe des Lohnsatzes ist. Löhne stellen nicht nur Kosten dar, sondern auch ein Anreizinstrument für eine höhere oder bessere Arbeitsleistung. Es wird unterstellt, dass die Qualität der Arbeitsleistungen und/oder die Betriebstreue positiv vom Lohn abhängt (siehe z.B. Fehr, /Gächter, /Kirchsteiger,  1997). Damit ergibt sich Raum für eine spezifische unternehmerische Lohnpolitik, da höhere Löhne (im Unterschied zum Auktionsmodell) gewinnsteigernd sein können. Die Insider-Outsider-Theorie (zusammenfassend Lindbeck, /Snower,  2001) kann als ökonomische Fundierung eines Angebotsmonopols der Arbeitsplatzbesitzer ( „ Insider “ ) auf Unternehmensebene verstanden werden. Die grundlegende Idee besteht darin, dass die Arbeitsplatzbesitzer (gegebenenfalls vertreten durch die Gewerkschaften) die Löhne so aushandeln, dass sie gerade und mit Wahrscheinlichkeit beschäftigt bleiben, ohne den Arbeitslosen (den „ Outsidern “ ) durch Lohnmoderationen Chancen auf neue Arbeitsplätze einzuräumen. Warum lassen sich Unternehmen auf diese Strategie ein und warum betreiben die Arbeitslosen keine Lohnunterbietung? Der Austausch von Insidern gegen Outsider verursacht (erhebliche) Kosten und die Insider können beispielsweise durch koordiniertes Verhalten Betriebsabläufe stören. Sie nutzen diese Macht, um Lohnunterbietung von beschäftigungssuchenden „ Outsidern “ und Unternehmen zu verhindern. Die Vorteile niedrigerer Kosten, die Unternehmen durch die Einstellung von Arbeitslosen zu niedrigeren Löhnen möglicherweise haben, können so von den bereits Beschäftigten wieder zunichte gemacht werden. Insidermacht, verbunden mit dem vorrangigen Ziel der eigenen Beschäftigungs- und Einkommenssicherung (nicht der Vollbeschäftigung) führt im Ablauf von Konjunkturzyklen zu einem Beschäftigungsabbau mit einer Tendenz zu Lohnerhöhungen.
Investitionen in ein Arbeitsverhältnis verändern das Wertgrenzprodukt eines Arbeitnehmers im Laufe der Unternehmenszugehörigkeit. Es gibt dann keinen einheitlichen Lohn, denn die Arbeitsleistung hat für beide Parteien einen spezifischen ökonomischen Wert, der abhängig von der Höhe der getätigten Investitionen ist. Aufgrund von Unteilbarkeiten und Unsicherheiten über den Ertrag der Investitionen können Anreizprobleme nicht ausgeschlossen werden, da sowohl die Investitionen wie auch die Arbeitsleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der Regel nicht exakt definiert werden können (das Wertgrenzprodukt der Arbeit ist nicht oder nicht genau bekannt und abhängig von Höhe und Art der Investitionen). Arbeitnehmer könnten zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem die Investitionen getätigt wurden, einen Lohnnachschlag fordern, beispielsweise mit dem Hinweis auf ihre gestiegene Produktivität.
Lösungen für solche Anreizprobleme werden im Rahmen von Theorien unvollständiger Verträge diskutiert. Das Anreizproblem kann beispielsweise durch vertraglich vor Festlegung der Investitionen vereinbarte fixe Nominallöhne gelöst werden, die nur im gegenseitigen Einverständnis geändert werden dürfen. Damit wird auch die Rolle des häufig nationalen Arbeitsrechtes für Löhne und Investitionen deutlich. Schriftlich fixierte Arbeitsverträge, mündliche Abmachungen, unternehmensspezifische Lohn- und Personalpolitiken und soziale Normen können als Regelwerke verstanden werden, die angesichts von Unsicherheiten, Überwachungskosten und Vertragskosten Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern regeln, ohne alles im Detail festzulegen und zur Effizienzsteigerung beitragen können. In der (älteren) Theorie impliziter Lohnkontrakte wird unterstellt, dass der Arbeitsvertrag aus zwei Teilverträgen besteht, nämlich einerseits aus dem üblichen, „ expliziten “ Arbeitsvertrag, welcher unter anderem die Entlohnung und die Arbeitszeit regelt, und andererseits aus einer „ impliziten “ Versicherungskomponente (per „ invisible handshake “ , A. Okun, A.), die ein verstetigtes Arbeitseinkommen gewährleistet.

IV. Tariflöhne und kollektive Lohnbildung


In vielen Industrieländern werden Löhne in kollektiven Lohnverhandlungen festgelegt. Tariflöhne sind in Deutschland rechtlich für die Unternehmen, die Mitglied im tarifschliessenden Arbeitgeberverband sind und für die Arbeitnehmer, die Mitglied der tarifschliessenden Gewerkschaft sind, verbindliche Mindestlöhne. Freiwillige übertarifliche Entlohnung ist möglich. Die Differenz zwischen den tatsächlichen Löhnen und den Tariflöhnen wird als Lohnspanne bezeichnet, deren zeitliche Entwicklung als Lohndrift. Wenngleich auch heute die Löhne in der Mehrzahl der tarifgebundenen Unternehmen übertarifliche Komponenten enthalten, weist die Lohndrift in der Geschichte der Bundesrepublik eine fallende Tendenz auf. Kollektive Tarifverträge haben im Vergleich zu unternehmenspezifischen Lohnpolitiken damit an Bedeutung gewonnen.
Im Monopolmodell der Gewerkschaften wird unterstellt, dass sich Arbeitnehmer zu einem Angebotsmonopol zusammenschliessen, während sich Arbeitgeber als Mengenanpasser verhalten. Die Gewerkschaften maximieren als Zielgröße den Lohnsatz oder die Lohnsumme, wobei sie die negativ geneigte Arbeitsnachfragefunktion in ihr Kalkül einbeziehen. Als Ergebnis ergibt sich ein Lohn, der den Lohnsatz auf Auktionsmärkten umso mehr übersteigt, je mehr Gewicht die Gewerkschaft dem Lohn statt der Beschäftigung beimisst. Der bereits vorgestellten Insider-Outsider-Theorie zufolge dominiert der Lohn der bereits Beschäftigten in der Nutzenfunktion der Gewerkschaften.
Explizite Lohnverhandlungen werden im Rahmen spieltheoretischer Modelle studiert, deren Spezifikum das Wissen der gegenseitigen Abhängigkeit des Verhaltens und der daraus entstehenden Ergebnisse ist. An die Stelle von Mengenanpassung treten Strategien und an die Stelle von Marktgleichgewichten spieltheoretische Lösungskonzepte. Die Verhandlungsparteien vergegenwärtigen sich den Zielerreichungsgrad (Gewerkschaftsnutzen, Unternehmensgewinn) in Abhängigkeit von allen denkbaren eigenen Aktionen oder Strategien der Gegenseite. Verhandlungsergebnisse müssen gewisse Rationalitätskriterien erfüllen. Das häufig verwendete Nash-kooperative Lösungskonzept (J. Nash, J.) für Zweipersonenspiele sieht beispielsweise vor, dass der Tariflohn das Produkt aus dem gewerkschaftlichen Nutzen und dem unternehmerischen Gewinn maximiert. Damit spiegeln sich in der Höhe des Tariflohnes die Interessen beider Verhandlungsparteien wider. Im Rahmen einer solchen Verhandlung können Streiks, die Kosten verursachen, irrational sein, da sie die zu verteilenden Ergebnisse im Vergleich zur Ausgangssituation verringern.

V. Lohnrigiditäten


Unter „ Lohnrigiditäten “ oder „ Lohnträgheiten “ werden unterschiedliche, wenn auch zusammenhängende, Sachverhalte subsumiert. „ Lohnrigidität “ erfasst sowohl die Stärke der Reaktion des Lohnes auf Änderungen exogener Größen wie auch die Anpassungsgeschwindigkeit als solche. Arbeitsmarkttheorien gehen der Frage nach, welchen Beitrag Lohnrigiditäten zur Entstehung und Verfestigung von Arbeitslosigkeit leisten.
Es besteht weitgehend Einigkeit unter Ökonomen, dass die Löhne langfristig nicht vollständig starr sind, wenngleich eine Reihe neuerer empirischer Untersuchungen auf erhebliche Inflexibilitäten in der kurzen und mittleren Frist hindeuten (stellvertretend Bewley,  1999; Pfeiffer,  2003). Weniger Einigkeit herrscht hinsichtlich der Frage, wie stark die Löhne von markträumenden Gleichgewichtswerten abweichen und welche Mechanismen einer Anpassung an diesen Wert entgegenstehen. Effizienzlohn-, Verhandlungs- und Vertragstheorien unvollständigen Lohnwettbewerbs können auch für Deutschland einen Erklärungsbeitrag zur Existenz von Lohnrigiditäten leisten (Franz, /Pfeiffer,  2003). Allerdings scheint es fragwürdig, ob persistent hohe Arbeitslosenquoten, von 10 v.H. und mehr, allein mit Hilfe dieser Theorien erklärt werden können. Die Insider-Outsider-Theorie verbunden mit polit-ökonomischen Argumenten zur Entstehung von Arbeitsmarktinstitutionen ist wohl am ehesten geeignet, einen wichtigen Beitrag zur Erklärung auch längerfristig persistenter Lohnrigiditäten zu leisten. Dabei ist zu bedenken, dass Preisrigiditäten oder unvollkommener Wettbewerb auf Güter- und Kapitalmärkten ebenso wie Politikversagen ebenfalls verursachend wirken können.
Die vorgestellten Lohntheorien unvollständigen Wettbewerbs haben zu einem besseren Verständnis der Lohnbildung beigetragen, wobei die Vielfalt von Theorien angesichts der Komplexität der Lohnbildung nicht verwundern kann. Sie weisen auf unterschiedliche Ursachen, Grade und Konsequenzen von Marktunvollkommenheiten im Austausch von Arbeit und Lohn hin. Sieht man einmal darüber hinweg, dass viele der genannten Lohntheorien Partialmarktansätze sind, sind auch die Löhne, die sich im Kontext unvollkommener Arbeitsmärkte einstellen, nicht völlig frei von den Gesetzen von Angebot und Nachfrage. Falls sich der Lohnsatz dennoch vollständig vom Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt abkoppeln kann, sind damit Konsequenzen u.a. in Form höherer Beiträge für die Arbeitslosenversicherung oder auch höherer Steuern zur Finanzierung von Ansprüchen durch das Sozialsystem verbunden. Solche gesamtwirtschaftlichen Interdependenzen können theoretisch im Rahmen allgemeiner Gleichgewichtsmodelle aufgezeigt werden, wie die Diskussion um die langfristigen Determinanten der Reallohnentwicklung verdeutlicht.

VI. Reallöhne und technischer Fortschritt


In dynamischer Sicht sind für die Entwicklung der Löhne über die Zeit die Entwicklung der Bevölkerung, des Humanvermögens, die Kapitalakkumulation sowie der technologische Fortschritt von erheblicher Bedeutung. Diese dynamische Sicht wird in der Wachstumstheorie beleuchtet. Empirische Untersuchungen zeigen, dass langfristig Reallöhne und Arbeitsproduktivitäten etwa mit der gleichen Rate wachsen (Franz,  2003), wobei beide Größen als Systemgrößen endogene Größen der gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftstätigkeit sind.
Die wissenschaftliche Diskussion um die Wirkung des technischen Fortschritts auf die Nachfrage nach Arbeit hat sich in den letzten Jahren intensiv dem Phänomen des nicht-neutralen technischen Fortschritts zugewandt (Franz,  1999). Informations- und Kommunikationstechnologien als Motor des technischen Fortschritts scheinen vielfach eine nicht-neutrale Wirkung hinsichtlich der qualifikatorischen Arbeitsnachfrage zu entfalten. Damit wird die in allen Industrienationen beobachtete überproportionale Zunahme der Beschäftigung von Akademikern im Zuge der Diffusion von neuen Technologien, insbesondere Informations- und Kommunikationstechnologien, in die Produktionsprozesse bezeichnet, wobei die Zunahme des Angebots an Akademikern als Konsequenz der Bildungsrevolution nicht vergessen werden darf. Während dieser Prozess in Ländern mit dezentralisierter Lohnbildung zu einer verstärkten Lohnspreizung geführt hat, beispielsweise in den USA, kann dies nicht im gleichen Umfang auch für die Länder mit einer stärker zentralisierten Lohnbildung beobachtet werden, beispielsweise für Deutschland.
Da Globalisierung und technologische Entwicklung mit Veränderungsprozessen in der Wirtschaft einhergehen, die einzelne Branchen, Regionen und Unternehmen unterschiedlich betreffen, sind Anpassungsreaktionen auch in Deutschland nicht ausgeblieben. Bei relativ inflexiblen Löhnen erfolgten diese vorwiegend in Form von Entlassungen, so wie es in der griffigen Formulierung: „ Das europäische Arbeitslosigkeitsproblem und das Problem der Ungleichheit in den Vereinigten Staaten sind zwei Seiten derselben Medaille “ (P. Krugman, P.) zum Ausdruck kommt.

VII. Lohnstruktur und -differenziale


Die Theorie der kompensierenden Lohndifferenziale versucht, beobachtete Lohnunterschiede oder die Lohnstruktur, als Resultat von Unterschieden in den Arbeitsbedingungen und -anforderungen sowie Unterschieden in Präferenzen und Fähigkeiten von Menschen zu erklären. Langfristig bestehende Lohndifferenziale zwischen Regionen, Industrien, Unternehmen, Berufen und Beschäftigten können der Theorie folgend auf divergente Tätigkeiten und heterogene Arbeitskräfte zurückgeführt werden. Der beobachtete Lohn setzt sich theoretisch aus mehreren konzeptuell unterschiedlichen Komponenten zusammen: ein Teil ist der Lohn für die eigentliche Arbeitsleistung, ein weiterer Teil stellt die Kompensation für unterschiedlich produktive Arbeitskräfte dar und der dritte Teil kompensiert für verschiedene Arbeitsbedingungen (u.a. Gesundheits- und Unfallrisiken am Arbeitsplatz, Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung). Ungünstige Merkmale eines Arbeitsplatzes erfordern kompensierende Lohnzuschläge. Auch Unterschiede in der individuellen Arbeitsproduktivität erklären bei ansonsten gleichen Arbeitsplatzmerkmalen Lohndifferenziale.
Das Zusammenführen von Angebot und Nachfrage wird in Such- und Zuordnungstheorien untersucht. Bei unterschiedlichen Tätigkeiten und heterogenen Arbeitskräften wird deren Zuordnung von individuellen komparativen Vorteilen und individuellen und unternehmerischen Auswahlprozessen bestimmt. Die skizzierten Mechanismen haben bei funktionierendem Lohnwettbewerb zur Folge, dass beobachtete interpersonelle oder zwischenbetriebliche Lohndifferenziale weder Ausdruck einer Ungleichgewichtssituation auf dem Arbeitsmarkt noch Ausdruck von Lohndiskrimierung sein müssen. Von Lohndiskriminierung im Rahmen der Theorie der kompensierenden Lohndifferenziale ist dann die Rede, wenn Lohnunterschiede auch längerfristig zwischen Menschen erhalten bleiben, die die gleiche Produktivität und die gleichen Präferenzen aufweisen und eine Arbeit mit gleichen Merkmalen ausüben. Diskriminierende Lohnpraktiken können sich auf Minderheiten beziehen, die sich durch die Hautfarbe, Rassen- oder Religionszugehörigkeit von der Mehrheit unterscheiden. Intensiv wird in der Literatur auch die Frage untersucht, ob es eine geschlechtspezifische Lohndiskriminierung gibt.
Das empirische Bild der Entwicklung der qualifikatorischen Lohnstruktur lässt sich für (West-)deutschland wie folgt charakterisieren (Fitzenberger, /Franz,  1998): Insgesamt hat sich die qualifikatorische Lohnstruktur wenig verändert, wenngleich gering und hoch qualifizierte Arbeitnehmer ihre Lohnposition gegenüber Beschäftigten mit mittlerem Qualifikationsniveau leicht verbessern konnten; innerhalb der mittleren und hohen Qualifikationsgruppen ist eine leichte Erhöhung der Lohndispersion zu erkennen, während sich innerhalb der Gruppe der gering Qualifizierten keine Anzeichen für eine Flexibilisierung der Lohnstruktur zeigen. Neuere Monographien untersuchen neben qualifikatorischen auch industrielle (Fitzenberger,  1999), regionale (Blien,  2001) und unternehmensspezifische Lohndifferenziale (Stephan,  2001). Untersuchungen mit Individualdaten weisen auf die Bedeutung der Selbstselektion hin (Pfeiffer,  1994) und belegen ferner eine beachtliche unbeobachtete Heterogenität der individuellen Löhne, die beispielsweise in Frankreich den überwiegenden Teil der industrie- und unternehmensspezifischen Lohndifferenziale erklärt (Abowd, /Kramarz, /Margolis,  1999).

VIII. Hinweise zur Geschichte von Lohntheorien


Die Theorie der Lohnstruktur ebenso wie die Lohnbestimmung als Ergebnis der unsichtbaren Hand geht auf A. Smith, A./ zurück. Die Ende des achtzehnten Jahrhunderts von R. Malthus, R./ und D. Ricardo, D./ weiterentwickelten Vorstellungen zur Lohnhöhe in der Volkswirtschaft können als angebotseitig bezeichnet werden. Im langfristigen Gleichgewicht entspricht nach diesen Vorstellungen der Lohn dem Existenzminimum der Arbeitnehmer. Falls der Lohn das Existenzminimum überschreitet, setzt Bevölkerungswachstum ein, und damit, aufgrund des höheren Angebots an Arbeitskräften, wieder eine Tendenz zur Lohnsenkung Richtung Existenzminimum. Ricardo, / unterscheidet bereits zwischen realen und nominalen Löhnen und bezieht die Vorstellung des Subsistenzlohnes, den er „ natürlichen “ Lohn nennt, auf den Reallohn. In der Sichtweise von Ricardo, / ist der natürliche Lohn nicht im Sinne eines biologischen Existenzminimums zu verstehen, sondern ist abhängig von sozialen Normen, Erwartungen und unterschiedliche Präferenzen der Arbeitnehmer und kann damit als Vorläufer des Anspruchs- oder Reservationslohnes gelten. Die von J. S. Mill, J. S./ entwickelte Lohnfondstheorie hebt die Bedeutung von Nachfragefaktoren für die Lohnhöhe hervor. Das in einem Unternehmen zur Verfügung stehende Kapital wird in einem festen, technisch bedingten Verhältnis für Kapitalgüter und Arbeit verwendet. Auch K. Marx, K. ging davon aus, dass die Löhne dem Existenzminimum entsprächen und führte dies allerdings nicht auf Bevölkerungswachstum zurück, sondern auf die im Zuge der verstärkten Akkumulation des Kapitals und des technischen Fortschritts erfolgte Freisetzung von Arbeitnehmern.
Die Herleitung der Arbeitsnachfragefunktion lässt sich bis zu J. H. von Thünen, J. H. von/ zurückführen, der zeigt, dass es zur Gewinnmaximierung notwendig ist, jeden Faktor bis zu dem Punkt einzusetzen, an dem das Wertgrenzprodukt gleich den Grenzkosten des Einsatzes ist. Damit hängt der Lohn nicht von der Durchschnitts-, sondern der Grenzproduktivität ab. Eine erste rigorose analytische Formulierung dieses Zusammenhanges geht auf J. B. Clark, J. B./ zurück. Die Herleitung der Arbeitsangebotsfunktion bei flexiblen Arbeitsstunden wurde von W. S. Jevons, W. S./ formalisiert. In Anlehnung an die industrieökonomische Marktformenlehre wurden neben dem Auktionsmarkt andere Marktformen für die Lohnbestimmung verwendet, etwa das Nachfragemonopol oder das bilaterale Monopol. Effizienzlohnaspekte und kollektive Lohnverhandlungen unter Berücksichtigung der relativen Verhandlungsmacht finden sich im Werk von J. R. Hicks, J. R./ und Lohnrigiditäten bei J. M. Keynes, J. M., allerdings noch ohne mikrökonomische Fundierung.
Literatur:
Abowd, J./Kramarz, F./Margolis, D. : High Wage Workers and High Wage Firms, in: Econometrica, Jg. 67, Bd. 2, 1999, S. 251 – 333
Ashenfelter, O./Card, D. : Handbook of Labor Economics, 3. A., Amsterdam 1999
Bewley, T. : Why Wages Don\'t Fall During a Recession?, Harvard 1999
Blaug, M. : Economic Theory in Retrospect, 4. A., Cambridge 1985
Blien, U. : Arbeitslosigkeit und Entlohnung auf regionalen Arbeitsmärkten, Habil., Heidelberg 2001
Fehr, E./Gächter, S./Kirchsteiger, G. : Reciprocity as a Contract Enforcement Device, in: Econometrica, Jg. 65, Bd. 4, 1997, S. 833 – 860
Fitzenberger, B. : Wages and Employment Across Skill Groups. An Analysis for West Germany, Habil., Heidelberg 1999
Fitzenberger, B./Franz, W. : Flexibilität der qualifikatorischen Lohnstruktur und Lastenverteilung der Arbeitslosigkeit, in: Verteilungsprobleme der Gegenwart, hrsg. v. Gahlen, B./Hesse, H./Ramser, H. J., Tübingen 1998, S. 47 – 79
Franz, W. : Lohnstrukturen, Qualifikation und Mobilität, Stuttgart 1999
Franz, W. : Arbeitsmarktökonomik, 5. A., Berlin et al. 2003
Franz, W./Pfeiffer, F. : Zur ökonomischen Rationalität von Lohnrigiditäten aus der Sicht von Unternehmen, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 223, 2003, S. 23 – 57
Gaugler, E./Weber, W. : Handwörterbuch des Personalwesens (HWP), 2. A., Stuttgart 1991
Gerlach, K./Schettkat, R. : Determinanten der Lohnbildung, Berlin 1995
Lindbeck, A./Snower, D. : Insiders versus Outsiders, in: The Journal of Economic Perspectives, Jg. 15, Bd. 1, 2001, S. 165 – 189
Pfeiffer, F. : Selbständige und abhängige Erwerbstätigkeit. Arbeitsmarkt- und industrieökonomische Perspektiven, Diss., Frankfurt/M. 1994
Pfeiffer, F. : Lohnrigiditäten im gemischten Lohnbildungssystem, Habil., Baden-Baden 2003
Sadowski, D./Schneider, M. : Vorschläge jenseits der Lohnpolitik. Optionen für mehr Beschäftigung I, Frankfurt/M. 1997
Stephan, G. : Firmenlohndifferenziale, Habil., Frankfurt/M. 2001

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Lohnsummensteuer
 
Lohnveredelung