Finanzinnovationen
Inhaltsübersicht
I. Begriff und Bedeutung von Finanzinnovationen
II. Finanzinnovationen als System-, Prozess- und Produktinnovationen
III. Innovationen im Bereich der Kreditfinanzierung
IV. Ausblick
I. Begriff und Bedeutung von Finanzinnovationen
Die Diskussion um Finanzinnovationen nimmt in der Literatur breiten Raum ein. Dabei hat sich ein Begriffsverständnis durchgesetzt, das Finanzinnovationen definiert als neue, bisher an den Geld-, Kredit- und Kapitalmärkten nicht oder zumindest in dieser Kombination oder zu diesen Konditionen oder für diese Marktteilnehmer nicht verfügbare Anlage- oder Finanzierungsinstrumente (Produktinnovationen), Märkte oder Prozesse (Organisationsinnovationen). Die Definition macht deutlich, dass der Neuigkeitscharakter einer Entwicklung nicht nur aus ihrer zeitlichen Dimension heraus zu begreifen ist, sondern vor allem aus der Perspektive der Akteure und Betroffenen (Subjektdimension). So können Produkte in einem Marktsegment (etwa am deutschen Kapitalmarkt) eine absolute Neuheit darstellen und für Teilnehmer anderer Marktsegmente (etwa in den USA) längst schon zum traditionellen Angebot zählen.
Die Entwicklung von Innovationen im monetären Bereich vollzieht sich vor dem Hintergrund (welt-)wirtschaftlicher, politischer, aufsichtsrechtlicher und steuerlicher Veränderungen. Finanzinnovationen sind einerseits Ergebnisse, andererseits Instrumente eines fortwährenden Bemühens, die Bedingungen der Teilnehmer an den Finanzmärkten zu verbessern. Ihre ökonomische Bedeutung resultiert daraus, dass sie die Allokation knapper Finanzmittel und realwirtschaftlicher Risiken verbessern (Steigerung der Effizienz der Finanzmärkte), insofern sie
- | die Kosten für finanzwirtschaftliche Transaktionen reduzieren, | - | den Informationsstand der Marktteilnehmer durch effektivere Datenübertragung und Datenverarbeitung verbessern, | - | die Gestaltungsvielfalt von Finanzkontrakten erweitern oder | - | die Markttiefe und Liquidierbarkeit von Investitionen erhöhen. |
Die zunehmende Verbreitung von Finanzinnovationen, insbesondere bei den Produktinnovationen, geht aber auch mit einer vermehrten Unsicherheit über die Funktions- und Wirkungsweise solcher Neuerungen einher. So sehen insbesondere nationale und supranationale Institutionen und Aufsichtsbehörden in diesem Zusammenhang einen gesteigerten Informationsbedarf über diese Produkte, Prozesse und Systeme, da sie darüber hinaus auch traditionelle geldpolitische oder marktaufsichtsrechtliche Maßnahmen und Mechanismen beeinflussen könnten.
II. Finanzinnovationen als System-, Prozess- und Produktinnovationen
Je nach Schwerpunkten und Charakteristika lassen sich einerseits Innovationen im Bereich der Finanzprodukte und andererseits Innovationen im Bereich der Organisation der Finanzmärkte unterscheiden. Zu Letzteren zählen Einrichtung und Umgestaltung von Märkten und Marktsegmenten (Systeminnovationen) sowie innovative Techniken und Verfahrensweisen (Prozessinnovationen).
1. Systeminnovationen
Zu den Systeminnovationen zählen allen voran der heute so bedeutende internationale Financial-Swap-Markt und der organisierte Handel mit Optionen und Financial Futures, etwa an der Chicago Board Options Exchange CBOE (schon seit 1973), an der London International Financial Futures Exchange LIFFE (1982) oder seit 1990 endlich auch an der Deutsche Terminbörse (DTB). Die DTB ist 1998 mit der Swiss Options and Financial Futures Exchange SOFFEX in die Eurex aufgegangen. Diese hat sich von Anfang an als Plattform für einen integrierten länderübergreifenden Terminhandel verstanden und sich auf diesem Wege zur größten Terminbörse der Welt entwickelt.
Ein aktuell viel beachtetes Beispiel für Systeminnovationen sind die aufkommenden Märkte für den Kreditrisikotransfer. Hier werden Derivate, deren Zahlungscharakteristik an das Kreditrisiko eines Referenzaktivums geknüpft ist, gehandelt. Die erfolgreiche Entwicklung und wachsende Bedeutung dieser Produktinnovationen forciert den Auf- und Ausbau eigener Marktsegmente, an denen Angebot und Nachfrage zusammengeführt, die Verfügbarkeit der neuen Finanzprodukte erhöht und die Preisbildung verbessert werden.
Oftmals ergeben sich Systeminnovationen und -entwicklungen aus der Nachahmung erfolgreicher Vorbilder an ausländischen Märkten, wie dies beispielsweise bei der Schaffung des neuen Entry-Standard-Segments am Kassamarkt der Frankfurter Wertpapierbörse der Fall ist. Der Entry Standard soll Small- und Midcap-Unternehmen einen Zugang zum organisierten Aktienmarkt ermöglichen und lehnt sich in seiner Konzeption an bereits bestehende Marktsegmente in Großbritannien (Alternative Investment Market) und in Frankreich (Alternext) an, wo diese Systeminnovation bereits als etabliert gelten dürfen.
Weniger erfolgreich ist aus heutiger Sicht die Innovation Neuer Markt verlaufen. Nach seiner Einrichtung im Jahre 1997 zeigte dieses Segment des deutschen Aktienkassamarktes, das speziell auf junge, innovative Wachstumsunternehmen aus dem Hochtechnologiesektor ausgerichtet war, zunächst hohe Wachstumsraten und weit reichenden Zuspruch gerade auch privater Investoren. Nach enormen, schließlich kaum noch erklärlichen Kurssteigerungen ist dieser Markt schließlich regelrecht zusammengebrochen und bereits im Jahr 2002 wieder aufgelöst worden. An seine Stelle ist der TecDAX getreten.
Neue Marktsegmente sind auch am Rentenmarkt entstanden, so beispielsweise der Jumbo-Pfandbriefmarkt. Er hat sich als Alternative zum Markt für Staatsanleihen entwickelt, weil hier Papiere mit niedrigem Bonitätsrisiko aus großvolumigen Emissionen gehandelt werden und zugleich den Forderungen der internationalen Kapitalmärkte nach Liquidität und Transparenz Rechnung getragen wird. Jumbo-Pfandbriefe sind eine Form erstklassig gedeckter Schuldverschreibungen. Sie werden zur Refinanzierung von Staatskrediten (Öffentliche Pfandbriefe) oder von erstrangig gesicherten Darlehen (Hypothekenpfandbriefe) emittiert. An Jumbo Pfandbriefe werden gesonderte gesetzliche Anforderungen gestellt. Um eine ausreichende Liquidität auf dem Jumbo-Markt zu gewährleisten, sehen die aktualisierten gesetzlichen Bedingungen für die Emission und den Handel von Jumbos die Existenz von Market-Makern vor, die während der üblichen Handelszeiten marktkonforme Geld- und Briefkurse zu stellen haben und ggf. einem Selbstkontrahierungszwang unterliegen.
In diesem Zusammenhang sind auch die neuartigen Plattformen zur lediglich zwischenzeitlichen Überlassung von Wertpapieren zu nennen. Der zunehmende Bedarf an Möglichkeiten der Wertpapierleihe erwächst nicht zuletzt aus verstärkt zu beobachtenden Leerverkaufsstrategien, wie sie zum Beispiel von Hedgefonds verfolgt werden. Neben dem Marktsegment der aus dem Deutschen Kassenverein entstandenen Clearstream Banking AG haben sich mittlerweile auch elektronische Handelsplattformen wie beispielsweise Equilend, ESecLending oder SecFinex entwickelt, die zunehmend den klassischen Telefonhandel im Bereich der Wertpapierleihe ersetzen und zu einem liquideren und transparenteren Handel beitragen werden.
Schließlich ergeben sich Neuerungen an den Finanzmärkten im Zuge einer fortgesetzten „ Europäisierung der Börsenlandschaft “ , die an Kassa- und Terminmärkten zu beobachten ist. Zu nennen sind hier der erfolgreiche Zusammenschluss der vier Aktienbörsen in Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon sowie der Londoner Terminbörse LIFFE zur Gemeinschaftsbörse EURONEXT, aber auch die viel beachteten Fusionsbemühungen der Deutsche Börse AG und der London Stock Exchange (LSE). Sondierungsgespräche zwischen der amerikanischen NASDAQ und der britischen LSE zeigen, dass aufgrund der technischen Möglichkeiten Kooperationen und Fusionen auch über den europäischen Raum hinaus möglich sind und im Interesse der Effizienz der Märkte sinnvoll sein können.
2. Prozessinnovationen
Die Prozessinnivationen stellen die zweite Gruppe der Organisationsinnovationen dar. Es handelt sich um neue Verfahrensweisen der Kontrahierung und um neue Techniken der Abwicklung von Finanztransaktionen.
Von nachhaltiger Relevanz hat sich die Verfahrensweise der Verbriefung und Handelbarmachung von Rechten und Pflichten aus Finanzverträgen (Securitization) erwiesen. Sie kennzeichnet den seit Beginn der 1980er-Jahre bei Kreditinstituten und Nichtbankunternehmen ausgeprägten Trend, bei der Beschaffung von Fremdkapital auf die Ausgabe von handelbaren Wertschriften zurückzugreifen und dadurch den traditionellen Bankkredit zu substituieren (Disintermediation, Finanzintermediation). Die Aufgabe der Banken beschränkt sich dabei ggf. auf Beratungs-, Vermittlungs- oder Garantieleistungen.
Neben den ursprünglichen „ true sale “ -Lösungen, bei denen es um den Verkauf der zugrunde liegenden Position (Underlying) insgesamt geht, werden zunehmend synthetische Konstruktionen eingesetzt, die allein auf den aus dem Underlying resultierenden Zahlungsstrom abstellen.
Während sich die Verbriefung darauf beschränkt, bereits bestehende Produkte in institutionell veränderter Form verfügbar zu machen, liegt beim Bundling und Unbundling (auch Stripping/Replicating) der Fokus auf der Gestaltung der eigentlichen Produktcharakteristik (Financial Engineering). Diesen Prozessen liegt das Verständnis von Finanzinstrumenten und -geschäften als zu rekonstruierendes Bündel von isolierbaren Einzelpositionen/-kontrakten zugrunde. Für die Bewertung wird das Kontraktbündel in Bestandteile aufgegliedert, die einzeln am Markt gehandelt werden (Mark to Market) oder über anerkannte Preismodelle bewertbar sind (Mark to Model); aus der Summe der Einzelwerte ergibt sich der Preis des Bündels. Im Hinblick auf die (latenten) Bedürfnissen und Möglichkeiten der Marktteilnehmer lassen sich nunmehr nach dem Baukastenprinzip Finanzinstrumente grundsätzlich beliebig in einzelne Zahlungsströme, Risikopositionen und Zusatzrechte zerlegen oder kombinieren.
Das Market Making stellt eine Innovation dar, die auf die Liquidität des Handels abstellt und insbesondere in Märkten mit geringen Umsätzen einen fortlaufenden Handel ermöglichen. Dabei greifen die Marktbetreiber oder für einen funktionierenden Handel Verantwortlichen auf so genannte Liquiditätsanbieter (Market Maker) zurück, die sich verpflichten, jederzeit verbindliche Preise für den An- und Verkauf zu stellen und dadurch Handel zu ermöglichen. Sie werden in Abhängigkeit des Umfangs der Ihnen zugewiesenen Aufgaben teilweise auch als Designated Sponsors oder als Market Experts bezeichnet.
Weiterhin sind stärker technologisch geprägte Prozessinnovationen zu nennen, die im Besonderen von Entwicklungen im Bereich der elektronischen Datenübertragung und -verarbeitung angestoßen und getragen werden. Geldausgabeautomaten, Point-of-Sale-Terminals und WAP-Brokerage bezeichnen Finanzinnovationen, die die Informationsbeschaffung und Abwicklung finanzieller Transaktionen privater Haushalte betreffen. Das Electronic Banking in seinen Ausprägungen des Home Banking und Mobile Banking findet weite Verbreitung. Dass Geschäfte zunehmend über das Internet angebahnt und abgeschlossen werden, hat die Möglichkeiten des Zahlungsverkehrs erweitert. Dabei haben sich verschiedene Formen elektronischer Zahlungsmittel (E-Cash) herausgebildet, denen aber gegenwärtig noch vielfach mit dem Hinweis auf Sicherheitsmängel mit Skepsis begegnet wird und die darüber hinaus Fragen der Finanzaufsicht aufwerfen (Bankenaufsicht), insofern sie alternative Geldeinheiten (Netzgeld) schaffen. Als zukunftsfähig gelten Vorauszahlungsarten (Prepaid-Systeme), die verstärkt zur Bezahlung mobiler Dienste und zur Begleichung von Rechnungen über Kleinstbeträge im Internet Verwendung finden.
Für Unternehmen werden seit Beginn der 1980er-Jahre von international tätigen Banken Cash-Management-Systeme angeboten. Sie stellen neue EDV-gestützte Formen der Kommunikation zwischen Banken und Unternehmen dar, mit denen Daten zur Steuerung der täglichen Kassendisposition der Unternehmen ausgetauscht werden. In diesem Zusammenhang ist auch das Netting zu erwähnen, das zur Reduzierung von Finanzströmen innerhalb von verbundenen Unternehmungen dient, indem Forderungen und Verbindlichkeiten unter den Konzernteilen regelmäßig gegeneinander verrechnet werden. Auf die Einsparung von Kosten des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs und des Währungsumtauschs ist das so genannte Devisen-Netting angelegt. Devisen-Netting bedeutet, dass von einer Konzerneinheit Zahlungen grundsätzlich nur in der eigenen Währung und innerhalb des Landes angewiesen und entgegengenommen werden; alle übrigen Zahlungen werden über andere Konzernmitglieder abgewickelt und über das Cash Management in der jeweiligen eigenen Währung verrechnet.
Zur Datenübertragung und für den Zahlungsverkehr unter den Finanzdienstleistern steht das System der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication SWIFT zur Verfügung. Dieses internationale Datenfernübertragungsnetz bietet vergleichsweise kostengünstig komfortable Möglichkeiten der Kommunikation zwischen den Mitgliedsinstituten, die beleglose Übertragung und Weiterverarbeitung von Unterlagen zu Geschäftsvorfällen und ein hohes Maß an Sicherheit gegen Fälschung, Fehlleitung und Verlust.
Das wachsende Aufkommen an Auslandsüberweisungen - insbesondere auch auf der Retailebene - hat ferner die Dringlichkeit einer Weiterentwicklung der bisherigen vornehmlich national ausgerichteten Zahlungsverkehrssysteme aufgezeigt. Als eine solche Fortentwicklung des Euro-Zahlungsverkehrs gilt beispielsweise die Einführung des SEPA-Verfahrens (Single Euro Payments Area), das den Zahlungsverkehr zukünftig noch stärker vereinheitlichen und effizienter ausgestalten soll.
3. Produktinnovationen
Produktinnovationen lassen sich in originäre und derivative Produktinnovationen sowie innovative Finanzdienstleistungspakete (z.B. Unterstützung bei Emissionen, Portfolio Management, Programmfinanzierungen) unterscheiden. Originäre Finanzproduktinnovationen umfassen alle gegenüber den klassischen Anteils- und Anleihepapieren weiterentwickelten Formen und Instrumente der Eigen- und Fremdfinanzierung und werden auch als Finanzierungsinnovationen bezeichnet. Beispiele für Innovationen der Eigenkapitalfinanzierung sind die wiederentdeckten Genussscheine, Venture-Capital-Finanzierungen (Kapitalbeteiligungsgesellschaften) oder auch American Depositary Receipts ADR und Tracking Stocks.
Die derivativen Produktinnovationen werden auch als Produktinnovationen im engeren Sinne bezeichnet. Sie leiten ihren Wert aus der Entwicklung der ihnen zugrunde liegenden Position (Underlying) – das können originäre oder derivative Finanzkontrakte oder sonstige Güter und Leistungen sein, die einem Preisbildungsprozess unterliegen – ab. Zu ihnen zählen fixe Termingeschäfte und Optionen (Financial Futures; Hedging; Optionsgeschäfte), außerdem Zins- und Währungsswaps (Swapgeschäfte) sowie Zinsbegrenzungsverträge (Caps, Floors und Collars). Vornehmlich noch im Over the Counter (OTC)-Bereich sind so genannte Contracts for Difference CFD angesiedelt. Diese auf Differenzgewinne abstellenden Konstruktionen bilden den Kauf oder Verkauf von Aktien und anderen Vermögenspositionen nach.
Nachfolgend soll insbesondere auf Innovationen im Bereich der (Kredit-)Finanzierung und des Risikotransfers näher eingegangen werden.
III. Innovationen im Bereich der Kreditfinanzierung
Auf den deutschen Kreditmärkten sind die Finanzierungsbeziehungen der Unternehmen nach wie vor durch eine Dominanz der Kredite von Banken geprägt, die ihrerseits über Schuldverschreibungen refinanziert werde. Allerdings ist angesichts sinkender Informations-, Transaktions- und Regulierungskosten und infolge eines verstärkten Wettbewerbs auf mittlere Sicht zu erwarten, dass der aus der klassischen Hausbankbeziehung resultierende komparative Vorteil der Banken bei der Kreditprüfung und -überwachung sowie bei der Risikostreuung schwindet und auch die mittelständischen und kleineren Unternehmen sich häufiger an den Kreditinstituten vorbei direkt am Geld- und Kapitalmarkt finanzieren. Nach dieser Prognose folgt die Entwicklung in Deutschland damit dem Vorbild der internationalen Kreditmärkte. Dort ist der Trend zu Verbriefung und Handelbarmachung von Schuldtiteln und zum Rückzug der Kreditinstitute als unmittelbare Full-Service-Kreditgeber seit längerem sehr deutlich ausgeprägt. Außerdem suchen Kreditgeber vermehrt nach Möglichkeiten, nicht die Forderungspositionen insgesamt, sondern Teile hieraus separat zu managen. Insbesondere geht es darum, Risiken – vor allem die Kreditrisiken, aber auch Zins- und Währungsrisiken – von den zugrunde liegenden Zahlungsströmen zu separieren, handelbar zu machen und funktionstüchtige Märkte für diese Instrumente zu etablieren.
1. Innovationen der kurzfristigen Kredit- und Geldmarktfinanzierung
Mit zunächst großem Erfolg haben sich viele Banken über ihre nationalen Grenzen hinaus im (Gemeinschafts-)Kreditgeschäft (Konsortialkredit) engagiert. Verluste im Zuge der internationalen Verschuldungskrise und sinkende Margen infolge eines verschärften Wettbewerbs um bonitätsmäßig einwandfreie Adressen jedoch haben in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre das Risikobewusstsein der kreditgebenden Banken verändert und (zwangsweise) zu einer vorübergehend starken Zurückhaltung bei der Neugewährung von bilanzwirksamen Krediten geführt. Um den Banken die Möglichkeit zu eröffnen, sich möglichst problemlos von einer (Konsortial-)Finanzierung zurückzuziehen, sind am Eurokreditmarkt die so genannten Transferable Loan Facilities TLF kreiert worden. Es handelt sich dabei um mittelfristige Eurokredite, die in Teilen auf andere Banken übertragbar sind. Bei den Transferable Loan Certificates TLC leitet der Gläubiger seine Rechte aus dem (standardisierten) Vertragsverhältnis ab; der Gläubigerwechsel wird durch Novation unter Mitwirkung aller Vertragsparteien vollzogen. Bei den Transferable Loan Instruments TLI leiten sich die Gläubigerrechte allein aus dem Papier ab, das den Anteil am Konsortialkredit verbrieft; sie sind durch Abtretung leicht übertragbar.
Euronote-Fazilitäten (als Revolving Underwriting Facilities RUF, Note Issuance Facilities NIF, Transferable Revolving Underwriting Facilities TRUF o.Ä. ausgestaltet) verbinden die Eigenschaften eines Konsortialkredits mit denen der Anleihefinanzierung; dabei erfolgt die Beschaffung der Mittel über den Geldmarkt. Durch Einräumung einer Euronote-Fazilität erhält das kreditsuchende Unternehmen das Recht, während der in der Regel fünf- bis siebenjährigen Laufzeit innerhalb des vereinbarten Rahmens Schuldpapiere auf revolvierender Basis zu emittieren. Die als Underwriter fungierenden Banken verpflichten sich, bei Nichtplatzierbarkeit der Papiere diese zu einem Höchstzinssatz selbst zu übernehmen (Back-up-Linie) oder in entsprechender Höhe Kredite zur Verfügung zu stellen (Stand-by-Linie).
Im Unterschied zu Euronotes, die als Underwritten Facilities mit offiziellen Plazierungs- resp. Kreditgarantien eines Bankenkonsortiums versehen sind, weisen Euro Commercial Paper (Euro-CP) keine offizielle Absicherung auf (Non Underwritten Facilities). Sie werden mit einer Laufzeit von meist zwischen ein und neun Monaten als Diskontpapiere vornehmlich von erstklassigen Industrieadressen ausgegeben. Certificates of Deposit CD sind unbesicherte handelbare Einlagenzertifikate, die ausnahmslos von Kreditinstituten vor allem zur kurzfristigen Refinanzierung von Krediten eingesetzt werden. Die Verzinsung orientiert sich an Geldmarktsätzen und liegt meist nur geringfügig über der Verzinsung von staatlichen Schatzwechseln. Neben den festverzinslichen Fixed Rate CD werden auch CD mit variablen Zinssatz, so genannte Floating Rate CD begeben.
In bestimmten Fällen kann es für Unternehmen vorteilhaft sein, Schuldtitel auszugeben, die von der Bonität des Unternehmens unabhängig sind. Beim Asset Backed Financing werden größere Vermögenspositionen der Unternehmung, insbesondere Forderungspakete, in Form eines Treuhandvermögens gepoolt. Die Ansprüche aus diesem Pool werden in kurzlaufenden handelbaren Wertpapieren verbrieft (Asset Backed Securities ABS) und insbesondere an institutionelle Anleger veräußert. Für ABS geeignete Vermögenswerte haben eine durchschnittliche Laufzeit/Kapitalbindung von mehr als einem Jahr und sind als Gesamtportfolio mit geringen, gut kalkulierbaren Ausfallrisiken behaftet. Als Sonderform von sicherungsunterlegten Anleihen haben sich so genannte Collateralized Dept Obligations CDO herausgebildet, die sich wiederum in verbriefte Bankkreditforderungen in Form von Collateralized Loan Obligations CLO und anleiheunterlegte Konstruktionen wie Collaterialized Bond Obligations CBO unterschieden lassen.
Als Käufer der genannten kurz- und mittelfristigen Papiere treten neben Industrieunternehmen mit kurzfristigem Anlagebedarf, Versicherungen und Banken immer häufiger Geldmarktfonds auf. Sie stellen Investmentfonds dar, die speziell kurz laufende Geldmarkttitel halten. Ihren Investoren stellen sie vergleichsweise hohe und sichere Renditen in Aussicht; dabei sind die Anteile grundsätzlich täglich verfügbar.
2. Innovationen der langfristigen Kreditfinanzierung
Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegung ist die einfache Form des langfristigen Kredits nach dem Muster eines Straight Bond. Hierbei handelt es sich um eine klassische in EURO denominierte Festzinsanleihe mit konstantem Zinskupon und endfälliger Tilgung. Innovationen lassen sich dann als Modifikationen dieser Grundform darstellen. Sie ergeben sich beispielsweise durch Änderung der Zinsvereinbarungen, der Einräumung von Sicherungs- und Kündigungsrechten oder durch Modifikation der Rückzahlungsvereinbarung. a) Modifikationen des Zinssatzes
So lassen sich im Rahmen der Zinssatzvariation Anleihen und Schuldverschreibungen ganz ohne laufende Zinszahlungen konstruieren. Solche Zerobonds oder Null-Kupon-Anleihen werden bereits seit 1985 am deutschen Kapitalmarkt gehandelt. Die Zinsen werden kapitalisiert und erst bei Endfälligkeit der Anleihe zusammen mit dem ursprünglich eingesetzten Kapital ausgezahlt. Die Differenz zwischen dem Ausgabepreis und dem Rückzahlungsbetrag stellt den Ausgleich für die nicht gezahlten Zinsen und Zinseszinsen dar. Beim Abzinsungspapier (echter Zerobond) entspricht der Rückzahlungsbetrag dem Nennwert; der Ausgabepreis ergibt sich durch Diskontierung mit der (internen) Emissionsrendite auf den Ausgabezeitpunkt. Beim Zinssammler erfolgen die Ausgabe zu 100% und die Rückzahlung zu einem weit über 100% liegenden Kurs.
Die Kursentwicklung der Zerobonds hängt zunächst von dem allgemeinen Kapitalmarktzins und der Restlaufzeit ab. Dabei sind die Schwankungen deutlich höher als beim Straight. Andererseits existiert für den Investor kein Wiederanlagerisiko, weil die „ Zinsen “ zur Emissionsrendite automatisch wieder angelegt werden. Aufgrund der endfälligen (gestundeten) Zinszahlung übernimmt der Emittent eine hohe Belastung, weswegen an seine Bonität höhere Anforderungen zu stellen sind als an den Emittenten einer Anleihe, die regelmäßig bedient wird.
Dort wo Zerobonds nicht in hinreichendem Umfang in den gewünschten Laufzeiten verfügbar sind, können Zerobond-Zahlungsstrukturen auch nachgebildet werden, etwa durch Kupon-Stripping. Dabei wird aus einer (oder mehreren) Kuponanleihen eine Vielzahl von Zerobonds geschaffen, indem die laufenden Zinszahlungen aus der ursprünglichen Zahlungsreihe herausgelöst und einzeln verbrieft werden. Für jeden Kupon- und Rückzahlungstermin entsteht eine eigene Zerobond-Laufzeitklasse. Seit 1997 besteht nach einer Entscheidung des Bundesministerium für die 10- und 30-jährigen Bundesanleihen die Möglichkeit des Stripping (aus STRIPS für Separate Trading of Registered Interest and Principal of Securities). Die Zins- und Tilgungstermine werden auf wenige Termine im Jahr konzentriert; die Zins-STRIPS mit derselben Fälligkeit werden unter einer Wertpapierkennnummer zusammengefasst und zum selben Kurs gehandelt. Mit dem Stripping soll das Schuldenmanagement des Bundes an internationale Standards angepasst, die Liquidität am Markt für Zerobonds gesteigert und die Informationsgrundlagen für die Preisbildung und Zinsanalyse am Kapitalmarkt durch echte Zerobond-Zinsstrukturkurven verbessert werden.
Floating Rate Notes (FRN) sind variabel verzinsliche handelbare Schuldverschreibungen, bei denen der Zinssatz wie bei den Roll-over-Krediten in regelmäßigen Abständen für Zeiträume von 3 und 6, aber auch 9 oder 12 Monaten an den Marktzins angepasst wird. Als Referenzgröße dient bevorzugt der EURIBOR (European Interbank Offered Rate), der für verschiedene Fristigkeiten aus den Interbankensätzen ermittelt wird, die von ausgesuchten Referenzbanken täglich gemeldet werden. Das Zinsänderungsrisiko von FRN ist auf das Wiederanlagerisiko beschränkt. Die Kurse liegen grundsätzlich nahe bei 100%. FRN erlauben den Emittenten eine langfristige Finanzierung, ohne sich zu fixen Sätzen binden zu müssen.
Neben der ursprünglichen FRN-Konstruktion ist mittlerweile eine Vielzahl von Varianten am deutschen Kapitalmarkt verfügbar. Bei den Reverse Floatern steht der variable Kupon in einer inversen Beziehung zum Marktzins. Die Feststellung des periodischen Zinssatzes erfolgt durch Abzug des Referenzsatzes von einem für die gesamte Laufzeit vereinbarten Höchstzins. Für den Anleger eröffnen inverse Floater die Möglichkeit, von einer erwarteten Zinssenkung zu profitieren. Allerdings sind inverse Floater mit einem hohen Kursänderungsrisiko behaftet. Emittenten bedienen sich dieses Instruments in Erwartung steigender Zinsen oder aber in Kombination mit ursprünglichen Floatern; die Gesamtposition entspricht dann etwa einer traditionellen Festzinsanleihe.
Bei der Gewinnschuldverschreibung GSV handelt es sich um eine Schuldverschreibung, aus der dem Investor neben einem festen Grundzins gewinn- oder dividendenabhängige Zahlungen zustehen (Participating Bond) oder aber lediglich Gewinnansprüche ohne Grundzins abzuleiten sind (Income Bond). Die Zahlungen sind damit variabel, weil abhängig vom jeweiligen Ergebnis der emittierenden Unternehmung. GSV spielen zur Zeit eine untergeordnete Rolle oder sie werden als eine Variante des Genussscheins dargestellt.
Bei den Credit Sensitive Notes CSN wird die Verzinsung nicht vom Gewinn oder der Dividende, sondern vom Rating des Emittenten abhängig gemacht. Der Zinssatz enthält neben einem marktorientierten Basiszins einen Spread für das Bonitätsrisiko. So führt nach vorab festgelegten Regeln ein Upgrading des Emittenten zu einer Verringerung des Aufschlags, während ein Downgrading den Spread tendenziell erhöht. Varianten der CSN ergeben sich danach, ob der Basiszins konstant ist oder in welchen Abständen er ggf. angepasst wird. Weiterhin lassen sich CSN, deren Verzinsung sich nach dem Rating des jeweiligen Emittenten oder der Emission ergeben, von solchen unterscheiden, deren Verzinsung sich in Abhängigkeit vom durchschnittlichen Rating oder von der Ausfallrate genau bestimmter Kreditnehmergruppen ergibt. Zu Absicherungszwecken schließlich bieten sich inverse CSN an, die etwa zur Refinanzierung von Kreditengagements eingesetzt werden. Je höher die Ausfallrate bzw. je schlechter die Bonität des refinanzierten Engagements, desto geringer ist die Verzinsung. Der (in bestimmten Abständen zu adjustierende) Zinssatz ergibt sich danach aus einem Höchstzins abzüglich eines bonitätsabhängigen Abschlags.
Mit der Notwendigkeit, die Kredite stärker im Hinblick auf die Eigenkapitalbelastung zu bewerten, werden auch die Zinssätze im Bankkreditgeschäft stärker als bisher nach dem Rating der Schuldner festgesetzt werden. Die Parallele zu den CSN ist offensichtlich. So könnte die Verbreitung von CSN durch diese Neuregelung der Eigenkapitalunterlegung in der Kreditpolitik forciert werden.
Anleihen, die aufgrund der vergleichsweise geringen Bonität des Emittenten eine überdurchschnittliche Verzinsung bieten, werden auch als High Yield Bonds HYB bezeichnet. Zur Abgrenzung wird regelmäßig auf das Rating abgestellt. Danach gehören Anleihen, die unterhalb des Investment Grade geratet sind oder für die kein Rating vorliegt, zur Klasse der HYB. Eine hohe effektive Verzinsung kann durch einen hohen Kupon oder auch durch einen niedrigen Ausgabekurs erreicht werden. Anleihen, die aufgrund eines hohen Ausfallrisikos mit einem hohen Discount gehandelt werden, sind auch als Junk Bonds bekannt. Diese Bezeichnung stammt aus den USA und wird vorzugsweise für Anleihen verwandt, die zur Finanzierung von Unternehmensübernahmen begeben werden. Als Nachfrager für diese Gruppe von Anleihen werden vor allem Kapitalsammelstellen genannt, die höher rentierliche Anlagen suchen, über Kenntnisse im Bereich des Rating verfügen oder darauf zurückgreifen können und schließlich in ihren Portfolios Risikodiversifikation erreichen können.
Mit zunehmendem Risikogehalt nähern sich die Instrumente der Kreditfinanzierung der Eigenfinanzierung an. Sie erreichen eine „ Zwitterstellung “ zwischen Eigen- und Fremdkapital und werden auch als hybride Finanzierungsinstrumente bzw. Mezzanine bezeichnet. Als solche gelten auch so genannte ewige (fortwährende) Kredite/Anleihen, denen aufgrund ihrer extrem langen Laufzeit ( „ ad infinitum “ ) – oftmals nachrangig gegenüber den übrigen Krediten und mit Kündigungsrecht des Kreditnehmers/Anleiheemittenten ausgestattet – Eigenkapitalcharakter zukommt. b) Vereinbarung von Sicherungs- und Kündigungsrechten
Zum Schutz gegen Kreditrisiken können dem Gläubiger Sicherungsrechte eingeräumt werden. Diese umfassen vor allem die Kreditsicherheiten, also Ansprüche des Kapitalgebers an Sachen bzw. Rechten oder auch gegenüber dritten Personen. Üblicherweise werden Anleihen ausländischer Finanzierungsgesellschaften durch Garantien oder Patronatserklärungen gesichert. Daneben zählen zu den Sicherungsrechten die in den Anleihebedingungen – und immer häufiger auch im Unternehmenskreditgeschäft der Banken – vereinbarten Sicherungsklauseln, mit denen negative Konsequenzen aus möglichen Interessenkonflikten zwischen Schuldner und Gläubigern kostengünstig eingeschränkt werden können. Durch negative Sicherungsklauseln sollen die Emittenten an einem vertragswidrigen Handeln gehindert werden; hierzu zählen Verwendungszweckbeschränkungen, Beschränkungen der Gewinnausschüttung, der späteren Kreditaufnahmen, der Sicherheitenstellung für andere Verbindlichkeiten oder auch Beschränkungen risikobehafteter Vorhaben, wie etwa die Beteiligung an Unternehmenszusammenschlüssen. Positive Sicherungsklauseln beschränken sich im Wesentlichen auf die Bereitstellung von (Jahresabschluss-) Informationen und auf die Einhaltung von Bilanzrelationen.
Es ist nahe liegend, für den Fall, dass gegen Sicherungsklauseln verstoßen wird oder eine nachhaltige Wertminderung der Sicherungsmasse eintritt, Kündigungsrechte für den Anleihegläubiger zu vereinbaren. Regelmäßig enthalten die Anleihebedingungen jedoch außerordentliche Kündigungsrechte nur für den Fall, dass der Anleiheschuldner mit der Zahlung in Verzug geraten ist oder gar ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden ist oder das emittierende Unternehmen von einem anderen Unternehmen übernommen werden soll. Grundsätzlich kann die Einräumung von Kündigungsrechten auch ohne jede Bedingung erfolgen. Das Kündigungsrecht stellt für den Investor eine gekaufte Verkaufsoption (Put) dar, aufgrund der er ab einem bestimmten Zeitpunkt (amerikanische Option) oder zu einem bestimmten Zeitpunkt (europäische Option) die Anleihe zu einem bestimmten Wert (üblicherweise zum Nennwert) vor Fälligkeit an den Emittenten zurückgegeben kann (Puttable Bond). Im Gegenzug muss er eine geringere Verzinsung oder andere Nachteile als Prämie für den Put in Kauf nehmen.
Bei Anleihen mit Schuldnerkündigungsrecht besitzt der Emittent das Recht, die Anleihe vor ihrer Fälligkeit zu kündigen, also vom Investor zurückzukaufen. Hierzu wird er sich insbesondere dann entscheiden, wenn das Zinsniveau gefallen ist. Für den Emittenten stellt das Kündigungsrecht eine Kaufoption (Call) dar, woraus sich die Bezeichnung Callable Bond erklärt.
Mit der Schuldverschreibung kann auch das Recht des Emittenten verbunden sein, dem Inhaber der Anleihe weitere Tranchen zu im Vorhinein vereinbarten Konditionen anzudienen (Schuldenerhöhungsrecht). Der Emittent verkauft eine Anleihe und erwirbt für den Preis eines geringeren Ausgabekurses oder eines höheren Nominalzinssatzes einen Put auf eine neue Anleihe. Entsprechend gibt es Anleihen, die dem Investor das Recht einräumen, weitere Anleihen (oder auch andere Basisgegenstände) zu im Vorhinein bestimmten Konditionen zu beziehen. Sie werden auch als Interest Warrant Bond bezeichnet – zur Abgrenzung von den klassischen (Aktien-)Optionsanleihen (Stock Warrant Bond), die zum Bezug von Aktien des Anleiheschuldners berechtigen. c) Modifikations der Rückzahlungsvereinbarung
Während bei der Optionsanleihe die Anleihekomponente unabhängig von der Ausübung der Optionskomponente Bestand hat und auch getrennt handelbar ist, geht durch Ausübung des Wandlungsrechts bei der Wandelanleihe die Anleihekomponente unter. Es findet (ggf. unter Zuzahlung) eine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital statt.
Grundsätzlich liegt bei Wandelanleihen die Entscheidung über die Wandlung beim Anleihegläubiger. Verzichtet er auf die Umwandlung, erfolgt eine Rückzahlung der Anleihe. Materiell handelt es sich bei der Wandelanleihe um eine Anleihe, die mit einer Kaufoption untrennbar verbunden ist. Einige Wandelanleihen sehen dagegen für den Fall, dass von dem Wandlungsrecht innerhalb der gegebenen Frist nicht Gebrauch gemacht wird, einen Zwangsumtausch vor; die Anleihe wird nicht getilgt, sondern in einem vorher bestimmten Verhältnis in Aktien zurückgezahlt. Schließlich kann auch an Stelle des Zwangsumtausches vereinbart werden, dass der Emittent im Falle der Nichtausübung des Wandlungsrechtes des Anleihegläubigers wählen kann, die Anleihe in bar oder in Aktien zurückzuzahlen.
Immer häufiger kommen Kontrakte zum Einsatz, die dem Emittenten Optionen hinsichtlich der Rückzahlung einräumen. Bei den Share Linked Bonds (Aktienanleihen, Reverse Convertibles) bietet der Emittent ein Schuldpapier an, das mit einem hohen Kupon oder einem hohen Disagio versehen ist und ihm das Wahlrecht einräumt, bei Fälligkeit die Anleihe zum Nominalbetrag in bar oder in Form eines vorher bezeichneten Aktienpaketes zu tilgen. Für den Investor lässt sich das Geschäft durch den Kauf einer hoch rentierlichen Anleihe und den Verkauf eines Put auf das Aktienpaket zum Basispreis in Höhe des Rückzahlungsbetrags der Anleihe nachbilden. Eine vergleichbare Position geht der Investor ein, der so genannte Diskontzertifikate auf Aktien erwirbt, die eine Rückzahlung des ausgelegten Betrages in Höhe des bei Fälligkeit gültigen Preises der Aktienposition vorsehen, solange dieser Preis eine bestimmte Grenze nicht überschreitet.
Ähnlich ist die Währungsoptionsanleihe, eine besondere Variante der Doppelwährungsanleihen, zu bewerten. Hier können – je nach Ausgestaltung – Emittent oder Anleger die Zins- und Rückzahlungswährung aus einem vorgegebenen Währungskatalog und zu vorab spezifizierten Umrechnungskursen wählen. Liegt das Wahlrecht beim Emittenten, kann die Währungsoptionsanleihe mit Ausgabe und Zinszahlung in Heimatwährung durch die Kombination aus einer einfachen Anleihe in Inlandswährung und einer Verkaufsoption auf die Fremdwährung zum Basispreis in Höhe des vereinbarten Umrechnungskurses nachgebildet werden.
Anleihen, bei denen die Höhe der Rückzahlung im Zeitpunkt der Begebung noch nicht feststeht, aber unabhängig von der Entscheidung des Emittenten oder des Investors fest an eine Referenzgröße gekoppelt ist, werden auch als indizierte Anleihen bezeichnet. Als Referenzgröße kommen etwa Währungsparitäten, Goldpreise und auch Aktienindizes in Frage. Mit Aktienindexanleihen (Share Index Linked Bonds) erhält der Investor die Möglichkeit, an der Entwicklung des gesamten Aktienmarktes gemäß den Anleihebedingungen teilzunehmen. Typischerweise werden die Anleihen in zwei Tranchen aufgelegt, deren Rückzahlungskurs mit steigendem Index steigt (Bull-Tranche) bzw. sinkt (Bear-Tranche). Die Bull-Tranche ist für Anleger interessant, die an möglichen Indexsteigerungen partizipieren wollen, aber etwa aus Kostengesichtspunkten keine Direktinvestition vornehmen wollen. Dagegen ist die Bear-Tranche für Investoren geeignet, die auf fallende Indexstände spekulieren oder Long-Positionen absichern wollen.
Für die Zukunft wird verstärkt die Emission von Anleihen erwartet, deren Rückzahlung davon abhängig gemacht wird, wie häufig und in welchem Ausmaß es in einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten Region der Welt zu Katastrophen gekommen ist (Katastrophenanleihen) oder wie das Wetter war (Anzahl der Regentage, Länge der Hitzeperiode).
3. Isolierung und Transfer von Risiken
Durch die hier nur beispielhaft vorgetragenen Modifikationen der Finanzierungskontrakte wird deutlich, dass die Finanzströme nahezu beliebig verändert und Risikoprofile gestaltet werden können. Oft geschieht dies – wie gezeigt – dadurch, dass zu den Basisverträgen zusätzliche Vereinbarungen getroffen werden, die schließlich ein Vertragswerk mit den gewünschten Risikomerkmalen ergeben. Oder aber es werden Bausteine aus vorgegebenen Vertragswerken isoliert und als Risiken separat gehandelt.
Zins- und Währungsrisiken werden dabei vermehrt über Swap-Konstruktionen eingegrenzt oder weitergeben. Durch Zins- oder Währungswaps werden komparative Vorteile der Swappartner auf unterschiedlichen Finanzmarktsegmenten zum gemeinsamen Vorteil ausgenutzt (Kredit- und Kapitalmarktarbitrage). Im Grunde ermöglichen Swaps den Anleiheschuldnern, im Rahmen des Basisgeschäftes ihre Mittel währungs- und zinsmäßig nicht mehr im Hinblick auf die spätere Verwendung, sondern ausschließlich nach Kostengesichtspunkten auszurichten. Beispielsweise lässt sich eine Floating Rate Note-Position durch Kombination einer festverzinslichen Anleihe mit einem Zinsswap fix/variabel synthetisch nachbilden. Die Darstellung einer Kuponanleiheposition ist entsprechend durch Begebung einer FRN in Verbindung mit einem Zinsswap variabel/fix möglich.
Ferner können Zins- und Währungsrisiken über den Einsatz von Optionen und anderen Termingeschäften begegnet werden.
Über einen Zinscap kann der Schuldner erreichen, dass die Verzinsung eines variabel verzinslichen Kredits nicht über einen vereinbarten Prozentsatz steigt. Eine solche Zinsobergrenze stellt ein Paket von europäischen Optionen dar, fällig zu den jeweiligen Zinsanpassungsterminen. Entsprechend verkauft der Schuldner mit der Vereinbarung von Zinsuntergrenzen (Zinsfloor) an den Anleger ein Paket europäischer Optionen auf einen Mindestzins. Bei der Kombination von Cap und Floor spricht man auch von einem Zinscollar, der einen Korridor zwischen Mindest- und Höchstzins darstellt. Die Trennung und Verbriefung derartiger Zinsgrenzen waren der Anstoß für die Entstehung eines neuen Marktes für Zinscaps und Zinsfloors, der sich unabhängig von seinen Ursprüngen weiterentwickelt. Mittlerweile sind Kontrakte in allen gängigen Laufzeiten verfügbar, wenn auch noch mit relativ weit gespannten Geld- und Briefkursen. Zur Absicherung gegen unerwünschte Zinsentwicklungen oder aber auch zur Gestaltung ganz bestimmter Zinsrisikoprofile kommen in zunehmendem Maße auch einfache Zinsoptionen und Zinsfutures zum Einsatz, die unabhängig von einzelnen Anleihen am Markt verfügbar sind.
Speziell zur Inflationsabsicherung stehen ferner zunehmend inflationsindexierte Produkte zur Verfügung, die vorwiegend in zwei Varianten vorzufinden sind. Bei der ersten erfolgt der Ausgleich des durch die Inflation verursachten Kaufkraftverlusts dadurch, dass der Nennwert der Anleihe korrigiert wird, bei der zweiten Variante wird neben einem vereinbarten Festzinssatz jährlich eine zusätzliche Ausschüttungen in Höhe der eingetretenen Geldentwertung gezahlt. In beiden Fällen schwankt die Nominalverzinsung in Abhängigkeit von der Geldentwertung, die Realverzinsung jedoch ist gesichert. Es besteht aber auch die Möglichkeit, diese Differenzzahlungen zu isolieren und separat zu handeln. In dem Wert des Kontraktes spiegeln sich dann die Inflationserwartung und das Inflationsrisiko über die Restlaufzeit des Grundgeschäfts wider.
Vor allem in Wirtschaftphasen die durch immer neue Höchststände an Unternehmensinsolvenzen gekennzeichnet sind, ist die Weitergabe von Kreditrisiken für die Kreditinstitute (u.a. im Hinblick auf eine Eigenkapitalentlastung und ggf. realisierbare Diversifikationseffekte) immer wichtiger geworden. Dazu stehen insbesondere Kreditderivate zur Verfügung. Der etwaige Zahlungsstrom eines Kreditderivats ist mit dem Kreditrisiko eines Referenzaktivums als Basiswert (Underlying bzw. Reference Asset) verknüpft. Dafür haben sich im Wesentlichen vier Grundformen herausgebildet. Es handelt sich dabei um Credit Default Produkte, Credit Spread Produkte, Total Return Produkte und Credit Linked Notes. Charakteristisch für Credit Default Produkte ist die starke Ähnlichkeit zu Versicherungskonstrukten, so dass in diesem Falle der Risikoverkäufer eine Art Versicherungsprämie als Gegenleistung an den Risikokäufer zu entrichten hat, der wiederum im Falle eines genau zu spezifizierenden (negativen) Kreditereignisses eine Ausgleichzahlung an den Risikoverkäufer vorzunehmen hat. Je nach Ausgestaltung der Zahlungsweise lassen sich Credit Default Options oder Swaps unterscheiden. Credit Spread Produkte zielen hingegen im Wesentlichen auf die Weitergabe des Risikos einer Bonitätsverschlechterung ab, welche sich beispielsweise bei Anleihen in einem veränderten Risikoaufschlag (Spread) ausdrückt. Dem Risikoverkäufer wird beispielsweise das Recht (Option) eingeräumt, im Falle von Veränderungen dieses Spreads eine Ausgleichzahlung zu verlangen, um die negativen Folgen des schlagend gewordenen Risikos mehr oder minder vollständig zu kompensieren. Mit Hilfe von Total Return Produkten können auch weiterreichende Risikokomponenten, die neben der rein bonitätsinduzierten Wertänderung auch das Zinsrisiko umfassen, abgesichert werden. Credit Linked Notes CLN werden aus einer „ normalen “ Anleihe und einem Kreditderivat zusammengesetzt, sodass bei Eintritt eines vereinbarten Kreditereignisses eine Ausgleichszahlung erfolgt. Andere Wertänderungen, die nicht auf das Kreditereignis zurückzuführen sind, bleiben unberücksichtigt. Dabei lassen sich je nach Kombination und Ausgestaltung der CLN beispielsweise als Credit Spread Linked Note, Credit Default Linked Note oder Total Return Linked Note bezeichnen.
IV. Ausblick
Gerade im Bereich der Finanzmärkte ist nichts beständiger als der Wandel selbst. So werden auch in Zukunft Produkt- und Organisationsinnovationen die Antworten auf Veränderungen im weltwirtschaftlichen, politischen, rechtlichen und sozialen Umfeld und auf veränderte Präferenzen der Marktteilnehmer sein. Im Zuge technologischen Fortschritts und wissenschaftlicher Erkenntnisse werden das Un- und Rebundling sowie die Verbriefung und Handelbarmachung von Rechten und Pflichten aus Finanzkontrakten die Allokation knapper Mittel verbessern. Dabei wird es insbesondere um die Entwicklung innovativer Lösungen zur Separierung, Bewertung und Übertragung von Risiken gehen.
Literatur:
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